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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 25.03.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 785/03
Rechtsgebiete: AktG
Vorschriften:
AktG § 216 Abs. 3 |
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 25. März 2004
In dem Rechtsstreit
hat die Zweite Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Waitz sowie die ehrenamtlichen Richter Köhnlein und Leicht für Recht erkannt:
Tenor: 1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 20.05.2003 - 21 Ca 14854/02 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen geändert wie folgt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 7.296,55 (i. W.: siebentausendzweihundertsechsundneunzig 55/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem über dem Basissatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 seit 11.09.2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtstreits tragen die Beklagte 5/6 und der Kläger 1/6.
3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand: Die Parteien streiten über die Höhe einer dem Kläger für das Geschäftsjahr 2001 zustehenden Erfolgsbeteiligung.
Der Kläger war bei der Beklagten beschäftigt und befindet sich seit 01.01.2000 in Altersteilzeit. Er hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Erfolgsbeteiligung nach Maßgabe der "Beschäftigungsbestimmungen Mittlerer Führungskreis" vom 01.10.1971. Dort heißt es u. a.:
3.2 Für die Erfolgsbeteiligung gelten folgende Bestimmungen:
3.2.1 Erfolgsbeteiligung erhalten alle Mitarbeiter, die während des Geschäftsjahres, für das die Erfolgsbeteiligung gezahlt wird, mitgearbeitet haben.
Mitarbeiter, die während des Geschäftsjahres eintreten oder vor Abschluss des Geschäftsjahres ausscheiden, erhalten die Erfolgsbeteiligung anteilig.
3.2.2 Wenn durch längere Krankheit oder durch Dienstunterbrechung u. ä. die Voraussetzungen für die Erfolgsbeteiligung nicht voll erfüllt werden, sind die jeweils gültigen besonderen Richtlinien maßgebend.
3.2.3 Die Höhe der Erfolgsbeteiligung richtet sich nach der Dividende der S. und nach einem Grundbetrag.
Der Grundbetrag wird individuell vereinbart.
Zur Errechnung der Erfolgsbeteiligung wird der individuelle Grundbetrag mit der Dividende, ausgedrückt in DM je Akte im Nennwert von DM 50,-, vervielfacht.
Maßgebend ist zunächst die Dividende, die für das jeweils vorhergegangene Geschäftsjahr ausgeschüttet wurde. Beschließt jedoch die Hauptversammlung für das Geschäftsjahr, für das die Erfolgsbeteiligung gezahlt wird, eine höhere oder eine niedrigere Dividende, so erhöht oder vermindert sich die Erfolgsbeteiligung entsprechend.
Im Frühjahr 2001 beschloss die Hauptversammlung der Beklagten, für je zwei Aktien eine Gratisaktie auszugeben (Aktiensplit im Verhältnis 2:3).
In einer Mitteilung der Beklagten vom 31.01.2002 heißt es, dass sich der Aktiensplit nicht auf die Berechnungsformel der Erfolgsbeteiligung auswirke, da gleichzeitig Grundkapital und Aktienstückzahl im selben Verhältnis erhöht worden seien. Der Kläger erhielt für das Geschäftsjahr 2001 (Oktober 2000 bis September 2001) eine Erfolgsbeteilung in Höhe von € 14.593,10.
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe eine höhere Erfolgsbeteiligung zu. Durch die Erfolgsbeteiligung sollten die Mitarbeiter am Ergebnis der Beklagten beteiligt werden. Das wirtschaftliche Ergebnis der Beklagten solle sich in der Höhe der Erfolgsbeteiligung niederschlagen. Der Aktiensplit führe zu einer niedrigeren Dividende. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung sei daher die Berechnungsformel für die Erfolgsbeteiligung entsprechend dem Aktiensplit zu korrigieren. Ein entsprechender Anspruch ergebe sich auch aus § 216 Abs. 3 AktG.
Mit Endurteil vom 20.05.2002 hat das Arbeitsgericht die Klage auf Zahlung von € 8.844,40 nebst Zinsen abgewiesen. Aus den Beschäftigungsbestimmungen ergebe sich kein Anspruch auf eine höhere Erfolgsbeteiligung, denn nach diesen Bestimmungen sei für die Berechnung auf die Dividende abzustellen. Allein der Zweck der Erfolgsbeteiligung führe nicht dazu, dass Arbeitnehmer und Aktionäre gleichbehandelt werden müssten. Auch aus § 216 Abs. 3 AktG ergebe sich kein Anspruch, denn diese Bestimmung sei dispositiv und werde durch die Beschäftigungsbestimmungen verdrängt.
Gegen dieses dem Klägervertreter am 18.06.2003 zugestellte Endurteil richtet sich seine Berufung vom 18.07.2003, die am 05.09.2003 begründet worden ist, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.
Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe bei der Prüfung einer ergänzenden Vertragsauslegung den Zweck der Erfolgsbeteiligung nicht ausreichend berücksichtigt. Außerdem gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass § 216 Abs. 3 AktG durch die Beschäftigungsbestimmungen abbedungen werden sollte.
Der Kläger stellt folgenden Antrag:
Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 20.05.2003 wird wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 8.844,40 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basissatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungs-Gesetzes vom 09.06.1998 seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend. Die Beschäftigungsbestimmungen würden nur auf die Dividende abstellen. Die Zahl der Aktien sei also unerheblich. Für eine ergänzende Vertragsauslegung gebe es keinen Raum. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 216 Abs. 3 AktG, denn der wirtschaftliche Wert der vertraglichen Beziehungen der Parteien hänge nicht von den gesetzlich geregelten Kriterien ab. Jedenfalls sei in den Beschäftigungsbestimmungen die Dividende als Bezugspunkt für die Berechnung der Erfolgsbeteiligung vereinbart und damit eine mögliche Geltung des § 216 Abs. 3 AktG abbedungen worden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die dort gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe: I.
Die zulässige Berufung (§§ 64 Abs. 2 lit. b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO) ist überwiegend begründet, denn gem. § 216 Abs. 3 AktG hat der Kläger Anspruch auf eine um 50 % höhere Erfolgsbeteiligung. Die Geltung des § 216 Abs. 3 AktG wurde nicht abbedungen.
1. Nach § 216 Abs. 3 AktG wird der wirtschaftliche Inhalt vertraglicher Beziehungen der Gesellschaft zu Dritten, die von der Gewinnausschüttung der Gesellschaft, dem Nennbetrag oder Wert ihrer Aktien oder ihres Grundkapitals oder sonst von den bisherigen Kapital- oder Gewinnverhältnissen abhängen, durch eine Kapitalerhöhung nicht berührt. Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln den wirtschaftlichen Inhalt der Rechtsbeziehungen der Aktiengesellschaft zu Dritten ändert (Hüffer, AktG, 5. Aufl., Rn. 3 zu § 216).
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 216 Abs. 3 AktG sind vorliegend erfüllt. Die Beschäftigungsbestimmungen regeln die vertraglichen Beziehungen der beklagten Aktiengesellschaft zum Kläger. Dieser ist Dritter im Sinne des § 216 Abs. 3 AktG, denn hierzu gehören alle Personen, die nicht Aktionäre sind, also auch die Arbeitnehmer der Aktiengesellschaft. Der wirtschaftliche Inhalt der vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien hängt vom Wert der Aktien der Beklagten ab. Der Wert der Aktien könnte sich zwar auch aus dem Börsenkurs ergeben. Wesentlich für den Wert der Aktie ist aber auch die ausgeschüttete Dividende. § 216 Abs. 3 AktG trägt dem Umstand Rechnung, dass durch eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln das Grundkapital und die Zahl der Aktien erhöht wird, ohne dass das Vermögen oder die Ertragskraft der Aktiengesellschaft dadurch größer würden. Durch die damit regelmäßig verbundene Verwässerung der Dividendenhöhe und des Werts der einzelnen Aktien sollen Dritte nicht benachteiligt werden (Geßler/Hefermehl/Bungeroth, AktG, § 216 Rn. 42).
Hier stellt die Dividende einen Bemessungsfaktor für die Erfolgsbeteiligung dar, deren wirtschaftlicher Wert damit von der Dividende abhängt. Diese Abhängigkeit von der Dividende entfällt nicht deshalb, weil sich die Erfolgsbeteiligung auch nach einem anderen Faktor, nämlich dem individuell festgelegten Grundbetrag, richtet. Die Erfolgsbeteiligung errechnet sich aus mehreren Faktoren. § 216 Abs. 3 AktG bestimmt nicht, dass der wirtschaftliche Inhalt der vertraglichen Beziehungen allein von der Dividende abhängen müsste.
Der im Frühjahr 2001 von der Hauptversammlung beschlossene Aktiensplit stellt eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln dar. Für je zwei Aktien wurde eine Gratisaktie ausgegeben. Dies führte zu einer Erhöhung des Grundkapitals, dessen Höhe sich aus einer Multiplikation des Aktiennennbetrags mit der Aktienzahl ergibt (§ 1 Abs. 2 AktG). Da die Aktien gratis ausgegeben wurden, leisteten die Aktionäre keinen Beitrag zur Erhöhung des Grundkapitals. Diese erfolgte vielmehr aus Gesellschaftsmitteln, denn die Aktiengesellschaft muss über Vermögensgegenstände verfügen, deren Gesamtwert wenigstens dem Grundkapital entspricht. Der Aktiensplit führt wirtschaftlich dazu, dass der Gewinn der Gesellschaft auf ein erhöhtes Grundkapital zu verteilen ist mit der Folge, dass sich der Dividendensatz je Aktie verringert.
Folglich entspricht es der allgemeinen Auffassung in der Literatur, dass § 216 Abs. 3 AktG anzuwenden ist, wenn zwischen Vorstandsmitgliedern, Aufsichtsratsmitgliedern oder leitenden Angestellten und der Aktiengesellschaft eine Gewinnbeteiligung vereinbart ist, die sich nach der Höhe der Dividende berechnet (Hüffer, a. a. O., Rn. 13; Geßler, a. a. O., Rn. 52; Hirte, Großkommentar zum AktG, Rn. 66 zu § 216; Lutter, Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Rn. 216 zu § 216). Es gibt keinen Grund, diese Bestimmung nicht auch auf Arbeitnehmer anzuwenden, wenn sich die Höhe ihrer Erfolgsbeteiligung - wie hier - nach der Dividende berechnet.
2. Die Parteien haben die Anwendung des § 216 Abs. 3 AktG nicht abbedungen.
Dabei kann zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass § 216 Abs. 3 AktG kein zwingendes Recht ist, sondern eine andere vertragliche Regelung zulässt. Die Parteien haben aber keine abweichende Regelung getroffen. In den Beschäftigungsbestimmungen ist lediglich geregelt, dass sich die Erfolgsbeteiligung nach der Dividende und dem Grundbetrag richtet. Den Fall eines Aktiensplits und einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln regeln sie nicht und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bei Aufstellung der Beschäftigungsbestimmungen diesen Fall bedachte. Allein aus der Anknüpfung an die Dividende kann nicht abgeleitet werden, dass die gesetzliche Regelung über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln abbedungen sein soll. Würde man dies ausreichen lassen, wäre § 216 Abs. 3 AktG praktisch nie anwendbar. Der Gesetzeszweck, Dritte durch die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht zu benachteiligen, würde nur unzureichend erfüllt.
3. Der Kläger hat einen Anspruch in Höhe von € 7.296,55.
§ 216 Abs. 3 AktG führt mit dem Wirksamwerden der Kapitalerhöhung zu einer Anpassung der Leistungspflicht (Hüffer, a. a. O., Rn. 11). Es ist davon auszugehen, dass die Erhöhung des Grundkapitals zu einer entsprechenden Verringerung der Dividende geführt hat. Ohne die Erhöhung der Aktienzahl um 50 % wäre also die Dividende je Aktie um 50 % höher ausgefallen. Der wirtschaftliche Inhalt der Erfolgsbeteiligung bleibt nur dann von der Kapitalerhöhung unberührt, wenn die Erfolgsbeteiligung in gleicher Weise um 50 % erhöht wird. Die ohne Berücksichtigung des Aktiensplits berechnete Erfolgsbeteiligung in Höhe von € 14.593,10 ist damit um € 7.296,55 (50 % der bezahlten Erfolgsbeteiligung) zu erhöhen. Die hiervon abweichenden Berechnungen der Parteien in der Klage sowie der Klageerwiderung sind für die Kammer nicht nachvollziehbar.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt das beiderseitige Obsiegen bzw. Unterliegen.
III.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen, weil die Rechtsfragen in Verbindung mit § 216 Abs. 3 AktG grundsätzliche Bedeutung haben (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).
Ende der Entscheidung
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