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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 10 Sa 874/08
Rechtsgebiete: TV-Ärzte/VKA, TVÜ-Ärzte/VKA


Vorschriften:

TV-Ärzte/VKA § 16
TV-Ärzte/VKA § 19
TVÜ-Ärzte/VKA § 6 Abs. 2
1. Für die Berechnung der 3-jährigen oberärztlichen Tätigkeit als Voraussetzung für die Erfüllung der Stufe 2 der Entgeltgruppe III gem. § 19 Abs. 1 c TV-Ärzte/VKA können nur Zeiten nach Inkrafttreten des TV-Ärzte/VKA herangezogen werden.

2. § 19 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA sieht keine Anrechnung von Vordienstzeiten für die Entgeltgruppe III des § 16 c TV-Ärzte/VKA vor.

3. Eine ausdrückliche Übertragung der medizinischen Verantwortung durch den Arbeitgeber gemäß Protokollerklärung zu § 16 c TV-Ärzte/VKA liegt nur vor, wenn eine entsprechende Anordnung mit ausdrücklicher Zustimmung der für Personalangelegenheiten zuständigen Stelle erfolgt ist.


Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

10 Sa 874/08

Verkündet am: 18.02.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Februar 2009 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts Moeller und die ehrenamtlichen Richter Abbold und Gerstandl

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 05.08.2008 (Az.: 34 Ca 16919/07) abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers nach den tarifvertraglichen Regelungen für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern.

Der 1947 geborene Kläger ist seit 01.02.1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Oberarzt beschäftigt. Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist ein zwischen ihnen am 17.12.1985 geschlossener Arbeitsvertrag (Bl. 6 d. A.), nach dem der Kläger in die Vergütungsgruppe I b BAT eingereiht wurde. Im Arbeitsvertrag ist dabei u. a. folgendes bestimmt:

§ 2

Das Arbeitsverhältnis regelt sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT), insbesondere nach den Sonderregelungen für Ärzte und Zahnärzte in Anlage 2 c, bei Aushilfs- bzw. Zeitangestellten nach den Sonderregelungen in Anlage 2 y sowie nach den sonstigen einschlägigen Tarifverträgen und den für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst jeweils geltenden Bestimmungen. Künftige Änderungen des BAT oder ein an seine Stelle tretender Tarifvertrag sowie die sonstigen tarifvertraglichen Vereinbarungen gelten vom Tage des Inkrafttretens an auch für das vorstehend bezeichnete Arbeitsverhältnis.

Der Kläger war vom Beginn einer Tätigkeit an im Teilbereich Neuroradiologie der Abteilung Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin im Klinikum B. beschäftigt. Er verfügt über die Weiterbildungsberechtigung im Bereich Neuroradiologie und ist Mitglied im Prüfungsausschuss der Bayerischen Landesärztekammer.

Der Kläger ist Mitglied des Marburger Bundes Bayern, die Beklagte Mitglied der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände. Zum 01.08.2006 sind der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (im Folgenden: TV-Ärzte/VKA) vom 17.08.2006 sowie der Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern in den TV-Ärzte/VKA und zur Regelung des Übergangsrechts vom 17.08.2006 (im Folgenden: TVÜ-Ärzte/VKA) in Kraft getreten.

In einem vom Direktor des Klinikums unterzeichneten Schreiben vom 13.06.2007 (Bl. 155 bis 156 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ihm hiermit die medizinische Verantwortung für den selbständigen Funktions-/Teilbereich Neuroradiologie in der Abteilung Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Nuklearmedizin im Klinikum B. übertragen werde.

Mit einem weiteren Schreiben vom gleichen Tag (Bl. 11 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er mit Wirkung vom 01.08.2006 in die Entgeltgruppe III Stufe 1 TV-Ärzte/VKA höhergruppiert werde.

Durch Schreiben vom 14.07.2007 (Bl. 12 d. A.) widersprach der Kläger dieser Eingruppierung und verlangte die Eingruppierung in Stufe 2 der Entgeltgruppe III. Dies ließ die Beklagte mit Schreiben vom 05.09.2007 (Bl. 13 d. A.) ablehnen.

Der Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der Stufe 2 der Entgeltsgruppe III beträgt € 350,00 brutto monatlich.

Der Kläger hat vorgetragen, ihm stehe seit 01.08.2006 Vergütung gemäß der Stufe 2 der Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA zu. Denn er sei bereits vom Beginn seiner Beschäftigung an als Oberarzt tätig gewesen. Dabei habe er von Beginn an auch den Teilbereich Neuroradiologie in der Abteilung für Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin verantwortlich betreut, wie sich aus Bestätigungen der Chefärzte Prof. Dr. I. vom 30.08.2006 (Bl. 7 d. A.) und Prof. Dr. H. vom 21.08.2007 (Bl. 8 d. A.) ergebe. Daher habe bereits weit vor dem 01.08.2006 eine ausdrückliche Übertragung der medizinischen Verantwortung für den Bereich Neuroradiologie vorgelegen. Die medizinische Verantwortung habe er bereits seit 1986 übertragen bekommen. Dazu müsse sich die Beklagte das Handeln ihrer Chefärzte über Duldungsvollmacht zurechnen lassen. Zumindest wäre es missbräuchlich, wenn die Beklagte sich jetzt auf eine fehlende Übertragung der Tätigkeit berufe. Die Beklagte verstoße zudem gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, nach dem am Klinikum H. vergleichbare Oberärzte nach Stufe 2 vergütet werden.

Der Kläger hat beantragt:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 01.08.2006 Vergütung nach der Vergütungsgruppe III Stufe 2 (Oberärztin/ Oberarzt) gemäß § 16 c des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, bei der Einstellung des Klägers mit der Bezeichnung Oberarzt habe es sich lediglich um die Führung eines Titels und nicht um die Übertragung eines Tätigkeitsmerkmals gehandelt. Aus den vorgelegten Schreiben der Chefärzte ergebe sich nicht, dass dem Kläger die medizinische Verantwortung für den Bereich Neuroradiologie übertragen war. Eine ausdrückliche Übertragung sei erst durch das Schreiben vom 13.06.2007 mit Wirkung zum 01.08.2006 erfolgt. Damit stehe dem Kläger zwar ab 01.08.2006 Vergütung gemäß der Entgeltgruppe III aber nicht der Stufe 2 zu. Eine Anrechnung früherer Zeiten sehe der Tarifvertrag ohnehin nicht vor. Im Übrigen fehle es für die Zeit vor dem 01.08.2006 an einer ausdrücklichen Übertragung der medizinischen Verantwortung durch das zuständige Organ des Arbeitgebers. Die Dispositionen von Vorgesetzten reiche dafür nicht.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben weil eine Eingruppierung in Stufe 2 lediglich eine dreijährige oberärztliche Tätigkeit erfordere, die der Kläger bereits vor dem 01.08.2006 erbracht habe. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 01.09.2008 zugestellte Urteil hat diese mit einem am 15.09.2008 bei dem Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen lassen und ihr Rechtsmittel durch einen am 30.10.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte trägt vor, vor dem 01.08.2006 habe die medizinische Verantwortung für die Neuroradiologie bei dem Chefarzt gelegen. Erst nach Inkrafttreten des neuen Tarifvertrags vom 01.08.2006 habe eine Übertragung auf den Kläger stattgefunden. Der Tarifvertrag habe erst im Juni 2007 durch die Beklagte umgesetzt werden können. Mit der Rückwirkung zum 01.08.2006 sollte dem Beschäftigten dadurch kein Nachteil entstehen. Mit dem Tarifvertrag sei erstmals eine eigene Entgeltgruppe für Oberärzte geschaffen worden. Der Titel sollte aber dafür nicht relevant sein. Vielmehr seien dafür von den Tarifvertragsparteien vier Voraussetzungen festgelegt worden, die sämtlich erfüllt sein müssten. Unter anderem sei dazu eine ausdrückliche Übertragung der medizinischen Verantwortung durch den Arbeitgeber erforderlich, die vor dem 01.08.2006 gerade nicht vorgelegen habe. Schon deshalb könne eine Eingruppierung in Stufe 2 ab 01.08.2006 nicht in Betracht kommen. Eine Stufenlaufzeit könne vor diesem Zeitpunkt nicht beginnen. Eine Anrechnung von Zeiten vor dem 01.08.2006 sei im Tarifvertrag gerade nicht vorgesehen.

Die Beklagte beantragt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 05.08.2008 (Az.: 34 Ca 16919/07) abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er schließt sich der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts an und trägt vor, für die Erfüllung der Stufen sei gerade keine ausdrückliche Übertragung der oberärztlichen Tätigkeit erforderlich. Eine Anrechnung von Vordienstzeiten müsse auch für die Entgeltgruppe III gelten. Damit erfülle der Kläger bereits zum 01.08.2006 die Voraussetzungen der Stufe 2. Denn seine Tätigkeit habe sich nie geändert. Der Kläger habe seit jeher die medizinische Verantwortung für den Bereich Neuroradiologie innegehabt. Sie sei ihm bereits zum 01.02.1986 mit dem Arbeitsvertrag übertragen worden. Selbst wenn ein Chefarzt hier eigenmächtig gehandelt hätte, müsste die Beklagte sich dies zurechnen lassen.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 30.10.2008 (Bl. 199 bis 208 d. A.), des Klägers vom 02.12.2008 (Bl. 279 bis 297 d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 11.02.2009 (Bl. 360 bis 361 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.

Denn entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts steht dem Kläger ab 01.08.2006 keine Vergütung gemäß der Stufe 2 der Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA zu. Vielmehr kann der Kläger ab diesem Zeitpunkt nur Vergütung der Stufe 1 der Entgeltgruppe III verlangen.

1. Zutreffend geht das Arbeitsgericht allerdings davon aus, dass die Klage zulässig ist.

a) Denn der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, ob seine Tätigkeit der von ihm geltend gemachten Vergütungsgruppe entspricht und ihm deshalb die dieser Vergütungsgruppe entsprechende Vergütung zusteht (§ 256 Abs. 1 ZPO). Insoweit handelt es sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die innerhalb des öffentlichen Dienstes allgemein üblich ist und gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (vgl. BAG vom 16.04.1997 - AP Nr. 225 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG AP Nr. 203 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG AP Nr. 4 zu § 12 AVR Caritasverband). Auch für privatrechtlich verfasste Unternehmen und die Privatwirtschaft ist dies seit langem anerkannt (vgl. BAG vom 20.04.1988 - AP Nr. 93 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Bau"; BAG vom 04.08.1993 - AP Nr. 38 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Einzelhandel"; BAG vom 21.06.2000 - AP Nr. 7 zu § 20 BMT-G II).

b) Der Feststellungsantrag ist dabei auch insoweit zulässig, als er Zinsforderungen zum Gegenstand hat (vgl. BAG vom 10.12.1997 - AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG vom 15.11.1995 - AP Nr. 8 zu § 11 BAT-O; BAG vom 01.03.1995 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Arbeiterwohlfahrt"). Dies ergibt sich daraus, dass die im Verhältnis zur Hauptschuld akzessorische Zinsforderung auch in prozessualer Beziehung das rechtliche Schicksal der Hauptforderung teilen soll (vgl. BAG vom 27.07.1994 - AP Nr. 72 zu § 611 BGB "Abhängigkeit").

c) Zulässig ist die Klage auch, soweit sich der Antrag hinsichtlich der Vergütung auf einen bereits abgelaufenen Zeitraum bezieht, für den der Kläger nicht gehindert wäre, eine entsprechende Leistungsklage zu erheben, was regelmäßig einer Feststellungsklage entgegensteht (vgl. BAG vom 07.12.2005 - AP Nr. 4 zu § 12 TzBfG; BAG vom 18.11.2003 - AP Nr. 162 zu § 112 BetrVG 1972). Handelt es sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, steht deren Zulässigkeit nicht entgegen, dass sich diese auf einen vergangenen Zeitraum erstreckt (vgl. BAG vom 24.11.1993 - AP Nr. 1 zu § 2 BAT-O; BAG vom 20.10.1993 - AP Nr. 173 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Dem Kläger steht zwar ab 01.08.2006 Vergütung gemäß der Entgeltgruppe III des TV-Ärzte/VKA zu. Diese bemisst sich jedoch lediglich nach der Stufe 1 und nicht der Stufe 2.

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Vorschriften der TV-Ärzte/VKA und TVÜ-Ärzte/VKA vom 17.08.2006 Anwendung. Dies erscheint zwar aufgrund der Regelung in § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 17.12.1985 nicht ganz unzweifelhaft weil danach die jeweiligen Regelungen des BAT bzw. die für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst sonst jeweils geltenden Bestimmungen Anwendung finden sollen. Ob die arbeitsvertragliche Verweisung auch die oben genannten Tarifverträge erfasst, kann aber offenbleiben, weil jedenfalls der Kläger Mitglied des Marburger Bundes und die Beklagte Mitglied der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände sind und damit die Regelungen der Tarifverträge aufgrund der Tarifbindung Anwendung finden (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG).

b) Für das Klagebegehren ist daher von folgenden Bestimmungen auszugehen:

TV-Ärzte/VKA

...

ABSCHNITT III

Eingruppierung und Entgelt

§ 15 Allgemeine Eingruppierungsregelungen

(1) Die Eingruppierung der Ärztinnen und Ärzte richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen des § 16. Die Ärztin/Der Arzt erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.

(2) Die Ärztin/Der Arzt ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. ...

Protokollerklärungen zu § 15 Abs. 2

1. Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (. . .), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der Ärztin/des Arztes, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (. . .). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.

...

(3) ...

§ 16 Eingruppierung

Ärztinnen und Ärzte sind wie folgt eingruppiert:

a) Entgeltgruppe I:

Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit.

b) Entgeltgruppe II:

Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit ...

c) Entgeltgruppe III:

Oberärztin/Oberarzt

Protokollerklärung zu Buchst. c:

Oberärztin/Oberarzt ist diejenige Ärztin/derjenige Arzt, der/dem die Medizinische Verantwortung für selbständige Teil- oder FunktionsBereiche der Klinik bzw. Abteilung vom Arbeitgeber ausdrücklich übertragen worden ist.

d) Entgeltgruppe IV:

...

...

§ 18 Tabellenentgelt

(1) Die Ärztin/Der Arzt erhält monatlich ein Tabellenentgelt. Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die sie/er eingruppiert ist, und nach der für die/ihn geltenden Stufe.

...

§ 19 Stufen der Entgelttabelle

(1) Ärztinnen und Ärzte erreichen die jeweils nächste Stufe - in Abhängigkeit von ihrer Leistung gem. § 20 Abs. 2 - nach den Zeiten einer Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit) und zwar in

a) Entgeltgruppe I

Stufe 2: nach einjähriger ärztlicher Tätigkeit Stufe 3: nach zweijähriger ärztlicher Tätigkeit Stufe 4: nach dreieinhalbjähriger ärztlicher Tätigkeit Stufe 5: nach fünfjähriger ärztlicher Tätigkeit,

b) Entgeltgruppe II

Stufe 2: nach dreijähriger fachärztlicher Tätigkeit Stufe 3: nach sechsjähriger fachärztlicher Tätigkeit Stufe 4: nach zehnjähriger fachärztlicher Tätigkeit Stufe 5: nach fünfzehnjähriger fachärztlicher Tätigkeit,

c) Entgeltgruppe III

Stufe 2: nach dreijähriger oberärztlicher Tätigkeit

(2) Bei der Anrechnung von Vorbeschäftigungen werden in der Entgeltgruppe I Zeiten ärztlicher Tätigkeit angerechnet. Eine Tätigkeit als Ärztin/Arzt im Praktikum gilt als ärztliche Tätigkeit. In der Entgeltgruppe II werden Zeiten fachärztlicher Tätigkeit in der Regel angerechnet. Zeiten einer vorhergehenden beruflichen Tätigkeit können angerechnet werden, wenn sie für die vorgesehene Tätigkeit förderlich sind.

...

TVÜ-Ärzte/VKA

...

ABSCHNITT II Überleitungsregelungen

...

§ 6 Stufenzuordnung der Angestellten

(1) ...

(2) Soweit die Ärztin/der Arzt die Voraussetzungen der Entgeltgruppe III oder IV erfüllt, erfolgt zunächst die Zuordnung in die Entgeltgruppe II nach den Regeln der §§ 4 bis 6 und anschließend die Höhergruppierung nach den Regeln des TV-Ärzte/VKA. ...

Der weitere Stufenaufstieg richtet sich nach den Regelungen des TV-Ärzte/VKA.

...

Niederschriftserklärung:

Zu § 6 Abs. 2:

Die Tarifvertragsparteien gehen davon aus, dass Ärzte, die am 31. Juli 2006 die Bezeichnung "Oberärztin/Oberarzt" führen, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberärztin/Oberarzt nach § 16 TV-Ärzte/VKA zu erfüllen, die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen Bezeichnung nicht verlieren. Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe III ist hiermit nicht verbunden.

c) Nach diesen Regelungen hat der Kläger ab 01.08.2006 Anspruch auf Vergütung gemäß der Entgeltgruppe III Stufe 1 des TV-Ärzte/VKA.

aa) Dass dem Kläger ab 01.08.2006 Vergütung gemäß der Entgeltgruppe III zusteht, ist zwischen den Parteien unstreitig. Dem Kläger ist jedenfalls durch das Schreiben der Beklagten vom 13.06.2007 die medizinische Verantwortung für einen selbständigen Teilbereich der Klinik durch die Beklagte ausdrücklich übertragen worden, so dass alle Tätigkeitsmerkmale des § 16 c TV-Ärzte/VKA erfüllt sind. Die Vergütung bemisst sich jedoch ab 01.08.2006 gem. § 19 TV-Ärzte/VKA nach der Stufe 1.

bb) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages erfolgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben Zweifel, können weitere Kriterien wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (vgl. BAG vom 30.09.2004 - AP Nr. 275 zu § 613 a BGB; BAG vom 22.10.2003 - AP Nr. 21 zu § 1 TVG "Rückwirkung"; BAG vom 31.07.2002 - AP Nr. 3 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Wohnungswirtschaft").

cc) Daraus folgt für den Streitfall, dass eine Vergütung gemäß Stufe 2 der Entgeltgruppe III erst nach dreijähriger oberärztlicher Tätigkeit, die ab 01.08.2006 zurückzulegen ist, erreicht werden kann.

(1) Schon nach dem Wortlaut von § 19 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA "erreichen" die Ärzte die jeweils nächste Stufe nach den Zeiten einer Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe. Damit kann ein Arzt die nächste Stufe erst erreichen, wenn er in derselben Entgeltgruppe bereits die vorgeschriebene Zeit eingruppiert war. Dies setzt aber voraus, dass es diese Entgeltgruppe schon gab. Ist dagegen wie hier ein Tarifvertrag mit einem völlig neuen Vergütungssystem geschlossen worden, können für die Eingruppierung gemäß diesem Tarifvertrag zu erreichende Zeitstufen erst ab dessen Inkrafttreten zurückgelegt werden (vgl. BAG vom 17.10.2007 - 4 AZR 1005/06).

(2) Diese am Wortlaut orientierte Auslegung wird durch die Regelung in § 19 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA bestätigt. Selbstverständlich steht es den Tarifvertragsparteien frei, von der Geltung der betreffenden Vergütungsordnung und der Berücksichtigung von Zeiten in der Vergangenheit Ausnahmen zu regeln. Dazu bedarf es jedoch einer entsprechend deutlichen tarifliche Regelung (vgl. BAG vom 17.10.2007 - a.a.O. Rn. 43). Daran haben es die Tarifvertragsparteien aber hier in § 19 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA fehlen lassen. Denn dort haben sie zwar gerade von der Möglichkeit der Anrechnung früherer Tätigkeiten Gebrauch gemacht, dies aber deutlich auf die Entgeltgruppen I und II beschränkt. Eine Anrechnung früherer Tätigkeiten ist für die Stufenlaufzeit der Entgeltgruppe III nicht vorgesehen. Eine derartige Ausnahmeregelung kann auch nicht erweiternd ausgelegt werden (vgl. BAG vom 05.04.2000 - AP Nr. 2 zu § 39 BAT).

(3) Dass es für die Stufenzuordnung nach der Entgeltgruppe III nur auf die Zeit ab 01.08.2006 ankommt, folgt auch aus § 6 Abs. 2 TVÜ-Ärzte/VKA. Denn dort haben die Tarifvertragsparteien für die Überleitung der Ärzte in das neue Tarifsystem weiter bestimmt, dass gerade auch für Ärzte, die die Voraussetzungen der Entgeltgruppe III erfüllen, die Zuordnung zunächst in die Entgeltgruppe II erfolgt und erst anschließend die Höhergruppierung nach den Regeln des TV-Ärzte/VKA erfolgt. Erst danach richtet sich dann der weitere Stufenaufstieg nach den Regelungen des TV-Ärzte/VKA (§ 6 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Ärzte/VKA). Diese Regelung hat nur Sinn, wenn die Tarifvertragsparteien selbst davon ausgegangen sind, dass vor dem 01.08.2006 kein Arzt bereits in die Entgeltgruppe III eingruppiert war und damit eine Stufenlaufzeit erst ab diesem Zeitpunkt beginnen kann.

(4) Selbst wenn schließlich nach den tariflichen Regelungen für die Stufenlaufzeit auch Zeiten vor dem 01.08.2006 zu berücksichtigen wären, besteht kein Anspruch des Klägers auf Entgelt gemäß der Stufe 2.

(a) Denn § 19 Abs. c des TV-Ärzte/VKA verlangt für die Erfüllung der Stufe 2 die Zurücklegung einer dreijährigen oberärztlichen Tätigkeit. Verwenden die Tarifvertragsparteien in § 19 Abs. 1 c TV-Ärzte/VKA den Begriff der oberärztlichen Tätigkeit, kann dieser nicht anders verstanden werden, als sie ihn in § 16 c TV-Ärzte/VKA festgelegt haben (vgl. BAG vom 27.04.2006 - AP Nr. 19 zu § 29 BAT; BAG vom 13.12.2001 - AP Nr. 7 zu § 35 BAT). Dies bedeutet, dass selbst wenn eine Zeit vor dem 01.08.2006 für die Stufenlaufzeit zu berücksichtigen wäre, in diesem Zeitraum die tariflichen Voraussetzungen der Entgeltgruppe III erfüllt sein mussten. Dies ist aber entgegen der Auffassung des Klägers und des Arbeitsgerichts nicht der Fall. Selbst wenn dem Kläger bereits vor dem 01.08.2006 die medizinische Verantwortung für den Bereich Neuroradiologie oblag, wurde diese dem Kläger nicht durch den Arbeitgeber ausdrücklich übertragen. Gerade durch die Betonung der ausdrücklichen Übertragung durch den Arbeitgeber haben die Tarifvertragsparteien klargestellt, dass eine bloße tatsächliche Ausübung für die Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale genauso wenig ausreicht wie eine tatsächliche Übertragung durch den Chefarzt (vgl. LAG Düsseldorf ZTR 2008, 676).

(b) Dies folgt schon daraus, dass es für die tarifliche Beweitung einer ausgeübten Tätigkeit schon allgemein darauf ankommt, dass dem Arbeitnehmer diese Tätigkeit auch übertragen wurde, was der Arbeitnehmer im Einzelnen darzulegen und zu beweisen hat (vgl. BAG vom 08.03.2006 - AP Nr. 3 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Telekom"). Eine Übertragung kann dabei nicht allein durch Vorgesetzte sondern regelmäßig nur mit Zustimmung der für Personalangelegenheiten zuständigen Stelle erfolgen (vgl. BAG vom 11.03.1998 - AP Nr. 68 zu §§ 22, 23 BAT "Lehrer"; BAG vom 26.03.1997 - AP Nr. 223 zu §§ 22, 23 BAT 1975; LAG Köln ZTR 2001, 72). Das muss erst recht gelten, wenn dies die Tarifvertragsparteien hier durch die Voraussetzung einer ausdrücklichen Übertragung durch den Arbeitgeber noch betonen. Dann kann dies nur durch eine ausdrückliche Anordnung des zuständigen Organs erfolgen (vgl. BAG vom 25.10.1995 - AP Nr. 207 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Daran fehlt es hier. Dabei ist die Berufung der Beklagten auf diesen Umstand auch nicht willkürlich, wie das Arbeitsgericht meint. Es kann weder willkürlich noch treuwidrig sein, wenn sich ein Arbeitgeber auf das Fehlen von Voraussetzungen beruft, die ein Tarifvertrag ausdrücklich vorschreibt.

d) Soweit der Kläger erstinstanzlich einen Anspruch auf Bezahlung gemäß der Stufe 2 auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz hergeleitet hat weil Oberärzte in "vergleichbarer Situation" im Klinikum Harlaching entsprechend vergütet würden, vermag auch dies einen Anspruch des Klägers nicht zu begründen. Unabhängig von sonstigen Voraussetzungen der Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes setzt dieser voraus, dass der Arbeitnehmer darlegt, dass er dieselbe Tätigkeit wie die von ihm als vergleichbar eingestuften Mitarbeiter erfüllt (vgl. BAG vom 31.10.1982 - AP Nr. 64 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Dies hat der Kläger bereits nicht substantiiert dargelegt. Die allgemeine Behauptung, Oberärzte in vergleichbarer Lage würden so bezahlt, wie er es beantragt, genügt einem konkreten und substantiierten Sachvortrag zur selben Tätigkeit nicht (vgl. BAG vom 10.07.1996 - AP Nr. 6 zu § 12 AVR Diakonisches Werk).

III.

Auf die Berufung der Beklagten war daher das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreit zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Die Kammer hat für den Kläger die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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