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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 29.04.2009
Aktenzeichen: 11 Sa 952/08
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 4
KSchG § 7
BGB § 121
BGB § 174
BGB § 177
BGB § 180
Die Entscheidung befasst sich mit der Wirksamkeit einer Kündigung die von der Verwalterin einer Eigentümergemeinschaft gegenüber der bei ihr beschäftigten Hausmeisterin ausgesprochen worden war, wobei der Beschluss der Eigentümerversammlung, der der Kündigung vorangegangen war, durch späteres zivilgerichtliches Urteil für unwirksam erklärt wurde. Die streitgegenständliche Kündigung wurde nicht innerhalb der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG, sondern erst ca. ein Jahr nach Ausspruch angegriffen. Das Fehlen einer Vollmacht war von der Klägerin nicht unverzüglich nach Zugang von der Klägerin gerügt worden. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG waren nicht erfüllt. Das Gericht sieht die Klage als unbegründet an, weil ein Vertretungsmangel gemäß §§ 180 Satz 2, 177 Abs. 1 BGB nicht vorliegt und sonstige Unwirksamkeitsgründe nicht vorgetragen wurden. Ob das Fehlen einer Vertretungsmacht eine Unwirksamkeit "aus anderen Gründen" i.S. von § 4 Satz 1 KSchG darstellt, konnte dahin gestellt bleiben.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

11 Sa 952/08

Verkündet am: 29.04.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus und die ehrenamtlichen Richter Ries und Hiltner

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 6. März 2008, Az.: 6 Ca 2093/07, wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über der Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung sowie über Verzugslohnansprüche der Klägerin gegen die Beklagte.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin war bei der Beklagten als H. im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses zu einer monatlichen Vergütung von € 200,00 beschäftigt. Mit Schreiben vom 20.06.2006 kündigte die zum damaligen Zeitpunkt für die Beklagte tätige Hausverwaltung V. W. das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2006. Dieser Kündigung lag ein Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 06.06.2006 zugrunde, durch den die Hausverwaltung mit der Kündigung beauftragt wurde. Die Klägerin und ihr Ehemann, die ebenfalls Eigentümer in der Wohnanlage sind, haben diesen Beschluss der Eigentümerversammlung vor dem Amtsgericht A. angefochten. Das Landgericht A. bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts, dass der Beschluss unwirksam sei.

Mit ihrer beim Arbeitsgericht A. am 26. Juni 2007 eingegangenen Klage vom 25. Juni 2007 hat die Klägerin die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die Kündigung vom 20. Juni 2006 ihr Arbeitsverhältnis nicht beendet hat und dass dieses über den 31. Juli 2006 hinaus fortbestanden hat. Ferner hat sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von € 2.200,00 brutto begehrt.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, aufgrund der Entscheidungen des Landgerichts A. stehe fest, dass der Beschluss, aufgrund dessen die Hausverwaltung die Kündigung ausgesprochen habe, unwirksam sei. Die Konsequenz sei, dass die Hausverwaltung bei der Kündigung als Vertreterin ohne Vertretungsmacht gehandelt habe. Die fehlende Kündigungsberechtigung sowie der Vertretungsmangel stellten keinen Unwirksamkeitsgrund im Sinne des § 4 Satz 1 KSchG dar, so dass die Dreiwochenfrist insoweit nicht gelte. Da die Klägerin nach Zugang der Kündigung ihrer Arbeitskraft angeboten habe, befinde sich die Beklagte in Annahmeverzug.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass die von der Hausverwaltung V. W. unter dem 20.06.2006 zum 31.07.2006 ausgesprochene Kündigung nicht zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geführt hat.

2. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien bestehende H.vertrag auch über den 31.07.2006 hinaus besteht.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 2.200,00 über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, die Kündigung sei bereits nach § 7 KSchG wirksam, da die Klage nicht innerhalb der Frist von 3 Wochen gemäß § 4 Satz 1 KSchG eingereicht worden sei. Die ungültige Erklärung des Beschlusses entfalte nur Wirkung ex nunc. Die Verwalterin habe entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung den Beschluss der Beklagten durchgeführt. Auch sei der damaligen Verwalterin im Verwaltervertrag die Befugnis eingeräumt worden, einen H. nach eigener Wahl einzustellen und gegebenenfalls zu entlassen. Der Klägerin stehe deswegen auch kein Vergütungsanspruch zu.

Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen

Das Arbeitsgericht A. hat die Klage mit Endurteil vom 6. Mai 2008, das der Klägerin am 25. September 2008 zugestellt wurde, in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Kündigung vom 20. Juni 2006 gelte nach § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam, da die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung nicht innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG geltendgemacht worden sei. Die Klägerin habe erst ein Jahr nach Ausspruch der Kündigung Klage eingereicht. Ein Zuwarten bis zu einer Entscheidung über die Wirksamkeit des Beschlusses der Eigentümerversammlung sei weder geboten noch notwendig gewesen. Die Klägerin mache keinen Unwirksamkeitsgrund geltend, der nach Auffassung des Gerichts nicht unter § 4 KSchG falle. Die Klägerin habe rechtzeitig Kündigungsschutzklage einlegen können, was gegebenenfalls zu einer Aussetzung des Rechtsstreits durch das Arbeitsgericht geführt hätte. Im Sinne der von § 4 KSchG beabsichtigten Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für die Parteien sei eine andere Beurteilung nicht möglich.

Gegen die Klageabweisung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 27. Oktober 2008 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung vom selben Tag, die sie mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2008, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist, begründet hat.

Unter Vertiefung und teilweise Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags macht die Klägerin geltend, das Landgericht A. habe festgestellt, dass der Beschluss, auf den sich die kündigende Hausverwaltung gestützt habe, unwirksam sei. Dem Landgericht A. habe kraft Gesetzes (§ 23 Absatz 4 WEG alte Fassung) allein die Beurteilung oblegen, ob der Beschluss ungültig gewesen sei oder nicht. Die Entscheidung des ordentlichen Gerichts habe dazu geführt, dass der Beschluss vom 6. Juni 2006 als von Anfang an unwirksam zu behandeln sei. Konsequenz hieraus sei gewesen, dass die Hausverwaltung ohne Vertretungsmacht die streitgegenständliche Kündigung ausgesprochen habe. Die rückwirkende ungültige Erklärung habe die Vertretungsmacht des Verwalters nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 4 WEG wieder entfallen lassen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts stelle der Vertretungsmangel keinen Unwirksamkeitsgrund im Sinn des § 4 KSchG dar.

Die Klägerin beantragt:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts A. vom 06.05.2008, Az. 6 Ca 2093/07, wird abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass die von der Hausverwaltung V. W. unter dem 20.06.2006 zum 31.07.2006 ausgesprochene Kündigung nicht zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geführt hat.

3. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien bestehende H.vertrag auch über den 31.07.2006 hinaus fortbesteht.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 2.200,00 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, das Arbeitsgericht habe zu Recht die Auffassung vertreten, dass der Vertretungsmangel einen Unwirksamkeitsgrund im Sinne des § 4 KSchG beinhalte.

Im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung sei im Übrigen der von der Beklagten gefasste Beschluss wirksam gewesen. Das nunmehr gültige Wohnungseigentumsgesetz besage in § 23 Absatz 4 Satz 2 WEG, dass ein Beschluss gültig sei, solange er nicht durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt worden sei. Der Ausspruch der Kündigung sei mit der Rückendeckung eines damalig wirksamen Wohnungseigentümerbeschlusses ausgesprochen worden und damit wirksam. Bei Rechtsgeschäften mit Dritten wirke sich die ungültige Erklärung von Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht aus und entfalte nur Wirkung ex nunc. Es sei § 32 FGG entsprechend anzuwenden. Selbst wenn es die gesetzliche Regelung des § 23 Absatz 4 WEG nicht gäbe, so könne sich die Klägerin auch nicht auf § 180 Satz 1 BGB stützen. Sie habe nämlich die angeblich fehlende Vertretungsmacht bei Vornahme der Kündigung nicht beanstandet und die Kündigung deshalb nicht zurückgewiesen.

Im Übrigen folge die Vertretungsbefugnis der Hausverwalterin auch aus ihrem Verwaltervertrag, der bestimmt habe, dass sie berechtigt sei, einen H. nach eigener Wahl einzustellen und gegebenenfalls zu entlassen. Die Hausverwalterin habe sich in der Kündigung auch nicht auf den Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft gestützt, sondern allgemein ausgeführt, dass im Auftrag der Eigentümergemeinschaft der H.vertrag gekündigt werde. Der Wille der Beklagten, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin in jedem Fall zu beenden, zeige sich auch darin, dass die Beklagte den neuen Hausverwalter das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 zum 1. Dezember 2007 nochmals habe kündigen lassen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft bezüglich des Feststellungsantrags nach § 64 Abs. 1 und 2 c) ArbGG und bezüglich des Zahlungsantrags nach § 64 Abs. 1 und 2 b) ArbGG und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und der vorgeschriebenen Frist eingelegt und begründet worden (§§ 11 Abs. 2 ArbGG, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Sätze 1,2,5 ArbGG i.V.m. § 222 ZPO).

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob - wie das Arbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Hessischen LAG vom 2. Februar 2007, Az. 10 Sa 790/06 argumentiert hat - die Klage bereits deshalb unbegründet ist, weil die Klägerin die Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG nicht gewahrt hat.

Auch wenn man nämlich die Fristwahrung unterstellt, sind keine Tatsachen vorgetragen, die die Wirksamkeit der Kündigung in Frage stellen.

Die Klägerin hat zwar geltend gemacht, die Kündigung sei ohne Vertretungsmacht erfolgt. Hieraus folgt entgegen der Auffassung der Klägerin jedoch nicht die Unwirksamkeit der angegriffenen Kündigung.

Die Kündigung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, bei dem gemäß § 180 Satz 1 BGB eine Vertretung ohne Vertretungsmacht unzulässig ist. Gemäß § 180 Satz 2 BGB findet jedoch § 177 BGB entsprechende Anwendung, wenn der Erklärungsempfänger die von dem Vertreter behauptete Vertretungsmacht nicht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts, also unverzüglich gemäß § 174 Satz 1, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB beanstandet.

Die Klägerin hat das Fehlen einer Vertretungsmacht des Geschäftsführers nicht unverzüglich beanstandet. Damit war die Kündigung gemäß § 177 Abs. 1, § 180 Satz 2 BGB genehmigungsfähig. Eine solche Genehmigung hat die Beklagte schlüssig dadurch erteilt, dass sie die Rechtmäßigkeit der Kündigung im vorliegenden Rechtsstreit verteidigt hat (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.1997, Az.: 8 AZR 699/96 n.v. zit. n. juris).

Unter den gegebenen Umständen kann dahin gestellt bleiben, ob die seinerzeit handelnde Hausverwalterin unabhängig von der Frage der Wirksamkeit des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 6. Juni 2006 bereits auf Grund des Verwaltervertrags vom 23. Juli 2002 zum Ausspruch der angegriffenen Kündigung ermächtigt war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

IV.

Da dem Rechtsstreit über die Klärung der streitgegenständlichen Fragen hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, besteht für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG hingewiesen wird, zulassen sollte.

Ende der Entscheidung

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