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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 02.10.2008
Aktenzeichen: 2 Sa 438/08
Rechtsgebiete: Paritätischer Wohlfahrtsverband
Vorschriften:
Paritätischer Wohlfahrtsverband § 5 |
Landesarbeitsgericht München URTEIL
Verkündet am: 02.10.2008
In dem Rechtsstreit
erlässt die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 2. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz und die ehrenamtlichen Richter von Zezschwitz und Kuska im Namen des Volkes folgendes Urteil:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 13.2.2008 - 34 Ca 11118/07 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin aufgrund eines Bewährungsaufstiegs eine höhere Vergütung zusteht.
Die Beklagte ist eine gemeinnützige Aktiengesellschaft und betreibt bundesweit pp.. Die am 15.08.1966 geborene Klägerin ist seit 01.07.1996 als Altenpflegerin im "pp.-Haus" beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom Juli 1996 (Bl. 57 ff. d. A.) richtet sich die Vergütung nach den Arbeitsvertragsrichtlinien des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (AVR; § 5). Auch im Übrigen gelten, soweit im Arbeitsvertrag nichts anderes vereinbart ist, die AVR in ihrer jeweils gültigen Fassung (§ 20 des Arbeitsvertrages).
Das Berufsgruppenverzeichnis in der Anlage 1 zu den AVR regelt unter anderem folgende Vergütungsgruppen:
Vergütungsgruppe V c
1. AltenpflegerInnen mit staatlicher Anerkennung nach dreijähriger Tätigkeit in Vergütungsgruppe VI Nr. 1
Vergütungsgruppe VI
1. AltenpflegerInnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit § 5 AVR regelt die Grundvergütung und enthält in seinen Absätzen 6 und 7 folgende Bestimmungen zum Bewährungsaufstieg:
"(6) Der Bewährungsaufstieg des/der Mitarbeiter/in nach Anlage 1 (über die Tätigkeitsmerkmale der einzelnen Vergütungsgruppen) ist in das pflichtgemäße Ermessen des Dienstgebers gestellt. Bei den dort genannten Zeiträumen handelt es sich um Mindestfristen.
(7) Ein Bewährungsaufstieg kommt nur dann in Betracht, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Der/die Mitarbeiter/in muss während der Bewährungszeit die ihm/ihr übertragenen Aufgaben zufriedenstellend erfüllt haben. Maßgebend sind hierbei die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe, in die der/die Mitarbeiter/in eingruppiert ist. Bei zu hoher Einstufung ist kein Bewährungsaufstieg möglich.
2. Bewährungszeiten, in denen der/die Mitarbeiter/in mit einer kürzeren als der regelmäßigen Arbeitszeit eines/einer entsprechenden vollbeschäftigten Mitarbeiter/in beschäftigt war, werden grundsätzlich in vollem Umfang angerechnet.
3. Die Bewährungszeit muss grundsätzlich ununterbrochen zurückgelegt sein; vor einer Unterbrechung zurückgelegte Zeiten zählen nicht. Unterbrechungen von bis zu sechs Monaten gelten nicht als Unterbrechung.
Unabhängig hiervon sind ferner unschädlich Unterbrechungen wegen
a) Ableistung des Grundwehrdienstes und Zivildienstes,
b) Arbeitsunfähigkeit,
c) der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz,
d) der Elternzeit nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz und sonstiger Beurlaubung zur Kinderbetreuung bis zu insgesamt 5 Jahren.
Zeiten der Unterbrechung, mit Ausnahme
a) eines Erholungsurlaubs,
b) einer Arbeitsbefreiung nach § 11 AVR,
c) eines Sonderurlaubs zu einer von der öffentlichen Hand finanzierten oder als beihilfefähig anerkannten Kur,
d) einer Arbeitsunfähigkeit nach § 9 AVR bis zu 26 Wochen,
e) der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz, werden auf die Bewährungszeit nicht angerechnet.
4. Soweit in der Anlage 1 keine spezielle Regelung getroffen ist, steht es im Ermessen des Dienstgebers, ganz oder teilweise bei einem anderen Dienstgeber zurückgelegte Bewährungszeiten anzurechnen, wenn der/die Mitarbeiter/in dort unter vergleichbaren Arbeitsbedingungen tätig war."
Die Klägerin ist seit 01.10.2003 staatlich anerkannte Altenpflegerin. Die von der Beklagten vorgelegten Ergebnisdarstellungen weisen für das Hanns-Seidel-Haus in den Jahren 2005 bis 2007 ein negatives Ergebnis aus, und zwar im Jahre 2005 in Höhe von Euro 332.328,90, im Jahre 2006 in Höhe von Euro 402.405,59 und im Jahre 2007 in Höhe von Euro 14.971,29 (Bl. 169 und 229 d. A.). Die in den Ergebnisdarstellungen ausgewiesenen Mieten und Pachten zahlt die Beklagte an eine konzerneigene Immobiliengesellschaft. Die Gewinn- und Verlustrechnungen des Konzerns, zu dem die Beklagte gehört, weisen für das Jahr 2005 einen Konzernbilanzgewinn in Höhe von Euro 22.681.129,54 und für das Jahr 2006 von Euro 2.786.872,88 aus (Bl. 213/214 d. A.).
Wesentlicher Bestandteil der Vergütung der Klägerin ist die Grundvergütung nach der Vergütungsgruppe VI. Erstmals mit Schreiben vom 09.10.2006 verlangte die Klägerin ihre Höhergruppierung, was die Beklagte ablehnte.
Die Klägerin ist der Auffassung, aufgrund ihres Bewährungsaufstieges (dreijährige Tätigkeit in der Vergütungsgruppe VI) stehe ihr ein Vergütungsanspruch nach der Vergütungsgruppe V c zu. Bei der Frage des Bewährungsaufstiegs würden die Arbeitsvertragsrichtlinien der Beklagten nur ein eingeschränktes Ermessen einräumen, welches allein im Rahmen des § 5 Abs. 7 AVR auszuüben sei. Im Übrigen gebe es keine sachlichen Gründe, ihr den Bewährungsaufstieg zu versagen. Beginnend ab Oktober 2006 stehe ihr eine um Euro 186,21 brutto monatlich höhere Vergütung zu.
Dagegen meint die Beklagte, die schwierige wirtschaftliche Situation des pp.-Hauses stehe einem Bewährungsaufstieg entgegen. § 5 AVR sehe auch dann keinen automatischen Bewährungsaufstieg vor, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 7 AVR erfüllt seien.
Mit Endurteil vom 13.02.2008 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von Euro 1.862,10 nebst Zinsen für die Zeit von Oktober 2006 bis Juli 2007 verurteilt. Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 5 AVR. Seit Oktober 2006 sei die Klägerin bereits drei Jahre lang als staatlich anerkannte Altenpflegerin beschäftigt (Vergütungsgruppe V c). Die Beklagte habe der Klägerin den Bewährungsaufstieg zu Unrecht verweigert. Die Klägerin habe die Voraussetzungen für den Bewährungsaufstieg nach § 5 Abs. 7 AVR erfüllt. Aus Sinn und Systematik des § 5 Abs. 6 und 7 AVR ergebe sich, dass das eingeräumte Ermessen allein im Rahmen des § 5 Abs. 7 ausgeübt werden könne. Damit könne die wirtschaftliche Situation der Beklagten dem Bewährungsaufstieg nicht entgegenstehen. Im Übrigen könne die Ermessensentscheidung nicht zu einer Übertragung des Betriebsrisikos auf den Arbeitnehmer führen.
Gegen dieses den Beklagtenvertretern am 14.04.2008 zugestellte Endurteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 07.05.2008, die am Montag, 14.07.2008 begründet worden ist, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.07.2008 verlängert worden war.
Nach Ansicht der Beklagten hat das Arbeitsgericht verkannt, dass die AVR keinen Anspruch auf Durchführung des Bewährungsaufstiegs begründen, sondern die Vollziehung des Bewährungsaufstiegs in das pflichtgemäße Ermessen des Arbeitgebers stellen würden. Da eine Entscheidung mit konstitutiver Wirkung über die Höhergruppierung getroffen werden müsse, könne die Klägerin allenfalls eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Bewährungsaufstieg verlangen, nicht jedoch die Zahlung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe. Aus diesem Grund sei die Klage schon unzulässig. Jedenfalls sei sie unbegründet, denn bei ihrer Ermessensentscheidung habe sie -die Beklagte- zu Recht die wirtschaftliche Situation des pp.-Hauses berücksichtigt. Die Verluste würden auf einem Einbruch der Belegung und einer insgesamt schwierigen Gesamtsituation im Bereich der Wohlfahrtspflege beruhen. Die für die Refinanzierung zuständigen staatlichen Stellen würden als Maßstab für die Personalkosten den TVöD anwenden, der im Unterschied zu den AVR Personalkostensenkungen ermögliche. Die Auslegung des § 5 AVR durch das Arbeitsgericht sei nicht überzeugend. Seine Auffassung führe dazu, dass bei Erfüllung der Voraussetzungen des Absatzes 7 ein Anspruch auf Durchführung des Bewährungsaufstieges bestehe und es damit keinen Raum für eine Ermessensentscheidung gebe.
Die Beklagte stellt folgende Anträge:
1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 13.02.2008, Aktenzeichen 34 Ca 11118/07, wird abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend. Die Ermessensentscheidung beziehe sich auf § 5 Abs. 7 RVE. Beispielsweise habe der Arbeitgeber nach pflichtgemäßem Ermessen festzustellen, ob der Mitarbeiter die Aufgaben zufriedenstellend erfüllt hat. Der Bewährungsaufstieg und nicht seine Durchführung sei in das pflichtgemäße Ermessen des Arbeitgebers gestellt. Aber auch wenn man dieser Auffassung nicht folge, sei die Entscheidung der Beklagten fehlerhaft. Die wirtschaftliche Situation des pp.-Hauses habe sich deutlich verbessert. Bei der Erstellung der Bilanzen gebe es Möglichkeiten, durch Jonglieren zu einem negativen Betriebsergebnis zu kommen. Zutreffenderweise müsse auf die Lage des Unternehmens abgestellt werden. Es sei ermessensfehlerhaft, im pp.-Haus grundsätzlich keinen Bewährungsaufstieg durchzuführen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 14.07. und 25.09.2008 sowie der Klägerin vom 14.08.2008 Bezug genommen, außerdem auf die Sitzungsniederschrift vom 02.10.2008.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist auch begründet, weil die Klägerin nach ihrem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 5 Abs. 6 und 7 AVR keinen Anspruch auf eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c der Anlage 1 zu den AVR hat. Die Berufungskammer teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, das dem Arbeitgeber in § 5 Abs. 6 AVR eingeräumte Ermessen könne nur im Rahmen des Absatzes 7 ausgeübt werden, nicht. Es kann nicht angenommen werden, das der Beklagten eingeräumte Ermessen sei in der Weise auf Null reduziert gewesen, dass sie zur Durchführung des Bewährungsaufstiegs verpflichtet gewesen wäre.
1. Die Klage ist zulässig. Der Einwand der Beklagten, die Klägerin könne nicht die Zahlung nach einer bestimmten Vergütungsgruppe verlangen, sondern allenfalls eine neue ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Bewährungsaufstieg, betrifft nicht die Zulässigkeit der Klage. Vielmehr ist die Klage unbegründet, wenn der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht besteht.
2. Die Klage ist nicht schon deshalb begründet, weil die Klägerin Altenpflegerin mit staatlicher Anerkennung ist und drei Jahre lang eine Tätigkeit nach der Vergütungsgruppe VI Nr. 1 des Berufungsgruppenverzeichnisses (Anlage 1 zu den AVR) ausgeübt hat. Damit erfüllt sie zwar die in dem Berufsgruppenverzeichnis genannten Voraussetzungen der Vergütungsgruppe V c. Einem Anspruch steht jedoch § 5 Abs. 6 AVR entgegen, der den Bewährungsaufstieg in das pflichtgemäße Ermessen des Arbeitgebers stellt.
a) Beim Aufstieg von der Vergütungsgruppe VI Nr. 1 in die Vergütungsgruppe V c Nr. 1 handelt es sich um einen Bewährungsaufstieg im Sinne von § 5 Abs. 6 AVR, denn schon die Dauer der Tätigkeit in der Vergütungsgruppe VI ermöglicht den Aufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe. Der hier vorliegende Wechsel der Vergütungsgruppe ohne eine Änderung der Tätigkeit ist das wesentliche Merkmal eines Bewährungsaufstiegs.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Arbeitsgerichts ist die Entscheidung über den Bewährungsaufstieg selbst in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt und bezieht sich nicht auf die in § 5 Abs. 7 AVR geregelten Voraussetzungen dafür, dass ein Bewährungsaufstieg in Betracht kommt. Dies ergibt sich aus einer Auslegung des § 5 AVR, die nach §§ 133, 157 BGB zu erfolgen hat, denn die AVR sind kein Tarifvertrag, sondern für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die der Arbeitgeber dem Mitarbeiter bei Abschluss des Arbeitsvertrages stellt. Bei der Auslegung ist zunächst vom Wortlaut auszugehen. Dann sind auch außerhalb der Vereinbarung liegende Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, etwa die Vorgeschichte der Vereinbarung, der mit ihr verfolgte Zweck und die bestehende Interessenlage. Die Orientierung an Treu und Glauben (§ 157 BGB) bedeutet, dass im Zweifel ein Auslegungsergebnis anzustreben ist, das die berechtigten Belange beider Parteien angemessen berücksichtigt und mit den Anforderungen des redlichen Geschäftsverkehrs im Einklang steht (Palandt/Heinrichs, BGB, Rn. 4 ff. zu § 133 mit weiteren Nachweisen).
Schon aus dem Wortlaut der Absätze 6 und 7 des § 5 AVR ergibt sich, dass der Bewährungsaufstieg nicht automatisch mit Erfüllung der Voraussetzungen des Absatzes 7 eintritt, sondern der Arbeitgeber beim Vorliegen dieser Voraussetzungen in einer zweiten Stufe eine Ermessensentscheidung zu treffen hat. § 5 Abs. 7 AVR regelt, wann ein Bewährungsaufstieg in Betracht kommt, nicht dagegen, wann er stattfindet oder erfolgt. Wenn etwas die automatische Folge der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen ist, kommt es nicht lediglich "in Betracht". Diese Worte bringen zum Ausdruck, dass es mehrere Möglichkeiten gibt.
Dieses Ergebnis wird bestätigt durch Absatz 6. Die Regelung des pflichtgemäßen Ermessens in einem eigenen Absatz zeigt, dass es sich um einen eigenständigen Gesichtspunkt handeln soll. Wenn im Rahmen des § 5 Abs. 7 Ziff. 4 AVR nochmals eine Ermessensentscheidung angesprochen ist, spricht dies dagegen, dass sich das in Absatz 6 eingeräumte Ermessen lediglich auf die Voraussetzungen des Absatzes 7 beziehen soll. Andernfalls läge eine überflüssige Wiederholung vor. Die anderen Ziffern des Absatzes 7 lassen dem Arbeitgeber zwar einen gewissen Beurteilungsspielraum, beispielsweise bei der Frage, ob der/die Mitarbeiter/in die ihm/ihr übertragenen Aufgaben zufriedenstellend erfüllt hat, lassen eine Ermessensentscheidung jedoch nicht zu. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass kein Ermessensspielraum bleiben würde, wenn schon beim Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 7 ein Anspruch auf Durchführung des Bewährungsaufstiegs bestehen würde. Ein eingeschränkter Ermessensspielraum lediglich im Rahmen der Voraussetzungen des Absatzes 7 lässt sich auch nicht die Formulierung in Absatz 6, dass der Bewährungsaufstieg in das pflichtgemäße Ermessen des Dienstgebers gestellt wird, begründen. Diese Formulierung spricht weder dafür, dass sich das Ermessen auf die Voraussetzungen des Absatzes 7 beschränkt, noch dafür, dass für das auszuübende Ermessen ein strengerer Maßstab gelten soll als nach § 315 BGB, der von "billigem Ermessen" spricht.
Auch aus außerhalb der AVR liegenden Umständen folgt kein auf Absatz 7 beschränktes Ermessen. Hätten die Verfasser der AVR einen automatischen Bewährungsaufstieg gewollt, hätten sie auf Formulierungen in den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst, insbesondere im BAT zurückgreifen können. Schließlich ermöglicht die gefundene Auslegung eine angemessene Berücksichtigung der berechtigten Belange beider Arbeitsvertragsparteien. Sie berechtigt den Arbeitgeber nicht zu einer freien oder willkürlichen Entscheidung, sondern verlangt eine Abwägung der beiderseitigen Interessen.
Eine solche Auslegung bedeutet keine Übertragung des Betriebsrisikos auf die Arbeitnehmer. Beim Betriebsrisiko geht es um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber das Entgelt auch dann zu bezahlen hat, wenn er aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zur Beschäftigung der Belegschaft nicht in der Lage ist, ohne dass dies von einer der beiden Seiten zu vertreten ist (HWK-Krause § 615 BGB Rn. 112). Hier wird die Klägerin beschäftigt. Im Übrigen wird auch das Wirtschaftsrisiko nicht auf die Arbeitnehmer verlagert, denn die Beklagte verweigert nicht die Zahlung der vertragsgemäß geschuldeten Vergütung, sondern eine Vergütungserhöhung.
Der obigen Auslegung steht die Unklarheitenregelung nach § 305 c Abs. 2 BGB nicht entgegen. Sie ist nur anwendbar, wenn nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel verbleiben (BAG vom 17.01.2006 - 9 AZR 41/05 - NZA 2006, 923). Dies ist hier aus den oben genannten Gründen nicht der Fall.
c) Der von der Klägerin geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht schon deshalb nicht, weil jedenfalls nicht von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen werden kann. Wie ausgeführt konnte die Beklagte eine Ermessensentscheidung über den Bewährungsaufstieg treffen, obwohl die Klägerin unstreitig die Voraussetzungen des § 5 Abs. 7 AVR erfüllt hat. Selbst wenn die Entscheidung der Beklagten ermessensfehlerhaft wäre, würde dies den Anspruch noch nicht begründen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn nur eine positive Entscheidung über den Bewährungsaufstieg ermessensfehlerfrei wäre. Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt jedoch nicht vor.
Eine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen bedeutet ähnlich wie im Fall des § 315 BGB, dass die Entscheidung unter Abwägung der Interessen der Klägerin einerseits und der Interessen der Beklagten andererseits erfolgen musste. In diese Abwägung konnte auch die wirtschaftliche Situation der Einrichtung, in der die Klägerin beschäftigt ist, einbezogen werden. Die Klägerin trägt ebenso wie die anderen Arbeitnehmer/innen des pp.-Hauses zum wirtschaftlichen Erfolg dieser Einrichtung bei. Unstreitig befand sich diese Einrichtung jedenfalls in den Jahren 2005 bis 2007 in einer schlechten wirtschaftlichen Situation, denn in diesen Jahren hatte sie ein negatives Betriebsergebnis, auch wenn die Verluste im Jahre 2007 deutlich verringert wurden. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte alle im Rahmen der Interessenabwägung wesentlichen Umstände berücksichtigt hat, ob sie beispielsweise die wirtschaftliche Lage des Gesamtunternehmens und des Konzerns hätte berücksichtigen müssen und ob sie die generelle Entscheidung treffen konnte, im pp.-Haus generell vom Bewährungsaufstieg abzusehen. Selbst wenn die Beklagte weitere Umstände zu Gunsten der Klägerin in ihre Abwägung hätte einbeziehen müssen, wäre sie nur verpflichtet, eine neue Ermessensentscheidung zu treffen. Die Klägerin hat aber keine Verurteilung der Beklagten dazu beantragt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue Ermessensentscheidung zu treffen (entsprechend § 113 Abs. 5 Satz 2 VWGO).
Hilfsweise wird dieses Urteil auch damit begründet, dass zur Überzeugung des Berufungsgerichts feststeht, dass die Nichtgewährung des Bewährungsaufstiegs an die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum bis Juli 2007 ermessensfehlerfrei ist. Die Beklagte hat ihre Entscheidung über den Bewährungsaufstieg der Klägerin ausführlich begründet. Die Verluste des pp.-Hauses in den Jahren 2005 bis 2007 waren zuletzt unstreitig. Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass die negativen Ergebnisse in diesen Jahren auf irgendwelchen Manipulationen der Beklagten beruhen. Die Klägerin hat nur theoretisch auf die Möglichkeit verwiesen, bei einzelnen Bilanzposten zu jonglieren. Sie hat aber weder irgendwelche Manipulationen in den Bilanzen dargelegt noch gibt es Anhaltspunkte dafür, warum die Beklagte ein Interesse an einem negativen Ergebnis des pp.-Hauses haben sollte. Nach dem übereinstimmenden Sachvortrag der Parteien gibt es andere Einrichtungen mit einem positiven Gesamtergebnis, in denen ein Bewährungsaufstieg gewährt wird.
Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte auf die wirtschaftliche Situation der konkreten Einrichtung und nicht des gesamten Unternehmens oder gar des Konzerns abgestellt hat. Die unternehmerische Entscheidung, auf die konkrete Einrichtung abzustellen, ist nicht sachfremd oder willkürlich. Typischerweise tragen die Leitung der Einrichtung und ihre Mitarbeiter/innen wesentlich zum Ergebnis der jeweiligen Einrichtung bei. Zahlreiche Unternehmen verfolgen das Ziel, dass einzelne Einheiten ein positives Ergebnis erzielen. Vor dem Hintergrund der Verluste bis 2007 im pp. ist die generelle Entscheidung der Beklagten, dort vom Bewährungsaufstieg abzusehen, nicht sachfremd.
III.
Nach § 91 Abs. 1 ZPO trägt die unterliegende Klägerin die Kosten des Rechtsstreits.
IV.
Dieses Urteil ist für die Beklagte unanfechtbar, denn sie ist nicht beschwert. Die Zulassung der Revision für die Klägerin beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Die Rechtsfrage, ob sich das Ermessen des Arbeitgebers nur auf die in § 5 Abs. 7 AVR geregelten Voraussetzungen bezieht, hat angesichts der massenhaften Verwendung der AVR grundsätzliche Bedeutung.
Ende der Entscheidung
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