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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 04.05.2005
Aktenzeichen: 10 TaBV 69/04
Rechtsgebiete: BetrVG, TV über die Ersteingruppierung für die zur DB AG übergeleiteten Arbeitnehmerinnen/ Arbeitnehmer vom 1.1.1994, Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB Konzerns vom 1.8.2002


Vorschriften:

BetrVG § 95
BetrVG § 99
TV über die Ersteingruppierung für die zur DB AG übergeleiteten Arbeitnehmerinnen/ Arbeitnehmer vom 1.1.1994 § 2
Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB Konzerns vom 1.8.2002 § 5
Bisher als Zug-Chefs in IR-Zügen der DB eingesetzte Arbeitnehmer sind in die Entgeltgruppe 6 des Konzern ETV vom 1.8.2002 einzugruppieren, wenn ihnen nach Wegfall der IR-Züge nunmehr die Tätigkeit eines ICE / EC / IC-Betreuer/in übertragen wurde. Das gilt auch, wenn sie vor Übernahme der Tätigkeit des Zug-Chefs IR nach dem EingruppierungsTV in Entgeltgruppe E 7 des damaligen ETV eingruppiert waren.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

10 TaBV 69/04

Verkündet am: 04.05.2005

In dem Beschlussverfahren

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der Anhörung vom 20.04.2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Moeller sowie die ehrenamtlichen Richter Cornelia Oberrainer und Anneliese Metko für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 11.10.2004 (Az.: 4a BV 69/04) wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird für den Betriebsrat zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung von 7 Arbeitnehmern.

Die Antragstellerin ist ein Unternehmen im Konzern der Deutschen Bahn AG. Sie betreibt Personenfernverkehr mit Zügen. Im beschäftigt sie ca. 2.400 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist errichtet.

Die Arbeitgeberin ist tarifgebunden und wendet auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer den Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB - Konzerns (Konzern ETV) vom 1.8.2002 i. d. F. des 50. Änderungstarifvertrages an, der zwischen dem Arbeitgeberverband der einerseits sowie den Gewerkschaften , Gewerkschaft und der Verkehrsgewerkschaft andererseits geschlossen wurde.

Die Arbeitnehmer waren bereits vor 1994 sämtlich bei der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin im Zugbegleiterdienst eingesetzt. Die Arbeitnehmer waren dabei als Schaffner, die Arbeitnehmer als Zugführer eingesetzt. Nach den damals gültigen Bestimmungen der Tarifverträge der ehemaligen Deutschen Reichs- bzw. Bundesbahn bezogen der Mitarbeiter Vergütung gemäß der Lohngruppe II a, die Mitarbeiterin Vergütung gemäß der Lohngruppe II sowie die übrigen Mitarbeiter Vergütung gemäß Lohngruppe I des Lohntarifvertrages.

Zum 1.1.1994 trat der Tarifvertrag über die Ersteingruppierung für die zur DB AG übergeleiteten Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer (Ersteingruppierungs TV) in Kraft. Dieser sah eine Überleitung der Eingruppierung der Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer in neue Entgeltgruppen vor. Die bisherigen Lohngruppen I bis III entsprachen dabei der neuen Entgeltgruppe E 7. Über diese Ersteingruppierung wurden die Mitarbeiter jeweils schriftlich unterrichtet.

Der damals geltende Entgelttarifvertrag wurde in der Anlage 1 durch Tätigkeitsmerkmale / Richtbeispiele ergänzt. Darin heißt es u. a.:

E 1 - Richtbeispiele:

- Bote/Botin

...

...

E 6 - Richtbeispiele:

- Aufsicht auf Bahnsteigen

...

- ICE/EC/IC/IR-Betreuer/in

...

E 7 - Richtbeispiele:

- Arbeitsprüfer/in, Qualitätsprüfer/in

...

- Zug-Chef/in IR

...

E 8 - Richtbeispiele:

- Fahrmeister/in

...

- Zug-Chef/in ICE/EC/IC

...

Der Entgelttarifvertrag wurde ab 1.6.1999 durch den Konzern - Entgelttarifvertrag abgelöst, der die bisherigen Entgeltgruppen übernahm. Richtbeispiele enthielt dieser Tarifvertrag jedoch nicht mehr. Gleichzeitig wurde der Ersteingruppierungstarifvertrag redaktionell ergänzt.

Nach der Ersteingruppierung wurden die Mitarbeiterinnen und sowie der Mitarbeiter als IR-Cheffinnen /Chef in den Interregio - Zügen eingesetzt und entsprechend Entgeltgruppe E 7 des Konzern ETV vergütet. Der Mitarbeiter wurde ab 1.10.1998, der Mitarbeiter seit 1.1.1998 und der Mitarbeiter seit 1.1.1999 jeweils als Zugchef IR eingesetzt und entsprechend Entgeltgruppe 7 vergütet. Die Mitarbeiterin wurde zunächst als Kundenbetreuerin, ab 1.6.2001 ebenfalls als Zugchefin IR bei der DB Reise und Touristik AG mit der Entgeltgruppe E 7 eingesetzt.

Ab 15.12.2002 setzt die Arbeitgeberin keine Interregiozüge mehr ein. Alle hier betroffenen Mitarbeiter wurden seitdem als ICE/ EC/IC-Betreuer eingesetzt.

Mit Schreiben vom 7.11.2003 beantragte die Antragstellerin bei dem Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung und Umgruppierung der Mitarbeiter/innen (Bl. 48 bis 49 d. A.) und ergänzte diesen Antrag mit einem weiteren Schreiben vom 19.11.2003 (Bl. 50 bis 51 d. A.). Mit Schreiben vom 20.12.2003 (Bl. 52 bis 53 d. A.) widersprach der Betriebsrat den Maßnahmen der Antragstellerin.

Die Antragstellerin hat vorgetragen, Die verweigerten Zustimmungen des Betriebsrats zur Umgruppierung der Mitarbeiter seien zu ersetzen. Denn deren Tätigkeit als Zugbegleiter entspräche der Entgeltgruppe E 6. Der Ersteingruppierungstarifvertrag hindere die Antragstellerin nicht an einer Umgruppierung. Denn dieser gewähre keinen Besitzstand wie sich schon aus § 2 Abs. 3 des Ersteingruppierungstarifvertrags ergebe. Gleiches folge aus dem Anwendungshinweis Nr. 2 zu § 2 Ersteingruppierungstarifvertrag. Den betroffenen Mitarbeitern sei die Tätigkeit als Zugchef IR dauerhaft übertragen worden. Durch den Wegfall dieser Tätigkeit und der Übertragung der Tätigkeit als Zugbetreuer/Zugbetreuerin habe sich die Tätigkeit erheblich verändert. Dies ergebe sich schon aus den unterschiedlichen Kompetenzprofilen.

Die Antragstellerin hat beantragt:

Die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen zum Zugbetreuer (ICE/EC/IC-Betreuer) - Einsatzstelle - und Umgruppierung in die Entgeltgruppe E 6 des Entgelttarifvertrags für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB Konzerns (Konzern ETV) wird ersetzt.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er hat vorgetragen, für eine Umgruppierung bestehe überhaupt kein Anlass, nachdem sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer nicht geändert habe. Es liege vielmehr eine durchgängige Beschäftigung im Zugbegleitdienst vor. Eine Herabgruppierung verstoße auch gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Mitarbeiter, die seit dem Ersteingruppierungstarifvertrag keine andere Position wahrgenommen haben, erhielten die bisherige Vergütung weiter, während die betroffenen Mitarbeiter/innen herabgruppiert werden sollen.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 11.10.2004 die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung und Umgruppierung der Mitarbeiter in die Vergütungsgruppe E 6 ersetzt. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Beteiligten sowie den Ausführungen des Arbeitsgerichts wird auf die Gründe des Erstbeschlusses Bezug genommen.

Gegen den dem Betriebsrat am 18.10.2004 zugestellten Beschluss hat dieser mit einer am 18.11.2004 bei dem Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Beschwerde einlegen lassen und sein Rechtsmittel durch einen am 31.1.2005 innerhalb verlängerter Beschwerdebegründungsfrist eingereichten Schriftsatz begründet.

Der Betriebsrat wendet sich nur noch gegen die Ersetzung seiner Zustimmung zur Umgruppierung. Er trägt vor, eine Umgruppierung der betroffenen Mitarbeiter komme nicht in Betracht. Dem stehe bereits entgegen, dass der Ersteingruppierungstarifvertrag einen umfassenden Besitzstand für die Mitarbeiter sichern sollte. Dies gelte erst recht, als die betroffenen Mitarbeiter sowohl vor dem 31.12.1993 als auch danach als Zugbetreuer eingesetzt waren, so dass sich an ihrer Tätigkeit nichts geändert habe. Der vorübergehende Einsatz als Zugchef habe dabei keine Bedeutung. Nur bei einer Änderung der Tätigkeit hätte der Entgeltschutz verloren gehen können. Diejenigen Arbeitnehmer, die keine Aufgabe als Zugchef übernommen haben, seien weiter in der Entgeltgruppe 7 eingruppiert. Demnach sei gar kein anderer Arbeitsbereich eröffnet worden. Vielmehr habe ein reiner Produktwechsel stattgefunden. Bei der Übernahme der Tätigkeit als Zugchef IR sei auch in den Verträgen der Mitarbeiter der Begriff einer Tätigkeitsänderung nicht gewählt worden. Vielmehr sei die Formulierung einer Weiterbeschäftigung und der Übertragung eines Arbeitsplatzes verwendet worden. Die Arbeitnehmer seien daher tatsächlich entsprechend der Ersteingruppierung beschäftigt worden.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 11.10.2004 (Az.: 4a BV 69/04) abzuändern und die Anträge des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Mitarbeiter zurückzuweisen.

Der Arbeitgeber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, aus dem Ersteingruppierungstarifvertrag folge gerade, dass ein Besitzstand nur bis zu dem Tag Geltung haben konnte, an dem der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin eine andere Tätigkeit aufnimmt. Für die Mitarbeiter/innen habe die Vergütung entsprechend dem Ersteingruppierungstarifvertrag damit bereits mit Übernahme der Tätigkeit als Zugchef IR geendet. Ihre Vergütung habe sich danach gerade nach der Entgeltgruppe E 7 des Entgelttarifvertrages gerichtet. Für alle betroffenen Mitarbeiter habe sich jedenfalls nach dem 15.12.2002 die bisherige Tätigkeit geändert. Durch den Wegfall ihrer Tätigkeit als IR-Zugchef und der Übertragung der Tätigkeit als Zugbetreuer sei eine wesentliche Änderung der Tätigkeit erfolgt.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf die Schriftsätze des Betriebsrats vom 31.1.2005 (Bl. 152 bis 159 d. A.), des Arbeitgebers vom 28.2.2005 (Bl. 170 bis 182 d. A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 20.4.2005 (Bl. 184 bis 184 d. A.) Bezug genommen.

II.

A. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 11.10.2004 ist in der rechten Formund Frist eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 89 Abs. 1 und Abs. 2, 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B. Die Beschwerde des Betriebsrats ist jedoch unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit im Kern zutreffender Begründung auch die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Arbeitnehmer/innen ,die allein noch Gegenstand der Beschwerde ist, ersetzt (§ 99 Abs. 4 BetrVG). Denn der Betriebsrat hat ohne Vorliegen eines Grundes die Zustimmung zur Umgruppierung dieser Mitarbeiter von der Entgeltgruppe E 7 des Entgelttarifvertrags in die Entgeltgruppe E 6 verweigert (§ 99 Abs. 2 BetrVG).

I. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Das erforderliche Rechtschutzbedürfnis ist gegeben.

1. Bei der beabsichtigten Maßnahme handelt es sich um eine zustimmungsbedürftige Umgruppierung i. S. v. § 99 Abs. 1 BetrVG. Umgruppierung ist die Änderung der Einreihung in die im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Eine solche Maßnahme hat die Arbeitgeberin mit Blick auf die Vergütung der betroffenen Arbeitnehmer geplant. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung verweigert.

2. Die Zustimmung des Betriebsrats gilt nicht als erteilt. Sie wurde rechtzeitig verweigert. Will der Betriebsrat einer Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG widersprechen, so hat er dies dem Arbeitgeber nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Die Frist beginnt mit der vollständigen Unterrichtung nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Hält der Betriebsrat eine dieser Voraussetzungen nicht ein, gilt seine Zustimmung als erteilt, § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG.

a) Die Arbeitgeberin hat zwar bereits mit Schreiben vom 7.11.2003 (Bl. 48 bis 49 d. A.) die Zustimmung zur Umgruppierung beantragt. Nach dem übereinstimmenden Sachvortrag der Beteiligten war diese Mitteilung jedoch nicht abschließend zu betrachten. Vielmehr hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 19.11.2003 (Bl. 50 bis 51 d. A.) ihr Schreiben vom 7.11.2003 ausdrücklich ergänzt. Damit ist das der Arbeitgeberin am 21.11.2003 zugegangene Widerspruchsschreiben (Bl. 52 bis 53 d. A.) fristgerecht erfolgt (§ 99 Abs. 3 BetrVG.).

b) Der Betriebsrat hat die Zustimmung mit der gesetzlich geforderten Angabe von Gründen verweigert. Der Betriebsrat genügt der gesetzlichen Begründungspflicht, wenn es als möglich erscheint, dass mit seiner schriftlich gegebenen Begründung einer der im § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Verweigerungsgründe geltend gemacht wird. Eine Begründung, die offensichtlich auf keinen der gesetzlichen Verweigerungsgründe Bezug nimmt, ist dagegen unbeachtlich (vgl. BAG vom 11.6.2002 - AP Nr. 118 zu § 99 BetrVG 1972). Die Begründung des Betriebsrats braucht dabei nicht schlüssig zu sein, konkrete Tatsachen und Gründe müssen nur für die auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 6 BetrVG gestützte Verweigerung angegeben werden. Diesen gesetzlichen Anforderungen genügt das Verweigerungsschreiben des Betriebsrats vom 20.11.2003. Der Betriebsrat macht darin geltend, die vom Arbeitgeber beabsichtigte Maßnahme werde den Bestimmungen der Ersteingruppierungstarifvertrags und dem Anwenderhinweis nicht gerecht. Auch würden die Mitarbeiter durch das Verhalten des Arbeitgebers im Nachhinein bestraft. Diese Gründe des Betriebsrats lassen sich ohne Weiteres den Verweigerungsgründen des § 99 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 BetrVG zuordnen. Ob sie schlüssig erscheinen oder gar tatsächlich zutreffen, bedarf hier keiner Entscheidung.

3. Neben der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat waren an dem Verfahren keine weiteren Personen oder Stellen zu beteiligen (§ 83 Abs. 3 ArbGG). Dies gilt insbesondere für die von der beabsichtigten Umgruppierung betroffenen Arbeitnehmer . Die individuellen Rechtspositionen der Arbeitnehmer/innen werden durch die Frage der Umgruppierung im vorliegenden Verfahren nicht berührt. Vielmehr sind sie durch die Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG nicht gehindert, im Urteilsverfahren die Richtigkeit der Umgruppierung überprüfen zu lassen (vgl. BAG vom 23.9.2003 - 1 ABR 35/02).

II. Der Antrag der Arbeitgeberin ist begründet. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zur Umgruppierung der Mitarbeiter zu Unrecht verweigert. Diese sind aufgrund ihrer Tätigkeit als ICE/EC/IC-Betreuer zu Recht in die Entgeltgruppe E 6 einzugruppieren. Verweigerungsgründe des Betriebsrats bestehen nicht.

1. Im Gegensatz zur Auffassung des Betriebsrats hat die Arbeitgeberin zu Recht eine Umgruppierung der Mitarbeiter/innen vorgenommen.

a) Dem steht nicht entgegen, dass den betroffenen Mitarbeitern/innen zum Zeitpunkt der Ersteingruppierung eine Tätigkeit innerhalb des Zugbegleitdienstes übertragen war, die sie auch seit Januar 2003 wieder ausüben, so dass sich nach Auffassung des Betriebsrats nichts geändert habe. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass alle betroffenen Mitarbeiter jedenfalls vor dem 15.12.2002 eine Tätigkeit als Zugchef-IR ausgeübt haben und nunmehr als ICE/EC/IC-Betreuer eingesetzt sind. Dies stellt eine Versetzung dar.

aa) Denn diese liegt dann vor, wenn dem Arbeitnehmer ein neuer Tätigkeitsbereich übertragen wird, so dass der Gegenstand der nunmehr geforderten Arbeitsleistung ein anderer wird und sich das Gesamtbild der Tätigkeit ändert. Dabei kommt es dar- auf an, ob sich die Tätigkeiten vor und nach der Zuweisung so voneinander unterscheiden, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine andere angesehen werden kann (vgl. BAG vom 22.4.1997 - AP Nr. 14 zu § 99 BetrVG 1972 "Versetzung"). Der Begriff des Arbeitsbereichs wird in § 81 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung sowie die Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes umschrieben. Welche Arbeitsbereiche in einem Betrieb vorhanden sind, ergibt sich aus der jeweils geltenden Organisation des Betriebs. Arbeitsbereich ist danach der konkrete Arbeitsplatz und seine Beziehung zur betrieblichen Umgebung in räumlicher, technischer und organisatorischer Hinsicht (vgl. BAG vom 29.2.2000 - AP Nr. 36 zu § 95 BetrVG 1972). Neben dem räumlichen Bezug und der Arbeitsaufgabe wird der Arbeitsbereich unter Umständen durch weitere Elemente gekennzeichnet, die sich insbesondere aus der mit der Aufgabe verbundenen Verantwortung, besonderen Belastungsfaktoren, der Einbindung in eine bestimmte betriebliche Einheit oder Gruppe und der Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit anderen Personen ergeben können (vgl. BAG vom 29.2.2000 - a. a. O.).

bb) Dass diese Voraussetzungen auch bei einem Wechsel vom Zugchef zum Zugbetreuer vorliegen, erscheint nicht zweifelhaft. Nicht nur das Produkt (IR) sondern auch die Aufgabe hat sich wesentlich verändert. Auch der Entzug einer Teiltätigkeit ist eine Versetzung (vgl. BAG vom 12.9.1996 - AP Nr. 1 zu § 30 ZDG). Dass auch die Tarifvertragsparteien das geringere Maß an Verantwortung als Betreuer gegenüber einem Zugchef als wesentlich angesehen haben, kommt zudem durch die unterschiedlichen Zuordnungen der Tätigkeiten nach den früheren Richtbeispielen zum Ausdruck. Hat sich demnach das Gesamtbild der Tätigkeit der Mitarbeiter erheblich verändert, war der Arbeitgeber nicht nur berechtigt sondern sogar verpflichtet gem. § 99 BetrVG eine Neueingruppierung vorzunehmen (vgl. BAG vom 21.3.1995 - AP Nr. 4 zu § 99 BetrVG 1972 "Eingruppierung").

b) Im Übrigen kommt es nicht einmal entscheidend darauf an, ob eine Versetzung aller Arbeitnehmer vorliegt. Denn eine Umgruppierung ist die Feststellung des Arbeitgebers, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht - oder nicht mehr - den Tätigkeitsmerkmalen derjenigen Vergütungsgruppe entspricht, in die er eingruppiert ist, sondern den Tätigkeitsmerkmalen einer anderen - höheren oder niedrigeren - Vergütungsgruppe entspricht. Anlass für eine solche Feststellung kann eine Änderung der Tätigkeit des Arbeitnehmers sein, eine Änderung der Vergütungsgruppenordnung oder auch nur eine Überlegung des Arbeitgebers, die zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage führt. Für die Frage, ob eine zustimmungspflichtige Umgruppierung vorliegt, kommt es auf diesen Anlass nicht an. Auch bei einer bloßen korrigierenden Umgruppierung ist es ohne Bedeutung, ob die zunächst vorgenommene Eingruppierung offensichtlich oder bewusst falsch war (vgl. BAG vom 20.3.1990 - AP Nr. 79 zu § 99 BetrVG 1972). Für das Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats ist es unerheblich, auf welcher tatsächlichen oder rechtlichen Grundlage die Umgruppierung beruht (vgl. BAG vom 10.12.2002 - AP Nr. 42 zu § 95 BetrVG 1972). Selbst wenn sich daher nur aufgrund der Überlegung des Arbeitgebers eine bisherige fehlerhafte Eingruppierung des Arbeitnehmers ergibt, bedarf es zu einer beabsichtigten Korrektur der Mitwirkung des Betriebsrats.

2. Davon ist die Antragstellerin im vorliegenden Fall zu Recht ausgegangen. Nach den zum Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit als ICE/EC/IC - Betreuer durch die Arbeitnehmer zugrunde zulegenden tariflichen Vorschriften ist deren Tätigkeit der Entgeltgruppe E 6 des Entgelttarifvertrags für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB Konzerns vom 1.8.2002 in der Fassung des 50. Änderungstarifvertrages zuzuordnen.

a) Denn die Entgeltgruppen haben folgende Voraussetzungen:

E 6

Tätigkeiten, die

- zu ihrer Ausführung eine erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungs-Beruf mit einer Regelausbildungsdauer von mindestens 2 1/2 Jahren voraussetzen oder entsprechende Fachkenntnisse und Fertigkeiten verlangen, die durch betriebliche Ausbildung erworben wurden

oder

- sich gegenüber E 5 durch gesteigerten Arbeitsinhalt abheben.

E 7

Tätigkeiten, die

- über E 6 hinaus erweiterte Fachkenntnisse und Fertigkeiten voraussetzen

oder

- sich gegenüber E 6 durch gesteigerten Arbeitsinhalt abheben.

b) Zwischen den Beteiligten ist und war nie streitig, dass die Tätigkeit als ICE/EC/IC - Betreuer/in nicht die Voraussetzungen der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe E 7 erfüllt. Es ist auch nicht ersichtlich, welche erweiterten Fachkenntnisse und Fertigkeiten die Tätigkeit eines ICE/EC/IC - Betreuers/in gegenüber den Anforderungen der Entgeltgruppe E 6 voraussetzt oder durch welche gesteigerten Arbeitsinhalte sie sich von den in der Entgeltgruppe E 6 genannten Tätigkeiten abhebt.

c) Einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 6 stehen auch nicht die Bestimmungen des Ersteingruppierungstarifvertrages entgegen. Dies folgt nicht nur aus § 2 Abs. 3 des Ersteingruppierungstarifvertrags sondern mit besonderer Deutlichkeit auch aus den von beiden Tarifvertragsparteien abgeschlossenen und damit genau so verbindlichen (vgl. BAG vom 17.9.2003 - 4 AZR 540/02; BAG vom 4.4.2001 - 4 AZR 237/00) Anwenderhinweis Nr. 2 zu § 2 Ersteingruppierungstarifvertrag, wenn es dort heißt:

Ändert sich nach dem 1. Januar 1994 die dem Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend übertragene Tätigkeit, richtet sich die erneut vorzunehmende Eingruppierung grundsätzlich nach den Bestimmungen des ETV (ab 1.6.1999 Konzern ETV). Die Regelungen der Ausführungsbestimmungen zu § 2 Abs. 3 und des § 2 Abs. 4 und 5 ErsteingruppierungsTV sind zu beachten. . . .

Dass jedenfalls ab 1.1.2003 allen hier betroffenen Arbeitnehmern mit der Übertragung der Funktion eines ICE/EC/IC - Betreuers/in eine neue Tätigkeit zugewiesen wurde, ergibt sich aus den oben genannten Ausführungen.

3. Für die Entscheidung dahingestellt bleiben muss, ob dieses Ergebnis insbesondere im Hinblick auf eine Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer gerecht und besonders sinnvoll erscheint.

a) Zu Gunsten des Betriebsrats kann dabei davon ausgegangen werden, dass dieser Gesichtspunkt bereits von den Widerspruchsgründen des Betriebsrats im Widerspruch erfasst und nur eine Verstärkung der dortigen rechtlichen Argumentation darstellt (vgl. BAG vom 28.4.1998 - AP Nr. 18 zu § 99 BetrVG 1972 "Eingruppierung") und daher nicht einen neuen Lebenssachverhalt darstellt, dessen Berücksichtigung im vorliegenden Verfahren ausgeschlossen wäre (vgl. BAG vom 11.6.2002 - AP Nr. 118 zu § 99 BetrVG 1972).

b) Die Kammer verkennt nicht, dass diejenigen Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Ersteingruppierung nur als Zugbetreuer tätig waren und dies auch weiterhin blieben, nach wie vor Vergütung gemäß Entgeltgruppe E 7 beziehen, während diejenigen Arbeitnehmer, die zwischenzeitlich in eine Tätigkeit als IR-Zugchef wechselten nun lediglich noch Vergütung nach Entgeltgruppe E 6 erhalten. Andererseits trifft dies in gleicher Weise Arbeitnehmer, die bereits zum Zeitpunkt der Ersteingruppierung Zugchef waren und dies auch während des Einsatzes in den IR-Zügen blieben in gleicher Weise.

c) Letztlich haben die Tarifvertragsparteien für einen Wechsel der Vergütungssysteme an die Übernahme einer neuen Tätigkeit angeknüpft. Ebenso wie bei der Einführung einer Stichtagsregelung liegt dies in der Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien (vgl. BAG vom 29.11.2001 - AP Nr. 296 zu Artikel 3 GG; BAG vom 29.8.2001 - AP Nr. 291 zu Artikel 3 GG). Ihnen kommt dabei ein weiter Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. BAG vom 4.4.2001 - AP Nr. 2 zu § 12 DienstVO ev. Kirche; BAG vom 20.10.1993 - AP Nr. 10 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Bundesbahn"; BAG vom 21.10.1992 - AP Nr. 165 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Wenn sie bei Ablösung der verschiedenen Vergütungssysteme statt auf eine feste Zeitgrenze auf eine Veränderung der Tätigkeit abgestellt haben, haben sie diesen Spielraum nicht überschritten.

d) Den Gerichten für Arbeitssachen ist es auch untersagt, eine derartige Regelung im Hinblick auf den Einzelfall in Zweifel zu ziehen. Tarifliche Regelungen können weder auf Richtigkeit (vgl. BAG vom 6.11.1996 - AP Nr. 1 zu § 10 AVR Caritasverband), noch Zweckmäßigkeit (vgl. BAG vom 6.9.1995 - AP Nr. 22 zu § 611 BGB "Ausbildungsbeihilfe"; BAG vom 5.4.1995 - AP Nr. 18 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Lufthansa") oder gar Billigkeit überprüft werden (vgl. BAG vom 12.2.1992 - AP Nr. 5 zu § 620 "Altersgrenze"). Hält sich der Arbeitgeber an tarifliche Bestimmungen kann darin auch kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegen. Vollzieht der Arbeitgeber nur vorgeschriebene kollektive Regelungen, ohne eine eigene Regelung oder Gestaltung vorzunehmen, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt (vgl. BAG vom 26.4.2000 - AP Nr. 16 zu § 4 TVG "Verdienstsicherung"; BAG vom 4.4.2000 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG "Gleichbehandlung"; BAG vom 8.9.1999 - AP Nr. 15 zu § 1 TVG "Tarifverträge: Papierindustrie").

Nach alledem hat der Betriebsrat zu Unrecht die Zustimmung zur Umgruppierung der Mitarbeiter in die Entgeltgruppe E 6 des Entgelttarifvertrags für die Arbeitnehmer verschiedener Unternehmen des DB Konzerns vom 1.8.2002 verweigert.

C. Die Beschwerde des Betriebsrats war daher zurückzuweisen.

Die Kammer hat für den Betriebsrat die Rechtsbeschwerde gem. § 92 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Ende der Entscheidung

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