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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 14.08.2003
Aktenzeichen: 2 Sa 169/03
Rechtsgebiete: MTV, TVG


Vorschriften:

MTV § 7
MTV § 18
TVG § 4
1. Sieht ein Tarifvertrag eine Ausschlussfrist für das laufende Arbeitsverhältnis und eine kürzere Frist für die Geltendmachung des Anspruchs nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, so gilt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein die zweite, kürzere Frist, auch wenn die erste längere Frist noch nicht abgelaufen ist.

2. Eine in einem Tarifvertrag geregelte einmonatige Ausschlussfrist ist wirksam.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 Sa 169/03

Verkündet am: 14. August 2003

In dem Rechtsstreit

hat die zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2 003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz sowie die ehrenamtlichen Richter Ingo Fechtner und Renate Eichert für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 23.1.2003 - 2b Ca 429/02 - abgeändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob Restvergütungsansprüche des Klägers für Oktober und November 2001 sowie der Anspruch des Klägers auf ein Weihnachtsgeld für das Jahr 2001 verfallen sind.

Der Kläger war vom 1.8.1992 bis 16.11.2001 bei der Beklagten als Wachmann beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag Nr. 7 für die arbeiterrentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Bayern vom 22.11.2000 (MTV) Anwendung. § 18 MTV lautet:

"Sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erlöschen beiderseitig zwei Monate nach Fälligkeit, von oder gegen ausgeschiedene Arbeitnehmer einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sofern sie nicht vorher schriftlich geltend gemacht worden sind."

Der Kläger war vom 16.4. bis 14.10.2001 arbeitsunfähig erkrankt und anschließend 17 Tage im Oktober sowie 18 Tage im November 2001 bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beurlaubt. Für die Urlaubstage im Oktober und November 2001 bezahlte die Beklagte dem Kläger 120,-- DM pro Tag. Ein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld für 2001 bezahlte die Beklagte nicht.

Der Kläger hat in erster Instanz u.a. geltend gemacht, bei einer täglichen Arbeitszeit von zehn Stunden und einem tariflichen Stundenlohn von 13,20 DM stünden ihm 132,-- DM je Urlaubstag zu. Außerdem hat er ein zusätzliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von jeweils 1.161,60 DM geltend gemacht. Diese Forderungen seien durch Schreiben vom 15.1.2001 rechtzeitig geltend gemacht worden.

Mit Endurteil vom 23.1.2003 hat das Arbeitsgericht die Beklagte zur Zahlung von 808,66 Euro nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bezüglich der Oktobervergütung habe die Ausschlussfrist frühestens mit der Erstellung der Abrechnung am 21.11.2001 begonnen. Da sich der Kläger bei Fälligkeit der Oktobervergütung noch in einem Arbeitsverhältnis befunden habe, gelte die für ihn günstigere zweimonatige Ausschlussfrist und nicht die kürzere Ausschlussfrist von einem Monat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Das Schreiben vom 15.1.2002 sei spätestens am 18.1.2002 auf dem Postwege bei der Beklagten eingetroffen, also innerhalb der Ausschlussfrist. Hinsichtlich des Novembergehaltes und des zusätzlichen Weihnachtsgeldes sei die einmonatige Frist des Tarifvertrages für ausgeschiedene Arbeitnehmer zu kurz bemessen und verstoße daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Auch insoweit habe der Kläger seine Ansprüche damit rechtzeitig geltend gemacht. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen, wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien auf den Tatbestand.

Gegen dieses der Beklagten am 6.3.2003 zugestellte Endurteil richtet sich deren Berufung vom 28.2.2003, die am 27.3.2003 begründet worden ist.

Sie ist der Auffassung, auch die vom Arbeitsgericht zugesprochenen Ansprüche seien verfallen. Bezüglich der Oktobervergütung gehe die kürzere Verfallfrist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses als speziellere Frist der zweimonatigen allgemeinen Ausschlussfrist vor. Auch die geltend gemachten Ansprüche für November 20 01 und auf das zusätzliche Weihnachtsgeld seien verfallen, denn die einmonatige Frist des MTV für ausgeschiedene Arbeitnehmer sei wirksam. Auch diese Frist sei bis zur Erteilung der Abrechnung gehemmt. Der Arbeitnehmer habe also in jedem Fall einen Monat Zeit zur Geltendmachung seiner Ansprüche. Diese Frist hat der Kläger nicht gewahrt. Die Novemberabrechnung sei dem Kläger am 13.12.2001 zugegangen. Die Geltendmachung am 13.1.2002 sei also verspätet.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 23.1.2003, Az. : 2b Ca 429/03, aufzuheben, soweit der Klage in Höhe eines Teilbetrages von 814,73 Euro stattgegeben wurde, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend. Bezüglich der Oktobervergütung sei die zweimonatige Ausschlussfrist heranzuziehen, da sich der Kläger zum Fälligkeitszeitpunkt noch in einem bestehenden Arbeitsverhältnis befunden habe. Seine Ansprüche habe er rechtzeitig per Fax am 15.1.2002 geltend gemacht. Die Ansprüche auf den Novemberlohn sowie das zusätzliche Weihnachtsgeld seien am 15.12.2001 fällig gewesen. Frühestens mit diesem Zeitpunkt könne die Ausschlussfrist zu laufen beginnen, nicht aber mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Würde man auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellen, so hätte er lediglich drei Tage für die Geltendmachung der Ansprüche zur Verfügung gehabt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 26.3.2003 und die Berufungserwiderung des Klägers vom 30.5.2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Beklagten ist begründet, denn die vom Arbeitsgericht zugesprochenen Ansprüche sind verfallen.

1. Der Restvergütungsanspruch für Oktober 2001 ist erloschen, weil er nicht innerhalb der Frist des § 18 MTV geltend gemacht wurde.

Sieht ein Tarifvertrag - wie hier - eine Ausschlussfrist für das laufende Arbeitsverhältnis und eine kürzere Frist für die Geltendmachung des Anspruchs nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, so gilt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein die zweite, kürzere Frist, auch wenn die erste längere Frist noch nicht abgelaufen ist (Weyand, Die tariflichen Ausschlussfristen in Arbeitsrechtsstreitigkeiten, 1995, Rn 191). Der Auffassung des Arbeitsgerichts und des Klägers, dass in solchen Fällen die für den Arbeitnehmer günstigere Regelung maßgeblich sei, kann nicht gefolgt werden. Ausschlussfristen sollen rasch Klarheit und Rechtssicherheit schaffen. Im bestehenden Arbeitsverhältnis räumt der Manteltarifvertrag den Parteien eine längere Frist und damit eine längere Bedenkzeit ein, um das bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch das rasche schriftliche Geltendmachen von Ansprüchen, die möglicherweise bald erfüllt werden, zu belasten. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht dagegen keine Notwendigkeit mehr, aus Rücksicht auf die andere Partei mit der Geltendmachung von Ansprüchen zurückhaltend zu sein und deshalb soll bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch schneller als im bestehenden Arbeitsverhältnis Klarheit und Rechtssicherheit geschaffen werden. Würde man bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die für den Arbeitnehmer günstigere Frist geltend lassen, so würde dieser Zweck vereitelt und die kürzere Frist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wäre überflüssig. Dann könnte der Arbeitnehmer nämlich mit der Geltendmachung von Ansprüchen immer bis zum Ende der längeren Frist zuwarten.

Allerdings wird der Lauf einer Ausschlussfrist bis zur Erteilung einer Abrechnung gehemmt, solange eine notwendige Abrechnung noch verlangt werden kann (BAG vom 27.11.1984 - 3 AZR 596/02 - AP 69 zu § 4 TVG Ausschlussfristen).

Unbestritten wurde der Oktoberlohn am 21.11.2001 abgerechnet, so dass die einmonatige Ausschlussfrist erst am 22.11.2001 begann und am 21.12.2001 endete. Bei Geltendmachung im Januar 2001 war der Anspruch verfallen.

2. Auch der Restvergütungsanspruch für November 2001 und der Anspruch auf ein Weihnachtsgeld sind nach § 13 MTV verfallen.

Die einmonatige Ausschlussfrist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses begann am 13.12.2001, als der Kläger unstreitig die Novemberabrechnung erhielt, und endete mit Ablauf des 13.1.2002.

Die einmonatige Ausschlussfrist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist wirksam. Das Bundesarbeitsgericht hat sogar eine arbeitsvertragliche Verfallklausel, welche die schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen innerhalb eines Monats nach Fälligkeit eines Anspruchs und bei Ablehnung des Anspruchs oder Nichtäußerung binnen zwei Wochen die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs innerhalb eines weiteren Monats verlangt, für zulässig gehalten (Urteil vom 13.12.2000 - 10 ASR 168/00; NZA 01, 723). Gegen die vorliegende tarifvertragliche Ausschlussfrist von einem Monat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen erst recht keine Bedenken. In dem genannten Urteil zitiert das Bundesarbeitsgericht zahlreiche Tarifverträge, die einmonatige Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen enthalten. Die Beteiligung von Gewerkschaften beim Abschluss von Tarifverträgen bietet eine relativ große Gewähr dafür, dass diese keine Regelungen enthalten, die Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen.

Das Arbeitsgericht und der Kläger begründen ihre Auffassung, dass die einmonatige Frist unwirksam sei, mit einer unzutreffenden Annahme, Sie gehen davon aus, dass der Kläger bei Anwendung der einmonatigen Ausschlussfrist nur wenige Tage gehabt hätte, um über die Geltendmachung zu entscheiden. Dies trifft deshalb nicht zu, weil - wie ausgeführt - die Ausschlussfrist grundsätzlich bis zur Erteilung der Abrechnung gehemmt ist. Außerdem beginnt die Ausschlussfrist für Ansprüche, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch gar nicht fällig sind, erst wenn die Ansprüche fällig und bezifferbar sind (BAG vom 17.10.1974 - 3 AZR 4/74 - AP 55 zu § 4 TVG Ausschlussfristen).

Nach § 7 MTV umfasst der Lohnabrechnungazeitraum einen Kalendermonat und muss der Lohn unverzüglich, jedoch bis spätestens am 15. des Folgemonats auf dem Konto des Arbeitnehmers sein. Dies bedeutet nicht, dass die einmonatige Ausschlussfrist erst am 16.12.2001 begann. Unbestritten hat der Kläger die Novemberabrechnung am 13.12.2001 erhalten. Ab diesem Zeitpunkt konnte er den zu niedrigen Lohn für November 2001 und das fehlende Weihnachtsgeld erkennen. Seine entsprechenden Ansprüche waren mit Erteilung der Abrechnung auch fällig, da § 7 MTV eine unverzügliche Lohnzahlungsverpflichtung nach Monatsende vorsieht. Damit war die einmonatige Ausschlussfrist für die Geltendmachung der Ansprüche nur bis zum 13.12.2001 gehemmt und endete mit Ablauf des 13.1.2002. Die Geltendmachung mit Schreiben vom 15.1.2002 erfolgte zu spät.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, wonach die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

III.

Dieses Urteil ist unanfechtbar, denn die Beklagte ist nicht beschwert und es besteht kein Grund, die Revision für den Kläger zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Auf § 72 a ArbGG (Nichtzulassungbeschwerde) wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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