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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 07.08.2008
Aktenzeichen: 3 Sa 1112/07
Rechtsgebiete: BGB, AGG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 611
AGG § 15
AGG § 22
ZPO § 890
Allein der Umstand, dass in einem Unternehmen der Anteil an Frauen in Führungspositionen in den letzten Jahren stark abgenommen hat und nunmehr sowohl deutlich unter dem deutschen Durchschnitt als auch unter dem Frauenanteil im betreffenden Unternehmen allgemein liegt, ist noch kein ausreichendes Indiz, das eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lässt.
Landesarbeitsgericht München

URTEIL

3 Sa 1112/07

Verkündet am: 07.08.2008

In dem Rechtsstreit

erlässt die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder und die ehrenamtlichen Richter Herr Rambach und Herr Schachner

im Namen des Volkes

folgendes

Urteil:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 13.11.2007 - 20 Ca 7270/07 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen, soweit die Klägerin mit ihren hilfsweise gestellten Anträgen auf Auskunft und Zahlung von Schadenersatz (Ziff. I. 5 und I. 6 der Berufungsanträge) nicht durchgedrungen ist. Im Übrigen wird die Revision für die Klägerin nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin als Leiterin der Rechtsabteilung oder jedenfalls als Abteilungsleiterin zu beschäftigen, ferner um die von der Klägerin begehrte Unterlassung, sie einem Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene zu unterstellen und zu behaupten, sie sei einem Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene, insbesondere dem Leiter der Rechtsabteilung, unterstellt, um die beantragte Androhung von Ordnungsmitteln für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung und schließlich um hilfsweise geltend gemachte Ansprüche auf Auskunftserteilung und Schadenersatz wegen einer Benachteiligung wegen des Geschlechts.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 01.09.1997 als Juristin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 01.01.2005 ist unter anderem bestimmt, dass sie zum 01.01.2005 die Teamleitung Business Affairs übernommen hat und in dieser Funktion direkt an den Chief Operatoring Officer (COO) berichtet. Der Arbeitsvertrag des Arbeitskollegen G. wurde ebenfalls zum 01.01.2005 in gleicher Weise geändert. Die Beklagte erklärte gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 11.11.2005, sie bestätige nochmals schriftlich, dass die Klägerin ab 01.12.2005 als Senior Director Business Affairs für die Firma tätig sein werde. In dieser Funktion berichte sie direkt an den Chief Operating Officer (COO). Insoweit ändere sich der Arbeitsvertrag der Klägerin. Alle übrigen Bestimmungen, sofern sie hier nicht angesprochen würden, behielten weiterhin ihre Rechtswirksamkeit. Die Klägerin erklärte sich hiermit einverstanden. Der Arbeitskollege G. erhielt mit Wirkung zum 01.12.2005 eine gleichlautende Vertragsänderung.

Die Beklagte ging aus einem Joint Venture der B. GmbH und der S. GmbH im Jahre 2005 hervor. Bei der Rechtsvorgängerin B. GmbH wurde die Abteilung "Legal & Business Affairs" von Herrn Gi. geleitet, an den laut einem Organigramm vom März 2004 die Klägerin und Herr G. berichteten (Bl. 126 d. A.). Im Zuge des Joint Venture bzw. der Verschmelzung der Gesellschaften ("merger") wurde Herr Gi. zum COO (Chief Operating Officer) ernannt. Er war nach einem Organigramm von September 2005 (Bl. 127 d. A.) in dieser Position für die Abteilung Legal & Business Affairs verantwortlich, für die im genannten Organigramm keine Leitungsperson ausgewiesen ist. Mit E-Mail vom 15.09.2006 teilte der Geschäftsführer der Beklagten den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit, Herr Gi. verlasse das Unternehmen. Die Bereiche Vertrieb, Finanzen, Business & Legal Affairs, Distribution und Marktforschung berichteten bis auf Weiteres direkt an ihn. Dies geschah im Folgenden auch so. In einem Organigramm vom 31.01.2007 (Bl. 16 d. A.) ist die direkte Unterstellung der Organisationseinheit Legal & Business Affairs unter den CEO, den genannten Geschäftsführer, ausgewiesen und die Führungsposition dieser Einheit durch Nennung des Namens der Klägerin und ihres Kollegen G. kenntlich gemacht. Diese Organigrammseite ist die erste Seite einer weiter ausdifferenzierten Organigrammdarstellung vom 31.07.2007, in der die Details zu den einzelnen Abteilungen auf weiteren Seiten hinterlegt worden sind. Auf Seite 16 dieses Organigramms (Bl. 83 d. A.) ist die Leitung der Einheit "Legal & Business Affairs" keiner Person zugeordnet. Die Klägerin und ihr Kollege G. werden als der - nicht besetzten - Leitung "Legal & Business Affairs" nachgeordnete Senior Directors ausgewiesen, denen weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachgeordnet sind, im Falle der Klägerin sechs Personen.

Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 05.03.2007 an den Geschäftsführer der Beklagten und bat ihn, über ihre Bitte, ihr die alleinige Leitung der Rechtsabteilung zu übertragen, zu entscheiden. Am 05.04.2007 schrieb die Beklagte die Stelle "Leitung Legal & Business Affairs (m/w)" aus. Im dritten Absatz ist unter der Überschrift "Unsere Anforderungen" formuliert: "Sie sind Volljurist und ...". Die Ausschreibung erfolgte während des Urlaubs der Klägerin. Mit E-Mail vom selben Tage schrieb der Personalleiter der Beklagten an die Klägerin: "... E. hat mich gebeten, einen Termin für uns drei zu vereinbaren zum Thema "Legal- & BA". Ich habe nicht mehr daran gedacht, dass du ja nächste Woche nicht im Hause bist. In der Woche danach ... Wir werden dann asap einen Termin festzurren, sobald ihr beide wieder da seid".

Am 07.05.2007 wurde mit der Klägerin und auch mit Herrn G. ein Gespräch über die Rechtsabteilung geführt. Am 09.05.2007 gab der Geschäftsführer der Beklagten bekannt, Herr G. übernehme die Gesamtleitung der Abteilung Legal & Business Affairs.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug geltend gemacht, sie müsse als Leiterin der Rechtsabteilung beschäftigt werden, diese Leitung sei ihr zum 01.01.2005 übertragen worden. Mit der Formulierung "Teamleitung" sei die gemeinschaftliche Leitung der Abteilung im Team mit Herrn G. gemeint gewesen. Durch die Festlegung der Berichtslinie direkt an den COO, also einen der Geschäftsführer, sei ihr die Abteilungsleitung zusammen mit Herrn G. übertragen worden. Herr Gi. habe als COO die Besetzung der Leitung der Rechtsabteilung mit Herrn G. und der Klägerin als seine gemeinsamen Nachfolger bestimmt. Mit der Anweisung per E-Mail vom 15.05.2007, nunmehr an den Abteilungsleiter Legale & Business Affairs G. zu berichten, verstoße die Beklagte gegen den vertraglich festgelegten "direct report". Die Klägerin hat ausgeführt, die Besetzung der genannten Abteilungsleiterstelle mit Herrn G. stelle eine Benachteiligung wegen des Geschlechts dar. Die Stelle sei nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben gewesen, die Ausschreibung sei außerdem während ihres Urlaubs erfolgt, Qualifikations- und soziale Gesichtspunkte sprächen für die Klägerin als Stelleninhaberin. Die Benachteiligung von Frauen in Führungspositionen sei bei der Beklagten kein Einzelfall. Die Zurücksetzung der Klägerin stelle vielmehr den Schlussakkord in der Diskriminierung von Frauen in den Führungspositionen der Beklagten dar. Von den ehemals zahlreichen Mitarbeiterinnen in Führungspositionen sei keine weitere außer der Klägerin im Betrieb verblieben.

Die Klägerin hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass die Klägerin gemäß ihrem Arbeitsvertrag als Leiterin der Rechtsabteilung, unmittelbar der Geschäftsführung unterstellt, beschäftigt wird.

Hilfsweise zu 1.:

Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin gemäß ihrem Arbeitsvertrag als Leiterin der Rechtsabteilung weiterzubeschäftigen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin einem Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene zu unterstellen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, zu behaupten, die Klägerin sei einem Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene, insbesondere dem Leiter der Rechtsabteilung unterstellt.

4. Der Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 3. ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld von bis zu Euro 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten festgesetzt werden kann.

5. Die Beklagte wird verurteilt, in der ersten Stufe der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob und in welcher Höhe Herr G. anlässlich seiner Ernennung zum "Gesamtleiter legal & business affairs" eine Gehaltserhöhung erhalten hat.

6. Die Beklagte wird verurteilt, in der zweiten Stufe der Klägerin Schadenersatz in Höhe der gewährten Gehaltserhöhung zu zahlen.

Die Beklagte hat Antrag auf Klageabweisung gestellt.

Sie hat vorgetragen, die Klägerin sei nicht Abteilungsleiterin gewesen. Die Stelle der Leitung der Rechtsabteilung sei vakant gewesen bzw. von Herrn Gi. in Personalunion wahrgenommen worden. Mit der Klägerin sei nie vereinbart worden, dass sie Abteilungsleiterin sei. Bei der Besetzung der Stelle sei sie nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden. Vielmehr sei die Auswahl nach sachlichen Kriterien und im Einvernehmen mit dem Betriebsrat und dem Managementteam getroffen worden. Bei der Beklagten gebe es derzeit keine Frauen auf der ersten Führungsebene, weil im Rahmen der Firmenfusion viele Frauen den Umzug von Berlin nach München abgelehnt hätten.

Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 13.11.2007 - 20 Ca 7270/07 -, auf das hinsichtlich des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug sowie der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung, dass sie als Leiterin der Rechtsabteilung und in unmittelbarer Unterstellung unter die Geschäftsleitung beschäftigt werde. Sie habe auch keinen entsprechenden Beschäftigungsanspruch. Nach den arbeitsvertraglichen Regelungen habe sie zum 01.01.2005 die Teamleitung Business Affairs übernommen und berichte in dieser Funktion an den COO. Diese Regelung sei durch die Änderung vom 11.11.2005 nicht berührt worden. Eine Auslegung des Begriffs der Teamleitung dahin, dass die Klägerin Abteilungsleiterin im Team mit Herrn G. sein solle, sei abwegig. Der Arbeitsvertrag sei auch nicht durch tatsächliche Übertragung der Abteilungsleitung geändert worden. Die Funktion einer Leitung der Gesamtabteilung Legale & Business Affairs sei von der Klägerin nie wahrgenommen worden. Eine Stellung der Klägerin als Abteilungsleiterin ergebe sich auch nicht daraus, dass sie als Teamleiterin direkt an den COO und später an den CEO berichtet habe. Denn durch die Vereinbarung der Berichtslinie direkt an den COO habe sich nach dem Willen der Parteien an der Tätigkeit der Klägerin als Teamleitung nichts ändern sollen. Auch habe die Klägerin keinen Anspruch auf Unterlassung der Unterstellung unter einen Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene. Es liege in der unternehmerischen Freiheit der Beklagten, über der Ebene der Teamleiter eine Abteilungsleitung für die gesamte Abteilung zu installieren und die Teamleiter dieser zu unterstellen. Auch für einen Anspruch auf Unterlassung der Behauptung, die Klägerin sei einem Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene, insbesondere dem Leiter der Rechtsabteilung, unterstellt, fehle eine Anspruchsgrundlage. Aus diesem Grunde scheide auch die Androhung von Ordnungsgeld aus. Schließlich habe die Klägerin keinen Anspruch auf Auskunft hinsichtlich der Vergütung des Herrn G., weil nicht dargetan sei, dass der Schadenersatzanspruch, der mithilfe des Auskunftsanspruchs durchgesetzt werden solle, bestehe. Die Klägerin habe keine Indizien vorgetragen, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts im Sinne von § 22 AGG vermuten ließen. Somit scheide auch von vornherein ein Schadenersatzanspruch aus § 15 Abs. 1 AGG aus.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 19.11.2007 zugestellte Endurteil vom 13.11.2007 mit einem am 06.12.2007 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist mit einem am 18.02.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie hält dem Arbeitsgericht vor, es habe ihren Vortrag, dass sie zur Leiterin der Rechtsabteilung ernannt worden sei und mit Herrn G. gemeinsame Leitung dieser Abteilung innegehabt habe, nicht hinreichend gewürdigt. Dies gelte auch für die arbeitsvertragliche Festlegung des sog. direct report. Die direkte Berichtslinie sei im Organigramm vom 31.01.2007 dargestellt. Auch habe das Arbeitsgericht die von ihr vorgetragenen Indizien im Sinne von § 22 AGG nicht zutreffend gewürdigt. Nachdem kein weiblicher Mitarbeiter mehr der ersten Führungsebene der Beklagten angehöre, obwohl mehr als die Hälfte der Mitarbeiter des Betriebes weiblich seien, stelle ein ausreichendes Indiz im Sinne von § 22 AGG dar, abgesehen von den weiteren, bereits im ersten Rechtszug angeführten Umständen. Dies werde in der Gesamtschau dadurch verstärkt, dass sich die Maßnahmen der Beklagten als systematische Zermürbungsstrategie gegenüber der Klägerin darstellte. Die Beklagte sei weiter bemüht, durch rechtswidrige Vorgehensweisen und Drohung mit Nachteilen Fakten zu schaffen, die sich später nicht mehr beseitigen ließen, abgesehen vom vertragswidrigen Entzug der Leitungsfunktion durch Direktionsrechtsausübung.

Sie beantragt:

I.

Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 13.11.2007, Aktenzeichen 20 Ca 7270/07, wird abgeändert.

1. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin gemäß ihrem Arbeitsvertrag als Leiterin der Rechtsabteilung weiterzubeschäftigen.

hilfsweise zu 1.) werde ich beantragen:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin als Abteilungsleiterin zu beschäftigen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin einem Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene zu unterstellen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, zu behaupten, die Klägerin sei einem Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene, insbesondere dem Leiter der Rechtsabteilung unterstellt.

4. Der Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 3. ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld von bis zu Euro 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monate festgesetzt werden kann.

hilfsweise zu den Anträgen 1. - 4. wird beantragt werden:

5. Die Beklagte wird verurteilt, in der ersten Stufe der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, ob und in welcher Höhe Herr G. anlässlich seiner Ernennung zum "Gesamtleiter legal & business affairs" eine Gehaltserhöhung erhalten hat.

6. Die Beklagte wird verurteilt, in der zweiten Stufe der Klägerin Schadenersatz in Höhe der gewährten Gehaltserhöhung zu zahlen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der Zeuge Gi. sei von der Klägerin in Bezug auf deren behauptete Beförderung zur Abteilungsleiterin im ersten Rechtszug gar nicht benannt worden, und meint, der Übertragung dieser Position stehe die arbeitsvertragliche Schriftformklausel entgegen. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 11.11.2005 ergebe sich nicht, dass die Klägerin ausschließlich an einen Geschäftsführer berichten dürfe. Nach wie vor sei der Vortrag der Klägerin, dass ihr nach Wegfall der COO-Position die alleinige Leitung der Rechtsabteilung übertragen worden sei, nicht nachvollziehbar. Die Beklagte stellt in Abrede, dass sie der Klägerin mit Nachteilen gedroht oder sie sonst rechtswidrig behandelt habe. Das ihr von der Beklagten unterbreitete Aufhebungsangebot, nachdem sie bei der Besetzung der Abteilungsleiterposition nicht zum Zuge gekommen sei, sei fair gewesen. Drohungen durch den Personalleiter habe es nicht gegeben. Die Beklagte hält daran fest, dass die Klägerin keine ausreichenden Indizien für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vorgetragen habe. Die Stellenausschreibung selbst sei kein Indiz hierfür. Die Behauptung, die Beklagte sei eine Männergesellschaft, sei unzutreffend, da bei der Beklagten eine Personalleiterin und Prokuristin beschäftigt sei, der geringe Frauenanteil auf der Führungsebene auf die Historie des Unternehmens - die Folge der Fusion - zurückzuführen sei und allein die Statistik kein ausreichendes Indiz für eine Diskriminierung darstelle.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 15.02.2008 und 06.05.2008, der Beklagten vom 25.03.2008 und 08.07.2008 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 10.07.2008 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Beschäftigung als Leiterin der Rechtsabteilung oder jedenfalls als Abteilungsleiterin. Sie kann von der Beklagten nicht verlangen, es zu unterlassen, sie einem Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene zu unterstellen und zu behaupten, die Klägerin sei einem Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene, insbesondere dem Leiter der Rechtsabteilung unterstellt. Aus diesem Grunde scheidet die Verhängung von Ordnungsmitteln aus. Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch aufgrund einer Diskriminierung wegen des Geschlechts besteht nicht, so dass auch der hierauf bezogene Auskunftsanspruch ausscheidet.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Beschäftigung als Leiterin der Rechtsabteilung oder auch schlicht als Abteilungsleiterin. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, so dass insoweit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zunächst auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen wird. Ergänzend hierzu wird ausgeführt:

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist in den schriftlichen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen eindeutig festgelegt, dass die Tätigkeit der Klägerin nicht diejenige einer Abteilungsleiterin ist, sondern dass ihr eine Teamleitung obliegt. Der Klägerin war nicht die Leitung des Gesamtbereichs bzw. der gesamten Organisationseinheit "Legal & Business Affairs" übertragen, sondern lediglich ein Teilbereich hiervon, nämlich die Leitung eines Teams innerhalb dieser Organisationseinheit. Nichts anderes ergibt sich aus den vorgelegten Organigrammen. Aus dem Organigramm der damaligen BMG vom März 2004 (Anlage B 15 = Bl. 126 d. A.) ist ersichtlich, dass damals Herr Gi. als Vice President (VP) diese Einheit leitete. Aus dem Organigramm vom 08.02.2006 (Anlage B 17 = Bl. 128 d. A.) folgt, dass die Organisationseinheit Herrn Gi. als COO nachgeordnet war, wobei eine Leitungsperson nicht verzeichnet ist. Allerdings ist aus der ersten Seite des Organigrammkonvoluts vom 31.01.2007 ersichtlich, dass die Organisationseinheit Legal & Business Affairs von der Klägerin und ihrem Kollegen G. geführt wird. Gleichwohl folgt daraus nicht, dass die Klägerin und Herr G. den arbeitsvertragich vereinbarten Status von Abteilungsleitern hatten, denen die gemeinschaftliche Leitung übertragen gewesen wäre. Denn zum einen geben Organigramme generell die faktische Struktur der Organisation eines Betriebs oder Unternehmens wieder, wie sie im Zeitpunkt der Erstellung des Organigramms besteht. Sinn eines Organigramms ist es, die (derzeitigen) Zuständigkeiten zu dokumentieren, nicht jedoch die jeweils vereinbarte arbeitsvertragliche Art der Tätigkeit. Die von der Klägerin als Anlage K 3 vorgelegte Organigrammseite (Bl. 16 d. A.) dokumentiert somit lediglich den Istzustand der Zuständigkeitsverteilung bei der Beklagten, ohne sichere Rückschlüsse auf die arbeitsvertraglichen Tätigkeitsvereinbarungen der dort aufgeführten Personen zuzulassen. Aus ihr ergibt sich letzten Endes nur, dass die Klägerin und ihr Kollege G. zusammen die Leitungsaufgaben der Gesamtabteilung Legal & Business Affairs abdeckten, ohne dass daraus die sichere Erkenntnis zu gewinnen wäre, ob die Klägerin und Herr G. auch die arbeitsvertragliche Position einer Abteilungsleiterin bzw. eines Abteilungsleiters innehätten. So ist nicht ausgeschlossen, dass beide Personen auf der genannten Organigrammseite nur im Hinblick auf eine kommissarische Ausübung von Leitungsbefugnissen - bei nicht besetzter Position der eigentlichen Abteilungsleitung - aufgeführt sind. Darauf weist die Seite 16 desselben Organigrammkonvoluts (Anlage B 8 = Bl. 83 d. A.) hin.

Somit verbleibt es dabei, dass der Klägerin lediglich die arbeitsvertragliche Position einer Teamleiterin eingeräumt wurde. Das Berufungsgericht folgt dem Erstgericht darin, dass sich aus den arbeitsvertraglichen Formulierungen keine "gemeinschaftliche" Abteilungsleitung ergibt. Denn dann müsste die Leitungsfunktion in Bezug auf die gesamte Abteilung in irgendeiner Weise sprachlich zum Ausdruck gekommen sein. Die in der zum 01.01.2005 wirksam gewordenen Änderungsvereinbarung beschriebene Leitungsfunktion bezieht sich jedoch ganz eindeutig auf die Leitung eines Teams mit der Bezeichnung "Business Affairs" und nicht auf die Leitung der Organisationseinheit "Legal & Business Affairs". Eben dies wird in dem Schreiben der Beklagten vom 11.11.2005 bestätigt. Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass mit dem Titel "Senior Director" nicht die arbeitsvertragliche Übertragung einer Abteilungsleitung verbunden war.

Auch die Festlegung der Berichtspflicht an den COO und später an den CEO bedeutet keinesfalls, dass der Klägerin damit die gemeinschaftliche Leitung der gesamten Abteilung Legal & Business Affairs übertragen worden wäre. Denn die Parteien haben ausdrücklich diese Berichtslinie mit der Position der Teamleitung verknüpft. Selbst wenn es eine allgemeine Regel bei der Beklagten dahin gegeben hätte, dass der "direct report" zum Geschäftsführer geht und üblicherweise mit einer Abteilungsleiterfunktion verbunden ist, hätten die Parteien hier eine Ausnahme von dieser Regel vereinbart.

Soweit sich die Klägerin in beiden Rechtszügen darauf bezieht, Herr Gi. als COO und direkter Vorgesetzter der Klägerin habe die Besetzung der Leitung der Rechtsabteilung mit Herrn G. und der Klägerin als seine gemeinsamen Nachfolger bestimmt, ist diesem - bestrittenen - Vortrag nicht zu entnehmen aufgrund welcher konkreter Tatsachen es zu einer (erneuten) Änderung des Arbeitsvertrages und nicht z. B. lediglich zu einer kommissarischen Aufgabenübertragung bei nach wie vor bestehender Vakanz der Position der Abteilungsleitung gekommen ist. Durch welche Willenserklärungen bzw. in welcher Form und welchem Kontext eine solche Vertragsänderung bewirkt worden und inwiefern auf der Seite der Beklagten Herr Gi. hierzu befugt gewesen wäre, ist offen geblieben. Eine solche weitere Vertragsänderung wäre umso verwunderlicher angesichts der qualifizierten Schriftformklausel im Arbeitsvertrag der Parteien und des Umstandes, dass diese Änderung entgegen den sonstigen, bei der Beklagten offenbar bestehenden Gepflogenheiten weder schriftlich noch in Form einer E-Mail von Seiten der Geschäftsleitung der Belegschaft bekanntgegeben wurde. Die E-Mail der Klägerin vom 02.11.2006 an die Kolleginnen und Kollegen gibt lediglich die damalige Sicht der Klägerin und ihres Kollegen Herrn G. wieder. In Bezug auf die arbeitsvertragliche Situation ist diese Verlautbarung nicht aussagekräftig.

Nach allem ist die Beklagte nicht verpflichtet, die Klägerin als Leiterin der Rechtsabteilung oder jedenfalls als Abteilungsleiterin zu beschäftigen.

2. Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, es zu unterlassen, die Klägerin einem Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene zu unterstellen.

Zwar gibt die Angabe der Berichtslinie in der zum 01.01.2005 wirksam werdenden Vertragsänderung und in der Änderungsvereinbarung vom 11.11.2005 entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts nicht lediglich eine Beschreibung des Ist-Zustandes hinsichtlich der Berichtslinie wieder. Vielmehr enthält sie eine vertraglich bindende Verknüpfung der arbeitsvertraglichen Position der Klägerin mit der Festlegung der Berichtslinie. Es ist nicht erkennbar, dass diese Verknüpfung befristet wäre oder unter einer auflösenden Bedingung bzw. einem Änderungs- oder Widerrufsvorbehalt stünde. Somit hat sich durch die (Wieder-)Besetzung der Stelle der Abteilungsleitung Legal & Business Affairs weder automatisch die Berichtslinie geändert noch eine Berechtigung der Beklagten ergeben, die vertragliche Vereinbarung bezüglich der Berichtslinie im Wege der Direktionsrechtsausübung (vgl. Memorandum des Personalleiters Dr. J. vom 15.05.2007) zu ändern. Vielmehr wäre hierzu eine einvernehmliche Änderungsvereinbarung der Parteien oder eine wirksame Änderungskündigung erforderlich gewesen. Die vom Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang angeführte unternehmerische Freiheit endet an der Pflicht, eingegangene arbeitsvertragliche Vereinbarungen einzuhalten. Dies gilt auch, wenn die COO Funktion nicht mehr eigens ausgewiesen ist, sondern - ggf. in Personalunion - vom CEO mit wahrgenommen wird, wie dies aus dem erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten abzuleiten ist.

Gleichwohl kann die Klägerin nicht verlangen, es zu unterlassen, einem Mitarbeiter unterhalb der "Geschäftsführungsebene" unterstellt zu werden. Denn die arbeitsvertraglich vereinbarte Berichtslinie hat nicht zum Gegenstand, dass die Klägerin einem Geschäftsführer der Beklagten im gesellschaftsrechtlichen Sinne, also einem gesetzlichen Vertreter, unterstellt wäre. Vielmehr bezieht sich die Unterstellung auf die Funktion eines COO. Diese Funktion ist aber nicht gleichbedeutend mit der Stellung eines organschaftlichen Vertreters. Darauf hat die Beklagte bereits im ersten Rechtszug zu Recht hingewiesen. Der Begriff eines Chief Operation Officers (COO) bezeichnet eine Funktion im Sinne einer Verantwortlichkeit für einen bestimmten Leitungsbereich in einem Unternehmen bzw. Konzern. Die Position eines COO ist nicht zwangsläufig mit einer gesetzlichen Vertretung nach deutschem Gesellschaftsrecht verbunden. So war auch Herr Gi. nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten im ersten Rechtszug bis April 2005 zwar COO aber nicht Geschäftsführer der Beklagten.

Die Klägerin kann somit nur verlangen, nicht einem Mitarbeiter unterstellt zu werden, der eine Ebene unterhalb derjenigen Ebene angehört, auf der die Funktion eines COO bei der Beklagten wahrgenommen wird. Dies hat sie jedoch trotz eines entsprechenden Hinweises in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht beantragt.

3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Behauptung, dass sie nicht einem Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene unterstellt ist.

Dies folgt zum einen daraus, dass sie nach dem soeben Ausgeführten keinen Anspruch darauf hat, der Geschäftsführungsebene, d. h. aber der Ebene der gesetzlichen Vertreter der Beklagten, unterstellt zu werden.

Außerdem hat die Klägerin keinen Anspruch auf Unterlassung einer solchen Behauptung, solange sie tatsächlich einem Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene unterstellt ist. Die Beklagte kann nicht gezwungen werden, eine wahre Behauptung zu unterlassen.

4. Mangels Bestehens eines Anspruchs auf Unterlassung der Behauptung, die Klägerin sei einem Mitarbeiter unterhalb der Geschäftsführungsebene unterstellt, scheidet die beantragte Verhängung von Ordnungsmitteln aus.

5. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch steht der Klägerin, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, nicht zu, weil sie nicht dargetan hat, dass der Schadenersatzanspruch, dessen Durchsetzung der Auskunftsanspruch dienen soll, dem Grunde nach besteht. Insoweit wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Ergänzend hierzu wird ausgeführt, dass die von der Klägerin beanstandeten rechtswidrigen Verhaltensweisen der Beklagten - Zusammenhang zwischen Abfindungsangebot und Drohung mit nicht näher bezeichneten Nachteilen, öffentliche Degradierung, Entzug von Vorgängen - sich nicht speziell auf eine mögliche Diskriminierung wegen des Geschlechts beziehen und deshalb keine hinreichenden Indizien im Sinne von § 22 AGG darstellen. Auch die von der Klägerin beanstandete Nichtberücksichtigung ihrer - ganz pauschal behaupteten - besseren Qualifikation im Verhältnis zu Herrn G. und ihrer sozialen Situation ist, jedenfalls mangels näherer tatsächlicher Hinweise, kein hinreichendes Indiz für eine zu vermutende Diskriminierung wegen des Geschlechts. Das Gleiche gilt in Bezug auf die Darlegung, die Klägerin befinde sich auf der Führungsebene der Beklagten in einer "Männergesellschaft". Auch wenn es zutrifft, dass der Anteil an Frauen in Führungspositionen in den Jahren der Beschäftigung der Klägerin deutlich abgenommen hat und sowohl deutlich unter dem deutschen Durchschnitt als auch unter dem Frauenanteil im Betrieb der Beklagten allgemein liegt, reicht dies für die Vermutungswirkung nach § 22 AGG nicht aus. Denn für eine solche Entwicklung kann es die unterschiedlichsten Gründe geben, z.B. die von der Beklagten bemühte Unternehmenshistorie oder den Umstand, dass in einem Unternehmen generell keine ausgeprägte Kultur der Vereinbarkeit von Familie und Beruf herrscht. Dass für die hier streitige Beförderungsentscheidung geschlechtsspezifische Gründe zu vermuten wären, ist mangels greifbarer Anhaltspunkte nicht anzunehmen.

Nach allem scheiden sowohl der geltend gemachte Auskunftsanspruch als auch der behauptete Schadenersatzanspruch gemäß § 15 AGG aus.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

7. Die Revision wurde, beschränkt auf die Ansprüche auf Auskunft und Zahlung von Schadenersatz, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil kann die Klägerin Revision einlegen.

Für die Beklagte ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.



Ende der Entscheidung

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