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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 08.07.2009
Aktenzeichen: 11 TaBV 114/08
Rechtsgebiete: BetrVG
Vorschriften:
BetrVG § 1 |
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes BESCHLUSS
Verkündet am: 08.07.2009
In dem Beschlussverfahren
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Anhörung vom 8. Juli 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus und die ehrenamtlichen Richter Hermann und Wieland
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 06.11.2008, Az. 22 BV 120/08, wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über eine Verpflichtung des Arbeitgebers bezüglich einer bestimmten Arbeitnehmergruppe Einstellungsmaßnahmen zu unterlassen sowie über eine gerichtliche Aufhebung von sechs im Einzelnen benannten konkreten Einstellungsmaßnahmen.
Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Beteiligte zu 2) ist ein eingetragener Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck u. a. die Pflege der deutschen Sprache im Ausland und die Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit sowie die Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes durch Informationen über das kulturelle, gesellschaftliche und politische Leben ist. Er unterhält dafür 147 Institute in 83 Ländern. In Deutschland gibt es 13 G.-I., die Zentrale befindet sich in M..
Der Antragsteller ist der von den Arbeitnehmern der Zentrale und der ihr zugerechneten, im Ausland eingesetzten Beschäftigten gewählte Betriebsrat. Er wurde im Jahr 2005 von ca. 800 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gewählt, von denen regelmäßig mehr als 300 an Standorten im Ausland beschäftigt sind. Die Beteiligten gingen in der Vergangenheit davon aus, dass Zentrale und Auslandsinstitute einen einheitlichen Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes darstellten.
In den Instituten in Deutschland sind weitere Betriebsräte gebildet. Bei den Auslandsinstituten gibt es teilweise Mitarbeitervertretungen nach Ortsrecht sowie nach einem besonderen Regelwerk gewählte Vertrauenspersonen.
Zur Erfüllung seines satzungsgemäßen Auftrages setzt der Beteiligte zu 2) vor allem sogenannte Dozenten ein. Diese müssen ein akademisches Studium absolviert haben. Sie durchlaufen vor ihrer Übernahme in ein festes Arbeitsverhältnis in der Regel eine 14-monatige interne Ausbildung ("Dozentenausbildung"). In ihren Arbeitsverträgen ist die Regelung enthalten, dass sie im In- und Ausland versetzbar seien. Sie werden in die Institute weltweit entsandt. Neben den - dem höheren Dienst zuzurechnenden - Dozenten gibt es auch entsandte Mitarbeiter im gehobenen Dienst, vor allem in den Bereichen der Verwaltung und der Bibliotheksarbeit. Insgesamt gibt es derzeit beim Beteiligten zu 2) 326 Entsandte.
Daneben beschäftigt der Beteiligte zu 2) an den Auslandsinstituten ca. 2.000 Ortskräfte, die am jeweiligen Institut angestellt sind. An den Inlandsinstituten gibt es Lehrkräfte und Mediothekspersonal, die ohne ihre Zustimmung nicht ins Ausland versetzt werden können.
Die Auslandsinstitute werden durch Zuschüsse der öffentlichen Hand finanziert. Die Institute in Deutschland müssen sich selbst tragen; die Finanzierung erfolgt regelmäßig durch die Durchführung kostenpflichtiger Seminare und Deutschkurse. Die in der Zentrale eingesetzten Mitarbeiter gehören überwiegend zum öffentlich finanzierten Bereich (OMB).
Die Institute sind einzelnen Regionen zugeteilt. Es gibt die Regionen Deutschland, Nordwesteuropa, Südwesteuropa, Südosteuropa, Mittelosteuropa, Osteuropa / Zentralasien, Südasien, Ostasien, Südostasien / Australien / Neuseeland, Nordafrika / Nahost, Subsahara / Afrika, Nordamerika, Südamerika und China. Für jede dieser Regionen gibt es eine Regionalleitung.
An jedem Institut gibt es einen Institutsleiter. Regional- und Institutsleiter sind gegenüber den ihnen unterstellten Mitarbeitern, auch den Entsandten, weisungsbefugt.
Der Beteiligte zu 2) hat allgemeine Regelungen für die Tätigkeit im Ausland in der so genannten Geschäftsordnung der Vereins G.-I. e. V. für die Kulturinstitute im Ausland vom 21.03.2006 (GOA) aufgestellt, die am 17.11.2008 neu gefasst wurde.
Für die Planung und Durchführung von Projekten findet beim Beteiligten zu 2) eine so genannte Projektplanungssoftware (PPS) Anwendung. Sie ermöglicht eine Kontrolle des Projekts durch die Zentrale, in der sich auch der entsprechende Server befindet. Sie dient auch dem Zweck, gegenüber dem Zuschussgeber Rechenschaft über die Mittelverwendung abzulegen. Erfasst werden dabei nicht nur entsandte Mitarbeiter, sondern auch Ortskräfte.
Der Arbeitgeber hat seit Februar 2008 Mitarbeiter als sogenannte Experten für Unterricht für eine Partnerschulinitiative und des weiteren sogenannte Experten für Kultur befristet auf drei Jahre für eine ausschließliche Beschäftigung in den G.-I. im Ausland eingestellt und nach erfolgter Einweisung und Fortbildung in der Zentrale des Arbeitgebers in M. im Wege der Versetzung an die G.-I. im Ausland entsandt. Die Einstellung erfolgte und erfolgt aufgrund der vom auswärtigen Amt ins Leben gerufenen Initiative "S. P. der Z." (PASCH), einer Initiative, die auf den weltweiten Aufbau eines Netzwerkes von 1000 Partnerschulen, in denen qualitativ hochwertiger Deutschunterricht angeboten werden soll, zielt. Zielsetzung des Programms ist es, die künftigen Bindungen junger Menschen zu Deutschen und zum deutschen Bildungssystem nachhaltig und dauerhaft zu stärken.
Auf die Arbeitsverhältnisse der im Rahmen dieses Programms eingestellten bzw. einzustellenden Mitarbeiter findet der zwischen dem G.-I. e.V. und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) abgeschlossene Tarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse von beurlaubten Lehrkräften aus dem Schuldienst und von Experten am G.-I. e.V. kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Das vom Arbeitgeber für die Einzelarbeitsverträge der Teilnehmer am Expertenprogramm verwendete Vertragsmuster enthält es in § 1 die Klausel:
Der Arbeitnehmer "übt ausschließlich eine Tätigkeit als Experte für die Partner schon Initiative am G.-I. für den Einsatz in ............ aus. "
§ 2 des Arbeitsvertragsmusters enthält u.a. folgende Regelung:
Ergänzend zu § 4 des Tarifvertrags gilt die Geschäftsordnung für die Auslandsinstitute, insbesondere ist der/die Leiter/in des G.-I. in ................... gegenüber dem Beschäftigten weisungsbefugt.
Mit Beschluss vom 17.12.2007 bzw. vom 04.02.0208 hat der Betriebsrat dem ihn in diesem Verfahren vertretenden Prozessbevollmächtigten mit der Einleitung dieses Verfahrens beauftragt.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat vor den streitgegenständlichen Einstellungen nicht beteiligt.
Mit seinem beim Arbeitsgericht München am 28. März 2008 eingegangenen Antrag im Beschlussverfahren vom 26. März 2008 hat der Betriebsrat die Unterlassung von Einstellungen und Versetzungen von Kultur- und Unterrichtsexperten ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats sowie hilfsweise die Feststellung begehrt, dass die Durchführung der bezeichneten Maßnahmen ohne Beteiligung des Betriebsrats dessen Mitbestimmungsrecht verletzt.
Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe in den vorliegenden Fällen ein Beteiligungsrecht gemäß § 99 BetrVG. Die Arbeitsverhältnisse seien vom Arbeitgeber geschlossen worden, die Leitungsmacht für Auslandsbedienstete werde von der Personalabteilung der Zentrale in M. ausgeübt. Aus § 2 der mit den Arbeitnehmern geschlossenen Verträge ergebe sich eine Bezugnahme auf das Versetzungsrecht in § 4 TVöD und damit auf die jederzeit mögliche Rückversetzungsanordnung gegenüber dem entsandten Mitarbeiter. Die Mitarbeiter würden also nicht für das Ausland eingestellt, sondern von der Zentrale ins Ausland entsandt. Dies ergebe sich auch aus § 3 der Arbeitsverträge, da die dort enthaltene Zusicherung eines festen Wohnsitzes im Inland enthalten sei und auch aus der Zusicherung der Zahlung einer Umzugskostenvergütung.
Der Betriebsrat hat in erster Instanz beantragt:
1. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, es zu unterlassen, Einstellungen und nachfolgende Versetzungen von Kultur- und Unterrichtsexperten im Wege der Entsendung an die G.-I. des Antragsgegners im Ausland vorzunehmen, solange der Betriebsrat die Zustimmung nicht erteilt hat oder im Verweigerungsfall die fehlende Zustimmung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ersetzt worden ist, es sei denn, der Antragsgegner macht sachliche Gründe, die eine Einstellung dringend erforderlich machen, geltend und leitet, falls der Betriebsrat diese bestreitet, hiernach innerhalb von drei Tagen das arbeitsgerichtliche Verfahren nach § 100 BetrVG ein.
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Nr. 1 wird dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld bis zu € 10.000,00 angedroht.
3. Hilfsweise zu 1. und 2.: Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner durch die Einstellung der als Kulturexperten und Unterrichtsexperten benannten Arbeitnehmer und deren nachfolgende Versetzung und Entsendung an eines der G.-I. des Antragsgegners im Ausland, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt, soweit der Antragsgegner nicht vorher den Antragsteller nach § 99 BetrVG beteiligt.
Der Arbeitgeber hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen und zur Begründung vorgetragen, ein beteiligungspflichtiger Sachverhalt liege nicht vor. Es handle sich vielmehr um einen mitbestimmungsfreien Auslandssachverhalt. Eine Ausstrahlung sei nicht gegeben. Aus den mit den betroffenen Mitarbeitern geschlossenen Arbeitsverträgen ergebe sich, dass eine Einstellung im Ausland für ein ausländisches Institut erfolge und auch nur im Ausland die Arbeitsleistung geschuldet sei. Aus den vorgelegten Arbeitsverträgen ergebe sich eine genaue Bestimmung des Arbeitsortes und des Dienstlandes. Eine Versetzung ins Inland könne nicht erfolgen, es bestehe kein Rückrufrecht. Dies sei arbeitsrechtlich nur im Wege einer Änderungskündigung denkbar. Es sei unerheblich, dass die Arbeitsverträge im Inland abgeschlossen worden seien. Die Personalleiterin des Arbeitgebers habe die Vertretungsmacht für die Begründung von Arbeitsverhältnissen aller Art. Entscheidend sei, dass die betroffenen Arbeitnehmer nicht in den Inlandsbetrieb eingegliedert seien. Dies ergebe sich insbesondere aus § 2 der Arbeitsverträge, wonach der jeweilige Institutsleiter gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern weisungsbefugt sei.
Das Arbeitsgericht München hat durch Beschluss vom 6.11.2008, der dem Betriebsrat am 27.11. 2008 zugestellt worden ist, den Antrag zurückgewiesen.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Antrag sei als globaler Antrag unbegründet. Es sei bereits fraglich, ob der gestellte allgemeine Unterlassungsanspruch im Bereich der Einstellungen überhaupt gegeben sei. Er sei aber jedenfalls dann unbegründet, wenn er eine Vielzahl denkbarer Fallgestaltungen erfasse und der Antragsteller nicht für jede denkbare Fallgestaltung Unterlassung verlangen könne. Weitere Voraussetzung sei, dass der Tenor vollstreckungsfähig sei und dass nicht wesentliche Probleme erst im Vollstreckungsverfahren geklärt werden müssten. Der hier gestellte Unterlassungsantrag, der jede zukünftige Einstellung der genannten Personengruppe erfasse und der inhaltlich die gesetzliche Verpflichtung wiederhole, sei danach als Globalantrag unbegründet. Der allgemeine Unterlassungsanspruch diene nicht der allgemeinen Sicherung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte des Betriebsrats. Hierfür bestehe § 23 Absatz 3 BetrVG mit besonderen Voraussetzungen. Sinn des allgemeinen Unterlassungsanspruchs sei es, im Einzelfall mitbestimmungswidrige Maßnahmen zu unterbinden. Dementsprechend sei Voraussetzung eine Rechtsverletzung in der Vergangenheit mit Wiederholungsgefahr oder eine konkret bevorstehende Rechtsgutsverletzung. Ein allgemeiner auf eine Vielzahl von Einzelfällen gerichteter Antrag sei als globaler Antrag unbegründet. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum allgemeinen Unterlassungsanspruch im Bereich des § 87 BetrVG lasse sich nicht ohne weiteres auf die §§ 99 BetrVG übertragen. Anders als im Bereich der §§ 87 ff. BetrVG habe der Arbeitgeber mit § 101 BetrVG eine ausdrückliche Sanktion für ein mitbestimmungswidriges Verhalten des Arbeitgebers angeordnet. Da das Mitbestimmungsrecht in diesem Bereich nicht absolut geschützt sei, vielmehr für die Dauer des Verfahrens vorläufige personelle Maßnahmen hinzunehmen seien, ohne dass der Betriebsrat zu diesen seine Zustimmung erteilen müsse, ergebe sich somit zwingend, dass es sich grundsätzlich um eine erkennbar abschließende Regelung handele.
Dem Betriebsrat stehe auch kein Unterlassungsanspruch nach § 23 Absatz 3 BetrVG zu, da ein erforderlicher grober Verstoß des Arbeitgebers nicht vorliege. Ein solcher grober Verstoß setze voraus, dass die Pflichtverletzungen objektiv erheblich und offensichtlich schwer wiegend seien. Das sei nicht der Fall, wenn - wie hier - der Arbeitgeber in einer schwierigen und ungeklärten Rechtslage eine vertretbare Rechtsansicht äußere und danach handele.
Es liege im Übrigen auch kein mitbestimmungspflichtiger Sachverhalt vor. Die betroffenen Arbeitnehmer seien zu keinem Zeitpunkt Arbeitnehmer in einem Inlandsbetrieb des Arbeitgebers. Die Arbeitsverträge enthielten auch keine weiterreichende Rückversetzbarkeit. Demgegenüber falle die Tatsache, dass die betroffenen Arbeitnehmer an einer Einführungswoche teilgenommen hätten, nicht ins Gewicht, weil diese Arbeitnehmer in dieser Zeit keine eigentliche Arbeitsleistung erbracht hätten.
Der Hilfsantrag - so das Arbeitsgericht weiter - sei unzulässig. Es bestehe kein rechtliches Interesse an der Feststellung, dem Betriebsrat habe an einer vom Arbeitgeber bereits endgültig durchgeführten personellen Einzelmaßnahme ein Mitbestimmungsrecht zugestanden. Das Betriebverfassungsgesetz sehe insoweit als prozessuales Mittel den Aufhebungsantrag nach § 101 BetrVG vor. Der Betriebsrat habe auch hier die Möglichkeit, den Streit im Rahmen des § 101 BetrVG klären zu lassen.
Gegen den Beschluss vom 6. November 2008 hat der Betriebsrat mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2008, der beim Landesarbeitsgericht München am 17. Dezember 2008 eingegangen ist, Beschwerde eingelegt.
Zur Begründung seiner Beschwerde trägt er vor, die einzustellenden bzw. eingestellten Teilnehmer am Expertenprogramm seien Arbeitnehmer des in M. ansässigen Betriebs. Die Zentrale im Inland stelle nämlich zusammen mit den G.-I. im Ausland eine betriebsverfassungsrechtliche Einheit dar, die durch einen einheitlichen Leitungsapparat in M. in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten, vorliegend bei personellen Einzelmaßnahmen, geleitet werde. Das Arbeitsgericht habe rechtsirrig angenommen, dass keine Eingliederung der Experten in den Inlandsbetrieb erfolge bzw. erfolgt sei. Vorliegend bestehe jedoch kein Inlandsbetrieb getrennt von Auslandsbetrieben sondern ein einheitlicher Betrieb "Zentrale Inland/Ausland" des G.-I.. Die Mitarbeiter unterlägen auch den Weisungen der Zentrale in M.. Diese entscheide über die wesentlichen, der sozialen und personellen Mitbestimmung unterliegenden Angelegenheiten nach §§ 87 Abs. 1 und 99 BetrVG. Die Gesamtkoordination des Expertenprogramms liege beim Auswärtigen Amt. Der Beitrag des Arbeitgebers bestehe in der Entsendung von Experten für den Unterricht, u.a.. Aus der Aufbauorganisation und der allgemeinen Weisung vom 8.5.2008 (AIZ 1005/08) ergebe sich, dass die an die Auslandsinstitute entsandten Mitarbeiter der Erfüllung der Zwecke des Inlandsbetriebs der Zentrale dienten und den von dort aus erteilten Weisungen unterlägen. Die Personalabteilungsleiterin Frau W.-J. übe nicht nur das Einstellung-, Versetzungs- und Kündigungsrecht aus. Darüber hinaus übe die Abteilung Sprache in Gestalt der Projektleitung PASCH unter der Leitung von Frau Dr. B. auch das Direktionsrecht gegenüber den hier betroffenen Arbeitnehmern mit Blick auf die zu erledigenden Arbeitsaufgaben aus.
Der Betriebsrat beantragt:
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 06.11.2008, Az. 22 BV 120/08, wird aufgehoben;
2. Unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts München vom 06.11.2008, Az. 22 BV 120/08, wird beantragt dem Beschwerdegegner aufzugeben, es zu unterlassen, Einstellungen und Versetzungen von Kultur- und Unterrichtsexperten im Wege der Entsendung an die G.-I. des Beschwerdegegners im Ausland vorzunehmen, solange der Beschwerdeführer die Zustimmung nicht erteilt hat oder im Verweigerungsfall die fehlende Zustimmung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ersetzt worden ist, es sei denn, der Antragsgegner macht sachliche Gründe, die eine Einstellung dringend erforderlich machen, geltend und leitet, falls der Beschwerdeführer diese bestreitet, hiernach innerhalb von 3 Tagen das arbeitsgerichtliche Verfahren nach § 100 Abs. 2 BetrVG ein;
3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung wird dem Beschwerdegegner ein Ordnungsgeld bis zu € 10.000,00 angedroht;
4. Dem Beschwerdegegner wird aufgegeben die Einstellung/Versetzung der Mitarbeiter
- Herrn Dr. P. S.,
- Frau K. K.,
- Frau K. P.,
- Herrn F. R.,
- Frau W.-C.,
- Frau J. G.
an eines der G.-I. des Beschwerdegegners im Ausland aufzuheben.
5. hilfsweise für die Anträge 1. - 4. :
es wird festgestellt, dass der Beschwerdegegner durch die Einstellung/Versetzung von Kulturexperten und Unterrichtsexperten an die G.-I. des Beschwerdegegners im Ausland das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates verletzt, soweit der Beschwerdegegner nicht vorher den Beschwerdeführer nach § 99 ff. BetrVG beteiligt.
6. Der Gegenstandswert wird festgesetzt.
Der Arbeitgeber beantragt,
die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.
Zur Begründung führt er aus, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelte das Betriebsverfassungsrecht grundsätzlich nicht für im Ausland tätige Mitarbeiter. Nur ausnahmsweise, wenn eine Ausstrahlung des Inlandbetriebs in der Weise erfolge, dass Mitarbeiter noch dem deutschen Betrieb angehörten, könne trotz der Auslandstätigkeit der persönliche Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsrechts erhalten bleiben. Im Grundsatz gehe es um die Frage, ob der im Ausland eingesetzte Mitarbeiter noch dem inländischen Betrieb zugerechnet werden könne. Das Bundesarbeitsgericht habe in seinen Entscheidungen auf diverse Kriterien abgestellt: Dauer der Entsendung ins Ausland, Tätigkeit im Inland, Eingliederung in einen Betrieb im Ausland und Bestehen eines Rückrufrechts. Bei Zugrundelegung dieser Kriterien, komme man im vorliegenden Fall dazu, dass das Betriebsverfassungsgesetz für die betroffenen Mitarbeiter keine Anwendung finde. Die Zentrale entscheide nicht über die Einzelheiten der Tätigkeit im Ausland für die im Antrag genannten Mitarbeiter.
Ein einheitlicher Betrieb zwischen Zentrale und den circa 150 Instituten bestehe nicht. Die Institute im Ausland seien eigenständige Betriebe mit eigener Leitung und räumlich weit entfernt. Die Institute im Ausland hätten eine eigene Leitung, Verwaltung, Hauspersonal. Dem Institutsleiter vorgesetzt sei nicht die Zentrale, sondern der regionale Leiter, der ebenfalls im Ausland tätig sei. Er sei Dienstvorgesetzter der Institutsleiter seiner Region. Das Weisungsrecht werde von dem Institutsleiter vor Ort ausgeübt, nicht von der Zentrale. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts München vom 28. Januar 2009 habe Mitarbeiter mit Rotationsklauseln betroffen. Das Arbeitsgericht habe hier gerade nicht festgestellt, dass es sich um einen einheitlichen Betrieb handele. Nachdem keine Eingliederung in den Inlandsbetrieb stattfinde und die Beschäftigung dauernd im Ausland erfolge, sei eine Zuständigkeit des Betriebsrats nicht gegeben. Es sei auch nicht unstreitig, dass die Angelegenheiten der sozialen Mitbestimmung allein von der Zentrale M. aus entschieden würden. Die Entscheidungen nach § 87 I Nr. 1,2,3,6,7,8,9,12 und 13 BetrVG erfolgten vor Ort. Bezogen auf das Projekt PASCH sei festzustellen, dass die Führung des Projekts dem Auswärtigen Amt obliege. Vor Ort erfolge die Abstimmung mit den Auslandsvertretungen. Aus den Unterlagen ergäben sich keine Weisungen der Zentrale an die Mitarbeiter vor Ort. Es sei unrichtig, dass laufend nähere arbeitsbezogene Weisungen an die Mitarbeiter von der Zentrale ausgingen. Dies obliege dem Institutsleiter im Ausland. Die Leitung und Koordinierung obliege dem auswärtigen Amt. Nach der Rechtsprechung des BAG bestehe keine Ausstrahlung des Inlandsbetriebs. Die Einstellung erfolge nicht nur vorübergehend, sondern ständig im Ausland. Die Mitarbeiter seien im Ausland in eine betriebliche Struktur eingegliedert und dem dortigen Leiter direkt unterstellt. Ein Rückrufrecht bestehe aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen nicht. Das Direktionsrecht über das Ob, Wie und Wann der Tätigkeit obliege dem Institutsleiter.
Hinsichtlich des weiteren Ergebnisses der Anhörung wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend und mit zutreffender Begründung die Anträge u.a. deshalb zurückgewiesen, weil ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bezüglich der betroffenen Mitarbeitergruppe nicht bestehe.
Zum Beschwerdevorbringen wird ergänzend bemerkt:
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und herrschender Lehre (vgl. u.a. Fitting u.a., 24. Aufl., § 1 BetrVG, Rz. 21 ff. m.w.N.) richtet sich der räumliche Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes nach dem sog. Territorialitätsprinzip. Anknüpfungspunkt ist der Sitz des Betriebes. Das Betriebsverfassungsgesetz findet auf alle in der Bundesrepublik Deutschland oder in West-Berlin (§ 131 BetrVG) gelegenen Betriebe Anwendung. Nach welcher Rechtsordnung sich die Vertragsverhältnisse der dort tätigen Arbeitnehmer richten, ist für die Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes ohne Bedeutung. Dieses erfasst somit grundsätzlich auch ausländische Arbeitnehmer, die in einem im Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes gelegenen Betrieb tätig sind. Umgekehrt gilt es für Auslandsbetriebe auch dann nicht, wenn Arbeitgeber und/oder Arbeitnehmer deutsche Staatsangehörige sind und auf die Vertragsverhältnisse deutsches Recht Anwendung findet (BAG, Urt. vom 7.12.89, Az.: 2 AZR 228/89, NZA 1990,992 m.w.N.)
Inwieweit das Betriebsverfassungsgesetz auf Mitarbeiter deutscher Betriebe Anwendung findet, die im Ausland tätig sind, lässt sich mit Hilfe des Territorialitätsprinzips nicht feststellen. Es handelt sich hierbei um eine Frage des persönlichen, nicht des räumlichen Geltungsbereichs des Betriebsverfassungsgesetzes. Einigkeit besteht darüber, dass deutsches Betriebsverfassungsrecht auf im Ausland tätige Mitarbeiter anwendbar ist, soweit sich deren Auslandstätigkeit als "Ausstrahlung" des Inlandsbetriebes darstellt.
Bei der Prüfung, wann eine solche Ausstrahlung vorliegt, orientiert sich die Rechtsprechung in erster Linie an der Dauer der Auslandstätigkeit. Arbeitnehmer, die vorübergehend ins Ausland entsandt werden, sind dem deutschen Betrieb zuzurechnen. Demgegenüber fehlt es an einer hinreichenden Beziehung zum Inland bei Arbeitnehmern, die dauernd im Ausland tätig sind, insbesondere nur für einen bestimmten Auslandseinsatz eingestellt wurden und nie im inländischen Betrieb tätig waren (BAG, Urteil vom 21. Oktober 1980, Az.: 6 AZR 640/79, AP Nr. 17 zu Internat. Privatrecht Arbeitsrecht; Beschluss vom 25. April 1978, 6 ABR 2/77, AP Nr. 16 zu Internat. Privatrecht Arbeitsrecht). Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings in einem Fall dauernder Auslandstätigkeit (Reiseleiterin in Tunesien) den Inlandsbezug deshalb bejaht, weil die Auslandstätigkeit ohne Integration in einem Auslandsbetrieb stattfand, im Arbeitsvertrag eine Verpflichtung, ggf. im Inland tätig zu werden, enthalten war und weil die Arbeitnehmerin unmittelbar dem Direktionsrecht der im Inlandsbetrieb tätigen Vorgesetzten unterworfen war (BAG Urt. vom 7.12.1989, a.a.O.). Ähnliches gilt auch in anderen Berufen, wenn der - auch dauerhafte - Auslandseinsatz außerhalb einer festen im Ausland befindlichen betrieblichen Organisation stattfindet.
Nach der geschilderten Rechtsprechung hängt die Beantwortung der Frage, ob der Inlandsbezug eines im Ausland tätigen Mitarbeiters erhalten geblieben ist, von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Dauer des Auslandseinsatzes, der Eingliederung in einen Auslandsbetrieb, dem Bestehen und den Voraussetzungen eines Rückrufrechts zu einem Inlandseinsatz sowie dem sonstigen Inhalt der Weisungsbefugnisse des Arbeitgebers ab.
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Beschwerdekammer in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht zu der Auffassung gelangt, dass bei dem betroffenen Mitarbeiterkreis der erforderliche Inlandsbezug nicht gegeben ist, um Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats auszulösen.
Für das Fehlen des Inlandsbezugs spricht die dauerhafte vertragliche Bindung an einen Arbeitsplatz im Ausland, das fehlende Rückrufrecht des Arbeitgebers und die Tatsache, dass die Unterrichts- und Kulturexperten in die auswärtigen Institute dadurch integriert sind, dass sie dem Weisungsrecht des örtlichen Institutsleiters unterworfen sind, der sowohl nach der Geschäftsordnung des Arbeitgebers wie auch auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarung ihr Vorgesetzter ist. Demgegenüber fällt die Tatsache, dass die Personalverwaltung vom Arbeitgeber im Inland wahrgenommen wird und dass die betroffenen Beschäftigten an Fortbildungsmaßnahmen im Inland teilnehmen, nicht entscheidend ins Gewicht. Dass die berufliche Tätigkeit der betroffenen Mitarbeiter im Wege von Einzelweisungen umfassend vom Inland aus gestaltet wird, ist vom Betriebsrat zwar behauptet worden, für das Beschwerdegericht aber nicht hinreichend nachvollziehbar geworden. Dass die Grundstrukturen der Aufgabenwahrnehmung durch die Auslandsinstitute von der Zentrale aus festgelegt werden, ist aus Sicht der Beschwerdekammer kein ausreichendes Indiz für die Herstellung eines Inlandsbezugs. Entscheidend ist, dass die unmittelbare Vorgesetztenstellung von dem im Auslandsbetrieb tätigen Institutsleiter wahrgenommen wird. Er ist für die Umsetzung und Realisierung der Vorgaben der Zentrale durch seine Mitarbeiter verantwortlich.
3. Eine "Ausstrahlung" des inländischen Betriebs liegt im Übrigen entgegen der vom Betriebsrat offenbar vertretenen Meinung nicht bereits dann vor, wenn der ausländische Betrieb derselben wirtschaftlichen Zweckbestimmung dient wie der inländische Hauptbetrieb. Eine betriebsverfassungsrechtliche Verknüpfung von Haupt- und Nebenbetrieb bzw. Betriebsteil allein auf Grund des gemeinsamen Betriebszwecks ist dem deutschen Betriebsverfassungsrecht fremd. Nach § 4 BetrVG sind Betriebsteile ungeachtet des gemeinsamen Betriebszwecks selbständige Betriebe, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 BetrVG erfüllen und entweder räumlich vom Hauptbetrieb weit entfernt oder nach Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind. Das für das Betriebsverfassungsgesetz geltende Territorialitätsprinzip würde leer laufen, wenn man ausländische Betriebsteile allein schon auf Grund des gemeinsamen Betriebszwecks dem inländischen Hauptbetrieb zuzuordnen würde. Regelmäßig verfolgen Inlandsbetrieb und ausländischer Betriebsteil denselben wirtschaftlichen Zweck. Der Begriff der Ausstrahlung des inländischen Betriebs lässt sich demnach nicht unter organisatorischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmen. Es ist vielmehr auf Grund der Beschäftigungsbedingungen zu ermitteln, ob der im Ausland tätige Mitarbeiter weiterhin dem Inlandsbetrieb zuzuordnen ist oder nicht (BAG, Beschluss vom 25.4.1978, a.a.O.).
Nach dem unstreitigen Sachverhalt nimmt der Arbeitgeber seine Aufgaben außerhalb seiner inländischen Zentrale u.a. mit Hilfe von 147 Instituten in 83 Ländern wahr. Diese Vertretungen sind auf Dauer geschaffene Einrichtungen, deren Bestand nicht von der Person der dort tätigen Arbeitnehmer, insbesondere nicht der sog. entsandten Kräfte sowie der hier in Rede stehenden Teilnehmer am Experten-Programm abhängig ist. Sie stellen daher eigene betriebliche Organisationen dar, die auf Grund des Territorialitätsprinzips dem deutschen Betriebsverfassungsrecht entzogen sind.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 12 Abs. 5 ArbGG.
IV.
Da dem Verfahren über die Klärung des streitgegenständlichen Rechtsverhältnisses hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. §§ 92 Abs. 1 Satz 1; 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.
Gegen diesen Beschluss ist deshalb die Rechtsbeschwerde nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gem. §§ 92 a i.V.m. 72 a ArbGG hingewiesen wird, zugelassen hat.
Ende der Entscheidung
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