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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 05.09.2007
Aktenzeichen: 11 Ta 286/07
Rechtsgebiete: ZPO, KSchG


Vorschriften:

ZPO § 114
KSchG § 23
1. Zu den Voraussetzungen der Beschränkung der Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts.

2. Eine hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO ist bei einer Kündigungsschutzklage nur dann zu bejahen, wenn Tatsachen, die das Erreichen des Schwellenwerts gemäß § 23 KSchG begründen, unter Berücksichtigung einer ggf. vorliegenden Stellungnahme des Arbeitgebers schlüssig dargelegt sind.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN Beschluss

11 Ta 286/07

In Sachen

hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München ohne mündliche Verhandlung am 5. September 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 6.8.2007, Az.: 3 Ca 884/07, wird der bezeichnete Beschluss abgeändert, soweit die Prozesskostenhilfe nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts erfolgt ist. Der Beschluss vom 6.8.2007 wird daher wie folgt neu gefasst:

1. Dem Kläger wird für die Klageanträge 3. (€ 1.245,59) und 4. (€ 237,98) Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwalt W. beigeordnet.

2. Reisekosten des Prozessbevollmächtigten des Klägers sind aus der Landeskasse bis zu dem Betrag zu erstatten, der bei zusätzlicher Beiordnung eines Verkehrsanwalts angefallen wäre.

3. Im Übrigen wird der Antrag mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen.

2. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit seiner durch Schriftsatz vom 6.7.2007 zum Arbeitsgericht Rosenheim erhobenen Klage hat der Kläger einen Kündigungsschutzantrag gegen eine ordentliche Arbeitgeberkündigung, einen Weiterbeschäftigungsantrag sowie zwei Zahlungsanträge mit Beträgen von 1245,59 € sowie 237,90 € gestellt und die Klage gleichzeitig mit einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe verbunden.

Die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes begründete der Kläger mit der mehr als sechsmonatigen Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie der "Beschäftigtenzahl bei der Beklagten".

In der Güteverhandlung am 30.7.2007 schlossen die Parteien einen widerruflichen nicht widerrufenen Vergleich. Vor Protokollierung des Vergleichs hatte der Vorsitzende dem Kläger durch Beschluss aufgegeben mitzuteilen, ob die Voraussetzungen des § 23 Kündigungsschutzgesetz gegeben seien oder nicht. Dabei sollte er konkret auf die Mitarbeiterzahl eingehen, wie sie im Schriftsatz der Beklagten vom 25.7.2004 ausgeführt waren.

Auf die gerichtliche Auflage hin teilte der Kläger mit, er sei davon ausgegangen, dass Herr M. und Herr E. bei der Beklagten als Vollzeitkräfte beschäftigt seien. Folglich sei er davon ausgegangen, dass der Beklagte eine Gesamtmitarbeiterzahl von 11 Mitarbeitern aufweise und demzufolge der Schwellenwert des Kündigungsschutzgesetzes erreicht sei. Tatsächlich sei ihm auch nicht bekannt, ob die Teilzeitmitarbeiter tatsächlich nur die dort angegebenen Stunden pro Woche arbeiteten. Er sei davon ausgegangen, dass diese mehr als zwei oder drei Stunden pro Woche arbeiteten.

Weiter hat der Kläger geltend gemacht, die streitgegenständliche Kündigung sei auch unabhängig von der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes wegen Sittenwidrigkeit unwirksam, weil die Beklagte versucht habe, ihr nicht zustehende Beträge von ihm, dem Kläger, zu fordern, er sich jedoch geweigert habe, diese zu bezahlen.

Das Arbeitsgericht Rosenheim hat mit Beschluss vom 6.8.2007 dem Kläger für die bezifferten Zahlungsanträge Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm seinen Prozessbevollmächtigten zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beigeordnet. Im Übrigen hat es den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen des § 23 KSchG seien nicht erfüllt. Auch wenn die beiden vom Kläger im Schreiben vom 3.8.2007 genannten Mitarbeiter Vollzeit arbeiten würden, käme man erst auf eine Beschäftigtenzahl von 9. Die Ausführungen zur Sittenwidrigkeit der Kündigung bzw. zum Verstoß gegen Treu und Glauben seien nicht nachvollziehbar.

Gegen diesen beim Kläger am 8.8.2007 eingegangenen Beschluss, wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde vom 22.8.2007, die beim Arbeitsgericht Rosenheim am selben Tag eingegangen ist.

Zur Begründung trägt er vor, ihm sei zum Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht bekannt gewesen, mit welcher Stundenanzahl die einzelnen Mitarbeiter der Beklagten beschäftigt seien. Insoweit sei er gutgläubig davon ausgegangen, dass das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finde. Erst mit dem Schriftsatz der Gegenseite vom 25.7.2007, der bei ihm am 27.7.2007 eingegangen sei, habe die Beklagte mitgeteilt, mit welcher Stundenzahl die einzelnen Mitarbeiter tätig seien und dass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finden könne. Bereits am 30.7.2007 habe jedoch der Termin der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht stattgefunden. Darüber hinaus sei die Kündigung unwirksam, weil sie sittenwidrig sei bzw. gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Der Kündigungsschutzklage könne somit die Erfolgsaussicht nicht von vornherein abgesprochen werden.

Der Kläger trägt weiter vor, die Beschränkung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts begegne rechtlichen Bedenken. Er wohne in S., während die Beklagte ihren Geschäftssitz in R. unterhalte. Er könne auch nicht darauf verwiesen werden, einen Prozessbevollmächtigten in R. zu beauftragen, da hierzu zwingend ein Anwalt in R.-notwendig gewesen wäre, zu welchen der Kläger hätte fahren müssen. Eine Kostenersparnis wäre somit nicht eingetreten.

Das Arbeitsgericht R.hat mit Beschluss vom 22.August 2007 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, unstreitig sei der Schwellenwert des § 23 Kündigungsschutzgesetz nicht erreicht. Die Berufung des Klägers darauf, dass ihm die Beschäftigungsstundenzahl der einzelnen Mitarbeiter nicht bekannt gewesen sei, führe nicht zu Erfolgsaussicht der Klage, da es ihm zuzumuten gewesen sei, sich darüber zu erkundigen.

II.

Die mit Schriftsatz vom 22. August 2007 eingelegte und beim Arbeitsgericht Rosenheim am selben Tag eingegangene sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 127 Abs.2 Satz 2 ZPO) sowie form- (§ 569 Abs.2 S.1 ZPO) und fristgerecht (§§ 569 Abs. 1 S. 1; 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) eingelegt.

Die sofortige Beschwerde ist bezüglich der Beschränkung Bewilligung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts teilweise begründet (unten Ziff. 1.), im übrigen ist sie unbegründet (Ziff. 2.).

1. Zunächst ist festzuhalten, dass es im arbeitsgerichtlichen Verfahren zulässig ist, einen Rechtsanwalt im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beizuordnen. Dies folgt aus § 11 a, Abs. 3 ArbGG i. V. m. § 121 Abs. 3 ZPO (vgl. BAG, Beschl. vom 18. Juli 2005, AZB 65/03; NZA 2005, 1078). Der Klägervertreter hat jedoch Anspruch auf Erstattung von Reisekosten, soweit die Kosten der Beiordnung eines Verkehrsanwalts erspart wurden.

Unter besonderen Umständen hat nämlich eine Partei das Recht, dass ihr zur Vermittlung des Verkehrs mit dem - am Gerichtsort ansässigen - Prozessbevollmächtigten ein Rechtsanwalt beigeordnet wird (§ 121 Abs. 4, 2. Alt. ZPO). Soweit unter diesen Voraussetzungen durch die Beiordnung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten die Kosten eines Verkehrsanwalts erspart werden, sind die durch die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts entstehenden Reisekosten erstattbar (BAG, a.a.O. sowie OLG Nürnberg, Beschl. vom 6. Oktober 2004, Az.: 10 WF 3403/04, NJW 2005, 687).

Im vorliegenden Falle liegen diese Voraussetzungen vor, da der Kläger von seinem Wohnort S. aus eine 430 km weite Anreise nach R. hätte unternehmen müssen, um dort persönlich einen Anwalt zu beauftragen. Es ist einem Rechtsuchenden grundsätzlich nicht zumutbar, einen auswärtigen Anwalt schriftlich oder telefonisch zu beauftragen und zu unterrichten (vgl. BAG a.a.O.). Unter den angegebenen Umständen ist die Beschränkung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur bis zur Höhe der ersparten Kosten eines Verkehrsanwalts zulässig.

2. Die darüber hinaus gehende sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Kläger nicht nachvollziehbar machen konnte, wie er zu dem rechnerischen Schluss gekommen ist, dass der Schwellenwert des § 23 KSchG überschritten ist. Soweit er Sittenwidrigkeit der Kündigung geltend macht, fehlt es - wie das Arbeitsgericht in seinem Beschluss vom 6.8.2007 bereits ausgeführt hat - an der Nachvollziehbarkeit der allgemein gehaltenen Behauptungen des Klägers.

3. Gegen diesen Beschluss wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§78 S. 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

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