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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 28.04.2004
Aktenzeichen: 10 Sa 951/03
Rechtsgebiete: GG, BetrAVG, örtliche Tarifvereinbarung Nr. A 21, örtliche Tarifvereinbarung Nr. C 79


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 9 Abs. 3
GG Art. 14
GG Art. 20
BetrAVG § 1
örtliche Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der Landeshauptstadt München § 1
örtliche Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der Landeshauptstadt München § 5
örtliche Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der Landeshauptstadt München § 7a
örtliche Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der Landeshauptstadt München § 20
örtliche Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der Landeshauptstadt München § 21
örtliche Tarifvereinbarung Nr. C 79 vom 19.5.1999
1. Die örtliche Tarifvereinbarung Nr. C 79 vom 19.5.1999 hat die örtliche Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der Landeshauptstadt München hinsichtlich der Anrechnung von Rentenversicherungsleistungen für alle Fälle geändert, in denen der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist.

2. Die örtliche Tarifvereinbarung Nr. C 79 ist wirksam und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht und hält auch einer gerichtlichen Kontrolle im Hinblick auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes stand.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 Sa 951/03

Verkündet am: 28.04.04

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.04.04 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Moeller sowie die ehrenamtlichen Richter Anton Stöckl und Rudolf Köhler für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 17.06.2003 (Az.: 21 Ca 12086/02) wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Parteien besteht Streit über die Berechnung der dem Kläger zustehenden Betriebsrente.

Der 1940 geborene Kläger war seit 06.12.1965 bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt. Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien war dabei ein zwischen ihnen am 06.12.1965 unterzeichneter Arbeitsvertrag (Blatt 32 d. A.), in dem unter anderem folgende Regelung enthalten war:

§ 2

Das Arbeitsverhältnis regelt sich nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31.01.1962 (BMT-G II) in ihrer jeweils geltenden Fassung bzw. nach den an deren Stelle tretenden tariflichen Bestimmungen. Daneben finden die für den Bereich der Stadtverwaltung ... jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung.

......

Der Kläger schied auf Grund einer so genannten 58er-Regelung, der ein Beschluss des Verwaltungs- und Personalausschusses des Stadtrats der Beklagten vom 04.02.1998 (Blatt 123 - 129 d. A.) zu Grunde lag, zum 31.03.1999 durch Auflösungsvertrag vom 09.12.1998 (Blatt 131 - 132 d. A.) aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus.

Aus Anlass des Ausscheidens des Klägers erstellte die Beklagte eine Probeberechnung des Ruhegeldanspruchs des Klägers (Blatt 130 d. A.), nach der sich ein Bruttoruhegeld von DM 1.650,31 ergab.

Ab dem 01.01.2001 gewährt die Beklagte dem Kläger ein Ruhegeld nach den städtischen Eigenversorgungsbestimmungen, die bei der Beklagten seit jeher in tarifvertraglichen Vereinbarungen geregelt waren, aber zum 31.12.1977 geschlossen wurden.

Wesentliche tarifvertragliche Versorgungsbestimmung war insbesondere die örtliche Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der .... Diese beinhaltet unter anderem folgende Bestimmungen:

I. Geltungsbereich

§ 1

Versorgungsberechtigung

.....

4. Für die Erlangung einer Versorgung und die Berechnung der Versorgungsbezüge gilt die im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles maßgebende Fassung dieser Bestimmungen.

.....

§ 5

Ansprüche beim vorzeitigen Ausscheiden

1. Arbeitern sowie Angestellten und Beamten nach § 2 Ziffer 1, die nach dem 31.12.98 aus einem dem Eigenversorgungsanspruch begründenden Beschäftigungsverhältnis ausscheiden und bei denen die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 BetrAVG vorliegen, sowie deren Hinterbliebenen, bleiben Anwartschaft und Anspruch auf Versorgungsleistungen nach diesen Bestimmungen und nach Maßgabe der folgenden Regelungen grundsätzlich gewahrt.

.....

II. Versorgung der Beschäftigten

.....

§ 7 a

Vorruhestandsregelung

Den nach § 1 versorgungsberechtigten Arbeitnehmern, die auf Grund der Vorruhestandsregelung durch Auflösungsvertrag aus dem Arbeitsverhältnis zur ... ausscheiden, bleibt abweichend von § 5 Satz 1 die Anwartschaft auf Versorgungsbezüge nach dieser Tarifvereinbarung gewahrt. Voraussetzung ist, dass die Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das 58. Lebensjahr vollendet und eine Dienstzeit von mindestens 10 Jahren Vollbeschäftigung im Sinne des § 13 zurückgelegt haben. Als versorgungsfähig gilt in diesen Fällen das zum Zeitpunkt des Ausscheidens maßgebliche Einkommen im Sinne des § 11 unter Berücksichtigung des im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles maßgebenden Tarifstandes.

Die örtliche Tarifvereinbarung Nr. A 21 beinhaltet weiter Bestimmungen über die Anrechnung von Rentenversicherungsleistungen sowie die Freilassung von Rentenanteilen. Insoweit hatten die Bestimmungen der §§ 20 Abs. 1 und 21 der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der ... zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis auf Grund der zum 01.01.1998 in Kraft getretenen örtlichen Tarifvereinbarung Nr. C 74 (Blatt 163 - 168 d. A.) folgende Fassung:

§ 20

Anrechnung von Rentenversicherungsleistungen 1. Auf das Ruhegeld werden angerechnet:

Die Renten aus allen Rentenversicherungen im In- und Ausland für Arbeiterinnen und Angestellte und in der Landwirtschaft Beschäftigte, gleich wer Versicherungsträger ist, einschl. etwaiger Zulagen und Zuschläge sowie Leistungen, die vor der Festsetzung der gesetzlichen Renten oder an deren Stelle gewährt werden, mit dem vollen Betrag, der der Dauer der Beitragsleistung der ... an die Rentenversicherungsträger im Verhältnis zur Dauer anderweitiger Beitragsleistung entspricht.

Die Renten dürfen zusammen mit dem Ruhegeld folgende Höchstgrenzen nicht übersteigen:

a) bei Angestellten (§ 2) ohne Berücksichtigung der Dienstzeit 75 %

b) bei Arbeitern

- mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von weniger als 20 Jahren 75 %

- mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von 20 Jahren und mehr, jedoch weniger als 30 Jahren 80 %

- mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von 30 Jahren und mehr 86 %

ihres versorgungsfähigen Einkommens.

§ 21

Freilassung von Rententeilen, schätzungsweise Anrechnung

1. Bei der Anrechnung von Renten aus den Rentenversicherungen für Arbeiter und Angestellte bleibt der Anteil frei, der aus einer Höherversicherung oder Leistung freiwilliger Beiträge stammt. Dies gilt bei der Inanspruchnahme von Altersteilzeit nicht für den Rentenanteil, der durch die von der ... geleisteten Aufstockungsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung begründet wurde. ........

.....

Am 19.05.1999 wurde diese Fassung der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der ... durch die örtliche Tarifvereinbarung Nr. C 79 (Blatt 10 d. A.) geändert.

§ 20 Abs. 1 der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. A 21 lautet nunmehr:

Tarifvereinbarung:

1. Auf das Ruhegeld werden angeordnet:

Die Renten aus allen Rentenversicherungen im In- und Ausland für Arbeiterinnen und Angestellte und in der Landwirtschaft Beschäftigte, gleich wer Versicherungsträger ist, einschl. etwaiger Zulagen und Zuschläge sowie Leistungen, die vor der Festsetzung der gesetzlichen Renten oder an deren Stelle gewährt werden.

Die Renten dürfen zusammen mit dem Ruhegeld folgende Höchstgrenzen nicht übersteigen:

a) bei Angestellten (§ 2) ohne Berücksichtigung der Dienstzeit 75 %

b) bei Arbeitern

- mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von weniger als 20 Jahren 75 %

- mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von 20 Jahren und mehr, jedoch weniger als 30 Jahren 80 %

- mit einer versorgungsfähigen Dienstzeit von 30 Jahren und mehr 86 %

ihres Versorgungsfähigen Einkommens.

§ 21 Abs. 1 der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. A 21 lautet - soweit von Interesse - nunmehr:

1. Für jeden im städtischen Dienst zurückgelegten Beitragsmonat in der gesetzlichen Rentenversicherung, bleibt ein Anteil von jeweils 0,04 % von der Rentenanrechnung frei.

Bei der Anrechnung von Renten aus der Rentenversicherung für Arbeiter und Angestellte bleibt der Anteil frei, der aus einer Höherversicherung oder Leistung freiwilliger Beiträge stammt. Dies gilt bei der Inanspruchnahme von Altersteilzeit nicht für den Rentenanteil, der durch die von der ... geleisteten Aufstockungsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung begründet wurde. ........

In der Begründung der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. C 79 vom 19.05.1999 heißt es dabei:

Nach der bereits seit 01.12.1928 geltenden Fassung des § 20 Ziff. 1 Abs. 1 der "örtlichen Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der ... (damals § 24 der Versorgungssatzung für die städtischen Arbeiter) wurden die Renten mit dem Betrag, der der Dauer der Beitragsleistung der ... an die Rentenversicherungsträger im Verhältnis zur Dauer anderweitiger Beitragsleistung entsprach, angerechnet.

Im Zusammenspiel mit den Reformen des gesetzlichen Rentenrechts und der seit 01.01.1998 erfolgten Vollanrechnung der gesetzlichen Renten im Zuge der Harmonisierung der örtl. TV A 21 durch örtl. TV Nr. C 74 führte diese Verfahrensweise im Ergebnis dazu, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eine verhältnismäßig lange Zeit ihres Berufslebens in städtischen Diensten verbracht haben, eine höhere (prozentuale) Anrechnung hinnehmen mussten, als solche mit kürzeren städtischen Beschäftigungszeiten. Diese soziale Schiefläge, die den Gesichtspunkt einer jahrzehntelangen Betriebstreue völlig konterkariert, wurde nunmehr in der Weise bereinigt, als künftig durch die Freibetragsregelung der Erwartungshaltung langjähriger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Gesamtversorgung mehr Rechnung getragen wird. Der Ausgleich hinsichtlich einer weitestgehenden Kostenneutralität erfolgt über eine Absenkung der Gesamtversorgung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit geringeren städtischen Dienstzeiten.

Bei der Berechnung des dem Kläger ab 01.01.2001 zustehenden Ruhegeldes legte die Beklagte die Tarifvereinbarung Nr. A 21 in der Fassung durch die örtliche Tarifvereinbarung Nr. C 79 zu Grunde. Der Kläger bezieht seit dem eine monatliche Betriebsrente von Euro 800,58 (Berechnung: Blatt 8 Rückseite d. A.). Ohne Berücksichtigung der Änderungen durch die örtliche Tarifvereinbarung Nr. C 79 würde sich eine um Euro 70,51 höhere monatliche Betriebsrente ergeben.

Der Kläger hat vorgetragen, seine Betriebsrente sei gemäß der örtlichen Tarifregelung Nr. A 21 in der Fassung vor der Änderung durch die örtliche Tarifvereinbarung Nr. C 79 vom 19.05.1999 zu berechnen. Denn der Kläger habe mit Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine unverfallbare Anwartschaft nach den damals geltenden Regelungen erhalten. Diese könne ihm nicht entzogen werden. Die Anwendung der Fassung nach der Tarifvereinbarung Nr. C 79 käme einer unzulässigen Rückwirkung gleich. Zwar ist richtig, dass dem Kläger bereits vor Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bekannt war, dass Tarifverhandlungen zur örtlichen Tarifvereinbarung Nr. C 79 stattfanden. Nach der Begründung dafür habe der Kläger jedoch nicht mit einer Verschlechterung rechnen müssen.

Der Kläger hat beantragt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 2.044,79 nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 ab 01.06.2003 zu zahlen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab Juni 2003 zusätzlich monatlich Euro 70,51, fällig jeweils am Monatsende, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dem Kläger stehe keine höhere Betriebsrente zu. Diese sei nach den Bestimmungen der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. A 21 in der Fassung der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. C 79 richtig berechnet worden. Der Berechnung der Betriebsrente des Klägers sei die Tarifvereinbarung Nr. C 79 zu Grunde zu legen. Dies ergebe sich sowohl aus seinem Arbeitsvertrag wie aus der Regelung zum Geltungsbereich der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. A 21. Dies sei auch zulässig. Eine unverfallbare Anwartschaft habe dem Kläger bei Ausscheiden nur dem Grunde nach zugestanden, nicht aber hinsichtlich der Höhe wie sich aus § 7 a der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. A 21 ergebe. Von einer unzulässigen Rückwirkung sei ebenfalls nicht auszugehen. Vielmehr habe der Kläger mit einer Veränderung der Anrechnungsvorschriften rechnen müssen, da er zu dem Personenkreis gehört, für den eine Neuregelung beabsichtigt war. Dies ergebe sich aus einem Beschluss des Verwaltungs- und Personalausschusses des Stadtrats der Beklagten vom 18.05.1999 (Blatt 77 bis 79 d. A.) wie der Protokollerklärung zur Änderungsvereinbarung für Altfälle mit mehr als 480 Beschäftigungsmonaten (Blatt 11 d. A.). Davon sei erst recht auszugehen, als der Kläger über den Verlauf der Tarifverhandlungen genau Bescheid gewusst habe, nach dem er in diese persönlich eingebunden war, wie sich aus einem Schreiben der Gewerkschaft ÖTV vom 22.01.1999 Blatt 80 - 81 d. A.) ergebe. Zu dem habe sich nach der früheren Regelung eine Überversorgung ergeben. Ein Vertrauen in dieser sei nicht schutzwürdig.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.06.2002 die Klage abgewiesen. Wegen des weiteren erstinstanzliehen Sachvortrags der Parteien sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 15.07.2003 zugestellte Urteil hat dieser mit einem am 14.08.2003 bei dem Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Berufung einlegen lassen und sein Rechtsmittel durch einen am 17.10.2003 innerhalb bis dahin verlängerter Berufungsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger trägt vor, er habe mit einer tariflichen Änderung der Berechnung seiner Betriebsrente nicht rechnen müssen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages am 09.12.1998 sei noch gar nicht bekannt gewesen, dass Tarifverhandlungen zur Änderung der Anrechnungsbestimmungen stattfinden. Dies ergebe sich auch aus der Probeberechnung der Betriebsrente durch die Beklagte. Zwar sei es richtig, dass der Kläger dann im Schreiben der Gewerkschaft ÖTV vom 22.01.1999 erwähnt werde. An den folgenden Gesprächen habe er jedoch nicht teilgenommen. Bei der Änderung durch die Tarifvereinbarung Nr. C 79 handle es sich um eine echte Rückwirkung, die bereits verboten sei. Selbst eine unechte Rückwirkung sei auf Grund des Vertrauensschutzes jedenfalls nicht gerechtfertigt. Nach dem mittlerweile weitere Differenzbeträge aufgelaufen seien und der Differenzbetrag bis Oktober 2003 Euro 2.397,34 betrage,

beantragt der Kläger:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 17.06.2002 wird wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 2.397,34 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 ab 01.12.2002 aus Euro 1.621,73 und ab 01.11.2003 aus Euro 2.397.34 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab November 2003 als Betriebsrente monatlich zusätzlich Euro 70,51, fällig jeweils am Monatsende, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der Kläger habe sehr wohl mit einer Änderung der Anrechnungsvorschriften rechnen müssen. Durch die Änderung liege allenfalls eine unechte Rückwirkung vor, weil der Anspruch des Klägers auf Ruhegeld erst ab 01.01.2001 entstand. Die Änderung der Anrechnungsregelung sei erforderlich und nachvollziehbar gewesen. Damit sollte eine Überversorgung verhindert werden. Zu dem sei bei der Regelung hinsichtlich der Verbesserungen ein finanzieller Ausgleich nur durch eine maßvolle Änderung der Gesaratversorgung zu erzielen gewesen. Dies sei in der Begründung auch festgestellt worden.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 16.10.2003 (Blatt 117 - 122 d. A.) und 08.04.2004 (Blatt 161 - 162 d. A.), den Schriftsatz der Beklagten vom 29.12.2003 (Blatt 145 - 151 d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift vom 07.04.2004 (158 - 160 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist in der rechten Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) und daher zulässig.

II.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bezahlung einer um Euro 70,51 höheren monatlichen Betriebsrente ab 01.01.2001. Für einen derartigen Anspruch fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Vielmehr hat die Beklagte die dem Kläger ab 01.01.2001 zustehende Betriebsrente nach den Bestimmungen der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der ... in der Fassung durch die örtliche Tarifvereinbarung Hr. C 79 vom 19.05.1999 richtig berechnet. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden.

1. Für die Berechnung der Betriebsrente des Klägers sind die Versorgungsbestimmungen nach der Tarifvereinbarung Nr. A 21 über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der ... in der durch die örtliche Tarifvereinbarung Nr. C 79 geänderten Fassung zu Grunde zu legen.

a. Dies ergibt sich zum einen aus § 2 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 06.12.1965, wonach die für den Bereich der Stadtverwaltung ... jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung finden, so dass dazu auch die Tarifvereinbarung Nr. C 79 zählt. Zum anderen folgt dies noch deutlicher aus § 1 Ziff. 4 der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. A 21, wonach für die Erlangung einer Versorgung und die Berechnung der Versorgungsbezüge die im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls maßgebliche Fassung der Bestimmungen über die Eigenversorgung für die Beschäftigten der gelten soll. Insoweit handelt es sich um eine dynamische Verweisung, durch die möglichst einheitliche Versorgungsbedingungen für alle Betriebsrentner eines Unternehmens sichergestellt werden sollen (vgl. BAG vom 25.07.2000 - AP-Nr. 31 zu § 1 BetrAVG "Ablösung"). Spätere Änderungen werden damit automatisch Gegenstand des Arbeitsverhältnisses der Parteien.

b. Die Altersversorgung richtet sich dann nach der jeweils letzten Änderung. Durch die örtliche Tarifvereinbarung Nr. C 79 sind die bisherigen Regelungen hinsichtlich der Anrechnung von Rentenversicherungsleistungen in den §§ 20 und 21 der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. A 21 geändert worden.

Die Einführung eines Freibetrags bei der Rentenanrechnung anstelle der bisherigen anteiligen Anrechnung nach dem Verhältnis des Anteils der Beitragsleistung der ... zur Dauer der anderweitigen Leistung hat zu einer Veränderung in der Berechnung der Betriebsrente im Verhältnis zur früheren Fassung der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. A 21 geführt.

2. Diese Regelung hat der Kläger jedoch hinzunehmen. Sie ist nicht zu beanstanden.

a. Im Verhältnis von zwei aufeinander folgenden Tarifverträgen gilt die Zeitkollisionsregel. Das bedeutet, das für das Verhältnis der Tarifregelungen nicht das Günstigkeitsprinzip gilt, sondern die ältere Regelung durch die jüngere Regelung abgelöst wird. Nur diese kommt für die Zukunft zur Geltung. Es ist Teil der den Tarifvertragsparteien zustehenden Tarifautonomie, bestehende Tarifnormen jederzeit auch zu Lasten der Arbeitnehmer ändern zu können (vgl. BAG vom 06.08.2002 - AP-Nr. 27 zu § 99 BetrVG 1972 "Eingruppierung"; BAG vom 20.02.2001 - AP-Nr. 107 zu § 87 BetrVG 1972 "Lohngestaltung"; BAG vom 24.04.1990 - AP-Nr. 30 zu § 1 BetrAVG "Zusatzversorgungskassen"). Ablösende Tarifverträge sind von den Gerichten nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen das Grundgesetz, gegen zwingendes Gesetzesrecht, gegen die guten Sitten oder gegen tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen (vgl. BAG vom 12.02.1992 - AP-Nr. 5 zu § 620 BGB "Altersgrenze"; BAG vom 10.10.1989 - AP-Nr. 3 zu § 1 TVG "Vorruhestand"). Einen Vertrauensschutz des Arbeitnehmers gegen Änderungen gewähren dagegen tarifliche Regelungen nicht (vgl. BAG vom 20.03.2002 - AP-Nr. 12 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Gebäudereinigung").

b. Die örtliche Tarifvereinbarung Nr. C 79 verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

aa. Zwar setzen das Vertrauen auf den Fortbestand und die Rechtssicherheit der Rückwirkung von Gesetzen und Tarifverträgen Grenzen. Da tarifvertragliche Regelungen auch während der Laufzeit des Tarifvertrages den immanenten Vorbehalt ihrer rückwirkenden Abänderbarkeit in sich tragen, können aber selbst bereits entstandene und fällig gewordene, noch nicht abgewickelte Ansprüche (so genannte wohl erworbene Rechte) einer Änderung unterliegen (vgl. BAG vom 22.10.2003 - AP-Nr. 21 zu § 1 TVG "Rückwirkung"; BAG vom 17.05.2000 - AP-Nr. 19 zu § 1 TVG "Rückwirkung"). Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung ist nur durch die Grundsätze des Vertrauensschutzes des Normunterworfenen begrenzt. Insoweit gelten die gleichen Regelungen die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Rückwirkung von Gesetzen. Ausgeschlossen ist danach eine echte Rückwirkung von Rechtsnormen. Eine echte Rückwirkung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann gegeben, wenn die Rechtsnorm nachträglich ordnend in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (vgl. BVerfG E 14, 288, 297). Dies ist nicht der Fall. Die Veränderung der Anrechnung der Renten aus der Rentenversicherung beschneidet Ansprüche der Arbeitnehmer, für die der Versorgungsfall erst eintritt und daher erst künftig erwachsende Ansprüche auf eine Betriebsrente.

bb. Dagegen ist eine unechte Rückwirkung eines Tarifvertrages schon dann möglich, wenn die Normadressaten noch mit einer Änderung der Rechtsposition rechnen mussten. (vgl. BVerfG E 19, 187, 196; BAG vom 10.10.1989 - a.a.O.). Dies ist der Fall. Denn tarifvertragliche Regelungen tragen auch während der Laufzeit eines Tarifvertrages den immanenten Vorbehalt ihrer rückwirkenden Abänderbarkeit durch Tarifvertrag in sich. Deshalb muss der Arbeitnehmer angesichts der Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien auch mit rückwirkenden Modifikationen im Rahmen des Vertrauensschutzes rechnen (vgl. BAG vom 15.11.1995 - AP-Nr. 20 zu § 1 TVG "Tarifverträge : Lufthansa"; BAG NZA 1995, 844). Tarifverträge dienen dem Schutz des Arbeitnehmers; sie wollen die in der Regel bestehende wirtschaftliche Überlegenheit des Arbeitgebers ausgleichen. Sie haben eine Ordnungsfunktion, in dem sie für einen bestimmten Zeitraum eine feste Kalkulationsgrundlage für Arbeitnehmer und Arbeitgeber schaffen. Sie haben aber auch eine Verteilungsfunktion; sie regeln die Soziallasten der Unternehmen. Insoweit stehen alle kollektivrechtlich begründeten Ansprüche unter dem Vorbehalt der ständigen Anpassung an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse.

cc. Dies gilt umso mehr, als sich aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Tarifautonomie nach Artikel 9 Abs. 3 GG eine Begrenzung der richterlichen Kontrolle von Tarifverträgen ergibt. Den Tarifvertragsparteien steht eine Einschätzungsprärogative wie ein Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum zu, wenn es um die inhaltliche Gestaltung einer Regelung geht (vgl. BAG vom 18.05.1999 - AP-Nr. 1 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Fleischerhandwerk").

c. Selbst wenn die Regelung der örtlichen Tarifvereinbarung Nr. C 79 damit überhaupt einer gerichtlichen Kontrolle insbesondere im Hinblick auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes unterliegt (vgl. Blomeyer/Otto BetrAVG 3. Aufl. Anh. § 1 Rn. 552 m.w.N.), ist die Änderung durch die Tarifvereinbarung Nr. C 79 nicht zu beanstanden.

aa. Grundsätzlich unterliegen bereits entstandene und fällig gewordene tarifliche Ansprüche der Arbeitnehmer weder dem Eigentumsschutz des Artikel 14 GG noch dem allgemeinen Rechtsgrundsatz der Schutzbedürftigkeit "wohl erworbener Rechte" (vgl. BAG vom 23.11.1994 - AP-Nr. 12 zu § 1 TVG "Rückwirkung"; Blomeyer/Otto BetrVG 3. Aufl. a.a.O.; Wiedemann/Stumpf TVG 6. Auflage § 1 Rn. 144). Daher kann durch eine tarifliche Regelung zum Nachteil des Versor0ungs-empfängers in eine Versorgungsregelung eingegriffen werden, selbst wenn bereits der Versorgungsfall eingetreten ist (vgl. BAG vom 24.08.1993 - AP-Nr. 19 zu § 1 BetrAVG "Ablösung"). Anhaltspunkte für eine Rechtsverletzung der Tarifvertragsparteien sind dabei nicht erkennbar.

bb. Dies gilt erst Recht, als selbst bei einer rückwirkenden Verschlechterung einer Regelung nicht durch Tarifvertrag sondern durch Betriebsvereinbarung dafür sachlich- proportionale Gründe ausreichen würden (vgl. BAG vom 18.09.2001 - AP-Nr. 34 zu § 1 BetrAVG "Ablösung"). Dass die Regelung in der Tarifvereinbarung Nr. C 79 der Sache nach gerechtfertigt war, ist durch die Tarifforderung der Gewerkschaft ÖTV im Schreiben vom 22.01.1999 (Blatt 80 - 81 d. A.), dem Beschluss des Verwaltungs- und Personalausschusses des Stadtrats vom 18.05.1999 (Blatt 77 - 79 d. A.) und nicht zuletzt durch die Begründung für die Tarifregelung vom 19.05.1999 (Blatt 10 Rückseite d. A.) hinreichend dokumentiert.

cc. Dass die dann getroffene Regelung im Einzelfall zu nachteiligen Folgen geführt haben mag, ist hinzunehmen. Eine tarifliche Regelung stellt immer einen Kompromiss dar, so dass sie nicht für jeden Einzelfall eine vernünftige und gerechte Lösung enthalten kann (vgl. BAG vom 04.04.2001 - AP-Nr. 2 zu § 12 DienstVO ev. Kirche). Der Kompromisscharakter von Tarifverträgen aus Verhandlungsergebnissen divergierender Interessen rauss in dem Sinne berücksichtigt werden, dass an die Systemgerechtigkeit der tarifvertraglichen Regelungen keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Die Tarifvertragsparteien können im Interesse praktikabler, verständlicher und übersichtlicher Regelungen typisierende Regelungen treffen. Deshalb kann bei der Prüfung eines möglichen Verstoßes etwa gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abgestellt werden, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung (vgl. BAG vom 29.08.2001 - AP-Nr. 291 zu Art. 3 GG m.w.N.).

III.

Nach alldem ist die Betriebsrente des Klägers von der Beklagten zutreffend berechnet worden. Die Berufung des Klägers war mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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