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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 22.07.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 1323/03
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB §§ 84 ff
HGB § 84 Abs. 1
HGB § 84 Abs. 1 Satz 2
HGB § 86 Abs. 1
HGB § 86 Abs. 2
HGB § 86a Abs. 1
HGB § 92
HGB § 92 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 2 Sa 1323/03

Verkündet am: 22. Juli 2004

In dem Rechtsstreit

hat die Zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz sowie die ehrenamtlichen Richter Wöhler und Babiak für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 17.11.2000 - 3 Ca 3988/00 - abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten und hierbei insbesondere über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin war seit dem 15.12.1982 bei der Beklagten beschäftigt. Nach einer schriftlichen Vereinbarung vom 07./15.12.1982 sollte sie als selbständige Handelsvertreterin tätig werden. Ihre Aufgaben waren die Vermittlung von Kranken-, Lebens-, Unfall- und Sachversicherungen der Beklagten sowie die Pflege und Ausweitung des Bestands. Außerdem enthält die Vereinbarung folgende Regelungen:

" 2.2. Der Mitarbeiter ist verpflichtet, ausschließlich für die pp., die pp., die pp. und die pp. oder andere von der pp. tätig zu sein. Jede sonstige Tätigkeit im Versicherungsgewerbe ist nicht gestattet.

...

2.4. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, die allgemeinen Geschäftsanweisungen der pp. zu beachten und etwaigen Weisungen, soweit sie im Einzelfall erforderlich werden, nachzukommen."

Die Vergütung der Klägerin betrug zuletzt durchschnittlich 5.500,00 DM im Monat.

Die Beklagte schickte der Klägerin regelmäßig Besuch- und Inkassoaufträge (später genannt Bestandsmitteilungen) sowie Terminlisten. Darin waren jeweils der Kunde, die Auftragsart und ein Termin genannt. Nicht alle Aufträge erforderten einen Besuch beim Kunden. Sie konnten auch telefonisch oder schriftlich erledigt werden. Konnte ein Auftrag nicht termingerecht erledigt werden, war in den Formularen eine Verlängerungsmöglichkeit vorgesehen. Im unteren Teil der Formulare war Raum für die Eintragung des Besuchsergebnisses. Mit Schreiben vom 30.07.1999 äußerte die Beklagte ihre Unzufriedenheit über das Produktionsergebnis der Klägerin und forderte sie zur Erstellung einer Drei-Monats-Produktionsvorschau auf.

Mit Schreiben vom 24.02.2000 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum 31.08.2000. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 20.03.2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Die Klägerin macht geltend, in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu stehen. Sie sei in der Gestaltung ihrer Tätigkeit und der Einteilung ihrer Arbeitszeit nicht frei gewesen. Sie habe bis zu zehn Besuchs- und Inkassoaufträge täglich erhalten. Über die Besuchsergebnisse habe sie schriftlich berichten müssen. Sie sei auch zum Telefondienst in der Bezirksdirektion eingeteilt worden. Sie habe an wöchentlichen Besprechungen teilnehmen müssen. Für die Zeiten der Beitragsanpassung (vier bis acht Wochen jährlich) habe die Beklagte Urlaubssperren verhängt.

Dagegen vertritt die Beklagte die Auffassung, die Klägerin sei selbständige Versicherungsvertreterin und im wesentlichen frei von Weisungen gewesen. In der Zeit von Januar 1997 bis Juni 2000 habe sie durchschnittlich 1,65 Besuchsaufträge/Bestandsmitteilungen je Woche erhalten. Eine Sanktion bei Nichterfüllung der Aufträge habe es nicht gegeben. Der Telefondienst sei freiwillig geleistet worden. Die Klägerin habe daran nur anlässlich der Beitragssanierung Ende 1995/Anfang 1996 teilgenommen. Bei den wöchentlichen Besprechungen habe sie nicht anwesend sein müssen. Sie habe keinen Einschränkungen bei der Urlaubsnahme unterlegen. Für selbständige Außendienstmitarbeiter habe es eine Urlaubssperre nicht gegeben.

Mit Endurteil vom 17.11.2000 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 24.02.2000 nicht aufgelöst sei und die Klage im Übrigen abgewiesen. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien und der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.

Gegen dieses der Beklagten am 20.12.2000 zugestellte Endurteil richtet sich die am 18.01.2001 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung, die am 19.03.2001 begründet wurde, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden ist.

Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht habe die Kriterien für die Abgrenzung selbständiger und unselbständiger Handelsvertreter nicht beachtet. Außerdem rügt sie die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts.

Sie stellt folgenden Antrag:

Die Klage wird unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts München vom 17.11.2000 - 3 Ca 3988/00 - insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Mit Urteil vom 20.08.2003 hat das Bundesarbeitsgericht ein die Berufung der Beklagten zurückweisendes Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist begründet, weil die Klägerin nicht als Arbeitnehmerin, sondern als Versicherungsvertreterin und selbständige Handelsvertreterin im Sinne von §§ 84 Abs. 1, 92 Abs. 1 HGB für die Beklagte tätig war.

1. Dabei ist es nicht entscheidend, dass die Klägerin in der Vereinbarung der Parteien als selbständige Handelsvertreterin (Versicherungsvertreterin) im Sinne der §§ 84 ff und 92 HGB bezeichnet wird. Für die materielle Rechtslage kommt es auf die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Vertragsverhältnis gegeben haben, nicht maßgeblich an. Die Vertragsfreiheit besteht darin, beliebige gegenseitige Rechte und Pflichten begründen zu können. Sie bedeutet aber nicht, in dieser Weise begründete Rechtsbeziehungen beliebig einen bestimmten Vertragstypus zuordnen zu können. Die Frage, wie die von den Parteien getroffenen Abreden rechtlich zu qualifizieren sind, ist nach objektiv-rechtlichem Kriterium zu beantworten. Maßgeblich ist der wirkliche Geschäftsinhalt. Dieser ergibt sich aus den getroffenen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung (BAG vom 15.12.1999 - 5 AZR 169/99 - NZA 2000, 1162).

2. Die Klägerin war sowohl nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien als auch nach dessen praktischer Durchführung als selbständige Versicherungsvertreterin tätig. Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Im Bereich der Vermittlung von Geschäften und Versicherungen für Dritte stellt das Gesetz für die Abgrenzung zum unselbständigen Angestellten allein auf diese beiden Merkmale ab. Eines Rückgriffs auf weitere Abgrenzungskriterien bedarf es deshalb nicht. Allerdings sind auch im Rahmen von § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB alle Umstände des Falles in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Die heranzuziehenden Anknüpfungspunkte müssen sich jedoch den genannten gesetzlichen Unterscheidungsmerkmalen zuordnen lassen (BAG aaO).

a) Die Klägerin konnte im wesentlichen frei ihre Arbeitszeit bestimmen. Die Vereinbarungen der Parteien enthalten keine Regelungen über Anfang und Ende der Arbeitszeit. Die Klägerin behauptet auch nicht, dass sie feste tägliche Dienstzeiten hatte. Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts hatte die Klägerin keine direkten Vorgaben zur Ausübung seiner Tätigkeit, etwa in Form von Terminsvereinbarungen mit Kunden, einzuhalten. Allerdings müssen sich auch angestellte Außendienstmitarbeiter nach den zeitlichen Wünschen ihrer Kunden richten und deshalb verzichten Versicherungsunternehmen häufig ihnen gegenüber auf Weisungen zur Lage der Arbeitszeit. Dieser Umstand steht daher zur Abgrenzung von Selbständigen und Arbeitnehmern in Versicherungsaußendienst nicht an erster Stelle.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin verpflichtet war, wöchentliche Besprechungen durchzuführen oder an solchen Besprechungen teilzunehmen. Die Klägerin hat zwar eine solche Verpflichtung behauptet, trotz des Bestreitens durch die Beklagte aber nicht näher dargelegt, woraus sich die behauptete Pflicht ergeben soll. Ihr nicht hinreichend konkreter Sachvortrag geht zu ihren Lasten, denn sie ist darlegungs- und beweisbelastet hinsichtlich der Umstände, aus denen sich Einschränkungen bei der freien Gestaltung der Arbeitszeit ergeben sollen. Im Übrigen hat auch die vom Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme nicht ergeben, dass die Klägerin im erheblichem Umfang zu festen Zeiten in der Bezirksdirektion anwesend sein musste. Nur der Zeuge R. hat ausgesagt, alle Außendienstmitarbeiter hätten regelmäßig einmal wöchentlich an normalerweise halbtägigen Besprechungen teilnehmen müssen. Wenn man dies zugunsten der Klägerin als zutreffend unterstellt, war sie noch im wesentlichen in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit frei.

Die Klägerin war auch nicht verpflichtet, durchgehend Telefondienst zu leisten.

Im Termin vom 06.05.2004 hat sie nur noch behauptet, während der sogenannten Beitragsanpassungszeiten für vier bis acht Wochen jährlich mindestens einmal wöchentlich zur Teilnahme an einem fünfstündigen Telefondienst verpflichtet gewesen zu sein. Es kann dahinstehen, ob dieser Sachvortrag zutrifft, wofür auch die Aussagen der vom Arbeitsgericht vernommenen Zeugen R. und K. sprechen, oder ob - wie von der Beklagten behauptet - auch die Teilnahme an diesem besonderen Telefondienst freiwillig war und auf einer Absprache der Außendienstmitarbeiter beruhte. Wenn der Sachvortrag der Klägerin als zutreffend unterstellt wird, ist dadurch zwar ihre Freiheit zur Bestimmung der Lage ihrer Arbeitszeit beeinträchtigt. Dies ist jedoch kein so gravierender Eingriff, dass er mit dem Status eines Selbständigen schlechterdings unvereinbar wäre. Er wäre vielmehr von der Interessenwahrungspflicht des Versicherungsvertreters gem. § 86 Abs. 1 HGB gedeckt.

Im Termin vom 06.05.2004 hat die Klägerin ihre Behauptung in der Klage, sie habe ihren Urlaub genehmigen lassen müssen, nicht aufrecht erhalten. Sie hat auch nie konkret vorgetragen, woraus sich eine solche Verpflichtung ergeben soll und in welcher Weise tatsächlich ihr Urlaub genehmigt wurde. Zu Gunsten der Klägerin kann davon ausgegangen werden, dass während sogenannter Beitragsanpassungszeiten, also für vier bis acht Wochen pro Jahr eine Urlaubssperre bestand, wie dies die Zeugen E. und R. ausgesagt haben. Wenn es eine solche Urlaubssperre gegeben haben sollte, Schreiben wie das vom 29.09.1985 also auch an freie Versicherungsvertreter gerichtet waren, dann wäre dadurch zwar die freie Gestaltung der Arbeitszeit durch die Klägerin eingeschränkt worden. Allerdings wäre eine solche Einschränkung noch von § 86 Abs. 1 HGB gedeckt. Danach muss sich der Handelsvertreter um die Vermittlung und den Abschluss von Geschäften bemühen und hierbei die Interessen des Unternehmens wahrnehmen. In Zeiten der Beitragsanpassung besteht eine gegenüber anderen Zeiten deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass Kunden ihre Verträge kündigen oder zumindest eine Kündigung erwägen. Deshalb liegt es im berechtigten Interesse des Versicherungsunternehmens, dass während dieser Zeiten möglichst ein Kontakt zwischen den Kunden und ihren Versicherungsvertretern stattfinden kann. Solche Kundenkontakte sind übrigens auch im Interesse des Versicherungsvertreters, denn sie wirken sich positiv auf seine Provisionen aus. Diese Erwägung gelten auch für die zu Gunsten der Klägerin unterstellte Verpflichtung zur Teilnahme am Telefondienst während der Beitragsanpassungszeiten, die - wie ausgeführt - ebenfalls von § 86 Abs. 1 HGB gedeckt wäre.

Die Klägerin war nicht deshalb hinsichtlich der Lage seiner Arbeitszeit gebunden, weil die Beklagte ihr Besuchsaufträge/Bestandsmitteilungen zur Erledigung übermittelte. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die in den Bestandsmitteilungen angegebenen Termine feste Vorgaben für die Erledigung waren. In den vorgelegten Beispielen von Bestandsmitteilungen ist häufig das Ausstellungsdatum identisch mit dem weiter unten angeführten Termin. Schon daraus ergibt sich, dass der unten angegebene Termin nicht der Erledigungstermin sein kann. Zu den meisten der vorgelegten Besuchsaufträge gibt es eine Zeile "Erledigungsdatum", jedoch ohne Eintragung eines konkreten Datums. Außerdem ist in manchen der vorgelegten Bestandsmitteilungen eine Frist für einen Bericht/Zwischenbericht genannt. Dies verdeutlicht, dass eine Erledigung nicht vor Ablauf der Frist erwartet wurde. In den Formularen für die Bestandsmitteilungen war außerdem die Möglichkeit einer Fristverlängerung vorgesehen. Wenn in den meisten vorgelegten Besuchsaufträgen Verlängerungen notiert sind, so zeigt dies, dass der Auftrag bereits früher erteilt war und somit aus dem angegebenen Termin nicht geschlossen werden kann, die sofortige Erledigung sei verlangt worden. Die Klägerin hat auch nicht näher dargelegt, dass sie sich tatsächlich zur Einhaltung des in der Mitte genannten Termins verpflichtet gefühlt hat. Vielmehr hat sie zu den als besonders eilbedürftig bezeichneten Inkassoaufträgen im Termin vom 06.05.2004 erklärt, dass Aufträge zur sofortigen Erledigung von Inkasssoaufträgen nicht der Normalfall waren.

Dadurch, dass die Beklagte überhaupt Fristen setzte, griff sie nicht in einer Weise in die Bestimmung der Arbeitszeit der Klägerin ein, die mit ihrer Selbständigkeit unvereinbar wäre. Das Setzen von Bearbeitungsfristen ist vielmehr von der Interessenwahrungspflicht des Versicherungsvertreters nach § 86 Abs. 1 HGB gedeckt. Wenn Kunden Informationen oder Angebote wünschen oder ihre Verträge gekündigt haben, so muss sich auch ein selbständiger Versicherungsvertreter um einen raschen Kontakt zum Kunden bemühen.

Eine weitergehende Einschränkung der Arbeitszeit der Klägerin ergibt sich nicht aus den vorgelegten Terminslisten. Nach dem Sachvortrag der Beklagten sind diese Listen lediglich die Zusammenfassung noch nicht erledigter Bestandsmitteilungen etc. und die Klägerin hat jedenfalls nicht substantiiert dargelegt, dass die Terminslisten eine darüber hinausgehende Bedeutung gehabt hätten. Wie ausgeführt ließen die angegebenen Termine der Klägerin einen zeitlichen Spielraum zur Erledigung.

Hinsichtlich der Inkassoaufträge gilt nichts anderes. Der Klägerin hat selbst erklärt, Aufträge zur sofortigen Erledigung sei nicht der Normalfall gewesen. Da für Inkassoaufträge das Formular für Bestandsmitteilungen verwendet wurde, gilt das oben ausgeführte, nämlich, dass der in der Mitte des Formulars angeführte Termin kein fixer Erledigungstermin war.

Zu Gunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass in Ausnahmefällen eine Erledigung innerhalb kürzester Zeit gefordert war. Ohne näheren Sachvortrag der Klägerin zu solchen Ausnahmefällen ist davon auszugehen, dass die dann eingetretenen zeitlichen Einschränkungen von § 86 Abs. 1 HGB gedeckt waren. Das Einziehen von Beiträgen bei Kunden gehört zu den Pflichten eines selbstständigen Versicherungsvertreters. Dabei kann es durchaus Fälle geben, in denen die Durchführung des Inkassos keinen zeitlichen Aufschub zulässt, etwa wenn der sich im Zahlungsverzug befindende Kunde umzieht.

b) Auch was Umfang seiner Arbeitszeit angeht, war die Klägerin entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht wie ein Arbeitnehmer gebunden. Zum einen fehlt es an einem hinreichend konkreten Sachvortrag zur Anzahl der übergebenen Bestandsmitteilungen und dem damit verbundenen Arbeitsaufwand. Die Behauptung der Klägerin, sie habe fast täglich Besuchsaufträge erhalten, lässt keine Schlüsse auf ihre zeitliche Bindung zu. Dies gilt auch für die vorgelegte Terminliste (Anlage K 12). Die Häufung zu erledigender Arbeiten Ende April 1999 kann ein ungewöhnlicher Ausnahmefall sein. Wenn zu anderen Zeiten deutlich weniger Arbeiten zu erledigen waren, konnte die Klägerin gleichwohl ihre Zeit im wesentlichen frei einteilen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Terminlisten - wie ausgeführt - vor allem Zusammenfassungen noch nicht erledigter Aufträge sind. Es ist also davon auszugehen, dass die in der Liste genannten Aufträge schon vorher erteilt waren. Die angegebenen Termine können zum Teil auf Fristverlängerungen beruhen. Das Arbeitsgericht geht von einer "erheblichen Anzahl" von Besuchs- und Inkassoaufträgen aus, ohne die tatsächliche Zahl und die damit verbundene zeitliche Belastung der Klägerin genauer festzustellen. Auch die vom Arbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat hierzu kein Ergebnis erbracht. Kein Zeuge konnte die durchschnittliche Zahl der Besuchsaufträge in einem bestimmten Zeitraum oder die zeitliche Bindung der Klägerin durch Aufträge angeben.

Außerdem war die Klägerin nicht verpflichtet, die übermittelten Aufträge zu erfüllen. Die vorgelegten Bestandsinformationen weisen teilweise unten den Vermerk auf, dass die Hauptverwaltung oder die Bezirksdirektion die Bearbeitung übernimmt, wenn innerhalb einer bestimmten Frist kein aussagefähiger Bericht vorgelegt wird. Auch wenn dies mit dem Hinweis verbunden ist, dass damit auch ein Provisionsanspruch entfällt, ist ein solcher Vermerk für ein Arbeitsverhältnis nicht typisch. Wenn ein Arbeitnehmer Weisungen nicht erfüllt, verhält er sich vertragswidrig und läuft Gefahr, abgemahnt und im Wiederholungsfall gekündigt zu werden. Die Ankündigung, jemand anderes werde die Bearbeitung übernehmen, ist keine typisch arbeitsrechtliche Sanktion.

Aus den Pensumvorgaben kann nicht gefolgert werden, dass der Klägerin wie ein Arbeitnehmer zeitlich gebunden war. Nach Ziffer 10.6 der Anlage Nr. 2 zum Nachtrag vom 12.03.1984 wurde der Klägerin bei Erreichen von 9.000 Produktionswerten ein Bonus gewährt. Das Erreichen von Produktionszielen eröffnete der Klägerin eine zusätzliche Verdienstchance. Es lässt sich zwar nicht ausschließen, dass damit ein mittelbarer Druck auf die Klägerin zur Erreichung der Mindestproduktionsmengen verbunden war. Gleichwohl beschränkte die Vereinbarung von Mindestproduktionsmengen die Klägerin nicht in der freien Bestimmung ihrer Arbeitsdauer. Mit dem Selbständigenstatus lassen sich entsprechende Vorgaben vereinbaren, wenn dem Vertreter im Hinblick auf die notwendige Arbeitszeit ein erheblicher Spielraum verbleibt (BAG v. 15.12.1999 aaO). Zum Umfang dieses Spielraums hat die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht ausreichend vorgetragen. Ihrem Sachvortrag lässt sich nicht entnehmen, welche Zeit sie zur Erreichung des vereinbarten Produktionsziels benötigte. Auch das Arbeitsgericht hat hierzu keine konkreten Feststellungen getroffen, sondern lediglich die unterschiedlichen Behauptungen der Parteien zum Aufwand, der zur Erreichung der Ziele betrieben werden musste, wiedergegeben. Bei der zusammenfassenden Würdigung hat es offenbar die pauschale Behauptung der Klägerin, die wenigen Versicherungsabschlüsse, die nach der Darstellung der Beklagten zur Errechnung des Produktionsziels nötig waren, seien nicht alltäglich gewesen, zugrundegelegt. Dies entspricht nicht der bei der Klägerin liegenden Darlegungs- und Beweislast zum Spielraum bei der Arbeitszeitgestaltung. Damit lässt sich nicht ausschließen, dass die Klägerin auch bei Erreichung von 9.000 Produktionswerten ihrer Arbeitszeit noch im wesentlichen frei bestimmen konnte. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die vereinbarte Zusatzprovision eine solche wirtschaftliche Sogwirkung entfaltete, dass die Klägerin in der Bestimmung ihrer Arbeitszeit nicht mehr als frei angesehen werden könnte. Die Klägerin trägt nicht näher vor, welchen Anteil an ihrer Gesamtvergütung der Zusatzbonus ausmachte.

c) Die Klägerin war auch bei der Gestaltung seiner Tätigkeit in einem für einen Selbständigen ausreichenden Maße frei.

Bis auf einige Ausnahmen behauptete die Klägerin nicht, dass ihr ein bestimmter Arbeitsort vorgegeben war. Selbst wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, dass sie zu den sogenannten Beitragssanierungszeiten zur Durchführung eines Telefondienstes in den Räumlichkeiten der Bezirksdirektion verpflichtet war, so wäre dies kein wesentlicher Eingriff in sein Selbstbestimmungsrecht.

Nach der Vereinbarung zwischen den Parteien war die Klägerin verpflichtet, die allgemeinen Geschäftsanweisungen der Beklagten zu beachten und etwaigen Weisungen, soweit sie im Einzelfall erforderlich werden, nachzukommen (2.4 der Vereinbarung). Außerdem musste sie die Versicherungsanträge unverzüglich, mindestens einmal wöchentlich bei der Bezirksdirektion einreichen (4.1 der Vereinbarung). Weisungen im Einzelfall sind wegen der Interessenwahrungspflicht des Versicherungsvertreters aus §§ 92, 86 Abs. 1 HGB und wegen des "im wesentlichen" bleibenden Selbstbestimmungsrechts nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB mit dem Status eines Selbständigen zu vereinbaren (BAG v. 15.12.1999 aaO). Die Klägerin behauptet nicht, dass es darüber hinaus in einem wesentlichen Umfang Weisungen in Bezug auf die Gestaltung ihrer Tätigkeit gab.

Auch eine Berichtspflicht der Klägerin ist mit ihrer Selbständigkeit zu vereinbaren. Gem. § 86 Abs. 2 HGB hat der Versicherungsvertreter dem Unternehmer "die erforderlichen Nachrichten zu geben, namentlich ihm von jeder Geschäftsvermittlung und von jedem Geschäftsabschluss unverzügliche Mitteilung zu machen". Was inhaltlich und zeitlich unter den Begriff "erforderliche Nachrichten" fällt, bestimmt sich unter sachgerechter Abwägung der Interessen der Beteiligten. Der Grad zulässiger Kontrolle ist überschritten, wenn der Vertreter verpflichtet wird, umfangreich und in engen zeitlichen Interwallen über seine Tätigkeit Bericht zu erstatten, und das Unternehmen damit die Möglichkeit erhält, ihn zu überprüfen und die selbstbestimmte Gestaltung seiner Tätigkeit zu beeinträchtigen (BAG v. 15.12.1999 aaO). Die von der Klägerin behaupteten Berichtspflichten gehen über die gesetzlich geregelten Verpflichtungen selbständiger Versicherungsvertreter nicht hinaus.

Im Schreiben vom 30.07.1999 wurde von der Klägerin eine 3-Monats-Produktionsvorschau, aufgeteilt nach einzelnen Produktionssparten mit einer seriösen Prognose der prozentualen Gewichtung der Abschlusschance je Kunde verlangt. Diese Weisung geht über die nach § 86 Abs. 1 HGB eingeräumte Befugnis, vom selbständigen Handelsvertreter das Bemühen um Vermittlung und Abschluss von Geschäften verlangen zu können, hinaus (BAG v. 20.08.2003 - 5 AZR 610/02). Gleichwohl stellt dieses Schreiben kein wesentliches Indiz für die von der Klägerin behauptete Arbeitnehmereigenschaft dar. Für die Statusbeurteilung der Klägerin sind alle Umstände des Falles in Betracht zu ziehen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Dies bedeutet, das ein einzelnes Schreiben nicht überbewertet werden darf. Außerdem kann sich ein Selbständiger gegen ihm vom Unternehmen auferlegte Verpflichtungen zur Wehr setzen, wenn diese Verpflichtungen ihm für seinen Status zu weit gehen und sie sich nicht klar aus der vertraglichen Vereinbarung ergeben (BAG v. 15.12.1999 aaO).

d) Nach 2.2 der Vereinbarung der Parteien war die Klägerin verpflichtet, ausschließlich für die Beklagte sowie Konzernunternehmen tätig zu sein. Jede sonstige Tätigkeit im Versicherungsgewerbe war ihr verboten. Ein solches Wettbewerbsverbot steht der Selbständigkeit des Versicherungsvertreters nicht entgegen. Es folgt aus der Interessenwahrungspflicht des § 86 Abs. 1 HGB. Die von der Klägerin geltend gemachte wirtschaftliche Abhängigkeit von der Beklagten begründet ihren Arbeitnehmerstatus nicht. Sie steht mit den in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB genannten Kriterien für die Abgrenzung eines selbständigen Versicherungsvertreters von einem Angestellten nicht im Zusammenhang.

e) Mit der zur Verfügungstellung eines Laptops durch die Beklagte ist sie ihrer Verpflichtung aus § 86a Abs. 1 HGB nachgekommen. Eine Weisungsabhängigkeit der Klägerin kann daraus nicht hergeleitet werden.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, wonach die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Sie gilt auch für die Kosten der Revision.

III.

Dieses Urteil ist unanfechtbar, denn es liegt kein Grund für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) vor. Auf § 72a ArbGG (Nichtzulassungsbeschwerde) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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