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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 09.02.2007
Aktenzeichen: 10 Ta 193/05
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO


Vorschriften:

BRAGO § 121
BRAGO § 125
BRAGO § 126
ZPO § 91 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN BESCHLUSS

10 Ta 193/05

In Sachen

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München ohne mündliche Verhandlung am 09. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Moeller beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigen des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Regensburg vom 29.03.2005 (Az.: 1 Ca 3411/04) wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Höhe der Gebühren der dem Kläger im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwältin gegen die Staatskasse.

Die dem zu Verfahrensbeginn in München wohnhaften, später in seine Heimat nach zurückgekehrten Kläger mit Beschluss vom 13.12.2004 im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Prozessbevollmächtigte hat für diesen mit Schriftsatz vom 02.07.2004 eine Forderungsklage über EUR 12.899,85 gegen die Beklagte erhoben.

Am gleichen Tag hat sie für zunächst unter der gleichen Adresse wohnhafte, später ebenfalls nach zurückgekehrte 19 weitere Kläger gleichfalls Forderungsklagen in unterschiedlicher Höhe gegen dieselbe Beklagte erhoben. Auch in diesen Verfahren ist sie den Klägern gemäß Beschluss des Arbeitsgerichts vom 13.12.2004 beigeordnet worden.

Sämtliche Verfahren haben durch einen wörtlich übereinstimmenden gerichtlichen Vergleich am 04.11.2004 geendet.

Mit am 07.03.2005 bei dem Arbeitsgericht Regensburg eingegangenen Anträgen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers in sämtlichen Verfahren die Festsetzung der aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren beantragt. Dabei hat sie jeweils eine 1,3 - Terminsgebühr, 1,2 - Verfahrensgebühr und 1,0 - Vergleichsgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer aus den jeweiligen individuellen Streitwerten geltend gemacht. Im Einzelnen handelt es sich dabei in folgenden Verfahren um folgende von der Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend gemachte Gebühren:

1 Ca 2740/04 C. EUR 1.031,47

1 Ca 2741/04 C. EUR 973,00

1 Ca 2742/04 D. EUR 883,80

1 Ca 2743/04 E. EUR 1.031,47

1 Ca 2744/04 N. EUR 1.031,47

1 Ca 2745/04 G. EUR 936,20

1 Ca 2746/04 G. EUR 1.031,47

1 Ca 2747/04 G. EUR 966,82

1 Ca 2748/04 H. EUR 1.005,72

1 Ca 2749/04 I. EUR ....

1 Ca 2750/04 I. EUR 936,20

1 Ca 2751/04 I. EUR 883,80

1 Ca 2752/04 I. EUR 677,09

1 Ca 2753/04 M. EUR 883,80

1 Ca 2754/04 M. EUR 851,44

1 Ca 2755/04 N. EUR 966,28

1 Ca 2756/04 O. EUR 966,28

1 Ca 2757/04 P. EUR 1.005,72

1 Ca 2758/04 P. EUR 851,44

1 Ca 3411/04 A. EUR 966,28

Durch Verfügung vom 15.03.2005 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle für sämtliche 20 Verfahren zusammen den aus der Staatskasse zu zahlenden Betrag auf EUR 1.610,66 festgesetzt. Er hat dabei die Streitwerte aller Verfahren addiert und daraus jeweils nur einmal eine 1,3 - Verfahrensgebühr, 1,2 - Terminsgebühr und 1,0 - Einigungsgebühr nebst Pauschale und Mehrwertsteuer berücksichtigt.

Mit jeweils am 21.03.2005 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsätzen hat dagegen die Prozessbevollmächtigte des Klägers Erinnerung eingelegt.

Durch Beschluss vom 29.03.2005 hat das Arbeitsgericht Regensburg die Erinnerung in sämtlichen Verfahren zurückgewiesen.

Mit jeweils am 20.04.2005 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsätzen hat die Prozessbevollmächtigte der Kläger gegen die jeweils am 08.04.2005 zugestellten Beschlüsse Beschwerde eingelegt, denen das Arbeitsgericht nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

1. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Regensburg vom 29.03.2005 ist gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG auch sonst zulässig.

2. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist unbegründet.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Prozessbevollmächtigten des Klägers für dieses und alle anderen Verfahren gegen die gleiche Beklagte (Az.: 1 Ca 2740 bis 1 Ca 2758/04 und 1 Ca 3411/04) zusammen nur jeweils eine 1,3 - Verfahrens-, 1,2 - Termins- und 1,0 - Einigungsgebühr aus den zusammengerechneten Streitwerten aller Verfahren i.H.v. EUR 149.198,67 zustehen kann und daher zu ihren Gunsten aus der Staatskasse insgesamt ein Betrag von EUR 1.610,66 festzusetzen ist. Denn der Gebührenanspruch der Prozessbevollmächtigten des Klägers besteht nur in der Höhe, als wenn alle Klagen in einem einheitlichen Verfahren geltend gemacht worden wären. Zutreffend hat daher das Arbeitsgericht die Erinnerung der Prozessbevollmächtigten des Klägers zurückgewiesen.

a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung der für Kostensachen zuständigen Kammer des Landesarbeitsgerichts München, dass die Staatskasse nicht verpflichtet ist, auf Kosten des Steuerzahlers Kosten zu tragen, die bei Beachtung der Grundsätze einer wirtschaftlichen Prozessführung nicht entstanden wären (vgl. Beschlüsse vom 02.02.2007, 10 Ta 117/05; 20.07.2006 - 10 Ta 170/05; 05.01.2006 - 10 Ta 293/04; 07.10.2005 - 10 Ta 454/03; 25.01.2005 - 10 Ta 136/03; 30.04.2004 - 10 Ta 223/02). Gebühren, die erst dadurch entstehen, dass Streitgegenstände in gesonderten Klagen statt durch Klagehäufung geltend gemacht werden, sind daher nicht zu erstatten, wenn dies nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entsprach. Zweckentsprechender Rechtsverfolgung entspricht ein derartiges Vorgehen dabei nur, wenn dies notwendig ist.

aa) Dies folgt daraus, dass mit Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Gericht nicht darüber entschieden ist, in welcher Höhe dem beigeordneten Rechtsanwalt Ansprüche gegen die Staatskasse zustehen. Im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe wird über die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung sowie darüber entschieden, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig ist. Erst in dem Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 Abs. 1 RVG wird darüber entschieden, welche Ansprüche in welcher Höhe die Staatskasse treffen. Die Rechtslage ist keine andere, als bei der Kostenfestsetzung aufgrund eines Kostenerkenntnisses im Endurteil. Im Urteil werden der unterlegenen Partei die Kosten ohne Einschränkung auferlegt. Gleichwohl ist im Rahmen der Kostenfestsetzung - und erst in diesem Stadium des Verfahrens - zu prüfen, welche Kosten überhaupt erstattungsfähig sind.

(1) Die Kostengrundentscheidung ist nur die Grundlage für die Kostenentscheidung und besagt nichts darüber, ob nach § 91 Abs. 1 ZPO Kosten als notwendig zu erstatten sind. Auch hier ist im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen, ob die Geltendmachung von mehreren Ansprüchen gegen eine Person oder von mehreren Klägern gegen die gleiche Beklagte in getrennten Verfahren ungerechtfertigt erhöhte Kosten verursacht hat (vgl. BGH MDR 2004, 715; OLG Hamburg MDR 2003, 1381; KG JurBüro 2002, 35; OLG München AnwBl. 2002, 435; dass. AnwBl. 1994, 527; OLG Zweibrücken RPfl. 1993, 41; OLG Koblenz JurBüro 1990, 58, Stein/Jonas/Bork ZPO 21. Aufl. § 91 Rz. 68 a; Thomas/Putzo ZPO 23. Aufl. § 91 Rz. 10). Die Korrektur rechtsmissbräuchlicher Kostenkumulierung erscheint gerade im Kostenfestsetzungsverfahren unverzichtbar (vgl. OLG Stuttgart MDR 2002, 117).

(2) Für die Prozesskostenhilfebewilligung gilt nichts anderes. Die Folgen der Prozesskostenhilfebewilligung ergeben sich aus § 122 ZPO i.V.m. §§ 45 ff. RVG. Diese Vorschriften gelten nicht isoliert, sondern sind eingebettet in die Grundsätze des Kostenrechts im Zivilprozess. Zu diesen Prinzipien gehört auch der tragende Grundsatz der Verfahrensverbilligung, wie er in den §§ 91 ff., 788 ZPO, 46 RVG zum Ausdruck kommt. Diesen Grundsatz kann auch zum einen die unterlegene Partei der obsiegenden Partei gegenüber im Kostenfestsetzungsverfahren einwenden. Diesen Grundsatz kann in gleicher Weise nach § 11 Abs. 5 RVG der Mandant seinem Anwalt entgegenhalten. Die durch unsachgemäße Behandlung des Auftrags entstandenen überflüssigen Anwaltsgebühren sind eine Schlechterfüllung des erteilten Auftrags zum Nachteil des Mandanten und brauchen von diesem nicht erstattet zu werden (vgl. BGH VersR 1959, 890; OLG Düsseldorf FamRZ 1989, 204; OLG Düsseldorf JurBüro 1992, 110).

(3) Sinn des Prozesskostenhilfeverfahrens ist es, die arme Partei von der Verpflichtung zum Tragen von Anwaltskosten zu befreien, nicht hingegen, dem Anwalt Honoraransprüche zu sichern, die er gegen die Partei nicht erwerben oder nicht durchsetzen könnte (vgl. OLG Karlsruhe JurBüro 1992, 558). Der Grundsatz, dass die Staatskasse über § 54 RVG hinaus dem Anwalt gegenüber keine Einwendungen erheben darf, auch wenn sie die Partei erheben könnte, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Er ist unzutreffend (vgl. LAG München vom 16.11.2000 - 1 Ta 328/00). Auch die Staatskasse kann einwenden, dass der beigeordnete Anwalt Kosten und Gebühren erst dadurch verursacht hat, dass er Handlungen vorgenommen hat, die zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Parteien nicht erforderlich waren. Insoweit ist § 46 RVG nur Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, wonach die Partei und dementsprechend auch ihr Anwalt alle Kosten möglichst niedrig zu halten, verpflichtet sind (vgl. OLG Hamburg RPfl. 1977, 421; OLG München AnwBl. 1981, 507). Dies gilt in gleicher Weise für den beigeordneten Anwalt, der staatliche Ressourcen in Anspruch nimmt. Hieran ändert auch nichts die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für ursprünglich getrennte Verfahren. Ob die Partei - oder der Anwalt - dem Gebot der Wirtschaftlichkeit genügt hat, beurteilen die Gerichte nachträglich im Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. BVerfG NJW 1990, 3072; OLG Hamburg MDR 2004, 778). Welche Kosten zu erstatten sind, wird nicht im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, sondern erst im Kostenfestsetzungsverfahren entschieden (vgl. LAG Berlin MDR 2006, 1438; OLG Stuttgart MDR 2002, 117).

(4) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hindert das Gericht daher nicht daran, im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen, ob die von der Partei bzw. ihrem Rechtsanwalt verursachten Kosten überhaupt notwendig waren. Offenkundig überflüssigerweise gesetzte Gebührentatbestände führen nicht zu einem Anspruch des Anwalts gegenüber der Staatskasse (vgl. LAG Baden-Württemberg JurBüro 1992, 401; dass. BB 1989, 296; LAG Düsseldorf JurBüro 1990, 380; OLG Düsseldorf JurBüro 1995, 361; dass. JurBüro 1994, 482; OLG Karlsruhe JurBüro 1992, 558; LAG München vom 30.04.2004 - 10 Ta 223/02 und 07.10.2005 - 10 Ta 454/03).

bb) Demgemäß war auch die Prozessbevollmächtigte des Klägers gehalten, bei Erhebung der getrennten Klagen die Grundsätze der Prozesswirtschaftlichkeit zu beachten und den Prozess möglichst zweckmäßig und billig zu gestalten. Der beigeordnete Rechtsanwalt ist auch gegenüber der Staatskasse zur kostensparenden Prozessführung verpflichtet. Er hat daher die Verfahrensgestaltung zu wählen, bei der die geringsten Kosten angefallen wären, es sei denn, es hätten vernünftige Gründe vorgelegen, die eine andere Verfahrensgestaltung gerechtfertigt hätten (vgl. OLG Hamburg MDR 2003, 1381; OLG Düsseldorf JurBüro 1994, 482). Diese Gründe sind sorgfältig abzuwägen (vgl. BGH MDR 2004, 715).

b) Derartige Gründe liegen hier nicht vor. Vielmehr hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen die Pflicht zur kostensparenden Prozessführung verstoßen, als sie für den Kläger und die 19 weiteren Kläger getrennte Klagen erhoben hat anstatt deren Forderungen gegen die Beklagte im Wege subjektiver Klagehäufung geltend zu machen. Zwar mag es durchaus Gründe geben, Klagen verschiedener Arbeitnehmer gegen den gleichen Arbeitgeber auch in getrennten Prozessen zu erheben, wenn entweder die Verfahren ohnehin nichts miteinander zu tun haben, etwa sich ein Kläger gegen eine Kündigung zur Wehr setzt während gleichzeitig ein anderer eine Forderung geltend macht. Ebenso mag es sein, wenn trotz eines Zusammenhangs für einzelne Arbeitnehmer individuelle Besonderheiten eine erhebliche Rolle spielen, wie das in § 1 Abs. 3 KSchG oder durch Eingreifen eines Sonderkündigungsschutzes der Fall sein kann. Beruhen jedoch wie hier die Klagen offensichtlich auf dem gleichen Lebenssachverhalt und bestehen die Abweichungen allein in den individuellen Berechnungen der Forderungen, ist der Anwalt gehalten, auch hier die Forderungen in einem einheitlichen Verfahren zu verfolgen (LAG Berlin NZA-RR 2006, 432; OLG Hamburg MDR 2003, 1381; OLG München AnwBl. 2002, 435; KG JurBüro 2002, 35). Sieht er davon ab, hat dadurch entstandene Mehrkosten nicht die Staatskasse zu tragen (vgl. OLG Koblenz AnwBl. 2005, 296).

3. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG) und unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

Ende der Entscheidung

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