Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 12.10.2004
Aktenzeichen: 11 Sa 1496/03
Rechtsgebiete: GehTV, ArbGG, BGB


Vorschriften:

GehTV § 2 V bb
GehTV § 2 VI
GehTV § 2 VI S. 2
ArbGG § 64 Abs. 2
BGB § 315 Abs. 1
Die Entscheidung befasst sich mit dem Begriff der "Angemessenheit" gemäß Ziff. VI des Gehaltstarifvertrages für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 1496/03

Verkündet am: 12. Oktober 2004

In dem Rechtsstreit

hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2004 durch den Richter am Arbeitsgericht Holzer sowie die ehrenamtlichen Richter Kahlich und Tögel für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 24. November 2003 - Az.: 22 Ca 16381/03 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um eine Gehaltserhöhung ab Dezember 2002.

Der Kläger ist seit dem 01.05.1987 entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 24.03.1987 (Bl. 8 f. d.A.) bei der Beklagten beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis kommen kraft Verbandszugehörigkeit beider Seiten die Tarifverträge für Redakteure/Redakteurinnen an Tageszeitungen zur Anwendung.

Der Kläger war bis 1992 als Leiter des Ressorts "Auf Seite 3" der A. tätig. Für diese Aufgabe waren ihm fünf bis sechs Redakteure zugewiesen. Danach war der Kläger für die Beklagte als Autor tätig. Die Vergütung blieb vereinbarungsgemäß unverändert.

Der Kläger ist seit dem 12.03.1998 freigestelltes Betriebsratsmitglied.

In der Anlage zum Anstellungsvertrag vom 24.03.1987 (Bl. 11 d.A.) ist unter Ziff. 3. folgendes geregelt:

"Das Gehalt des Herrn D. ist in freier Vereinbarung zustande gekommen, wobei es erheblich über einem etwa in Frage kommenden Tarifgehalt des Gehaltstarifvertrages für Redakteure an Tageszeitungen liegt.

Bei Änderungen des Gehaltstarifvertrages besteht kein Rechtsanspruch auf eine Anhebung des Gehaltes."

Im Gehaltstarifvertrag für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen sind Redakteurinnen und Redakteure vom 1. bis zum 6. Berufsjahr in Gehaltsgruppe 2, ab dem 10. Berufsjahr in Gehaltsgruppe 3 eingruppiert. Die Alleinredakteurinnen und Alleinredakteure werden nach Gehaltsgruppe 4 und Redakteurinnen und Redakteure in besonderer Stellung nach Gehaltsgruppe 5 bezahlt. Für den Kläger gilt als Ressortleiter Ziff. VI des Gehaltstarifvertrages (im Folgenden: GehTV):

"VI. Gehälter nach freier Vereinbarung

Die Gehälter der Ressortleiterinnen/Ressortleiter von selbstständigen Zeitungen sowie die Gehälter der Chefinnen/Chefs vom Dienst, der stellvertretenden Chefredakteurinnen/Chefredakteure und Chefredakteurinnen und Chefredakteure müssen angemessen über den Gehaltssätzen der Ziff. V b bzw. V bb dieses Tarifvertrages liegen und sind frei zu vereinbaren. Im Falle von Änderungen der Tarifgehälter ist die Angemessenheit der frei zu vereinbarenden Gehälter in Relation zu den Gehaltssätzen der Ziff. V b bzw. Vbb zu überprüfen."

Das Monatsgehalt des Klägers entwickelte sich im Verhältnis zum Tarifgehalt gemäß Gehaltsgruppe V bb wie folgt:

 JahrGehalt des Klägers vor ErhöhungGehalt des Klägers nach ErhöhungTarifgehalt nach ErhöhungErhöhung beim KlägerErhöhung Tarifgehalt
1988DM 8.400,--DM 8.700,--DM 6.255,--DM 300,--DM 206,--
1989DM 8.700,--DM 9.050,--DM 6.511,--DM 350,--DM 256,--
1990DM 9.050,--DM 9.300,--DM 6.954,--DM 250,--DM 443,--
1991DM 9.300,--DM 9.850,--DM 7.441,--DM 550,--DM 487,--
1992DM 9,850,--DM 10.300,--DM 7.873,--DM 450,--DM 432,--
1993DM 10.300,--DM 10.575,--DM 8.133,--DM 275,--DM 260,--
1994DM 10.575,--DM 10.750,--DM 8.269,--DM 175,--DM 163,--
1995DM 10.750,--DM 11.020,--DM 8.561,--DM 270,--DM 265,--
1996DM 11.020,--DM 11.220,--DM 8.719,--DM 200,--DM 158,--
1997DM 11.220,--DM 11.370,--DM 8.850,--DM 150,--DM 131,--
1998DM 11.370,--DM 11.570,--DM 9.027,--DM 200,--DM 175,--
1999DM 11.570,--DM 11.870,--DM 9.325,--DM 300,--DM 298,--
2000DM 11.870,--DM 12.170,--DM 9.605,--DM 300,--DM 280,--
2001DM 12.170,--DM 12.420,--DM 9.845,--DM 250,--DM 240,--
2002DM 12.420,-- € 6.350,25DM 12.420,-- € 6.350,25DM 10.053,-- € 5.140,--DM 0,-- Einmalzahlung 500 EURDM 207,32 € 106,--

Der Kläger erhielt 2002 keine monatliche Gehaltserhöhung, lediglich eine Einmalzahlung in Höhe von € 500,--. Der Gehaltstarifvertrag sah eine Erhöhung um 2,1 % ab 01.12.2002 vor und hatte eine Laufzeit bis zum 31.07.2003 (Bl. 53 d.A.).

Die überwiegende Zahl der Mitarbeiter der Beklagten erhielt in der Vergangenheit zum Tarifgehalt übertarifliche Zulagen gezahlt, die bei Tariflohnerhöhungen verrechenbar sind. Eine solche Anrechnung nahm die Beklagte im Jahr 2001 vor.

Der Kläger trug vor, seit 1996 habe die Differenz zwischen seinem vereinbarten Gehalt und dem höchsten Tarifgehalt mindestens DM 2.500,-- betragen. In der Vergangenheit seien die Tariflohnerhöhungen - bis auf eine Ausnahme im Jahr 1990 - immer mit einem gewissen Aufschlag an ihn weitergegeben worden. Die bisherige Entwicklung bei den Gehaltsanpassungen sei für die Frage der Angemessenheit seines Gehaltes maßgeblich. Die von der Beklagten behauptete wirtschaftliche Entwicklung sei ohne Belang, insbesondere die Anrechnung von übertariflichen Zulagen auf die Tariflohnerhöhung.

Die Beklagte trug vor, dass der Kläger für das Jahr 2002 keinen Anspruch auf Gehaltserhöhung gehabt habe. Der Tarifvertrag erfordere nur, dass das freie Gehalt in einem angemessenen Abstand zum Tarifgehalt stehe. Aus dem Tarifvertrag ergebe sich weder, dass Tariflohnerhöhungen für die Gehälter nach Gehaltsgruppe VI GehTV weiter zu geben wären, noch dass der Abstand zum Tarifgehalt stets gleich bleiben müsse. Es sei angemessen, die Tariflohnerhöhung 2002 auf das Gehalt des Klägers nicht wie in den Vorjahren umzulegen, da auch übertariflich bezahlte Tarifangestellte effektiv keine Gehaltserhöhung auf Grund der Verrechnung mit den übertariflichen Zulagen erhalten hätten.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie der vor dem Arbeitsgericht gestellten Anträge wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Ersturteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Endurteil vom 24.11.2003 abgewiesen. Es ging davon aus, dass der Kläger keinen Rechtsanspruch auf eine Gehaltserhöhung bei Tariflohnerhöhungen habe. Das tatsächlich im Jahr 2002 gezahlte Gehalt habe noch einen angemessenen Abstand zum höchsten Tarifgehalt.

Gegen das dem Kläger am 04.12.2003 zugestellte Endurteil hat dieser mit einem am 11.12.2003 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 03.03.2004 eingegangen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrages der ersten Instanz führt der Kläger aus, dass das Arbeitsgericht übersehen habe, dass sich aus § 2 VI GehTV bei Tariflohnerhöhungen eine Verpflichtung zur Überprüfung der Angemessenheit ergebe. Daraus sei die Verpflichtung zu entnehmen, dass bei Tarifänderungen der Abstand des frei vereinbarten Gehaltes zum höchsten Tarifgehalt nicht verringert werden dürfe. Der Kläger führt aus, die Handhabung zwischen den Parteien in den vergangenen Jahren zeige, dass die Beklagte selbst die Weitergabe der Tariflohnerhöhung zur Wahrung eines angemessenen Abstandes zum Tarifgehalt angenommen habe. Es komme deshalb für den Abstand nicht auf einen Prozentsatz von 25 an, der jedoch vom Arbeitsgericht maßgeblich zugrunde gelegt worden sei. Vielmehr seien die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Daraus folge mindestens der Anspruch auf Weitergabe der jährlichen Tariferhöhung.

Der Kläger beantragt:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 24.11.2003, Az: 22 Ca 16381/03, wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 01.12.2002 ein monatliches Grundgehalt in Höhe von € 6.456,50 zu bezahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 106,-- brutto zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2002;

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 106,-- brutto zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 31.01.2003;

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 106,-- brutto zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2003;

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 106,-- brutto zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 31.03.2003;

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 106,-- brutto zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 30.04.2003;

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 106,-- brutto zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 31.05.2003;

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 106,-- brutto zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 31.06.2003;

die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 106,-- brutto zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2003;

und die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger € 106,-- brutto zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2003.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte führt aus, aus dem Tarifvertrag könne keinesfalls ein Rechtsanspruch auf Weitergabe der Tariflohnerhöhung abgeleitet werden. Der Kläger könne insbesondere nicht geltend machen, dass sich der betragsmäßige Abstand seines Gehalts zum Tarifgehalt nicht verringern dürfe. Ein solcher Anspruch ergebe sich weder aus der langjährigen Praxis noch aus der vom Kläger angeführten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes. Der Kläger übersehe, dass auch ohne Weitergabe der Tariflohnerhöhung sein Gehalt noch einen angemessenen Abstand zum Tarifgehalt habe.

Wegen des sonstigen Vorbringens im zweiten Rechtszug wird im Übrigen Bezug genommen auf die Schriftsätze des Klägers vom 03.03.2004 (Bl. 175 f. d.A.) und der Beklagten vom 13.04.2004 (Bl. 190 f. d.A.) sowie der Sitzungsniederschrift vom 28.09.2004 (Bl. 212 f. d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die gem. § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erhöhung seines Gehalts ab Dezember 2002.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Tariflohnerhöhung im Jahr 2002 auf Grund ausdrücklicher Vereinbarung mit der Beklagten oder auf Grund betrieblicher Übung.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger ein Gehalt nach freier Vereinbarung gem. § 2 VI GehTV erhielt. Dieses Gehalt unterliegt nicht automatisch den laufenden Tariflohnerhöhungen. Das folgt aus § 2 VI des Gehaltstarifvertrages. Außerdem wurde in der Anlage zum Anstellungsvertrag vom 24.03.1987 zwischen den Parteien in Ziff. 3 Abs. 2 vereinbart, dass bei Änderungen des Gehaltstarifes kein Rechtsanspruch auf eine Anhebung des Gehaltes des Klägers besteht. Deshalb konnte aus den im Zeitraum von 1988 bis 2001 tatsächlich erfolgten Erhöhungen des Gehaltes anlässlich der jährlichen Tariflohnerhöhungen kein Rechtsanspruch auf eine künftige Gehaltserhöhung erwachsen. Der Verlauf Erhöhungen in der Vergangenheit ist lediglich ein Umstand, der bei der Beurteilung des angemessenen Abstandes des Gehaltes des Klägers zum höchsten Tarifgehalt zu beachten ist. Dieses Ergebnis wird durch das Schreiben des Klägers vom 28.03.1987 (Bl. 12 d.A.) nicht berührt, weil dadurch keine Vereinbarung mit der Beklagten zustande kam. Für die vom Kläger darin behauptete mündliche Absprache vor Vertragsabschluss wurde kein Beweis angeboten. Der Kläger hat sich hierauf auch letztlich nicht mehr berufen, vielmehr stützt er seinen Anspruch auf die "richtige" Anwendung des Gehaltstarifvertrages.

2. Der streitgegenständliche Anspruch des Klägers auf Gehaltserhöhung kann nicht aus § 2 VI GehTV in Verbindung mit Ziff. 3 der Anlage zum Anstellungsvertrag vom 24.03.1987 hergeleitet werden.

2.1 Dem Wortlaut des § 2 VI GehTV ist eine doppelte Vorgabe für die erfasste Beschäftigtengruppe zu entnehmen:

Zum einen müssen die Gehälter angemessen über den Gehaltssätzen der Gehaltsgruppe V b bzw. V bb GehTV liegen, zum anderen sind diese Gehälter frei zu vereinbaren.

2.1.1 Die Tarifvertragsparteien haben es wegen der Prämisse der freien Vereinbarung unterlassen, einen festen prozentualen Mindestabstand zwischen dem Tarifgehalt und dem frei vereinbarten Gehalt festzusetzen. Es ist auch kein bezifferter Mindestbetrag für die Differenz zwischen frei vereinbartem Gehalt und Tarifgehalt angesetzt. Die Angemessenheit ist deshalb nach billigem Ermessen gem. § 315 Abs. 1 BGB zu bestimmen (vgl. zum Gehaltstarifvertrag für Redakteure und Redakteurinnen an Zeitschriften BAG AP Nr. 12 zu § 1 TVG Tarifverträge Presse).

2.1.2 Der Kläger hat im Falle einer Erhöhung des Tarifgehalts gem. § 2 VI S. 2 GehTV nur einen Anspruch auf Überprüfung der Angemessenheit.

Der Tarifvertrag sieht vor, dass bei Änderungen der Tarifgehälter "die Angemessenheit der frei zu vereinbarenden Gehälter in Relation zu den Gehaltssätzen ... zu überprüfen ist".

Daraus folgt die Verpflichtung des Arbeitgebers, bei jeglichen Änderungen der Tarifgehälter zu prüfen, ob bei einem Vergleich des bisher gezahlten frei vereinbarten Gehalts mit dem geänderten Tarifgehalt die Angemessenheit des Abstandes noch gewährleistet ist; falls dies zu verneinen wäre, müsste eine Erhöhung des frei vereinbarten Gehaltes - nicht zwingend in Höhe der prozentualen Tariflohnerhöhung - vorgenommen werden, damit erneut ein angemessener Abstand hergestellt wird. Entgegen der Ansicht des Klägers kann aus dem Wortlaut des Tarifvertrages nicht hergeleitet werden, dass neben einer Überprüfung in jedem Fall mindestens die Tariflohnerhöhung weiter zu geben wäre, um den früheren Abstand zu gewährleisten. Die Formulierung "in Relation" bedeutet lediglich, dass das frei vereinbarte Gehalt im Verhältnis zum Tarifgehalt zu überprüfen ist. Bleibt der angemessene Abstand zwischen gezahltem, frei vereinbartem Gehalt und geändertem Tarifgehalt bestehen, besteht keine Veranlassung zu einer automatischen Anhebung des frei vereinbarten Gehalts.

2.2 Die Überprüfung des im Dezember 2002 vom Kläger bezogenen Gehaltes in Höhe von € 6.350,25 im Verhältnis zum neuen Tarifgehalt von € 5.140,-- ergibt gem. § 315 Abs. 1 BGB bei Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände, dass der Abstand zwischen den Gehältern noch angemessen blieb.

2.2.1 Die betragsmäßige Differenz zwischen dem vom Kläger bezogenen Gehalt sowie dem maßgeblichen Tarifgehalt und der prozentuale Wert dieser Differenz im Verhältnis zum Tarifgehalt ist folgender Aufstellung zu entnehmen:

 JahrDifferenzbetrag in EuroProzentsatz gezahltes Gehalt über Tarifgehalt
19871.202,0538,8
19881.250,1139,0
19891.298,1739,0
19901.199,4933,7
19911.231,7032,4
19921.240,9030,8
19931.248,5730,0
19941.268,5229,0
19951.257,2728,7
19961.278,7428,9
19971.288,4628,5
19981.300,2228,2
19991.301,2427,3
20001.311,4626,7
20011.316,5826,2
20021.272,5023,5

Hinsichtlich der Tariflohnerhöhung ab Dezember 2002 ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Kläger für diesen Erhöhungszeitraum unstreitig eine Einmalzahlung in Höhe von € 500,-- erhielt. Zwar wurde die Erhöhung damit nicht pro rata, also nicht auf die einzelnen Monate auf das Gehalt des Klägers umgelegt, jedoch sollte die Zahlung ein Ausgleich für die nicht vorgenommene prozentuale Erhöhung des Monatsgehalts sein. Die Zahlung von € 500,-- war keine Sonderzuwendung aus anderen Gründen, vielmehr bezweckte sie eine pauschale, und einmalige Anhebung des Entgeltes des Klägers. Auch wenn der Einmalbetrag von € 500,-- sich nicht auf künftige Anhebungen des Gehaltes betragsmäßig niederschlägt, ist die Einmalzahlung ein tatsächlicher Gehaltszuwachs für den Vergleichszeitraum Dezember 2002 bis Juli 2003. Danach erfolgte eine erneute Tariflohnerhöhung, die nach dem Vortrag der Parteien an den Kläger weiter gegeben wurde. Somit kann der Einmalbetrag von € 500,-- pro rata auf die in dem Zeitraum gezahlten acht Monatsgehälter mit jeweils € 62,50 (€ 500:8 Monate) umgelegt werden. Bei der Überprüfung der Angemessenheit gem. § 2 VI S. 2 GehTV ist deshalb das neue Tarifgehalt ab Dezember 2002 bis Juli 2003 ins Verhältnis zum Monatsbezug des Klägers mit € 6.412,75 (€ 6.350,25 + € 62,50) zu setzen.

2.2.2 Die Prüfung der Angemessenheit ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände nach billigem Ermessen gem. § 315 Abs. 1 BGB vorzunehmen.

Der obigen Aufstellung ist zu entnehmen, dass es keinen gleich bleibenden Differenzbetrag zwischen dem Gehalt des Klägers und dem jeweiligen Tarifgehalt gab. Der Differenzbetrag betrug im Jahre 1987 € 1.202,-- und 2001 € 1.316,58. In diesem Jahr war der Differenzbetrag am höchsten. Am niedrigsten war er im Jahr 1990 mit € 1.199,49. In den Jahren von 1987 bis einschließlich 2001 betrug der durchschnittliche Differenzbetrag etwa € 1.266,--.

Bei der prozentualen Betrachtungsweise des Differenzbetrages im Verhältnis zum Tarifgehalt (Differenzbetrag / Tarifvertrag x 100) ergibt sich demgemäß ein deutliches Absinken des prozentualen Anteils des Differenzbetrages von 39 % im Jahr 1988 bis auf 26,2 % im Jahr 2001. Dies erklärt sich daraus, dass zwar tatsächlich - bis auf das Jahr 1990 - die Tariflohnerhöhungen betragsmäßig aufgerundet an den Kläger weitergegeben wurden, jedoch die prozentuale Tariflohnerhöhung nicht unmittelbar auf das Gehalt des Klägers umgerechnet wurde.

Die von der Beklagten im Jahr 2002 verschlechterte wirtschaftliche Situation ist kein maßgeblicher Umstand bei der Prüfung der Angemessenheit. Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass die Frage der Wirtschaftlichkeit in der Branche bereits bei der Höhe der Tarifabschlüsse zum Ausdruck kommt. Zwar ist bei der Prüfung der Angemessenheit auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, jedoch müssen diese für die jeweilige Gehaltshöhe und die zu prüfende Relation zwischen gezahltem frei vereinbartem Gehalt und Tarifgehalt von Bedeutung sein. Ein tarifgebundener Arbeitgeber ist auch bei eigener wirtschaftlich schlechter Lage verpflichtet, die Tariflohnerhöhungen weiterzugeben. Erfordert deshalb die Einhaltung eines angemessenen Abstandes zwischen den Gehältern bei einer Erhöhung des Tarifgehalts auch eine Anhebung des frei vereinbarten Gehalts, kann sich der Arbeitgeber auf eine wirtschaftlich schlechte Situation letztlich nicht berufen.

Zu beachten ist jedoch der nicht bestrittene Vortrag der Beklagten, dass bereits bei Vertragsabschluss mit dem Kläger tariflich bezahlte Redakteure nicht unerhebliche übertarifliche, anrechenbare Zulagen erhielten. Aus diesem Grund war zu Beginn des Vertrages der Differenzbetrag zwischen dem frei vereinbarten Gehalt des Klägers und dem Tarifgehalt überproportional hoch. Es sollte dadurch der Abstand zwischen dem Gehalt des Klägers und dem Effektivgehalt der Tarifangestellten (Tarifgehalt + übertarifliche Zulage) gewahrt werden. Es ist zwar nachvollziehbar, dass die Beklagte ,die die Tariflohnerhöhung im Jahr 2002 auf Grund der Anrechnung mit übertariflichen Zulagen effektiv nicht an die Tarifangestellten weitergab, auch dem Kläger keine den Vorjahren vergleichbare Anhebung zukommen lassen wollte; andererseits ist zu berücksichtigen, dass § 2 VI GehTV nicht auf das Effektivgehalt der Tarifangestellten, vielmehr auf das Tarifgehalt abstellt. Entscheidend ist deshalb nur der Abstand zwischen dem frei vereinbarten Gehalt des Ressortleiters und dem Tarifgehalt des Redakteurs nach § 2 V bb GehTV.

Als weiterer Gesichtspunkt ist die Tätigkeit des Klägers von Bedeutung. Er war zuerst als Ressortleiter für die Beklagte tätig. Ihm unterstanden damals fünf bis sechs andere Redakteure. Dies ist eine gegenüber einem Redakteur mit besonderer Stellung (gemäß Gehaltsgruppe V) herausgehobene Position. Ein Vergleich der Tarifgruppen untereinander zeigt, dass die Differenz zwischen einem Redakteur im 16. Berufsjahr mit € 4.343,-- zu einem Alleinredakteur im 16. Berufsjahr mit € 4.714,-- prozentual etwa 8,6 % beträgt. Der prozentuale Abstand zwischen einem Alleinredakteur ab dem vollendeten 15. Berufsjahr und einem Redakteur in besonderer Stellung ab dem vollendeten 15. Berufsjahr beträgt ca. 9 %. Da die spätere Tätigkeit des Klägers als Autor vereinbarungsgemäß keine Änderung der Vergütung zur Folge hatte, ist anzunehmen, dass die Parteien einvernehmlich diese neue Tätigkeit und die vorherige Tätigkeit als Ressortleiter als gleichwertig ansahen.

Zu beachten ist außerdem, dass die Parteien in der Anlage zum Anstellungsvertrag vom 24.03.1987 (Bl. 11 d.A.) vereinbarten, dass das Gehalt des Klägers "erheblich" über dem maßgeblichen Tarifgehalt liegen sollte. Insoweit wurde von den Parteien nicht das Wort "angemessen" verwendet. Diese Formulierung ist zur Bestimmung der Angemessenheit im Sinne der Tarifvertragsvorschrift zu beachten. Sie bedeutet, dass der maßgebliche Abstand zwischen den Gehältern keinesfalls nur geringfügig sein sollte. Die Parteien brachten in den Folgejahren durch die Anhebung des Gehaltes des Klägers - wie bereits aufgezeigt - zum Ausdruck, welche Größenordnung sie als erheblich ansahen.

Aufgrund der gesamten Umstände war die Weitergabe eines Betrages von € 106,--, entsprechend der Tariflohnerhöhung, an den Kläger nicht erforderlich, um einen angemessenen Abstand - auch im Sinne eines erheblichen Abstandes - zwischen dem Gehalt des Klägers und dem Tarifgehalt zu wahren. Auch ohne monatliche Umrechnung der Einmalzahlung von € 500,-- betrug der Differenzbetrag zwischen den Gehältern noch € 1.210,--, bei monatlicher Berücksichtigung des Einmalbetrages erhöht sich der Differenzbetrag auf € 1.272,50. Beim Betrag von € 1.210,-- errechnet sich ein Prozentanteil von 23,5 über dem Tarifgehalt, bei dem Betrag von € 1.272,50 dagegen ein Prozentanteil von 24,6.

Unter Berücksichtigung der Tätigkeit des Klägers sowie der Abstände zwischen den einzelnen Tarifgruppen ist ein betragsmäßiger Abstand zwischen dem vereinbarten Gehalt des Klägers zum Tarifgehalt nach § 2 V bb GehTV mit über € 1.200,-- und einem prozentualen Anteil dieses Differenzbetrages zum Tarifgehalt von über 20 % noch als angemessen anzusehen.

Der Kläger hat nur einen Anspruch auf Wahrung eines angemessenen Abstandes, dieser wird jedoch weder durch einen gleich bleibenden, bezifferten Betrag noch von einer "automatischen" Weitergabe der Tariflohnerhöhungen bestimmt. Das Gehalt des Klägers darf nur nicht soweit absinken, dass der Abstand zum Tarifgehalt unangemessen wär.

Da der Kläger auch nach November 2002 ein angemessenes Gehalt im Sinne der getroffenen Vereinbarungen sowie des Tarifvertrages erhielt, kann er keine Erhöhung, insbesondere nicht die Nachzahlung der begehrten € 106,-- monatlich verlangen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Berufung des Klägers war deshalb zurückzuweisen.

III.

Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

IV.

Da dem Rechtsstreit gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG grundsätzliche Bedeutung zukommt, wird die Revision zugelassen. Im Einzelnen gilt die Rechtsmittelbelehrung für den Kläger.

Ende der Entscheidung

Zurück