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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 05.03.2008
Aktenzeichen: 11 Sa 981/07
Rechtsgebiete: TzBfG


Vorschriften:

TzBfG § 8
Zum Begriff der "unverhältnismäßigen Kosten" (§ 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG) im Zusammenhang mit dem Arbeitszeitverringerungswunsch einer Mitarbeiterin eines Bankunternehmens von Vollzeit- auf Halbtagsbeschäftigung, die nach ca. 6-jähriger Arbeitsunterbrechung wegen Elternzeit nach Behauptung des Arbeitgebers Schulungen zur Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit als Servicekraft in einer Bankfiliale des Arbeitgebers im Kostenumfang von einmalig ca. 15.000,-- € benötigt.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 Sa 981/07

Verkündet am: 5. März 2008

In dem Rechtsstreit

hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus sowie die ehrenamtlichen Richter Frank Ebner und Johannes Kleehaupt für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten vom 2. November 2007 gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 22. August 2007, Az.: 10 Ca 496/07 D wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Verringerung ihrer Arbeitszeit auf 19,5 Stunden pro Woche.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die am 00.00.1965 geborene Klägerin ist seit 1. Januar 1985 bei der Beklagten in Vollzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39,8 Stunden beschäftigt. Die Klägerin verfügt über eine kaufmännische Ausbildung und war bei der Beklagten zunächst als Kontoristin mit Zahlungsverkehrs-Tätigkeiten betraut, ab 1990 war sie dann im Kassendienst und mit Service-Tätigkeiten betraut. Kurzzeitig hat sie eine Zweigstelle alleine geleitet. Im Hinblick auf die Geburt ihrer beiden Kinder am 0. August 2000 sowie am 0. Juni 2003 befand sie sich seit 20. Juni 2000 bis zum 18. Dezember 2006 in Mutterschutz bzw. Elternzeit. Während der Elternzeit war sie für die Beklagte jeweils kurzzeitig für einzelne Projekte (z. B. Euro-Umstellung) tätig. Die Beklagte beschäftigt im Servicebereich 16 Arbeitnehmer, davon 2 in Teilzeit (Job-Sharing).

Im Herbst 2006 fanden verschiedene Gespräche zwischen der Klägerin und der Beklagten bezüglich des Wunsches der Klägerin, einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen, statt. Mit Schreiben des Klägerinvertreters an die Beklagte vom 7. November 2006 machte die Klägerin ihr Teilzeit verlangen erstmals schriftlich geltend und stellte den Antrag, ihre künftige Tätigkeit auf eine Halbtagstätigkeit zu reduzieren. Mit anwaltlichem Schreiben vom 22. Januar 2007 konkretisierte die Klägerin ihren Antrag nochmals mit folgendem Wortlaut: "Höchst vorsorglich wird hiermit seitens unserer Mandantin eine Reduzierung der bisherigen Arbeitszeit auf die Hälfte (gleich 5 Tage vormittags), hilfsweise auf 2 Tage vormittags begehrt." Die Beklagte hat das Teilzeitbegehren der Klägerin mit Schreiben vom 22. Dezember 2006 sowie mit Schreiben vom 23. Januar 2007 abgelehnt.

Mit ihrer am 8. Februar 2007 beim Arbeitsgericht Augsburg eingegangenen Klage vom 3. Februar 2007 hat die Klägerin die gerichtliche Verurteilung der Beklagten zur Zustimmung zur Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin auf 19,5 Stunden vormittags begehrt.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, in den Schreiben des Klägerinvertreters vom 07.11.2006 und vom 22.01.2007 läge ein wirksames Teilzeitverlangen der Klägerin im Sinne des § 8 Abs. 2 TzBfG. Die Angabe der gewünschten Verteilung sei gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zwingend (Sollvorschrift). Dem Teilzeitverlangen der Klägerin stünden im Übrigen auch keine betrieblichen Gründe entgegen. Die von der Beklagten angegebenen Kosten zur Schulung der Klägerin könnten nicht ausschlaggebend für die Frage sein, ob ein Mitarbeiter in Teilzeit beschäftigt werden müsse oder nicht. Im Übrigen sei es nicht glaubhaft, dass tatsächlich Kosten für die erneute Einarbeitung der Klägerin in Höhe von ca. 14.000,-- € entstehen würden. Im Übrigen habe die Beklagte die Klägerin auch während ihrer langjährigen Tätigkeit vor der Elternzeit nur ein einziges Mal eine Schulung für 2 Stunden absolvieren lassen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, der Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin auf 19,5 Stunden wöchentlich vormittags zuzustimmen.

Die Beklagte hat in erster Instanz erwidert, dem Teilzeitverlangen der Klägerin stünden unverhältnismäßige Kosten für nach dem Ende der Elternzeit erforderliche Schulungsmaßnahmen in Höhe von 14.940,70 € entgegen. Die Schulungsmaßnahmen seien erforderlich aufgrund der mehr als 6-jährigen Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses durch Mutterschutz bzw. Elternzeit. Während dieser Zeit hätten sich im Bereich des Banken- und Kreditwesens zahlreiche Änderungen ergeben, wodurch sich auch die Anforderungen an die Mitarbeiter in praktisch allen Bereichen fundamental geändert hätten. Bankmitarbeiter, die im Service, also mit Kundenkontakt eingesetzt würden, müssten heute für den Kunden kompetenter erster Ansprechpartner für alle Anliegen sein und daher in allen Bankangelegenheiten zumindest über Grundkenntnisse verfügen. Die Klägerin verfüge über diese erforderlichen Kenntnisse nicht, da sie zum einen keine bankspezifische Berufsausbildung gehabt habe und im Übrigen ihre Kenntnisse und Fähigkeiten während der Dauer ihrer Abwesenheit nicht aufrechterhalten habe. Erforderlich sei für die Klägerin ein Grundlagentraining im Schalter- und Servicebereich, der Erwerb von Vertriebskenntnissen, EDV-Schulungen und Schulungen bezüglich von der Beklagten vertriebenen Produkten. Insgesamt beliefen sich die Kosten auf 14.940,70 €. Diese erforderlichen Aufwendungen seien einem Arbeitgeber zwar bei einer Vollzeitkraft gerade noch zumutbar, nicht aber bei einer Teilzeitkraft mit der Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit, bei der es Jahre dauere, bis sich die Kosten amortisiert hätten.

Das Arbeitsgericht Augsburg hat der Klage mit Endurteil vom in 22. August 2007, dass der Beklagten am 9. Oktober 2007 zugestellt worden ist, in vollem Umfang stattgegeben

Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Verringerungswunsch stünden keine betrieblichen Gründe entgegen. Die von der Beklagten geltend gemachten unverhältnismäßigen Kosten seien nicht durch den Teilzeitwunsch bedingt, sondern darauf zurückzuführen, dass die Klägerin aufgrund von Elternzeit und Mutterschutz für längere Zeit aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden gewesen sei. Die angeführten Kosten würden unabhängig davon, ob die Klägerin Teilzeit oder Vollzeit arbeite, in gleicher Höhe anfallen. Es könne nicht Sinn und Zweck des Gesetzes sein, dass sich der Arbeitgeber hinsichtlich eines Teilzeitwunschs auf Kosten berufen könne, die ihm unabhängig von dem Teilzeitwunsch einer Arbeitnehmerin ohnehin in dieser Höhe entstehen würden und auf ganz andere Gründe zurückzuführen seien. Die Tatsache, dass diese Kosten sich bei der Teilzeitkraft erst nach längerer Zeit amortisierten, könne keine ausschlaggebende Rolle spielen. Bei der Berufung auf unverhältnismäßige Kosten sei zunächst stets zu prüfen, ob die Kosten auf Grund des Teilzeitwunschs der Arbeitnehmerin höher seien als ohne den Teilzeitwunsch. Erst dann stelle sich die Frage, ob die Kosten unverhältnismäßig seien.

Gegen die Verurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer am 2. November 2007 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung vom selben Tag.

Unter Vertiefung und teilweise Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags macht die Beklagte geltend, damit die Klägerin ihre Tätigkeit im Service wieder aufnehmen könne, müsse sie umfassend geschult werden, was Schulungskosten in Höhe von circa 15.000 € verursache. Auch für die Einarbeitung der erforderlichen Teilzeitersatzkraft würden gleich hohe Kosten anfallen.

Die Beklagte beantragt,

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg 10 Ca 496/07 D vom 22.8.2007 wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, die von der Beklagten geltend gemachten Kosten für angeblich notwendige Schulungen der Klägerin wie der Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der Beklagten seien in vollem Umfang allein auf die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Mutterschutz- und Erziehungszeiten der Klägerin zurückzuführen. Die angegebenen Kosten entstünden in gleichem Maße, wie wenn die Klägerin ihre Arbeitstätigkeit nach der Elternzeit wieder in Vollzeit aufnehme. Dagegen seien die Kosten in keiner Weise durch den Wunsch der Klägerin nach Verringerung ihrer Arbeitszeit bedingt. Diese Kosten seien daher in keiner Weise geeignet, den betrieblichen Grund für die Ablehnung des Teilzeitverlangens der Klägerin darzustellen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze (Bl. 111 ff, 125 ff, 151 ff) ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft nach § 64 Abs. 1 und 2 b) ArbGG und auch im Übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und der vorgeschriebenen Frist eingelegt und begründet worden (§§ 11 Abs. 2 ArbGG, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 Sätze 1,2,5 ArbGG i.V.m. § 222 ZPO).

II.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung der Klage stattgegeben. Die Klägerin hat gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1, Abs. 7 TzBfG einen Anspruch auf Verringerung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit auf 19,5 Stunden.

Das Berufungsgericht schließt sich der Begründung des Erstgerichts in vollem Umfang an und sieht von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 69 Absatz 2 ArbGG).

Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen lediglich folgendes auszuführen:

Jeder Arbeitnehmer hat, soweit die allgemeinen Voraussetzungen des § 8 TzBfG vorliegen und der Arbeitgeber seine Ablehnung nicht auf entgegenstehende betriebliche Gründe (§ 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 TzBfG) stützt, nach § 8 Abs. 1 TzBfG Anspruch auf Verringerung seiner Arbeitszeit.

Der Arbeitgeber kann die Ablehnung nicht allein mit einer abweichenden unternehmerischen Vorstellung von der "richtigen" Arbeitszeitverteilung begründen. Er kann dem auf § 8 TzBfG gestützten Anspruch jedoch betriebliche Gründe entgegenhalten, (§ 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG). Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht (§ 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG). Es genügt, dass der Arbeitgeber rational nachvollziehbare Gründe hat. Dringende betriebliche Gründe sind nicht erforderlich. Die Gründe müssen jedoch hinreichend gewichtig sein (BAG, Urt. vom 21.6.2005, 9 AZR 409/04, NZA 2006,316 m.w.N.).

Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht zu der Auffassung gelangt, dass ein Ablehnungsgrund der Beklagten wegen entgegenstehender betrieblicher Gründe nicht vorliegt.

Dabei hat die Beklagte selbst nicht behauptet, dass die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtige. Sie stellt vielmehr entscheidend darauf ab, dass die Verringerung der Arbeitszeit unverhältnismäßige Kosten verursache.

Dieser Argumentation folgt das Berufungsgericht nicht. Wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, sind die von der Beklagten geltend gemachten Kosten nicht ursächlich auf die Teilung einer Vollzeitstelle in eine Teilzeitstelle zurückzuführen, sondern auf die längere Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses durch Elternzeit und Mutterschutz.

Selbst wenn man - was aus Sicht der Kammer in Anbetracht der bisherigen Art der Personalplanung bei der Beklagten (Einsatz von Auszubildenden, Abschluss von Anschlussarbeitsverhältnissen nach Beendigung der Ausbildungszeit) nicht zwingend erscheint - davon ausgeht, dass bei Wiederaufnahme der Tätigkeit durch die Klägerin die Einstellung einer Halbtagsersatzkraft erforderlich sein sollte, sind die von der Beklagten behaupteten - zusätzlichen - Schulungskosten in Höhe von ca. 15.000 € nicht unverhältnismäßig, da diese nicht jährlich, sondern nur einmalig anfallen. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem vom Bundesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung behandelten Fall, bei dem erhebliche zusätzliche laufende Fortbildungskosten eines Pharmareferenten im Außendienst anfielen, die zudem einem "Mini-Deputat" von 7,5 Stunden von 37,5 Stunden pro Woche zuzuordnen und kalkulatorisch zuzuschreiben gewesen wären. Es kann dahin gestellt bleiben, ob bei einem Teilzeitwunsch der Klägerin, der eine Beschäftigungslücke in dieser Größenordnung gelassen hätte, von vom Teilzeitwunsch der Klägerin verursachten unverhältnismäßigen Kosten im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG auszugehen wäre.

Im Hinblick auf den beschäftigungspolitischen Zweck des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) einerseits, zusätzliche (Teilzeit-)Arbeitsplätze zu schaffen, insbesondere auch im Hinblick auf das gesetzgeberische Motiv, Teilzeitarbeit aus familiären Gründen zu erleichtern (so die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/4374, unter A. I.) sowie dem Ziel des Bunderziehungsgeldgesetzes andererseits eine familiäre Arbeitspause bei Erhalt des Arbeitsplatzes zu ermöglichen (§ 18 BErzGG, ab 1.1.2007: § 18 BEEG), hat der Arbeitgeber aus Sicht der Kammer die mit der Teilzeitarbeit einhergehenden Belastungen jedenfalls dann hinzunehmen, wenn es sich - wie hier - um einmalige Aufwendungen in der hier behaupteten Größenordnung handelt, die zwar durch einen Teilzeitwunsch einer Mitarbeiterin ausgelöst sind, ihre primäre Ursache jedoch in einer elternzeitbedingten Unterbrechung der Beschäftigung der nunmehr in Teilzeit zu beschäftigenden Mitarbeiterin haben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

IV.

Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Revision einlegen.

Für die Klägerin ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.

Ende der Entscheidung

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