Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 23.03.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 1226/05
Rechtsgebiete: GG, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
ZPO § 916
ZPO § 936
1. Die dienstliche Beurteilung ist nicht stets allein ausschlaggebend für die Auswahlentscheidung des öffentlichen Arbeitgebers im Rahmen des Art.33 Abs.2 GG (im Anschluss an BAG 7.9.2004, Az 9 AZR 537/03).

2. Es ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn bei der Auswahlentscheidung nicht ausschließlich auf die Gesamtbeurteilung der Bewerber abgestellt wird, sondern diejenigen Einzelaussagen der dienstlichen Beurteilung besonders gewichtet werden, die einen Bezug zu den für die zu besetzende Stelle aufweisen.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 1226/05

Verkündet am: 23. März 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Högele und Koehn für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 09.11.2005 - 38 Ga 243/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Verfahren der Einstweiligen Verfügung über den vom Verfügungskläger im Wege der sog. Konkurrentenklage erhobenen Anspruch auf Unterlassung der Besetzung einer Stelle.

Der Verfügungskläger bewarb sich um die von der Verfügungsbeklagten am 02.03.2005 ausgeschriebenen Stelle der Leitung der Abteilung Betriebsausrüstung beim Baureferat in der Hauptabteilung U-Bahn-Bau. Die Verfügungsbeklagte hat sich - unter anderem nach Durchführung eines Vorstellungsgesprächs am 08.07.2005 - für einen Mitbewerber entschieden und dies dem Verfügungskläger mit Schreiben vom 02.08.2005 mitgeteilt.

Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 09.11.2005, auf das hinsichtlich des unstreitigen Sachverhaltes und des streitigen Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts im einzelnen verwiesen wird, die Klage abgewiesen, weil es am geltend gemachten Verfügungsanspruch fehle. Die Auswahlentscheidung der Verfügungsbeklagten sei nicht zu beanstanden, weil sie ihren Beurteilungsspielraum gewahrt und verfahrensfehlerfrei gehandelt habe. Obwohl die letzte turnusmäßige dienstliche Beurteilung des Mitbewerbers in Bezug auf die Gesamtbeurteilung um eine Stufe unter der des Verfügungsklägers liege, rechtfertigten die erheblichen Unterschiede der von beiden Bewerbern innegehabten Funktionen entsprechend den Richtlinien der Verfügungsbeklagten einen Ausgleich in der Weise, dass in einem ersten Schritt die Einzelaussagen der Beurteilung mit dem Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle abgeglichen werde. Es sei nicht zu beanstanden, wenn durch dieses Verfahren bei der Beurteilung der Eignung für eine konkret ausgeschriebene Stelle ein Bewerber - hier der Mitbewerber des Verfügungsklägers - als gleich- oder höherwertig eingestuft werde, auch wenn die Gesamtbeurteilung eine Notenstufen zurückliege und das Rangdienstalter niedriger sei. Hier habe die Verfügungsbeklagte im Hinblick auf die in der Ausschreibung geforderten Führungsqualitäten einen deutlich besseren Eindruck vom Mitbewerber als vom Verfügungskläger gewonnen. Auch das angewandte Verfahren sei nicht zu beanstanden. Die im Vorstellungsgespräch gestellten Fragen seien den in der Ausschreibung abstrakt formulierten Anforderungen zur Führungsqualität zuordenbar.

Der Verfügungskläger hat gegen das ihm am 15.11.2005 zugestellte Endurteil vom 09.11.2005 am 08.12.2005 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 30.01.2006 - an diesem Tag (Schriftsatzeingang) begründet.

Er vertieft und ergänzt sein erstinstanzliches Vorbringen, demzufolge die Auswahlentscheidung in materiellrechtlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht fehlerhaft getroffen worden sei. Ausschlaggebend für den Leistungs- und Eignungsvergleich sei die Gesamtnote der dienstlichen Beurteilung. Bei der Auswahlentscheidung gehe es um die Gleichwertigkeit der letzten Beurteilung des Verfügungsklägers und des Mitbewerbers und nicht um die Gleichwertigkeit bzw. Vergleichbarkeit der zuletzt ausgeübten Funktionen. Die dienstliche Beurteilung des Verfügungsklägers beziehe sich auch seine Funktion als stellvertretender Abteilungsleiter. Er meint, dass Arbeitsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass er, wie im Schreiben des bisherigen Stelleninhabers vom 19.01.2004 dokumentiert sei, für die Abteilungsleitung "sehr gut" geeignet sei. Allein die Zahl der Untergebenen sei nicht entscheidend. Der Verfügungskläger meint, auch bei Berücksichtigung der Einzelwertungen sei seine Beurteilung besser als die des Mitbewerbers, was sich aus der sowohl im Falle des Verfügungsklägers als auch des Mitbewerbers der Beurteilungsbroschüre der Verfügungsbeklagten (Stand 06/2002) entnommenen Beispielsformulierungen sowie deren Positionierung innerhalb der Abschnitte und Blöcke im Kapitel "Beschreibungshilfen" ergebe. Sowohl hinsichtlich der Gesamtnoten als auch hinsichtlich der Einzelbewertungen in der dienstlichen Beurteilung ergebe sich somit ein eindeutiger Eignungsvorsprung des Verfügungsklägers. Da der Verfügungsbeklagten aus diesem Grunde ein Auswahlermessen nicht eröffnet gewesen sei, habe es auf ein Vorstellungsgespräch nicht ankommen dürfen. Der Verfügungskläger beanstandet ferner, dass eine den Anforderungen der Rechtsprechung genügende Niederschrift über das Vorstellungsgespräch fehle, dass sich zudem das in der sog. Vormerkung der Verfügungsbeklagten vom 13.07.2005 beschriebene Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle in der Stellenausschreibung nicht wiederfinde und dass die Verfügungsbeklagte bei ihrer Auswahlentscheidung unzulässigerweise von der dienstlichen Beurteilung abgewichen sei.

Er beantragt daher:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 09.11.2005 - Az. 38 Ga 243/05 - wird aufgehoben.

II. Der Verfügungsbeklagte wird vorläufig bis zum Abschluss eines neu unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts durchzuführenden Auswahlverfahrens untersagt, die unter der Kennziffer ... ausgeschriebene Stelle der Leitung der Abteilung Betriebsausrüstung (Besoldungsgruppe A 16/ Vergütungsgruppe I BAT) beim Baureferat in der Hauptabteilung U-Bahn-Bau in M. mit dem Mitbewerber Herrn J. zu besetzen, längstens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens.

III. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie meint, es fehle an einem Verfügungsgrund, weil der Verfügungskläger von der Möglichkeit der Altersteilzeit Gebrauch gemacht habe und sich bereits in der Arbeitsphase befinde. Sie weist insbesondere darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine unterschiedliche Benotung ausgeglichen werden könne, wenn sich dies durch unterschiedliche dienstliche Anforderungen erklären lasse und der Unterschied nicht mehr als eine Notenstufe ausmache. Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, die beim Verfügungskläger vorhandenen Fachkenntnisse seien durchaus zutreffend gewichtet worden, sie seien aber nicht das entscheidende Merkmal gewesen, sondern die Führungsfähigkeit. Entgegen der Auffassung der Gegenseite seien die bei den Beurteilungen zur Verfügung stehenden Beschreibungshilfen innerhalb der jeweiligen 3 Textbausteine ungeordnet, so dass die innerhalb des Blocks weiter oben stehenden Beschreibungshilfen nicht zwingend besser seien als eine andere Bewertung. Auch gebe es keine allgemeinverbindliche Zuordnung der Beispielsformulierungen in den 3 Blöcken zu den Gesamturteilen. Für den Verfügungskläger ergebe sich kein Eignungsvorsprung bei Berücksichtigung der Einzelbewertungen und insbesondere unter Berücksichtigung der erforderlichen Führungsqualitäten. Es sei nicht sachwidrig und ermessensfehlerhaft, wenn ein Arbeitgeber das Anforderungsprofil im Zusammenhang mit der Aufgabenstellung der zu besetzenden Stelle interpretiere und hierbei bestimmten Funktionen ein unterschiedlich starkes Gewicht einräume. Nach der Aktenlage sei ein Vorstellungsgespräch daher geboten gewesen, und die Präsentation der Bewerber habe letztlich den Ausschlag bei der Auswahlentscheidung geben müssen. Die Verfügungsbeklagte meint, eine Abweichung von der Beurteilung liege nach allem nicht vor. Auch seien die sog. Ergänzenden Anmerkungen vom 27.09.2005, die auf der Grundlage von handschriftlichen Notizen, erstellt während des Vorstellungsgesprächs, gefertigt worden seien, die von der Rechtsprechung geforderte Niederschrift über das Vorstellungsgespräch. Schließlich sei die Rüge einer mangelnden Übereinstimmung zwischen dem Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle und der Schwerpunktbildung im Vorstellungsgespräch unbeachtlich, weil es nach der Rechtsprechung zwar sinnvoll, jedoch nicht zwingend erforderlich sei, das Anforderungsprofil bereits mit der Stellenausschreibung zu verbinden.

Hinsichtlich des sonstigen Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze des Verfügungsklägers vom 30.01.2006 und 14.03.2006, der Verfügungsbeklagten vom 27.02.2006 und 08.03.2006 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 16.03.2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, es fehle an einem Verfügungsanspruch, weil die Auswahlentscheidung der Verfügungsbeklagten nicht zu beanstanden sei.

Das Berufungsgericht folgt dem Erstgericht, das die von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätze über die Bewerberauslese durch den öffentlichen Arbeitgeber zutreffend wiedergegeben hat, darin, dass die Verfügungsbeklagte ihren Beurteilungsspielraum gewahrt und verfahrensfehlerfrei gehandelt hat. Vor allem folgt das Berufungsgericht dem Erstgericht in der Annahme, dass sich das Zurückbleiben der Gesamtbeurteilung des Mitbewerbers um eine Stufe hinter der Gesamtbeurteilung des Verfügungsklägers im Hinblick auf unterschiedliche dienstliche Anforderungen - mehr fachlich geprägte Aufgabenstellung des Verfügungsklägers einerseits, stark ausgeprägte Führungsfunktion des Mitbewerbers andererseits - erklären und damit ausgleichen lässt (vgl. BAG vom 07.09.2004 - 9 AZR 537/03). Ein solcher Ausgleich war hier insbesondere auch im Hinblick darauf zulässig, dass der öffentliche Arbeitgeber bei der Auslese keine abstrakte Aussage über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung zu treffen hat, sondern ein persönlichkeitsbezogenes Werturteil darüber abgeben muss, welcher Bewerber - und aus welchen Gründen - den fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten, zu besetzenden Amtes am besten entspricht. Die Verfügungsbeklagte war damit berechtigt, die maßgeblichen dienstlichen Beurteilungen als gleichwertig einzustufen und bei der Auswahl entscheidend auf das Ergebnis eines Vorstellungsgesprächs abzustellen (vgl. BAG a.a.O.).

Zu Recht hat das Arbeitsgericht in Anwendung der genannten Grundsätze angenommen, es seien erhebliche Unterschiede zwischen den derzeit ausgeübten Funktionen des Verfügungsklägers und des Mitbewerbers vorhanden; während jener als Bereichsleiter und stellvertretender Abteilungsleiter Vorgesetzter von 27 Mitarbeitern sei, führe der Mitbewerber als Abteilungsleiter 110 Mitarbeiter. Soweit der Verfügungskläger vorbringt, allein die Anzahl der Abteilung zugewiesenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könne für die Frage der Qualifikation der Führungspersönlichkeit nicht entscheidend sein, weil es einen wesentlichen Unterschied mache, ob man eine größere Zahl gering qualifizierter Mitarbeiter oder eine erheblich geringere Zahl höher qualifizierter Mitarbeiter leite, von denen fast die Hälfte Ingenieure seien und Ingenieurtätigkeiten auch ausüben müssten, ist darauf hinzuweisen, dass die Qualität oder Schwierigkeit einer Führungsaufgabe nicht zwingend mit dem durchschnittlichen Qualifikationsniveau der unterstellten Mitarbeiter steigt. Die Führungsaufgabe kann im Gegenteil gerade bei einer hohen Anzahl unterstellter geringer qualifizierter Mitarbeiter wesentlich schwieriger sein als bei einer vergleichsweisen kleinen Gruppe hochqualifizierter Mitarbeiter, die es gewohnt sind, selbständig zu arbeiten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Aufgabe "Personalführung der Unterabteilungen" gemäß Arbeitsplatzbeschreibung vom 26.11.1993 lediglich einen geschätzten Zeitanteil von 23 % an der Gesamtarbeitszeit des Verfügungsklägers einnimmt. Schließlich ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sich nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Verfügungsbeklagten unter den vom Mitbewerber geführten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 3 Mitarbeiter des höheren Dienstes sowie weitere 18 Mitarbeiter des gehobenen Dienstes befinden.

Berücksichtigt man diese unterschiedlichen dienstlichen Anforderungen der beurteilten Tätigkeiten des Verfügungsklägers einerseits und des Mitbewerbers andererseits, berücksichtigt man ferner, dass den verbalen Bewertungen der einzelnen Beurteilungsmerkmale keine Einzelnoten bzw. Teilnoten zugeordnet sind, wird deutlich, dass der notenstufenmäßigen Gesamtbeurteilung, in die alle verbalen Einzelwertungen einfließen, nicht zwingend eine ausschließliche Aussagekraft in Bezug auf Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zukommt, zumal in Bezug auf die im Zentrum der Anforderungen der zu besetzenden Stelle stehende Führungskompetenz.

Aus der Stellenausschreibung vom 02.03.2005 mit der Kennziffer ... ergibt sich klar, dass - abgesehen von der grundlegenden Bedingung des abgeschlossenen Hochschulstudiums (Univ.) der Fachrichtung Elektrotechnik oder Maschinenbau bzw. einer gleichwertigen Qualifikation - ausgeprägte Führungsqualitäten die Hauptanforderung an die Stelleninhaberin bzw. den Stelleninhaber sind, wobei der an erster Stelle angeführte Untergliederungspunkt "persönliche Kompetenz" verhältnismäßig breit erläutert wird, die weiteren Untergliederungspunkte "soziale Kompetenz" und "methodische Kompetenz" etwas weniger ausführlich beschrieben sind und der letzte Untergliederungspunkt "fachliche Kenntnisse" nur verhältnismäßig kurze Erwähnung findet. Dies bedeutet, dass es für die Auswahl aus dem Kreis von Bewerbern, die die geforderte berufliche Qualifikation erfüllen, entscheidend auf die Führungsqualitäten und dabei ganz besonders auf die sog. persönliche Kompetenz ankommt. Deshalb ist es sachgerecht und nicht ermessensfehlerhaft, nicht ausschließlich auf die Gesamtbeurteilung des Verfügungsklägers einerseits und des Mitbewerbers andererseits abzustellen, sondern diejenigen Einzelbewertungen besonders zu gewichten, die einen Bezug zu den für die zu besetzende Stelle maßgebenden Anforderung der Führungskompetenz aufweisen.

Der Vorwurf des Verfügungsklägers, das in der Vormerkung vom 13.07.2005 darstellte und nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten auch von der Vorstellungskommission zugrunde gelegte Anforderungsprofil - besondere Betonung der Persönlichkeit des künftigen Stelleninhabers - ergebe sich gerade nicht aus der Stellenausschreibung, geht fehl. Dass die Verfügungsbeklagte ihr besonderes Augenmerk auf die Persönlichkeit des künftigen Stelleninhabers richten werde, ergibt gerade aus der Wiedergabe der "Anforderungen an die Stelleninhaberin/Stelleninhaber" auf Seite 2 der Stellenausschreibung vom 02.03.2005 und insbesondere den dort erläuterten Unterpunkten "persönliche Kompetenz" sowie "soziale Kompetenz".

Können somit nach dem bisher Ausgeführten die Einzelbewertungen in den Beurteilung des Verfügungsklägers und des Mitbewerbers im Rahmen der Auswahlentscheidung herangezogen werden und ist es sachgerecht, ein besonderes Augenmerk auf diejenigen Einzelbewertungen zu legen, die für die Anforderung der Führungskompetenz relevant sind, ergibt sich bei vergleichender Betrachtung, dass der Mitbewerber hinsichtlich derjenigen Führungsqualitäten, die in der Stellenausschreibung gefordert werden, in einer Weise bewertet ist, die ihn für die zu besetzende Stelle geeigneter erscheinen lassen.

Entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers lässt sich aus der Positionierung der von der Verfügungsbeklagten verwendeten Beispielsformulierungen innerhalb der Textblöcke der Beurteilungsbroschüre keine Rangordnung der Beispielsformulierungen entnehmen. Dies wird aus der Erläuterung in der "Vorbemerkung" zu Kapitel II - Beurteilungshilfen - deutlich, wonach die Beispielformulierungen für das "normale Anforderungsniveau" hervorgehoben sind, alle Beispiele, die sich vor diesem Block befinden, in der Regel bessere Bewertungen und alle nachfolgenden schlechtere Bewertungen darstellen, innerhalb dieser 3 Abschnitte jedoch die Textbausteine ungeordnet sind, was heiße, dass eine Bewertung, die innerhalb des Blocks weiter oben stehe, nicht zwingend besser sei als eine andere. Dies wird in der "Vorbemerkung" weiter verdeutlicht durch den Hinweis, im Hinblick auf die unterschiedlichen Anforderungen in den verschiedenen Dienststellen der Stadt gebe es keine allgemeinverbindliche Zuordnung des "normalen Anforderungsniveaus" bzw. der Beispielformulierung in den 3 Blöcken zu Gesamturteilen. Daraus folgt, dass die vom Verfügungskläger angenommen Hierarchie der Beispielformulierungen innerhalb der Textblöcke - Höherwertigkeit der weiter oben stehenden Beispielformulierungen und geringere Wertigkeit der weiter unter stehenden Beispielformulierungen - nicht existiert. Die Bewertung der einzelnen Merkmale muss zwar mit dem Gesamturteil in Einklang stehen, dieses ergibt sich jedoch nicht aus den Einzelbewertungen nach Art einer arithmetischen Operation. Wenn es, wie hier, auf die Relevanz einer Einzelbewertung für das Vorliegen einer bestimmten Anforderung an den Inhaber einer zu besetzenden Stelle geht, muss somit nicht auf die Positionierung der Einzelbewertung innerhalb des Textblocks, sondern auf die inhaltliche Aussage und Aussagekraft dieser Einzelbewertung geachtet werden.

Vergleicht man die dienstlichen Beurteilungen des Verfügungsklägers und des Mitbewerbers im Hinblick darauf, ergibt sich, dass dessen Führungsverhalten in einer Weise beschrieben wird, die ihn für die zu besetzende Stelle als geeigneter als der Verfügungskläger erscheinen lässt. Das gilt vor allem in Bezug auf die Bewertung der Personalführung und -förderung. Hier wird dem Verfügungskläger eine "Übereinstimmung zwischen Wort und Tat" bescheinigt, wohin gegen der Mitbewerber mit der Bewertung "motiviert durch Optimismus und positives Denken" charakterisiert wird. Während sowohl der Verfügungskläger als auch der Mitbewerber hinsichtlich der Bewertung der "Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterentwicklung" mit der selben Beispielsformulierung bedacht werden ("...versteht es, dass Leistungspotential der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entwickeln und zielgerecht einzusetzen"), ergeben sich zum Merkmal "Führungsverhalten" wiederum Unterschiede: Die Bewertung des Verfügungsklägers ist insoweit teamorientiert (plant und koordiniert gemeinsam mit dem Team künftige Aktivitäten); diejenige des Mitbewerbers betont dagegen eher die Letztentscheidungskompetenz des Beurteilten (bezieht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Meinungsfindung mit ein). Besonders signifikant ist der Unterschied der Bewertung in Bezug auf das Beurteilungsmerkmal "Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen, Bürgerinnen und Bürger". Während dem Verfügungskläger bescheinigt wird, er verhalte sich Kolleginnen, Kollegen, Vorgesetzten und Publikum gegenüber stets aufgeschlossen und gehe auf deren Wünsche und Belange ein, wird der Mitbewerber dahin bewertet, dass er die eigenen Vorstellungen immer klarstelle und bereit sei, offen darüber zu diskutieren. Zum Merkmal Team-/Konfliktfähigkeit ist beim Verfügungskläger die Formulierung gewählt, er sei offen für die Vorstellungen anderer und gehe auf sie ein. Dem Mitbewerber wird insoweit attestiert, er setze sich erfolgreich für ein gemeinsames Ergebnis innerhalb seines Teams ein.

Insgesamt ergibt sich aus diesen führungsrelevanten Bewertungen das Bild, dass der Mitbewerber gegenüber dem Verfügungskläger eine klarere Linie verfolgt, dass er seine Entscheidungskompetenz mehr als der Verfügungskläger betont, ohne jedoch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Entscheidungsfindungsprozess auszuschließen, vor allem aber, dass er stärker als der Verfügungskläger in der Lage ist, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu motivieren, ihre Fähigkeiten zu erkennen und zu fördern sowie die Leistungspotentiale auch zu nutzen. Ein ähnliches Gesamtbild ergibt sich in Bezug auf die im Anforderungsprofil der Stelle gemäß Vormerkung vom 13.07.2005 genannte Zukunftsorientierung in Bezug auf die Abteilung. Dass sich diese Anforderung in der Stellenausschreibung nur mittelbar widerspiegelt - etwa durch Verwendung der Begriffe "Kreativität", "Überzeugungskraft" sowie "Organisationsentwicklung", ist unschädlich, weil es zwar sinnvoll, jedoch nicht zwingend erforderlich ist, das Anforderungsprofil bereits mit der Stellenausschreibung zu verbinden (vgl. BAG vom 21.01.2003 - 9 AZR 72/02). Insoweit ist von Bedeutung, dass die Verfügungsbeklagte dem Mitbewerber unter dem Beurteilungsmerkmal der Innovationsfähigkeit bescheinigt, er sei sehr aktiv und erfolgreich in der Vermittlung neuer Ideen, wogegen dem Verfügungskläger attestiert wird, er habe die Fähigkeit, neue Gedanken zu entwickeln und in die Praxis umzusetzen. Damit wird dem Mitbewerber noch stärker als dem Verfügungskläger nicht nur eine Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Entwicklungen und Herausforderungen zugesprochen, sondern darüber hinaus Initiativkraft, Zielorientierung und Effizienz in Bezug auf neue Herausforderungen.

Dies alles spiegelt sich in der Beschreibung der Einsatzmöglichkeiten wieder: Während die Beurteilung des Verfügungsklägers insoweit deutlich auf den Bereich seiner Abteilung und die Funktion der Abteilungsleitung bezogen ist, stellt die Beurteilung des Mitbewerbers dessen besondere Befähigung zur Personalführung heraus und spricht ihm die fachliche Kompetenz für die nächst höhere Führungsebene - ohne Beschränkung auf seinen bisherigen Arbeitsbereich - zu.

Alles in allem erscheint der Mitbewerber im Verhältnis zum Verfügungskläger als der innovationsfreudigere, mehr Zukunftsorientierte und vor allem führungsstärkere Mitarbeiter, so dass die Verfügungsbeklagte berechtigt war, die maßgeblichen dienstlichen Beurteilungen als gleichwertig einzustufen und letzten Endes entscheidend auf Ergebnis des Vorstellungsgesprächs abzustellen (vgl. BAG vom 07.09.2004 - 9 AZR 537/03).

Das Berufungsgericht pflichtet dem Erstgericht darin bei, das ausreichend darstellt und glaubhaft gemacht ist, die beteiligten Kommissionsmitglieder hätten im Hinblick auf die in der Ausschreibung geforderten Führungsqualitäten einen deutlich besseren Eindruck vom Mitbewerber als vom Verfügungskläger gewonnen. Dass der Beurteilungsspielraum des öffentlichen Arbeitgebers hier überschritten worden wäre, ist nicht ersichtlich. Die Kandidaten erhielten Gelegenheit, in einem etwa siebenminütigen Kurzvortrag ihre Vorstellungen zur angestrebten Tätigkeit darzulegen. Ihnen wurde ferner Fragen zu 6 Themenbereiche gestellt, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der zu besetzenden Stelle und deren Anforderungsprofil standen. Derartig strukturierten Vorstellungsgesprächen kommt mehr als nur ein begrenzter Erkenntniswert zu. Vielmehr sind sie geeignet, die Eignung und Qualifikation eines Bewerbers bewerten zu können. Eine längere Dauer des Vorstellungsgespräches, das hier etwa 45 Minuten gedauert hat, ist nicht erforderlich (BAG vom 07.09.2004, a.a.O.).

Die Verfügungsbeklagte hat ausreichend dargestellt und dokumentiert, warum die Kommissionsmitglieder einen besseren Eindruck vom Mitbewerber als vom Verfügungskläger gewonnen haben. Dies ergibt sich zum einen aus der zusammenfassenden Vormerkung vom 13.07.2005 und zum anderen aus den "Ergänzenden Anmerkungen ..." vom 27.09.2005, die auf den während des Vorstellungsgesprächs gefertigten handschriftlichen Notizen zweier, aus dem Personalreferat der Verfügungsbeklagten kommenden Kommissionsmitglieder beruhen. Die - durchaus pointierten - "Anmerkungen" zu den einzelnen Teilen des Vorstellungsgesprächs stellen Bewertungen dar, die von dem der Verfügungsbeklagten zustehenden Beurteilungsspielraum gedeckt sind. Sie geben nach der unbestritten gebliebenen Darstellung der Verfügungsbeklagten die bewertenden Äußerungen der Kommissionsmitglieder wieder, soweit sich diese Äußerungen inhaltlich deckten.

Die Vormerkung vom 13.07.2005 sowie die "Ergänzenden Anmerkungen ..." vom 27.09.2005 stellen die nach der Rechtsprechung (BAG vom 21.01.2003 - 9 AZR 72/02) erforderliche Niederschrift über die Leistungsbewertungen und die wesentlichen Auswahlerwägungen dar. Die Zweifel des Verfügungsklägers an der Korrektheit des Auswahlverfahrens insoweit sind deshalb unbegründet.

Schließlich liegt keine verfahrensfehlerhafte Abweichung von der dienstlichen Beurteilung vor. Insbesondere stellt die Begründung, die zu besetzende Stelle erfordere eine besondere Führungspersönlichkeit mit besonderen Führungsqualitäten, wie sich aus den oben Ausgeführten ergibt, keinen eklatanten Widerspruch zur dienstlichen Beurteilung dar. Die Verfügungsbeklagte ist von dieser Beurteilung nicht abgewichen. Sie hat nur die Einzelbewertungen unterschiedlich gewichtet, indem sie diejenigen Einzelbewertungen, die von besonderer Bedeutung für die Anforderungen der zu besetzenden Stelle sind, besonders akzentuiert und sorgfältig gewürdigt hat. Im Übrigen schließt sich der Berufungskammer der durchweg überzeugenden Entscheidung des Erstgerichts an, der es sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung folgt, und verweist deshalb gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf dessen Entscheidungsgründe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil ist die Revision nicht zulässig (§ 72 Abs. 4 ArbGG)

Ende der Entscheidung

Zurück