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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 13.01.2006
Aktenzeichen: 10 Sa 525/05
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 626 Abs. 1 |
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 10 Sa 525/05
Verkündet am: 13.01.2006
In dem Rechtsstreit
hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Moeller sowie die ehrenamtlichen Richter Werner Högele und Alois Gell für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 06.04.2005 (Az.: 31 Ca 20092/04) abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.11.2004 beendet wurde.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Parteien besteht Streit über die Wirksamkeit einer Kündigung, die die Beklagte am 25.11.2004 außerordentlich, hilfsweise zum 31.12.2004 ausgesprochen hat.
Der 1964 geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltspflichtige Kläger ist seit 13.01.2003 bei der Beklagten als Steward beschäftigt. Er erzielte dabei zuletzt einen monatlichen Bruttoverdienst von ca. EUR 1.750,--.
Aufgabe des Klägers ist es im Rahmen des Bord-Service in den Fernzügen der Beklagten Waren, vor allem Getränke, an die Reisenden zu verkaufen. Darüber bestehen bei der Beklagten Richtlinien über Bonierungs-, Inkasso- und Abrechnungsvorschriften für den Bereich Bord-Service (Bl. 33 bis 34 d. A.). Am 18.05.1004 bestätigte der Kläger u. a. den Erhalt dieser Vorschriften. In der Empfangsbestätigung (Bl. 35 d. A.) heißt es dabei weiter:
Ich wurde eindringlich darauf hingewiesen, dass die strikte Beachtung dieser Unterlagen Teil der arbeitsvertraglichen Pflichten ist.
Stellen wir Verstöße gegen diese Vorschriften fest, gefährden Sie Ihren Arbeitsplatz und müssen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Am 11.11.2004 verrichtete der Kläger seinen Dienst im IC . Bei dieser Tätigkeit wurde der Kläger von zwei Mitarbeitern der Revision der Beklagten beobachtet, von denen auch Testkäufe durchgeführt wurden. Über das Ergebnis ihrer Beobachtungen erstellten die Mitarbeiter zwei Protokolle (Bl. 19 bis 20 d. A. und Bl. 21 d. A.).
Nachdem der Beklagten am 12.11.2004 die Protokolle vorlagen, fand am 15.11.2004 ein Gespräch mit dem Kläger statt.
Mit Schreiben vom 25.11.2004 (Bl. 4 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2004.
Dagegen hat der Kläger mit einem am 15.12.2004 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben.
Er hat vorgetragen, die Kündigung sei unwirksam. Dazu sei bereits der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß gehört worden. Diesem seien nicht sämtliche Unterlagen vorgelegt worden. Auch habe die Beklagte die Ausschlussfrist für die Erklärung der Kündigung nicht eingehalten. Jedenfalls fehle es an einem Kündigungsgrund. Der Kläger habe alle von ihm durchgeführten Verkäufe an Reisende ordnungsgemäß boniert. Neben dem Kläger habe auch der Zugchef Fahrgäste mit Getränken versorgt. Diese seien im Bonbuch vom Zugchef zu notieren und nicht zu bonieren. Aufgabe des Klägers sei es, nach Erhalt des Bonbuches die vom Zugchef verkauften Waren in die Kasse einzugeben. Dies sei wegen des großen Andrangs nicht sofort möglich gewesen. Es wäre Aufgabe der Revision gewesen, auch das Bonbuch des Zugchefs zu kontrollieren. Die Beobachtungen der Revision seien auch nicht richtig. Bei dem Gespräch am 15.11.2004 seien dem Kläger keinerlei Unterlagen vorgelegt worden. Es seien ihm auch keine Tatsachen über ein behauptetes Fehlverhalten mitgeteilt worden, so dass er von einer Manipulation habe ausgehen müssen.
Der Kläger hat beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.11.2004 beendet wird.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.
3. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) und/oder zu 2) wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Steward weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die Kündigung sei bereits als außerordentliche Kündigung wirksam. Der Betriebsrat sei zu dieser am 22.11.2004 schriftlich angehört worden (Bl. 23 bis 25 d. A.) und habe dagegen am 24.11.2004 schriftlich Bedenken erhoben (Bl. 29 bis 32 d. A.). Die Kündigung sei gerechtfertigt, weil der Kläger einen Bonierungs- und Inkassoverstoß begangen habe. Die Revision habe bei der Beobachtung am 11.11.2004 festgestellt, dass der Kläger 3 Portionen Kaffee nicht boniert, aber herausgegeben und kassiert habe. Dabei handele es sich um die Positionen 5 und 12 aus dem Kassenspiegel (Bl. 15 bis 16 d. A.). Als der Kläger von dem Revisor auf den Kassenverstoß angesprochen worden sei, habe dieser angegeben, dass er alles boniert habe, den Gästen aber nicht immer eine Rechnung vorgelegt worden sei. Nach Punkt 3 der Bonierungs-, Inkasso- und Abrechnungsvorschriften für den Bereich Bordservice sei aber jeder Verkauf und jede Ausgabe von Waren zu registrieren. Für die Beklagte bestehe daher der Verdacht, dass ihr der Kläger einen Vermögensschaden von EUR 7,80 zugefügt habe. Er habe auf jeden Fall wissentlich gegen Bonierungsvorschriften verstoßen. Dagegen habe der Kläger bei dem Gespräch vom 15.11.2004 behauptet, die Testkäufer hätten manipuliert.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.
Gegen das dem Kläger am 21.04.2005 zugestellte Urteil hat dieser mit einem am 20.05.2005 bei dem Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen lassen und sein Rechtsmittel mit einem am 21.07.2005 innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger trägt vor, die Kündigung sei unwirksam. Der Betriebsrat sei dazu nicht ordnungsgemäß gehört worden weil diesem nicht alle Unterlagen vorgelegt worden seien und er auch zu einer Tatkündigung gehört worden sei. Jedenfalls sei die Kündigung mangels Vorliegen eines Grundes unwirksam. Der Revisionsbericht belege schon keine Tat des Klägers. Auch das Protokoll des Assistenten gebe das nicht her. Schließlich seien auch Kaffeeverkäufe durch den Zugchef erfolgt, die von der Inspektion nicht berücksichtigt worden seien. Im Übrigen wäre auch ein Versehen des Klägers nicht auszuschließen. Gerade weil viel Betrieb geherrscht habe, könne der Boniervorgang auch aus Unachtsamkeit unterblieben sein.
Der Kläger beantragt:
1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 06. April 2005 (Az.: 31 Ca 20092/04) wird abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.11.2004 beendet worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, die Kündigung sei wirksam. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß gehört worden. Die Kündigung sei gerechtfertigt. Gegen den Kläger bestehe der Verdacht einer Unterschlagung oder Untreue. Jedenfalls habe sich der Kläger durch seinen schwerwiegenden Vertragsverstoß als illoyal erwiesen.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 12.07.2005 (Bl. 67 bis 72 d. A.), der Beklagten vom 10.08.2005 (Bl. 74 bis 80 d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 16.11.2005 (Bl. 88 bis 91 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Klägers ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig.
II.
Die Berufung des Klägers ist auch begründet.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist die Kündigung der Beklagten vom 25.11.2004 sowohl als außerordentliche wie als ordentliche Kündigung unwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Dabei kann offen bleiben, ob der Betriebsrat zur Kündigung ordnungsgemäß gehört wurde (§ 102 Abs. 1 BetrVG), obwohl dies bereits deshalb zweifelhaft erscheint, weil sich in der Anhörung der Beklagten vom 22.11.2004 (Bl. 23 bis 25 d. A.) nirgends der Vorwurf einer Straftat oder auch nur der Verdacht einer solchen findet sondern allein von einem Verstoß gegen Kassen- und Bonusvorschriften die Rede ist. Für die Kündigung vom 25.11.2004 fehlt es aber jedenfalls an einem Grund (§§ 626 Abs. 1 BGB, 1 Abs. 2 KSchG).
1. Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus einem wichtigen Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die Annnahme eines wichtigen Grundes hängt in der Regel wesentlich davon ab, wie lange das Arbeitsverhältnis, wäre statt fristlos ordentlich gekündigt worden, bestanden hätte und welche praktischen Schwierigkeiten in diesem Fall zu erwarten gewesen wären (vgl. BAG AP Nr. 5 zu § 626 BGB; BAG AP Nr. 7 zu § 75 HGB). Dabei sind die Interessen des Kündigenden, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung zu lösen und diejenigen des anderen Teils, es ordentlich zu beenden, gegeneinander abzuwägen (vgl. BAG AP Nr. 16 zu § 626 BGB). An das Vorliegen eines wichtigen Grundes sind strenge Anforderungen zu stellen. Denn die außerordentliche Kündigung ist nur zulässig, wenn sie das unausweichlich letzte Mittel ist, um das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden (vgl. BAG AP Nr. 70 zu § 626 BGB). Sie greift nur bei besonders schwerwiegenden Gründen durch (vgl. BAG AP Nr. 15 und Nr. 70 zu § 626 BGB) und kommt erst dann in Betracht, wenn alle anderen, nach den jeweiligen Umständen möglichen und angemessenen milderen Mittel erschöpft sind, das in der bisherigen Form nicht mehr haltbare Arbeitsverhältnis fortzusetzen (vgl. BAG AP Nr. 70 zu § 626 BGB).
2. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, ist zu prüfen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Kündigenden noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG AP Nr. 101 zu § 626 BGB). Derjenige, der die außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat, ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände des wichtigen Grundes (vgl. BAG EzA Nr. 109 zu § 626 BGB n. F.; BGH DB 2002, 2640). Der Kündigende muss daher in vollem Umfang auch die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung darlegen und unter Beweis stellen (vgl. BAG EzA Nr. 88 zu § 626 BGB n. F.).
3. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist eine Kündigung des Klägers nicht gerechtfertigt. Selbst bei Zugrundelegung des Sachvortrags der Beklagten ergibt sich daraus kein Grund für eine außerordentliche Kündigung. Denn auch wenn davon auszugehen ist, dass der Kläger am 11.11.2004 3 Portionen Kaffee herausgegeben und kassiert, aber nicht boniert hat, stellt dies keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Die Beklagte will aus diesem Verhalten des Klägers herleiten, dass sich daraus zumindest der Verdacht einer Straftat gegen den Kläger ergebe. Diese Auffassung teilt die Kammer nicht. Ein derartiger Verdacht ist durch nichts gerechtfertigt.
a) Zwar kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung sondern schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren oder sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigen Arbeitnehmer darstellen. Eine Verdachtskündigung liegt dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber eine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines nicht erwiesenen strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der im Tatvorwurf nicht enthalten ist. Bei der Tatkündigung ist für den Kündigungsentschluss maßgebend, dass der Arbeitnehmer nach der Überzeugung des Arbeitgebers die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und dem Arbeitgeber aus diesem Grund die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (vgl. BAG vom 06.12.2001 - AP Nr. 36 zu § 626 BGB "Verdacht strafbarer Handlung"; BAG vom 05.04.2001 - AP Nr. 34 zu § 626 BGB "Verdacht strafbarer Handlung"; BAG vom 18.11.1999 - AP Nr. 32 zu § 626 BGB "Verdacht strafbarer Handlung"). Der gegen den Arbeitnehmer gerichtete dringende Verdacht eines Eigentums- oder Vermögensdelikts zum Nachteil des Arbeitgebers ist geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Als erschwerend ist dabei zu werten, wenn die Straftat mit der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Arbeitnehmers zusammenhängt, der Arbeitnehmer eine sich aus dem Arbeitsvertrag ergebende Obhutspflicht verletzt und das Delikt innerhalb seines konkreten Aufgabenbereichs bei Gelegenheit der Arbeitsleistung verübt (vgl. BAG vom 27.03.2003 - NZA 2003, 1193).
b) Eine derartige Verdachtskündigung scheitert hier daran, dass es für einen Tatvorwurf eines Vermögensdelikts an einem ausreichenden Verdacht gegen den Kläger fehlt. Denn der Verdacht eines Vermögensdelikts würde jedenfalls voraussetzen, dass irgendwelche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger zumindest versucht hätte, die von den Kunden eingenommenen Geldbeträge sich selbst anzueignen und dadurch die Beklagte zu schädigen. Davon kann hier keine Rede sein. Es ist unstreitig, dass der Kläger das Geld von den Kunden kassiert und dem Behältnis zugeführt hat, in dem alle kassierten Kundengelder vereinnahmt werden. Wollte die Beklagte dem Kläger zum Vorwurf machen, er habe sich das Geld der nicht bonierten Waren aneignen wollen, hätte dafür erst ein Anhaltspunkt vorgelegen, wenn bei einem späteren Kassensturz diese Beträge ganz oder teilweise in der Kasse gefehlt hätten und/oder der Kläger bereits vorher dabei beobachtet worden wäre, eingenommenes Geld persönlich an sich zu bringen.
c) Fehlt es daran, kann selbst nach dem Sachvortrag der Beklagten nur davon ausgegangen werden, dass es der Kläger unterlassen hat, die 3 Portionen Kaffe zu bonieren. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Verdacht eines Eigentumsdelikts gegen den Kläger. Denn ein für eine außerordentliche Kündigung relevanter Verdacht muss nicht nur objektiv begründet sein sondern eine so große Wahrscheinlichkeit dafür beinhalten, dass der Arbeitnehmer eine Straftat oder Pflichtverletzung begangen hat, dass sie nur knapp unter der Schwelle der Gewissheit liegt (vgl. LAG Köln ARST 2000, 161; LAG Hamm NZA - RR 2001, 635). Ein nur vager Verdacht (vgl. LAG Niedersachsen NZA-RR 1998, 259) oder bloße auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigung des Arbeitgebers reichen zur Rechtfertigung eines dringenden Verdachts nicht (vgl. BAG vom 10.02.2005 - NZA 2005, 1056). Vielmehr müssen objektiv festgestellte Tatsachen den Verdacht begründen um gerade diese Tatsachen das Vertrauen in den Vertragspartner zu stören (vgl. BAG vom 26.09.2002 - AP Nr. 37 zu § 626 BGB "Verdacht strafbarer Handlung"; Enderlein RdA 2000, 325) und die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Die subjektive Wertung des Arbeitgebers ist unmaßgeblich (vgl. LAG Schleswig-Holstein NZA-RR 2005, 132). An derartigen Tatsachen fehlt es. Aus einem bloßen Verstoß des Klägers gegen Bonierungsvorschriften kann nicht geschlossen werden, der Kläger habe sich das eingenommene Geld aneignen wollen. Dabei handelt es sich um eine reine Vermutung der Beklagten.
4. Kann demnach dem Kläger objektiv allein nur der Vorwurf gemacht werden, er habe gegen die Kassenvorschriften verstoßen, vermag dies weder eine außerordentliche Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) noch eine ordentliche Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) zu rechtfertigen. Denn auch wenn insoweit der Sachvortrag der Beklagten zutrifft, ist dem Kläger dann eine Pflichtverletzung im Leistungsbereich seines Arbeitsverhältnisses vorzuwerfen. Ob ein derartiges Fehlverhalten des Klägers überhaupt eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann, kann offen bleiben. Jedenfalls wäre für eine solche Kündigung genauso wie für eine ordentliche Kündigung Voraussetzung, dass der Kläger bereits erfolglos wegen einer Pflichtverletzung durch die Beklagte abgemahnt worden ist (vgl. BGH MDR 2004, 737; BAG vom 04.06.1997 - 2 AZR 526/96; LAG Nürnberg LAG-Report 2005, 176; KR-Fischermeier 7. Aufl. § 626 BGB Rn. 259 m. w. N.). Dies ist insbesondere auch bei einem Verstoß gegen Kassenvorschriften anzunehmen (vgl. LAG Sachsen-Anhalt BB 1999, 1713). Dass sich der Kläger bereits vor dem 11.11.2004 eine Pflichtverletzung zu schulden hat kommen lassen, für die er abgemahnt worden ist, ist aber weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich.
III.
Nach alledem war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 25.11.2004 nicht aufgelöst wurde.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus dem § 91 Abs. 1 ZPO.
Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen nach § 72 a ArbGG die Beklagte hingewiesen wird, zulassen sollte.
Ende der Entscheidung
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