Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 16.06.2008
Aktenzeichen: 11 TaBV 50/08
Rechtsgebiete: ZPO, BetrVG


Vorschriften:

ZPO § 935
ZPO § 940
BetrVG § 16
BetrVG § 17
BetrVG § 19
Die Entscheidung befasst sich mit der Möglichkeit, den Abbruch einer Betriebsratswahl im Wege der einstweiligen Verfügung durchzusetzen, wenn die Einleitung und Durchführung der Betriebsratswahl deswegen fehlerhaft ist, weil eines der (drei) Wahlvorstandsmitglieder nicht die erforderliche Mehrheit der auf der zur Wahl des Wahlvorstands einberufenen Betriebsversammlung anwesenden Arbeitnehmer erhalten hat und eine Nachwahl nicht stattfindet. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass es sich bei der in Aussicht genommenen Betriebsratswahl daher um eine Wahl ohne Wahlvorstand handelt und diese im Fall ihrer Durchführung nichtig sein wird. Im Hinblick darauf werden Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund des auf Abbruch gerichteten Antrags bejaht.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

11 TaBV 50/08

Verkündet am: 16. Juni 2008

In dem Beschlussverfahren

hat die Elfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der Anhörung vom 16. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Obenaus sowie die ehrenamtlichen Richter Leonhard Bayer und Martina Wischhöfer für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 20. Mai 2008, Az.: 25 BVGa 26/08, wird wie folgt abgeändert:

Der Beteiligte zu 19) wird verpflichtet, die derzeit in den betrieblichen Einheiten der Arbeitgeberin, nämlich Hauptverwaltung ...GmbH, ... sowie Restaurants ... laufende Betriebsratswahl abzubrechen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Beteiligten zu 19) eingeleitete Betriebsratswahl fortgesetzt werden kann oder ob sie abzubrechen ist.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt eine F.-Kette mit insgesamt 11 Münchener Filialen und einer Hauptverwaltung in M.. Weder in der Hauptverwaltung noch in den bezeichneten Filialen bestehen Betriebsräte.

Die Arbeitnehmer A., G. und E. luden mit Schreiben vom 11.04.2008 (Bl. 16 d.A.) "alle Beschäftige(n) in den Betrieben der ...GmbH in M." zu einer ersten Wahlversammlung am 21.04.2008 um 15.00 Uhr im Restaurant ..., 2. Etage, ein. Zur Begründung führten sie aus, im Unternehmen ...GmbH M. gebe es bislang noch keinen Betriebsrat, der die Interessen der Belegschaft vertreten könne. Dies wollten die Unterzeichner ändern.

Die Einladung erfolgte per Aushang. Zusätzlich versandte Herr A. per E-Mail die Einladung an einen Verteiler "...Office" (Bl. 164 d.A.). Mit diesem E-Mail-Verteiler werden auch Mitarbeiter in Spanien, England und Holland, die nicht zur betrieblichen Einheit RSC gehören, erreicht.

Die Hauptzentrale (= Restaurant Support Center = RSC) ist zuständig für zentrale und unternehmenseinheitlich zu behandelnde Aufgaben. Sie gliedert sich in verschiedene Abteilungen, wie die Finanzabteilung, die zuständig für die Finanz- und Lohnbuchhaltung sowie die Planung und Auswertung wirtschaftlicher Daten ist, die Trainingsabteilung, die das Training der Manager und der Franchiseunternehmer bezüglich der operativen Arbeit durchführt, die Abteilung Franchise, die Abteilung Human Resources, die u.a. Regionalleiter, Distriktleiter und Restaurantmanager in personellen Angelegenheiten unterstützt, die Marketingabteilung, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit Zentraleuropa und die osteuropäischen Länder betreut, die Abteilung Supply, die unternehmensweit und sogar für Gesamteuropa, den Mittleren Osten und Afrika die Logistik der Warenlieferung für Franchisenehmer und die von ihr selbst betriebenen Restaurants übernimmt, die Abteilung Qualitätssicherung, die Abteilung Operations, die Rechtsabteilung, die Abteilung Development sowie die Abteilung Communications und die IT-Abteilung.

Jedem Restaurant steht ein eigenständiger Restaurantleiter vor, der für die Steuerung des jeweiligen Restaurants verantwortlich ist. Er nimmt die Dienstplaneinteilung, die Urlaubsgewährung vor und stellt ein und entlässt. Zwischen dem Restaurant und der Hauptverwaltung bestehen mehrere Weisungsebenen, wie die des Distriktleiters und des Regionalleiters.

Am 21.04.2008 fand die angekündigte Wahlversammlung statt. Über den Ablauf fertigte Herr Ö. von der ... München ein Protokoll. Hieraus ergibt sich u.a., dass 176 Teilnehmer an der Versammlung teilgenommen haben.

An der Versammlung nahm auch der nicht wahlberechtigte Restaurantmanager aus L., Herr C., teil. Die Wahlversammlung fand im 1. Stock des Gebäudes in der ...Straße ... statt. Einige Mitarbeiter standen auf der Treppe bzw. blieben im Erdgeschoss stehen. Die Luft in dem Raum war stickig und es wurde sehr heiß. Einige Anwesende verließen den Raum, es war ein Kommen und Gehen.

Die drei Einladenden stellten sich zunächst mittels Megaphon vor. Dann ergriff der Gewerkschaftsvertreter, Herr Ö., das Wort.

Im Verlauf der Versammlung wurde die Frage gestellt, ob nicht für die Hauptverwaltung und die Restaurants getrennte Betriebsräte gewählt werden könnten. Gewerkschaftsvertreter Ö. stellte im Rahmen einer Abstimmung fest, dass es hierfür keine Mehrheit gebe.

Die Mitarbeiter A., G. und E. sowie die weiteren Mitarbeiter K. und H. stellten sich als Kandidaten zum Wahlvorstand zur Verfügung. Die durchgeführte Abstimmung führte zu dem Ergebnis, dass laut Protokoll des Gewerkschaftsvertreters Ö. die Herren A. G. und E. zum Wahlvorstand bestellt worden seien, und zwar A. mit 111 Handzeichen, G. mit 103 Handzeichen und E. mit 84 Handzeichen. Im Anschluss daran wurde Herr A. zum Wahlvorstandsvorsitzenden gewählt. Herr Samson E. verzichtete laut Protokoll auf das Amt des Stellvertreters, Herr G. wurde laut Protokoll Stellvertreter.

Mit Schreiben vom 07.05.2008 erfolgte eine Einladung durch Arbeitnehmer des RSC zur Betriebsversammlung eines Wahlvorstandes für den 15.05.2008. Auf dieser Wahlversammlung wurde ein Wahlvorstand bestellt.

Mit Schreiben vom 06.05.2008 kündigte die die Arbeitgeberin den Mitarbeitern A. und G. fristlos, hilfsweise ordentlich.

Mit ihrem am 05.05.2008 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Antrag haben die Arbeitgeberin, mit weiterem Antrag, der am 7. Mai 2008 beim Arbeitsgericht München eingegangen ist, haben die Beteiligten zu 2) bis 18) die Untersagung der Fortführung der eingeleiteten Betriebsratswahl im Wege der einstweiligen Verfügung begehrt. Der Antrag der Beteiligten zu 2) bis 18) wurde zunächst unter dem Aktenzeichen 30 BVGa 28/08 geführt. Mit Beschluss vom 16.05.2008 wurde dieses Verfahren dem Verfahren bei der 25. Kammer, Az.: 25 BVGa 26/08, hinzuverbunden.

Zur Begründung haben die Beteiligten zu 1) bis 18) vorgetragen, die Betriebsratswahl sei zu untersagen, da sie nichtig, jedenfalls erkennbar anfechtbar sei. Der Wahlvorstand verkenne erkennbar den Betriebsbegriff, da die Restaurants und die Hauptverwaltung zwei getrennte Betriebe darstellten. Die Hauptverwaltung verfolge ebenso wie die Restaurants einen eigenen arbeitstechnischen Zweck. Es gebe keine unmittelbare Anbindung der Restaurants an die Hauptverwaltung. Es gebe keinen unmittelbaren einheitlichen Leitungsapparat.

Bei der Wahl des Wahlvorstands handele es sich um eine Nichtwahl, mit der Folge, dass die durchzuführende Betriebsratswahl abzubrechen sei, da Herr E. nicht mit der Mehrheit der anwesenden Stimmen gewählt worden sei. Es gebe keinen Wahlvorstand.

Jedenfalls sei die Wahl zum Wahlvorstand nichtig, da sie unter beachtlichen Wahlverstößen leide. So habe der 1. Stock des Restaurants nicht ausreichend Platz für alle Mitarbeiter geboten, es seien nicht wahlberechtigte Personen eingeladen und anwesend gewesen, wie C., eine Auszählung der Anwesenden sei nur zu Beginn der Wahlveranstaltung erfolgt, die Mitarbeiter seien falsch informiert worden, dass keine getrennten Betriebsräte gebildet werden könnten; bei der Wahl des Wahlvorstands hätten Mitarbeiter abgestimmt, die nicht wahlberechtigt seien; viele Anwesende hätten beide Hände gehoben, was als zwei Stimmen gewertet worden sei.

Die Arbeitgeberin hat in erster Instanz beantragt, dem Antragsgegner zu untersagen, die derzeit in den betrieblichen Einheiten der Antragstellerin

Hauptverwaltung

B... GmbH, ...

laufende Betriebsratswahl fortzuführen und für jeden Fall der Zuwiderhandlung, bezogen auf jeden Tag der Fortsetzung des Wahlverfahrens, ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,-- Euro anzudrohen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu a): Einen neuen Wahlvorstand einzusetzen und ihn zu verpflichten, die Betriebsratswahl ohne Einbeziehung der Hauptverwaltung auszuschreiben,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu b):

Den Antragsgegner zu verpflichten, die Betriebsratswahl ohne Einbeziehung der Hauptverwaltung auszuschreiben

Die Beteiligten zu 2), 3), 4), 5), 6), 7), 8), 9), 11), 12), 13), 15), 16), 17) und 18) haben beantragt,

dem Antragsgegner zu untersagen, die derzeit in den betrieblichen Einheiten Hauptverwaltung B. ... GmbH, ... laufende Betriebsratswahl fortzuführen und für jeden Fall der Zuwiderhandlung, bezogen auf jeden Tag der Fortsetzung des Wahlverfahrens, ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,-- Euro anzudrohen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu a): Einen neuen Wahlvorstand einzusetzen und ihn zu verpflichten, die Betriebsratswahl ohne Einbeziehung der Hauptverwaltung auszuschreiben,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu b):

Den Antragsgegner zu verpflichten, die Betriebsratswahl ohne Einbeziehung der Hauptverwaltung auszuschreiben,

Die Beteiligten zu 10) und 14) haben schriftsätzlich beantragt,

dem Antragsgegner zu untersagen, die derzeit in den betrieblichen Einheiten Hauptverwaltung B. ... GmbH, ..., laufende Betriebsratswahl fortzuführen und für jeden Fall der Zuwiderhandlung, bezogen auf jeden Tag der Fortsetzung des Wahlverfahrens, ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,-- Euro anzudrohen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu a): Zwei neue Wahlvorstände einzusetzen und diese zu verpflichten, zwei getrennte Betriebsratswahlen neu auszuschreiben, einmal für die Hauptverwaltung und zum anderen für alle Münchener Restaurants gemeinsam,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu b) Einen neuen Wahlvorstand einzusetzen und ihn zu verpflichten, die Betriebsratswahl ohne Einbeziehung der Hauptverwaltung neu auszuschreiben,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu c): Den Antragsgegner zu verpflichten, zwei getrennte Betriebsratswahlen neu auszuschreiben, einmal für die Hauptverwaltung und zum anderen für alle Münchener Restaurants gemeinsam,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu d):

Den Antragsgegner zu verpflichten, die Betriebsratswahl ohne Einbeziehung der Hauptverwaltung neu auszuschreiben,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu e): Zwei neue Wahlvorstände einzusetzen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu f): einen neuen Wahlvorstand einzusetzen.

Der Beteiligte zu 19) (im Folgenden: Wahlvorstand) hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass die behaupteten Unregelmäßigkeiten bei der Wahl des Wahlvorstands im Hinblick auf das Abstimmungsergebnis keinerlei Bedeutung hätten, eine Verkennung des Betriebsbegriffs nicht zur Nichtigkeit, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit führe, dies jedoch nicht zum Abbruch der Wahl berechtige.

So habe jeder Mitarbeiter, der sich an der Versammlung habe beteiligen wollen, dies durch seine Anwesenheit im Versammlungsraum tun können. Es seien keine Personen eingeladen worden, die überhaupt nicht wahlberechtigt gewesen seien. Herr A. habe per E-Mail die Außendienstmitarbeiter des RSC laden wollen. Herr C. sei nicht eingeladen gewesen; er sei offenbar "eingeschleust" worden. Die Mitarbeiter hätten den Versammlungsraum verlassen, um Toiletten aufzusuchen oder zu rauchen; dies sei normal und könne nicht verhindert werden. Die Feststellung der Teilnehmerzahl sei im Versammlungsraum selbst und auf der gut einsehbaren Treppe erfolgt.

Herr A.habe Herrn Ö. gebeten, die Versammlungsleitung zu übernehmen. Dieser habe die Mitarbeiter darüber informiert, dass zur Wahl eines Wahlvorstandes eingeladen worden sei, zu etwas anderem sei nicht eingeladen worden.

Frau B., Mitarbeiterin der Gewerkschaft, und Herr Ö. hätten die Stimmauszählung bei den übrigen Abstimmungen vorgenommen. Die Versammlungsleitung habe darauf hingewiesen, dass jeder nur eine Hand heben solle. Die Auszählung sei durch Herrn Ö. und Frau B. unabhängig von einander erfolgt.

Die Wahl des Vorsitzenden und dessen Stellvertreter seien ordnungsgemäß erfolgt, nachdem Herr E. ausdrücklich darauf verzichtet habe und Herr G. mit 4 Gegenstimmen gewählt worden sei.

Der Betriebsbegriff sei nicht verkannt worden. Die Restaurantleiter seien keine leitenden Angestellten und mit eigener Personalhoheit ausgestattet. Sie hätten keinerlei Spielräume bei Einstellungen.

Wegen weiterer Einzelheiten der Anhörung in erster Instanz wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 20.05.2008 (Bl. 210 - 215 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht München hat mit Beschluss vom 20. Mai 2008, Az.: 25 BVGa 26/08, die Anträge zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nachdem nicht von einer Nichtigkeit der bevorstehenden Betriebsratswahl ausgegangen werden könne, sei für eine einstweilige Verfügung, mit der die Betriebsratswahl abgebrochen wird, kein Raum. Es sei zwar strittig ob eine Betriebsratswahl nur dann abgebrochen werden könne, wenn die Nichtigkeit der Wahl feststehe oder bereits dann, wenn die Wahl voraussichtlich anfechtbar sein werde. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts kann in bereits eingeleitete Betriebsratswahlen mit einer Abbruchsverfügung jedoch nur eingegriffen werden, wenn glaubhaft gemacht sei, dass die Wahl mit Sicherheit nichtig sein werde. Dies ergebe sich daraus, dass der Gesetzgeber bei lediglich anfechtbaren Betriebsratswahlen akzeptiert habe, dass ein fehlerhaft gewählter Betriebsrat amtiere, bis die Unwirksamkeit der Wahl rechtskräftig festgestellt sei. Lasse man bei Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl eine Abbruchverfügung zu, werde das Zustandekommen eines Betriebsrats verhindert und gleichzeitig ein Zustand der Betriebsratslosigkeit aufrechterhalten, der nach dem Betriebverfassungsgesetz nur im Fall der voraussichtlichen Nichtigkeit der Betriebsratswahl eintreten solle. In einem solchen Fall erhalte der Antragsteller im Wege der einstweiligen Verfügung mehr als bei Durchführung des Anfechtungsverfahrens, was wiederum mit dem Charakter der einstweiligen Verfügung nicht vereinbar erscheine.

Die geplante Betriebsratswahl sei auch nicht nichtig, weil dies voraussetze, dass grobe und offensichtliche Verstöße gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts bestünden, die so schwerwiegend seien, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr bestehe. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall jedoch nicht erfüllt.

Es liegt auch keine Nichtwahl vor. Ein Wahlvorstand sei nämlich gewählt worden.

Die Bestellung sei zwar fehlerhaft, weil Herr E. lediglich 84 Handzeichen erhalten habe. Von einer Nichtwahl sei jedoch nicht auszugehen, da jedenfalls eine Wahl durchgeführt worden sei und damit zumindest der Anschein einer demokratischen Legitimation gegeben sei.

Im Übrigen könne dahingestellt bleiben, ob die Bestellung des Wahlvorstands nichtig sei, denn dies begründe lediglich die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl, die aber für eine Untersagung der Betriebsratswahl nicht ausreichend sei.

Gegen den Beschluss vom 20. Mai 2008, der der Arbeitgeberin am 26. Mai 2008 zugestellt worden ist, haben die Arbeitgeberin sowie die Beteiligten zu 2) bis 18) mit Schriftsatz vom 26. Mai 2008, der beim Landesarbeitsgericht München am selben Tag eingegangen ist, Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung ihrer Beschwerde tragen die Beteiligten zu 1) bis 18) vor, die vom Arbeitsgericht vertretene Auffassung, der Abbruch einer Betriebsratswahl komme nur dann in Betracht, wenn die geplante Betriebsratswahl mit Sicherheit nichtig sei und nicht auch bereits dann, wenn absehbar sei, dass die bevorstehende Wahl nach Anfechtung für unwirksam erklärt werde, beruhe auf einer inzwischen überholten Rechtsprechung. Die vom Arbeitsgericht herangezogene Wertentscheidung habe nicht zwingend zur Folge, dass Anfechtungsgründe vor der Wahl selbst dann nicht zur deren Abbruch führen dürften, wenn die durch den Fehler bedingten Rechtsnachteile der Antragsteller (erkennbar mangelhafte Interessenvertretung, unnötige Kosten) eindeutig das Interesse an der weiteren Durchführung des auch mit einem erheblichen Fehler behafteten Wahlverfahrens überwiegen würden. Zur Abwendung dieser Nachteile dienten nämlich vorrangig die Vorschriften des einstweiligen Verfügungsverfahrens. Die Interessenabwägung schlage im vorliegenden Fall eindeutig zugunsten der Antragsteller aus: Die Mitarbeiter der Hauptverwaltung hätten bereits einen eigenen Wahlvorstand installiert und die Mitarbeiter der Restaurants könnten einen eigenen Wahlvorstand bestimmen.

Die Beteiligten zu 1) bis 18 tragen weiter vor, die Feststellung, dass die Verkennung des Betriebsbegriffs keine Nichtigkeit zur Folge habe, gelte nur in der Regel. Werde der Betriebsbegriff offensichtlich verkannt, sei die durchgeführte Wahl nichtig. Ob ein eigenständiger Betrieb vorliegt, hänge nicht davon ab, ob und wie viele Weisungsebenen zwischengeschaltet seien. Entscheidend sei, dass die maßgeblichen Entscheidungen selbst vor Ort getroffen würden.

Die Beteiligten zu 1) bis 18 machen weiterhin geltend, es habe keine Wahl stattgefunden, weil das dritte Mitglied nicht mit der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer gewählt worden sei. Das Arbeitsgericht verwechsele Wahl und Wahlvorgang.

Im Übrigen sei auch das Bestellungsverfahren mit schwerwiegenden Fehlern behaftet, die die Anfechtbarkeit bzw. Nichtigkeit der Betriebsratswahl begründeten. Das Arbeitsgericht selbst halte den Wahlvorgang für fehlerhaft.

Für die Behauptung, eine nichtige Bestellung des Wahlvorstands begründe noch keine Nichtigkeit der anstehenden Betriebsratswahl, sei das Vordergericht eine jede Begründung schuldig geblieben. Das Gegenteil sei richtig.

Die Beteiligten zu 1) bis 18) beantragen,

den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 20. Mai 2008 (Az. 25 BVGa 26/08) aufzuheben und

1) im Wege der einstweiligen Verfügung

a) dem Antragsgegner zu untersagen, die derzeit in den betrieblichen Einheiten der Antragstellerin Hauptverwaltung B, ...GmbH, ... Restaurants ... laufende Betriebsratswahl fortzuführen und für jeden Fall der Zuwiderhandlung, bezogen auf jeden Tag der Fortsetzung des Wahlverfahrens, ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000,-- Euro anzudrohen,

b) hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu a): einen neuen Wahlvorstand einzusetzen und ihn zu verpflichten, die Betriebsratswahl ohne Einbeziehung der Hauptverwaltung auszuschreiben,

c) hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu b): den Antragsgegner zu verpflichten, die Betriebsratswahl ohne Einbeziehung der Hauptverwaltung auszuschreiben.

2) eine vollstreckbare Kurzausfertigung der Entscheidung gemäß § 317 II 2 ZPO (ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe) zu erteilen.

Der Wahlvorstand beantragt,

die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 18) zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, es sei fehlerhaft, bei der einstweiligen Verfügung den Fall der Nichtigkeit mit dem der - sicheren - Anfechtbarkeit gleichzustellen. Der Gesetzgeber habe die Nichtigkeit einer Wahl als eigenes Institut nicht ausgeschlossen. Seine Werteentscheidung habe darin bestanden, Anfechtungsfälle auf den Weg des Anfechtungsverfahrens zu beschränken. Im Übrigen könne im vorliegenden Fall auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein Anfechtungsverfahren mit Sicherheit zur Unwirksamkeit der Wahl führe. Die Arbeitgeberin habe bezüglich der behaupteten Verkennung des Betriebsbegriffs nichts vorgetragen, was ausschließe, dass hier ein Regelfall vorliege. In dem vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschiedenen Fall habe bereits ein anderslautendes Rechtsgutachten vorgelegen, über das sich der Wahlvorstand hinweggesetzt gehabt habe. Zur Frage der Nichtwahl argumentiert der Wahlvorstand, es sei zwar rechnerisch richtig, dass 84 nicht die Mehrheit von 176 darstelle. In der Sache sei aber nicht erwiesen, dass überhaupt noch 176 Arbeitnehmer anwesend gewesen seien. Es sei daher eine reine Unterstellung, dass 84 nicht die Mehrheit der zu diesem Zeitpunkt anwesenden Versammlungsteilnehmer darstellten.

Hinsichtlich des weiteren Ergebnisses der Anhörung wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze (Bl. 305 ff, 345 ff, 358 ff d.A.) ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Die vom Wahlvorstand eingeleitete Betriebsratswahl ist entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 1) bis 18) nicht fortzuführen und somit abzubrechen, weil eine Weiterführung der Wahl mit Sicherheit die Nichtigkeit der Wahl zur Folge hätte.

a) Die vom Wahlvorstand eingeleitete Betriebsratswahl ist nichtig, weil die Einleitung und Durchführung ohne Wahlvorstand erfolgt ist bzw. erfolgt. Eine ohne Wahlvorstand eingeleitete und durchgeführte Betriebsratswahl ist nämlich nichtig (GK-Kreutz, 8. Auflage, § 16 Rz. 5 m.w.N.; § 19 Rz. 137).

Gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG setzt sich der Wahlvorstand zwingend aus drei Wahlberechtigten zusammen. Eine Erhöhung der Zahl der Mitglieder ist zwar möglich. Der Wahlvorstand muss jedoch "in jedem Fall aus einer ungeraden Zahl von Mitgliedern bestehen." (§ 16 Abs. 1 Satz 3 BetrVG).

b) Diese Voraussetzung wird vom Wahlvorstand nicht erfüllt. Unstreitig waren in der Wahlversammlung vom 21.4.2008 176 Teilnehmer anwesend. Der Arbeitnehmer E. erhielt laut Protokoll des Versammlungsleiters Ö. 84 zustimmende Handzeichen. Entgegen der Feststellung im Protokoll war Herr E. damit nicht gewählt. Die Wahlvorstandsmitglieder werden nämlich mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Arbeitnehmer gewählt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Zur Wahl jedes einzelnen Mitglieds ist die positive Mehrheit der an der Versammlung teilnehmenden Arbeitnehmer erforderlich (GK-Kreutz, a.a.O., § 17 Rz. 33 m.w.N.).

aa) Das Protokoll, in dem die Wahl von Herrn E. zum Mitglied des Wahlvorstands konstatiert wird, enthält keine Angaben darüber, dass - wie vom Wahlvorstand in seiner Beschwerdeerwiderung behauptet - und in welchem Umfang zum Zeitpunkt der Abstimmung die zuvor ermittelte Zahl der Anwesenden von 176 unterschritten worden sei. Unter den gegebenen Umständen hätte, um die Wahl von Herrn E. feststellen zu können, eine Kontrolle der Zahl der anwesenden Arbeitnehmer erfolgen müssen oder eine Nachwahl stattfinden müssen. Eine solche wurde weder durchgeführt noch in Aussicht genommen.

bb) Dem Wahlvorstand ist zwar zuzugeben, dass die die Betriebsratswahl regelnden Gesetzesvorschriften so auszulegen sind, dass der Zweck des Gesetzes nach Möglichkeit erreicht wird. Das bedeutet insbesondere, dass bei der Auslegung der Gesetzesvorschriften, die die Bildung von Betriebsräten ermöglichen sollen, kein übertriebener Formalismus am Platze ist (so schon BAG, Beschl. vom 14.12.1965, -1 ABR 6/65, AP Nr. 5 zu § 16 BetrVG). Vorliegend geht es jedoch nicht um Fehler im Bestellungsverfahren des Wahlvorstands, sondern darum, dass eine Bestellung schlicht nicht erfolgt ist und dass deshalb eine Betriebsratswahl nicht durchgeführt werden kann.

2. Der begehrten Androhung eines Ordnungsgelds für jeden Tag der Fortsetzung des Wahlverfahrens folgt das Beschwerdegericht nicht, weil Stellen der Betriebsverfassung wie der als Beteiligter zu 19) beteiligte Wahlvorstand nicht vermögensfähig sind.

Da § 85 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich die Vollstreckung von Beschlüssen in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsrechts vorsieht und weil das dahin gehende Begehren der Beteiligten zu 1) bis 18) auch im Antrag zum Ausdruck gelangt, hat das Gericht den Antrag im Wege einer - im Beschlussverfahren gebotenen - weiten Auslegung des Rechtsschutzbegehrens dahin gehend ausgelegt, dass der Abbruch der Wahl begehrt wird.

Mit der tenorierten Verpflichtung des Wahlvorstands, die Wahl abzubrechen, geht die Verpflichtung des Wahlvorstands dahin, einen entsprechenden Beschluss zu fassen. Die Zwangsvollstreckung eines solchen Beschlusses richtet sich nach § 894 ZPO. Mit der Rechtskraft des Beschlusses gilt der Beschluss des Organs als gefasst (Germelmann-Matthes, 6. Auflage, § 85 Rz. 14 ff. 19), so dass es der Androhung eines Ordnungsgelds nicht bedarf.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 12 Abs. 5 ArbGG.

IV.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben (§§ 92 Abs. 1 Satz 3; 85 Abs. 2 ArbGG)

Ende der Entscheidung

Zurück