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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 16.10.2003
Aktenzeichen: 2 Sa 282/03
Rechtsgebiete: BGB, StGB, ArbGG


Vorschriften:

BGB § 142 Abs. 1
BGB § 249
BGB § 812 Abs. 1 S. 2
BGB § 823 Abs. 2
StGB § 263
ArbGG § 69 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 2 Sa 283/03

Verkündet am: 16. Oktober 2003

In dem Rechtsstreit

hat die zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 02. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz sowie die ehrenamtlichen Richter Hans-Georg Cmiel und Jochen Dünne für Recht erkannt:

Tenor: 1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 19.12.2002 - 12 Ca 3170/01 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt.

Der Beklagte war beim klagenden pp. vom 01.06.1990 bis 31.05.1992 als Arzt in Weiterbildung, vom 1.6.1992 bis 2.1.1998 als Arzt in dessen Universitätsklinikum pp. in M. beschäftigt und erhielt zunächst eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a BAT, seit dem 01.01.1994 nach der Vergütungsgruppe I b BAT. Der Beklagte hatte nie eine Zulassung als Arzt und hatte vor seiner Einstellung durch den Kläger eine gefälschte Approbationsurkunde vorgelegt.

Am 31.08.1999 erklärte der Kläger die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses wegen arglistiger Täuschung.

Er macht in beiden Instanzen Ansprüche auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt geltend, nämlich die Vergütungsdifferenz zwischen der Vergütungsgruppe I b BAT und der Vergütungsgruppe II a BAT für die Zeit vom 01.01.1994 bis 02.01.1998 sowie das Urlaubsentgelt und die geleistete Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die gesamte Dauer der Beschäftigung.

Mit Urteil vom 19.12.2002 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, weil der Beklagte nach der Saldotheorie nicht bereichert sei. Der Kläger habe eine der Vergütung entsprechende Arbeitsleistung als Gegenleistung erhalten. Ein Schadensersatzanspruch bestehe nicht, da ein Schaden nicht ersichtlich sei.

Gegen dieses dem Kläger am 25.03.2003 zugestellte Endurteil richtet sich seine Berufung vom 31.03.2003, die am 07.05.2003 begründet worden ist.

Er ist der Auffassung, wegen seiner groben Täuschung könne sich der Beklagte nicht auf quasi-vertragliche Ansprüche aus einem faktischen Arbeitsverhältnis berufen. Er habe keine ärztliche Leistung des Beklagten erhalten und deshalb sei der Beklagte hinsichtlich der Vergütungsdifferenz ungerechtfertigt bereichert. Das gelte auch für das geleistete Urlaubsentgelt und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, denn der Beklagte habe zu den Urlaubs- und Krankheitszeiten nicht gearbeitet.

Der Kläger stellt folgende Anträge:

I. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 19.12.2002 (AZ. 12 Ca 3170/01) wird aufgehoben.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

a) DM 44.018,39 = EUR 22.506,25 zuzüglich 5,69 % Zinsen p. a. seit dem 18.02.2000 und

b) weitere EUR 48.587,63 nebst 8 % Zinsen hieraus über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszins ab Klagezustellung zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt;

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend und meint, die Anfechtung könne nicht rückwirken, weil das Arbeitsverhältnis vor dem 2.1.1998 nicht außer Funktion gesetzt worden sei.

Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 06.05., 12.06. und 17.07. sowie des Beklagten vom 10.06.2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beklagte weder aus ungerechtfertigter Bereicherung zur Rückzahlung von Arbeitsentgelt verpflichtet ist noch ein Schadensersatzanspruch besteht.

1. Ein Rückzahlungsanspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 S. 2 BGB (Leistungskondiktion wegen Anfechtung des Arbeitsverhältnisses) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil bei einem in Funktion gesetzten Arbeitsverhältnis die Anfechtung regelmäßig nicht bewirkt, dass das Arbeitsverhältnis von Anfang an als nichtig angesehen wird, sondern erst für die Zukunft wirkt. Anstelle der rückwirkenden Nichtigkeit wird der Anfechtung nur die kündigungsähnliche Wirkung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft (ex-nunc-Wirkung) zugeschrieben (BAG v. 03.12.1998 - 2 AZR 754/97 - NZA 99, 584; MünchArbR/Richardi, 2. Aufl., Rn. 65 ff. zu § 46; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Aufl., Rn. 34 zu § 35; ErfK/Preis, 3. Aufl., Rn 170 ff zu § 611 BGB). Diese Auffassung widerspricht zwar § 142 Abs. 1 BGB. Die Kammer folgt ihr gleichwohl, insbesondere wegen der praktischen Schwierigkeiten, die bei einer Rückabwicklung eines durchgeführten Arbeitsverhältnisses entstünden.

Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistungen kann damit grundsätzlich nicht wegen ungerechtfertigter Bereicherung zurückgefordert werden, weil die im Rahmen des faktischen Arbeitsverhältnisses erbrachten Leistungen wie vertragliche Leistungen behandelt werden und damit ein Rechtsgrund für die Leistungen vorliegt.

Auch im vorliegenden Fall führt die Anfechtung nicht zur rückwirkenden Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses. Wenn das anfechtbare Arbeitsverhältnis außer Funktion gesetzt wird, wirkt zwar die Anfechtung auf den Zeitpunkt der Außerfunktionssetzung zurück (BAG aaO). Eine Außerfunktionssetzung kann aber bei einer Erkrankung nur angenommen werden, wenn die Arbeitsleistung zwischen der Erkrankung und der Anfechtungserklärung nicht mehr erbracht wird. Die Anfechtung des Klägers kann nicht auf den Zeitpunkt der Erkrankung des Beklagten im Jahre 1995 zurückwirken, weil der Beklagte danach noch über zwei Jahre für den Kläger tätig war.

Der ex-nunc-Wirkung der Anfechtung steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte den Kläger arglistig täuschte und wegen seines unredlichen und strafbaren Verhaltens keinen Schutz verdient. Trotz dieser Umstände wurde das Arbeitsverhältnis tatsächlich durchgeführt und die gegenseitigen Leistungen ausgetauscht. Der Arbeitgeber ist auch bei Bejahung eines faktischen Arbeitsverhältnisses nicht schutzlos, denn er kann Ansprüchen des Arbeitnehmers den Einwand der Arglist entgegenhalten, wenn die erbrachte Arbeit für ihn wertlos war (MünchArbR/Richardi aaO m. w. N.). Im Folgenden wird noch darauf eingegangen, dass hier ein solcher Fall nicht vorliegt.

Das faktische und in Funktion gesetzte Arbeitsverhältnis stellt einen Rechtsgrund für sämtliche Zahlungen dar, die der Kläger zurückfordert.

Der Kläger konnte zwar aus rechtlichen Gründen weder in die Vergütungsgruppe II a BAT noch in die Vergütungsgruppe I b BAT eingruppiert werden, da er kein Arzt war und ohne Approbation keine ärztliche Tätigkeit ausüben konnte. Faktisch übte er aber ab 1994 die Tätigkeit eines Arztes nach fünfjähriger ärztlicher Tätigkeit aus.

Wegen des tatsächlichen Vollzugs des Arbeitsverhältnisses liegt auch ein Rechtsgrund für die geleistete Urlaubsvergütung und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vor (Schaub, aaO Rn. 34; ErfK/Preis aaO Rn 172; Küttner/Bauer, Personalbuch 2003, Faktisches Arbeitsverhältnis Rn. 4).

2. Hilfsweise wird darauf hingewiesen, dass auch dann kein Anspruch des Klägers aus ungerechtfertigter Bereicherung besteht, wenn man eine Rückwirkung der Anfechtung bejaht und davon ausgeht, dass die Vergütungsdifferenz, das Urlaubsentgelt und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle ohne Rechtsgrund geleistet wurden.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Beklagte nicht bereichert ist. Auf seine zutreffenden Ausführungen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Ergänzend wird folgendes ausgeführt:

Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung von gegenseitigen Verträgen hat nach den Grundsätzen der sogenannten Saldotheorie zu erfolgen. Durch einen Vergleich der durch den Bereicherungsvorgang hervorgerufenen Vor- und Nachteile wird ermittelt, für welchen Beteiligten sich ein Überschuss (Saldo) ergibt. Dieser Beteiligte ist Gläubiger eines einheitlichen, von vornherein durch Abzug der ihm zugeflossenen Vorteile beschränkten Bereicherungsanspruchs. Er darf sich nicht damit begnügen, das von ihm aufgrund des unwirksamen Vertrages geleistete zurückzuverlangen, sondern muss bei der Darlegung seines Bereicherungsanspruchs sogleich das mitberücksichtigen, was die andere Partei hingegeben hat, um den Vertrag zu erfüllen. Dies gilt sinngemäß auch dann, wenn die Leistungen ungleichartig sind (BGH NJW 99, 1181).

Da eine erbrachte Arbeitsleistung nicht wieder herausgegeben werden kann, kommt es auf deren Wert an. Im Falle einer Anfechtung eines Arbeitsverhältnisses hat also der getäuschte Arbeitgeber nur dann einen Bereicherungsanspruch, wenn die erbrachten Vergütungen den Wert der geleisteten Arbeit übersteigen.

Die Arbeitsleistung des Klägers hat entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb einen geringeren Wert als die erbrachte Vergütung, weil der Kläger keine Approbation hatte. Bei Unmöglichkeit der Herausgabe (§ 818 Abs. 2 BGB) ist für die Wertbestimmung der objektive Verkehrswert des erlangten maßgeblich (BGHZ 82, 299). Hierfür ist entscheidend, dass der Beklagte unstreitig ohne Beanstandungen arbeitete und nach den derzeitigen Erkenntnissen keine Kunstfehler beging. Damit erbrachte er eine Arbeitsleistung wie ein Arzt in der Vergütungsgruppe I b BAT. Der Wert seiner Arbeitsleistung wird nicht dadurch gemildert, dass er keine Approbation hatte und deshalb eine ärztliche Tätigkeit nicht ausüben durfte. Der Wert einer Leistung bestimmt sich nach dem mit der Leistung bewirkten Erfolg, nicht aber danach, ob der Leistende die Leistung überhaupt erbringen durfte.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Begriff des Vermögensschadens im Sinne von § 263 StGB. Nach dem Beschluss des fünften Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 18.02.1999 (5 StR 193/98 - NJW 99, 1485) fehlt es regelmäßig an der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung, wenn ein Beamter über fachlichen Qualifikationen, die für das Amt rechtlich unerlässlich sind, täuscht. Der Beamte gelte als für sein Amt untauglich, selbst wenn er sonst zufrieden stellende dienstliche Leistungen erbringe.

Diese Erwägungen können auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden, weil der Begriff des Vermögensschadens im Sinne von § 263 StGB nicht völlig deckungsgleich mit dem zivilrechtlichen Schadensbegriff ist und auch zur Bewertung von Leistungen im Rahmen der Saldotheorie nicht herangezogen werden kann. Die angesprochene Entscheidung des Bundesgerichtshofs beruht darauf, dass auch eine "schadensgleiche Vermögensgefährdung" einen Schaden im Sinne von § 263 StGB begründen kann. Im Zivilrecht stellt dagegen eine Vermögensgefährdung noch keinen Schaden dar. Nur dann, wenn sich eine Vermögensgefährdung realisiert und tatsächlich ein Schaden eintritt, entsteht eine Schadensersatzpflicht. Dies gilt in gleicher Weise bei der Bewertung von Leistung und Gegenleistung im Rahmen der Saldotheorie. Ohne tatsächlich eingetretene und bewertbare Nachteile fehlt es an der Grundlage für einen Ausgleichsanspruch.

2. Der Kläger hat auch keinen Schadensersatzanspruch aus cic oder §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB.

Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Außerdem können die obigen Ausführungen zur Bewertung von Leistung und Gegenleistung im Rahmen der Saldotheorie auf den Schadensersatzanspruch übertragen werden. Wenn sich Leistung und Gegenleistung wertmäßig entsprechen, so fehlt es auch an einem Schaden.

Dies ergibt sich auch aus § 249 BGB. Danach muss der Ersatzpflichtige den Zustand herstellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ohne die Täuschung des Beklagten wäre dessen Stelle mit einem Arzt besetzt worden, der nicht weniger Vergütung erhalten hätte als der Beklagte.

Die Verneinung von Ansprüchen gegenüber dem Beklagten ist nicht unbillig, obwohl er sich seine Anstellung durch eine arglistige Täuschung und eine strafbare Handlung erschlichen hat. Bei einer anderen Entscheidung würde der Kläger letztlich besser stehen als ohne die arglistige Täuschung des Beklagten. Die Arbeitsleistungen des Klägers haben nämlich zu Zahlungen von Krankenkassen und Patienten geführt, die auch nicht deshalb wegfallen, weil sich später das Fehlen der Approbation des Klägers herausgestellt hat. Strafbare Handlungen begründen nicht ohne weiteres zivilrechtliche Ausgleichsansprüche. Die Ahndung von Straftaten ist Aufgabe der Strafgerichte.

II.

Nach § 97 Abs. 1 ZPO hat der Kläger die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

III.

Dieses Urteil ist für den Beklagten unanfechtbar, denn er ist nicht beschwert. Die Revisionszulassung für den Kläger beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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