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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 08.12.2006
Aktenzeichen: 11 Ta 328/06
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 80
InsO § 89
ZPO § 888
Die Entscheidung befasst sich mit der Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus der Verurteilung zur Erteilung einer Lohnabrechnung gegen den Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und kommt zu dem Ergebnis, dass die Zwangsvollstreckung gegen das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO verstößt.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN Beschluss

11 Ta 328/06

In Sachen

hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München ohne mündliche Verhandlung am 8. Dezember 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 23. August 2006, Az.: 11 Ta 328/06, gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kempten vom 9. August 2006, Az.: 1 Ca 777/06 KF, wird dieser aufgehoben.

2. Der Antrag des Gläubigers auf Festsetzung eines Zwangsgelds, hilfsweise Zwangshaft, gegen den Schuldner wegen Nichterfüllung der sich aus dem Teilversäumnisurteil vom 3. Mai 2006, Az.: 1 Ca 777/06 KF, ergebenden Verpflichtung wird zurückgewiesen.

3. Der Gläubiger hat die Kosten des Vollstreckungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Mit Klageschriftsatz vom 22. März 2006 hat der Gläubiger im Hauptsacheverfahren die gerichtliche Verurteilung des Schuldners begehrt, ihm eine Abrechnung über Arbeitslohn für den Zeitraum vom 13.2.2006 bis 6.3.2006 zu erteilen und den sich aus der Abrechnung zu seinen Gunsten ergebenden Betrag auszuzahlen. Auf Antrag des Gläubigers hat das Arbeitsgericht Kempten in der Güteverhandlung am 3.5.2006 gegen den nicht erschienenen Schuldner folgendes Teilversäumnisurteil erlassen:

1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Abrechnung über den Arbeitslohn für den Zeitraum vom 13.2.2006 bis 6.3.2006 zu erteilen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

3. Der Streitwert wird auf 100 € festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2006 beantragte der Gläubiger beim Arbeitsgericht Kempten:

1. Gegen den Antragsgegner wird wegen Nichtherausgabe

a) der Lohnabrechnung für den Zeitraum 13.2.2006 bis 6.3.2006

b) der Lohnauszahlung für den Zeitraum 13.2.2006 bis 6. März 2006 gemäß Teilversäumnisurteil des Arbeitsgerichts Kempten - 01 Ca 777/06 KF - ein Zwangsgeld bis 25.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft bis zu sechs Monaten festgesetzt.

2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Nachdem der Gläubiger den Antrag 1.b) auf Hinweis des Gerichts mit Schriftsatz vom 26.6.2006 zurückgenommen hatte, erließ das Arbeitsgericht Kempten am 9.8.2006 folgenden Beschluss:

1. Gegen den Schuldner wird zur Erzwingung der in Nr. 1.) des Teilversäumnisurteils des Arbeitsgerichts Kempten, Gerichtstag Kaufbeuren, vom 03.05.2006 - 01 Ca 777/06 KF - enthaltenen Verpflichtung, dem Kläger eine Abrechnung über den Arbeitslohn für den Zeitraum vom 13.02.2006 bis 06.03.2006 zu erteilen, ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro, ersatzweise für den Fall, dass dieses ganz oder teilweise nicht beigetreten werden kann, eine Zwangshaft des Schuldners T., von einem Tag je 250,00 Euro festgesetzt.

2. Der Schuldner kann eine Vollstreckung dadurch abwenden, dass er dem Gläubiger gegenüber innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung dieses Beschlusses der obigen Verpflichtung nachkommt.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit seiner sofortigen Beschwerde vom 23.8.2006, die beim Arbeitsgericht Kempten am selben Tag eingegangen ist. Zur Begründung führt er aus, zwischenzeitlich sei das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden und Herr Rechtsanwalt Dr. L. zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Mit der Eröffnung Insolvenzverfahrens sei gemäß § 80 Absatz 1 InsO das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Insofern sei der Insolvenzverwalter in die Arbeitgeberstellung eingerückt und nehme nunmehr sämtliche damit verbundenen Rechte und Pflichten wie die Ausstellung von Arbeitspapieren und die Vornahme von und Lohnabrechnungen über eine Steuerkanzlei war. Eine Eigenverwaltung sei vorliegend nicht angeordnet worden.

Nach Anhörung des Schuldners hat das Arbeitsgericht in Kempten der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 4.9.2006 nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, Ansprüche aus den §§ 888 ff. ZPO seien keine Insolvenzforderungen und könnten deshalb auch während des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner vollstreckt werden.

II.

Die gem. § 793 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 569 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) und damit auch sonst zulässig.

Sie ist auch begründet, weil die begehrte Zwangsvollstreckung gegen das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO verstößt.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, unterliegt die Vollstreckung von Ansprüchen auf Vornahme einer unvertretbaren Handlung, Duldung und auf Unterlassung (§§ 888 ff. ZPO) regelmäßig zwar nicht dem Vollstreckungsverbot des § 89 InsO, weil es sich bei diesen Ansprüchen häufig nicht um Insolvenzforderungen handelt. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht bezüglich solcher Handlungspflichten, zu deren Erfüllung der Schuldner in die dem Insolvenzverwalter gemäß § 80 InsO vorbehaltenen Befugnisse eingreifen müsste (FK-InsO/App, § 89 Rz. 11 a).

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts würde der Schuldner mit der begehrten Abrechnung in die Befugnisse des Insolvenzverwalters gemäß § 80 InsO eingreifen, weil der Insolvenzverwalter mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in die Arbeitgeberstellung eingerückt ist und die zu erteilende Abrechnung auch wesentlichen Einfluss auf mögliche weitere Auseinandersetzungen zwischen dem Gläubiger und dem Insolvenzverwalter über die Frage haben wird, ob und inwieweit dem Gläubiger für den streitbefangenen Zeitraum einen Lohnanspruch zusteht.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren eines Unternehmens Arbeitgeberfunktionen ausübt (FK-InsO, a.a.O., § 80 Rz. 12). Seine Rechtsstellung beruht darauf, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse auf ihn übergegangen ist, während der Schuldner Rechtsträger und mithin auch Träger des Unternehmens bleibt. Demgemäß bleibt der Schuldner auch Vertragspartner der Arbeitsverhältnisse. Die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten kann er jedoch nicht wahrnehmen, weil ihm alle Dispositionsbefugnisse und Handlungskompetenzen durch Übertragung auf den Insolvenzverwalter entzogen sind (MK-InsO/Ott, § 80 InsO, Rz. 22). Der Insolvenzverwalter übt insbesondere das Direktionsrecht des Arbeitgebers im laufenden Betrieb aus, ebenso das Kündigungsrecht. Er hat in der Funktion des Arbeitgebers die diesen treffenden Pflichten zu erfüllen. Dazu gehört in erster Linie gegenüber den Arbeitnehmern die Lohnzahlung, die Erfüllung der arbeitsrechtlichen Schutz- und Fürsorgepflichten sowie die Erteilung von Arbeitszeugnisse in, und zwar auch für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BAG, NJW 1991,1971). Weiterhin treffen den Insolvenzverwalter auch die arbeitsrechtlichen Auskunftspflichten des Arbeitgebers (MK-InsO, a.a.O.). Dazu gehört aus Sicht des Beschwerdegerichts jedenfalls auch die Pflicht des Arbeitgebers zur Erteilung einer Lohnabrechnung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben, nachdem die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht veranlasst ist.

Ende der Entscheidung

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