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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 20.05.2009
Aktenzeichen: 3 Sa 1089/08
Rechtsgebiete: BGB, ArbPlSchG


Vorschriften:

BGB § 611
ArbPlSchG § 1
ArbPlSchG § 4
1. Echte Gratifikationen wie Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld sind im Falle der Teilnahme eines Arbeitnehmers an Wehrübungen, die jeweils die Dauer eines Monats überschreiten, nicht wegen Ruhens des Arbeitsverhältnisses gem. § 1 Abs. 1 ArbPlSchG anteilig zu kürzen, auch wenn sie nicht ausschließlich zum Zwecke des Anreizes für künftige Betriebstreue dienen, sondern auch vergangene Arbeitsleistung belohnen wollen, also Mischcharakter haben.

2. Gewährt ein Arbeitgeber jahrelang ohne Freiwilligkeitsvorbehalt freiwillige Leistungen wie ein Weihnachts- oder Urlaubsgeld oder einen Arbeitgeberzuschuss zu vermögenswirksamen Leistungen allen Arbeitnehmern unter Einschluss der Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis, z. B. wegen Teilnahme an Wehrübungen, geruht hat, kann auch diesen Arbeitnehmern gegenüber eine entsprechende betriebliche Übung entstehen. Will der Arbeitgeber wegen des Ruhens des Arbeitsverhältnisses solche Leistungen "an sich" kürzen und sie nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen dennoch ungekürzt gewähren, muss er dies in irgendeiner Weise verlautbaren, bekanntgeben oder für die Arbeitnehmer erkennbar machen, wenn er geltend machen will, dass die betriebliche Übung diese Kürzungsmöglichkeit einschließt.

3. Eine betriebliche Übung setzt einen kollektiven Bezug der Arbeitgebermaßnahme voraus. Bei Beurteilung der Frage, ob ein solcher kollektiver Bezug vorliegt, ist nicht von den Vorstellungen des Arbeitgebers, sondern davon auszugehen, wie die (begünstigten) Arbeitnehmer das Arbeitgeberverhalten verstehen durften.


Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

3 Sa 1089/08

Verkündet am: 20.05.2009

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder und die ehrenamtlichen Richter Heiß und Kandler

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 24.10.2008 - 27 Ca 17410/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um vom Kläger geltend gemachte Ansprüche auf Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und vermögenswirksame Leistungen.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 01.10.1999 bis 31.03.2007 in deren Verlag "B." als Redakteur angestellt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Die Beklagte zahlte an den Kläger in den Jahren 1999 bis 2004 jeweils mit der Novembervergütung ein zusätzliches Bruttomonatsgehalt, das in den Entgeltabrechnungen für November 1999 bis einschließlich 2003 als "Weihnachtsgeld" und in der Abrechnung für November 2004 als "13. Monatsgehalt" bezeichnet ist. Ferner zahlte die Beklagte mit dem Junigehalt jährlich ein Urlaubsgeld aus, dessen Höhe zunächst 80,52 % und in den Jahren 2004 und 2005 77,10 % eines Bruttomonatsgehalts betrug. Ferner zahlte die Beklagte an den Kläger monatlich vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 26,59 € brutto bis einschließlich Juni 2005.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29.07.2005 fristlos. In einem gerichtlichen Vergleich vom 10.01.2007 einigten sich die Parteien darauf, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Arbeitgeberkündigung zum Ablauf des 31.03.2007 ende und die Beklagte verpflichtet sei, bis zum genannten Zeitpunkt die vertragsgemäße Vergütung an den Kläger zu zahlen. Dies gelte auch, soweit der Kläger in diesem Zeitraum Wehrübungen geleistet habe. Insoweit beschränke sich die Zahlungspflicht der Beklagten auf die Leistungen, die er auch bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses und der Teilnahme an einer Wehrübung zu erbringen hätte. Ferner einigten sich die Parteien darüber, dass der Kläger bis zum 31.03.2007 von der Arbeitsleistung widerruflich freigestellt werde, wobei mit der Freistellung etwaige Resturlaubsansprüche erledigt seien.

Die Beklagte zahlte die Bezüge des Klägers bis einschließlich Juni 2005 ungekürzt aus, unabhängig davon, dass dieser in den Jahren 2000 bis 2005 an Wehrübungen teilnahm. Diese Wehrübungen dauerten jedoch nie länger als zwei Wochen. Im Jahr 2006 nahm der Kläger in der Zeit vom 30.01. bis 31.03. sowie vom 26.04. bis 21.07. und vom 21.08. bis 29.12. an Wehrübungen teil.

Nach Vergleichsschluss rechnete die Beklagte das Arbeitsverhältnis für die Zeit vom 30.07.2005 bis 31.12.2006 in Höhe von 42.960,59 € brutto ab und schlüsselte diese Zahlung in Anlage eines Schreibens an den Kläger vom 23.05.2007 näher auf. Demnach zahlte sie an den Kläger für 2006 Weihnachtsgeld in Höhe von 969,22 € brutto, ein Urlaubsgeld in Höhe von 747,34 € brutto sowie vermögenswirksame Leistungen in Höhe von insgesamt 76,20 € brutto.

Der Kläger machte die streitigen Ansprüche mit Schreiben vom 19.07.2006 und 26.07.2006 geltend.

Er ist der Auffassung, ihm stünden restliches Weihnachtsgeld in Höhe von 3.089,76 € brutto, restliches Urlaubsgeld in Höhe von 2.382,36 € brutto und restliche vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 242,88 € zu. Er meint, beim Weihnachts- und Urlaubsgeld handele es sich um Gratifikationen, die ungekürzt zu zahlen seien, da eine entsprechende betriebliche Übung entstanden sei. Auch habe er Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen für jeden Monat im Zeitraum vom 30.07.2005 bis 31.12.2006. Eine Kürzung dieser Leistungen bzw. ein Wegfall wegen der Teilnahme an Wehrübungen dürfe nicht erfolgen.

Die Beklagte ist dagegen der Auffassung, das Weihnachtsgeld sei eine zusätzliche Vergütung für geleistete Arbeit. Da das Arbeitsverhältnis für die Zeiten des Wehrdienstes ruhe, entstehe auch kein Vergütungsanspruch. Sie meint weiter, auch das Urlaubsgeld sei für jeden vollen Monat des Wehrdienstes um ein Zwölftel zu kürzen, weil der Urlaubsanspruch gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WPflG einer entsprechenden Kürzung unterliege; auch das Urlaubsgeld sei somit tätigkeitsbezogen zu zahlen und nicht vom Urlaubsanspruch selbst entkoppelt. Aus dem nämlichen Grunde entfällt nach Auffassung der Beklagten ein Anspruch des Klägers auf vermögenswirksame Leistungen für jeden vollen Monat des Wehrdienstes bzw. der Wehrübungsteilnahme. Im Übrigen habe der Kläger im Geltendmachungsschreiben vom 26.07.2006 auf seine Ansprüche verzichtet.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 24.10.2008 - 27 Ca 17410/07 -, auf das hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, der Klage auf Zahlung von 5.715,00 € brutto nebst Zinsen stattgegeben.

Es hat zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe für das Jahr 2006 noch ein Weihnachtsgeldanspruch in der geltend gemachten Höhe aufgrund betrieblicher Übung zu. Den Umständen könne nicht entnommen werden, dass es sich um eine zusätzliche, an die Arbeitsleistung gebundene Vergütung, mithin ein 13. Gehalt handeln solle. Für den Charakter einer Gratifikation spreche bereits die Bezeichnung als "Weihnachtsgeld" und die fehlende Kürzung in den Jahren 2000 bis 2004 sowie die Zahlung zur Weihnachtszeit. Auch das weitere Urlaubsgeld könne der Kläger aufgrund betrieblicher Übung beanspruchen, da ein Kürzungsvorbehalt fehle und keine Anhaltspunkte ersichtlich seien, dass das Urlaubsgeld an die Urlaubsgewährung bzw. den Urlaubsanspruch als solchen gekoppelt wäre. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der bloßen Bezeichnung des Anspruchs als Urlaubsgeld sei keine Abhängigkeit des Anspruchs vom Bestand des Urlaubsanspruchs herzuleiten. Der Zweck, ggf. erhöhte Mehraufwendungen auszugleichen, könne auch dann erreicht werden, wenn es sich nur noch um einige Urlaubstage handele. Schließlich stehe dem Kläger auf der selben Rechtsgrundlage ein Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen zu, weil die Beklagte diese Leistungen monatlich unabhängig von etwaigen Wehrübungen und ohne Kürzungsvorbehalt über die Jahre hin erbracht habe. Der Kläger habe auf keine der geltend gemachten Ansprüche verzichtet. Dem Geltendmachungsschreiben vom 26.07.2006 sei kein Verzichtswille zu entnehmen, da es nur die Geltendmachung der Gehälter betreffe.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 19.11.2008 zugestellte Endurteil vom 24.10.2008 mit einem am 12.12.2008 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist mit einem am 19.02.2009 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie bringt vor, das Arbeitsgericht habe die Voraussetzungen sowie den Sinn des Instituts der betrieblichen Übung verkannt, da es nicht geprüft habe, ob ein kollektiver Bezug des Verhaltens des Arbeitgebers vorliege. Der Kläger bzw. die Arbeitnehmer hätten unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte nicht von einem Bindungswillen für die Zukunft dahingehend ausgehen können, dass die streitigen Leistungen auch für Zeiten der Teilnahme des Klägers an längeren Wehrübungen - wie sie im Jahr 2006 angefallen seien - ungekürzt erbracht würden. Denn die Wehrübungen, an denen der Kläger in den Jahren 2000 bis 2005 teilgenommen habe, seien allenfalls über eine Dauer von jeweils zwei Wochen gegangen im Gegensatz zur Wehrübungsteilnahme des Klägers im Jahr 2006, die jeweils mehrere Monate in Anspruch genommen habe. In den Jahren 2000 bis 2005 habe die Beklagte von einer Kürzung der streitigen Leistungen abgesehen wegen der kurzen Dauer der Wehrübungen und auch deshalb, weil der Kläger die Teilnahme in seiner redaktionellen Tätigkeit verarbeitet habe. Insoweit vergleiche das Arbeitsgericht Äpfel mit Birnen. Im Übrigen stehe das angefochtene Urteil insoweit im Widerspruch zur in der Güteverhandlung geäußerten Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts. Auch sei nicht stets die Bezeichnung "Weihnachtsgeld" in den Gehaltsabrechnungen gewählt worden. Nicht zuletzt verkenne das Arbeitsgericht, dass keine für das Vorliegen einer Gratifikation maßgebenden besonderen Anspruchsvoraussetzungen wie Wartezeit, Stichtagsregelungen, Rückzahlungsvereinbarung vorlägen. Somit sei für die Zweckbestimmung "Belohnung von Betriebstreue" kein Anhaltspunkt gegeben.

Hinsichtlich des Urlaubsgeldanspruchs hält die Beklagte daran fest, dass sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 ArbPlSchG ein Kürzungsrecht nicht nur hinsichtlich des Urlaubsanspruchs, sondern auch des Urlaubsgeldanspruchs ergebe, da gesetzgeberisches Ziel die Freistellung des Arbeitgebers von den Lasten der Wehrübungsteilnahme sei.

Die Beklagte bleibt dabei, dass aus den bereits im ersten Rechtszug vorgetragenen Gründen ein Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen für die vollen Monate der Teilnahme des Klägers an Wehrübungen im Jahr 2006 nicht bestehe, und das er schließlich aufgrund der Schreiben vom 19.07.2006 und 27.07.2006 auf die streitigen Ansprüche verzichtet habe.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 24.10.2008 (Az.: 27 Ca 17410/07) wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen und der Beklagten die weiteren Kosten des Rechtstreits aufzuerlegen.

Er bleibt dabei, dass er Anspruch auch die streitigen Leistungen aufgrund betrieblicher Übung habe und führt aus, selbst dann, wenn kein kollektiver Bezug bestehe, habe der Kläger Anspruch hierauf aufgrund individualrechtlicher Vereinbarung. Dass seine Wehrübungsteilnahme im Jahr 2006 weit länger als in den Vorjahren gedauert habe, sei allein auf die Nichtbeschäftigung des Klägers durch die Beklagte während des Kündigungsschutzprozesses zurückzuführen. Hieraus habe die Beklagte einen erheblichen Vorteil bezogen. Dies könne nicht zum Nachteil des Klägers herangezogen werden. Im Übrigen bestreitet der Kläger, dass die Beklagte nur aufgrund der kurzen Dauer der Wehrübungsteilnahme von zwei Wochen in den Vorjahren auf die Kürzung des Weihnachts- und des Urlaubsgeldes verzichtet habe. Die Handhabung des Arbeitsverhältnisses zeige, dass die Zahlung ungekürzt erfolgen sollte, unabhängig von der Teilnahme an Wehrübungen. Die Beklagte habe dem Kläger gerade nicht kommuniziert, dass die Zahlungen eigentlich zu kürzen wären und lediglich im Hinblick auf die kurze Zeit der Wehrübungsteilnahme von maximal zwei Wochen darauf verzichtet werde. Der Kläger habe aufgrund der bisherigen Handhabung - ohne Vorbehalt - auf die ungekürzte Zahlung vertrauen dürfen. In diesem Zusammenhang weist der Kläger darauf hin, dass in den Novemberabrechnungen der Jahre 1999 bis 2003 die Sonderzahlung als "Weihnachtsgeld" bezeichnet wurde.

Auch das Urlaubsgeld für 2006 ist der Auffassung des Klägers zufolge ungekürzt auszuzahlen, weil keine Koppelung von Urlaubsgeldanspruch und Urlaubsgewährung vorliege.

Ein Verzicht auf die geltend gemachten Ansprüche liegt nach Auffassung des Klägers nicht vor.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 18.02.2009 und des Klägers vom 03.04.2009 sowie auf die Sitzungsneiderschrift vom 23.04.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

1. Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf den weiteren Weihnachtsgeldbetrag in Höhe von 2.382,36 € brutto für 2006 aufgrund betrieblicher Übung zusteht. Nach den vom Arbeitsgericht zutreffend wiedergegebenen, vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätzen über das Entstehen einer betrieblichen Übung hat der Kläger Anspruch auf eine Gratifikation in Höhe eines vollen Bruttogehalts, das mit dem Gehalt des jeweiligen Monats November zu zahlen ist und nicht wegen Zeiten einer Wehrübungsteilnahme des Klägers wegen des Ruhens des Arbeitsverhältnisses nach § 1 Abs. 1 ArbPlSchG anteilig zu kürzen ist.

a) Ausgangspunkt der Annahme einer betrieblichen Übung ist die Tatsache, dass die Beklagte allen ihren Beschäftigten, jedenfalls im Jahr 1999 und später, mit der Novemberabrechnung eine solche Leistung gewährt hat, ohne darauf hinzuweisen oder sonst kenntlich zu machen, dass diese Zahlung, abgesehen von dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, weiteren Einschränkungen wie z. B. einer Kürzung für Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses unterliege. Aus der Sicht der Belegschaft - und somit auch des Klägers - war daher davon auszugehen, dass die Beklagte diese Sonderzahlung vorbehalts- und einschränkungslos auch in Zukunft gewähren und sich insoweit rechtlich binden wolle.

b) Entgegen der von der Beklagten im zweiten Rechtszug geäußerten Auffassung liegt auch eine Leistung mit kollektivem Bezug vor. Daran ändert nichts, dass es sich bei dem Kläger um den einzigen Mitarbeiter des Verlags B. handelt, der während der hier in Rede stehenden Zeiträume an Wehrübungen teilnahm. Denn Anknüpfungspunkt für das Entstehen der betrieblichen Übung ist hier nicht der Umstand, dass die Beklagte die fraglichen Leistungen gegenüber einem ihrer Mitarbeiter erbracht hat, der an Wehrübungen teilnahm, sondern dass sie diese Leistungen an die Gesamtheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erbrachte, ohne - für diese erkennbar - zu differenzieren, ob deren Arbeitsverhältnis wegen Teilnahme an Wehrübungen ruhte. Die Leistungsgewährung darf hinsichtlich des Entstehens einer betrieblichen Übung somit nicht aufgespalten werden in eine Leistungsgewährung an Arbeitnehmer mit vollem Gehaltsanspruch einerseits und an Arbeitnehmer mit einem aufgrund des Ruhens des Arbeitsverhältnisses gekürzten Gehaltsanspruch. Eine solche Differenzierung wäre nur zulässig - und hätte ggf. das Entstehen eines Anspruchs des Klägers aufgrund betrieblicher Übung verhindert-, wenn die Beklagte gegenüber den Leistungsempfängern bzw. der Belegschaft diese Differenzierung bekannt gemacht hätte. Ohne eine solche Verlautbarung kann die Erbringung der Sonderzahlung an den Kläger nicht von der gleichartigen Leistungsgewährung an die sonstigen Beschäftigten abgespalten werden mit der Folge, dass insoweit ein kollektiver Bezug entfiele. Dasselbe gilt hinsichtlich des Einwands der Beklagten, sie habe in dem Verfahren auf die Kürzung der Sonderzahlungen auch deshalb verzichtet, weil der Kläger die Teilnahme an den - kurzen - Wehrübungen bei seiner redaktionellen Tätigkeit verwertet habe. Auch dieses hat die Beklagte, soweit ersichtlich, nie gegenüber der Belegschaft oder auch dem Kläger verlautbart.

Der Kläger ist demnach von einem gleichförmigen Verhalten der Beklagten betroffen - und begünstigt -, das er, genau so wie die übrigen begünstigten Beschäftigten der Beklagten, nach Treu und Glauben und gemäß der Verkehrssitte dahin interpretieren durfte, dass die Beklagte sich für die Zukunft auch ihm gegenüber binden wolle (vgl. BAG 30.07.2008 -10 AZR 606/07; BAG 12.12.2006 - 3 AZR 57/06; BAG 16.01.2002 - 5 AZR 715/00). Ein nicht verlautbarter, in irgendeiner Weise bekannt gegebener oder für die Begünstigten erkennbarer Vorbehalt des Inhalts, dass die Beklagte bei Teilnahme an Wehrübungen - oder im Falle des Ruhens des Arbeitsverhältnisses aus sonstigen Gründen - "an sich" die Sonderzahlung des Monats November kürzen und allenfalls bei Ruhenszeiten von höchstens zwei Wochen hiervon absehen werde, schließt gegenüber denjenigen Mitarbeitern, die von einem solchen Ruhenstatbestand betroffen sind, weder den kollektiven Bezug des Verhaltens des Arbeitgebers noch das Entstehen einer betrieblichen Übung aus. Dies entspricht dem auch vom Arbeitsgericht zu Recht herangezogenen Grundsatz, dass es für die Frage des Entstehens einer betrieblichen Übung nicht auf den tatsächlichen Verpflichtungswillen des Arbeitgebers, sondern auf die "Außenansicht" der begünstigten Arbeitnehmer ankommt. Der von der Beklagten gegenüber dem Arbeitsgericht erhobene Vorwurf, es vergleiche Äpfel mit Birnen, geht somit an der Sache vorbei. Die Beklagte muss sich entgegenhalten lassen, aufgrund welcher Umstände die begünstigten Arbeitnehmer nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte davon hätten ausgehen sollen, dass Ruhenstatbestände wie die Teilnahme an Wehrübungen zur Kürzung oder gar dem Wegfall der Sonderzahlung führen werde angesichts des gleichförmigen, wiederholten Verhaltens der Beklagten in Bezug auf eine einschränkungs- und vorbehaltslose Zahlung jeweils mit der Novemberabrechnung seit 1999.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der jeweils mit dem Novembergehalt ausgezahlten Sonderzahlung um eine Gratifikation, also um eine Leistung, die nicht ausschließlich die bereits in der Vergangenheit erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich honorieren, sondern jedenfalls auch einen Anreiz für künftige Betriebstreue geben sollte, mithin um eine Leistung zumindest mit Mischcharakter.

Zwar trifft es zu, dass die Leistungsgewährung nicht vom Ablauf einer Wartezeit abhängig gemacht wurde und auch Stichtagsregelungen oder Rückzahlungsvorbehalte nicht ersichtlich sind.

Gleichwohl folgt daraus nicht, dass ein Mischcharakter der genannten Art ausschiede. Wenn auch das Vorliegen solcher Regelungen für den Gratifikationscharakter spricht, reicht deren Fehlen nicht aus, einen Mischcharakter zu verneinen. Denn entscheidend sind die Gesamtumstände. Dazu gehört auch, dass dann, wenn der Arbeitgeber mit der Erbringung der Leistung keinerlei Erklärungen, Verlautbarungen oder sonstige Verhaltensweisen verbindet, aus denen mit einiger Klarheit auf die Rechtsnatur als Gratifikation einerseits oder zusätzliches Entgelt für geleistete Arbeit andererseits zu schließen wäre, durchaus der Bezeichnung als "Weihnachtsgeld" und dem Auszahlungstag in der Nähe des Weihnachtsfestes eine Bedeutung für die Bestimmung der Rechtsnatur zukommt (BAG 30.03.1994 - 10 AZR 134/93, Juris-Rn. 21, 23). Es entspricht schon dem allgemeinen Sprachgebrauch und einem verbreiteten Verständnis im Arbeitsleben, dass ein "Weihnachtsgeld" nur zu Weihnachten - bzw. in Weihnachtsnähe - gezahlt wird. Dabei liegt in der Bezeichnung "Weihnachtsgeld" nicht nur die Bestimmung eines Fälligkeitszeitpunktes, sondern in ihr kommt auch eine besondere Zweckbestimmung zum Ausdruck, nämlich eine Weihnachtsfreude zu bereiten und einen Beitrag zu den vermehrten Ausgaben im Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest zu leisten. Deshalb kann der Arbeitnehmer in solchen Fällen annehmen, dass die Sonderzahlung jedenfalls nicht nur eine Zusatzbelohnung für bereits geleistete Dienste darstellt, sondern auch einen Anreiz bieten soll, im Arbeitsverhältnis zu verbleiben. Deshalb geht die Annahme der Beklagten fehl, für die Zweckbestimmung "Betriebstreue" bestehe kein Anhaltspunkt. Jedenfalls war für die begünstigten Arbeitnehmer - und auch für den Kläger - der Ausschluss dieser Zweckbestimmung nicht erkennbar, zumal schriftliche Verlautbarungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Sonderzahlung im November fehlen.

d) Nach allem sprechen, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, sowohl die Bezeichnung der streitigen Leistung in den Entgeltabrechnungen des Monats November der Jahre 1999 bis 2003 - und auch noch in der Berechnung bzw. Aufschlüsselung der Nachzahlung gemäß Anschreiben vom 23.05.2007 - als auch der Auszahlungszeitpunkt zu Beginn der Adventszeit für einen Mischcharakter dieser Arbeitgeberleistung mit der Folge, dass Ruhenszeiten den Umfang des Leistungsanspruchs nicht beeinträchtigen.

2. Der Kläger hat auch Anspruch auf die geltend gemachte weitere Urlaubsgeldzahlung.

Anspruchsgrundlage ist auch insoweit eine entsprechende betriebliche Übung. Zu deren Entstehen wird auf die bisherigen Ausführungen verwiesen.

a) Auch diese Leistung wurde jedenfalls in den Jahren ab 1999 aus Sicht der begünstigten Arbeitnehmer ohne Einschränkung dahingehend erbracht, dass Ruhenszeiten zu einer Kürzung des Urlaubsgeldes führen würden.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 ArbPlSchG kein Kürzungsrecht der Beklagten in Bezug auf das Urlaubsgeld.

Zwar ist der Beklagten darin beizupflichten, dass das Ziel der genannten Gesetzesbestimmung die Freistellung des Arbeitgebers von Lasten der Wehrübungsteilnahme ist. Allerdings folgt aus dem Kürzungsrecht des Urlaubsanspruchs nicht zwangsläufig ein Kürzungsrecht des Urlaubsgeldanspruchs. Vielmehr gilt, dass dann, wenn das Urlaubsgeld eine echte Gratifikation darstellt, das heißt, wenn es nicht konkret an eine Urlaubsnahme oder die Urlaubsdauer gebunden ist, eine solche Akzessorietät des Urlaubsgeldanspruchs zum Urlaubsanspruch ausscheidet. Dafür, dass - aus der Sicht der Arbeitnehmer - das Urlaubsgeld hier als Gratifikation einzuordnen ist, die auch bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses, z. B. infolge Wehrdienstes oder Erziehungsurlaubs bzw. Elternzeit, zu zahlen und lediglich an den rechtlichen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft ist, spricht zum einen die pauschale Höhe des Urlaubsgelds unabhängig von der Dauer des Urlaubs bzw. der Höhe des Urlaubsentgelts (BAG 11.04.2000 - 9 AZR 225/99 für einen tariflichen Urlaubsgeldanspruch; BAG 14.08.1996 - 10 AZR 70/96, Leitsatz und Juris-Rn. 28 zu einem einzelvertraglichen Urlaubsgeldanspruch) und zum anderen der feste Zahlungs-Stichtag.

c) Ausreichend für den Urlaubsgeldanspruch des Klägers aufgrund betrieblicher Übung ist somit, dass überhaupt Urlaub gewährt werden kann, und nicht, ob er in einer bestimmten Höhe besteht und eingebracht wird. Der geltend gemachte Anspruch auf Urlaubsgeld würde nur dann ausscheiden, wenn wegen des Ruhens des Arbeitsverhältnisses im gesamten Urlaubsjahr Urlaub überhaupt nicht gewährt werden könnte. Auch dies hat das Arbeitsgericht richtig gesehen.

3. Aus den Ausführungen zum Weihnachts- und zum Urlaubsgeld ergibt sich, dass der Kläger aufgrund betrieblicher Übung auch Anspruch auf die geltend gemachten zusätzlichen vermögenswirksamen Leistungen hat.

Es trifft nicht zu, dass alle geldwerten Leistungen gekürzt zu zahlen sind, wenn Ruhenstatbestände vorliegen und keine ausdrückliche gesetzliche, kollektivrechtliche oder arbeitsvertragliche Regelung über die Aufrechterhaltung dieser Leistung besteht. Einen derartigen allgemeinen Grundsatz - auf den sich die Beklagte beruft - gibt es nicht. Er wäre viel zu pauschal und würde die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht widerspiegeln.

4. Die Berufungskammer folgt dem Arbeitsgericht auch darin, dass den Geltendmachungsschreiben vom 19.07.2006 und 27.07.2006 kein Verzicht auf die streitigen Leistungen zu entnehmen ist. Die Berufungskammer vermag der gegenteiligen Auffassung der Beklagten nicht zu folgen. Beide genannten Schreiben bilden eine Einheit. Das Schreiben vom 26.07.2006 bezieht sich ausdrücklich auf das Schreiben vom 19.07.2006 und baut inhaltlich auf ihm auf. Dort geht es aber um das "Gehalt", also um die laufende monatliche Grundvergütung des Klägers. Ein Wille zum Verzicht auf sonstige Leistungen ist weder dem einen noch dem anderen Schreiben auch nur im Entferntesten zu entnehmen.

5. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

6. Die Revision wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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