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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 07.10.2004
Aktenzeichen: 3 Sa 1400/03
Rechtsgebiete: BetrAVG, BGB


Vorschriften:

BetrAVG § 1
BGB § 611
1. Zum Widerruf einer im Wege der Gesamtzusage unter Änderungsvorbehalt erteilten betrieblichen Altersversorgungszusage.

2. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht verletzt, wenn eine Arbeitgebermaßnahme - hier: Ablösung einer Gesamtzusage durch eine Neufassung der entsprechenden Richtlinien des Arbeitgebers - nicht selbst zu einer Benachteiligung der davon betroffenen Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern führt, sondern erst die nachfolgende Rechtsentwicklung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz schützt nicht vor späteren, im Zeitpunkt der zu beurteilenden Arbeitgebermaßnahme nicht vorhersehbaren Nachteilen, die durch Änderungen der Rechtslage entstehen.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 1400/03

Verkündet am: 7. Oktober 2004

In dem Rechtsstreit

hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 22. Juli 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter von Neumann-Cosel und Beck für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 9.10.2003 - 4 Ca 55/01 - in Ziff. 1 und 2 abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte auf betriebliche Altersversorgung.

Der am 11.2.1940 geborene Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in deren Niederlassung R. in der Zeit vom 1.5.1965 bis 28.2.2001 als Vermessungsingenieur beschäftigt. Er erhielt zuletzt eine monatliche Bruttovergütung von ca. 9.450,-- DM. Seit 1.3.2001 bezieht er gesetzliche Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.817,16 Euro, Außerdem erhält er seit 1.3.2001 von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) eine Zusatzversorgungsrente in Höhe von zunächst 967,24 Euro.

Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin hatten Richtlinien für die Gewährung von zusätzlichen betrieblichen Ruhestands-, Dienstunfähigkeits- und Hinterbliebenenzuwendungen geschaffen. Nach dem Eingangsteil der Richtlinien vom 13.7.1962 gewährt die R. ihren Angestellten und ständigen Arbeitern bereits seit dem Jahre 1935 bzw. 1937 zu den gesetzlichen Rentenversicherungen eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung, Diese zusätzliche Versicherung, die später in einer Betriebsvereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat (vom 15.3.1957 - Betriebsvereinbarung Nr. 2) festgehalten worden sei, beginne in der Regel nach einer Betriebszugehörigkeit von 3 bis 6 Monaten. Sie bestehe bei Angestellten nach einmaliger Wahl entweder in einer Versicherung bei der VBL oder in einer Überversicherung bei der AV - gemeint ist in der Angestelltenversicherung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - oder in einer gemischten Kapitalversicherung mit Einschluß einer zehnprozentigen Rentenzahlung bei vorzeitiger Invalidität. In § 5 der Richtlinien ist vorgesehen, daß das Gesamtruhegeld bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen nach zehnjähriger Betriebszugehörigkeit 50 % des durchschnittlichen Monatsarbeitsverdienstes der letzten 12 Monate bei Eintritt des Versorgungsfalles beträgt und für jedes weitere volle Dienstjahr um 1 Prozent bis zum 35, Dienstjahr, somit bis zum Höchstsatz von 75 Prozent, steigt. Nach § 5 Abs. 4 der Richtlinien werden vom Gesamtruhegeld abgesetzt die Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, soweit sie nicht auf freiwilligen Beiträgen ohne Beteiligung des Arbeitgebers beruhen, die Renten aus der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversicherung bei der VBL sowie Kapitalwerte oder Renten aus Lebens- und Rentenversicherungen, die als Ersatz für die vorgenannten Versicherungen abgeschlossen wurden. Nach § 8 der Richtlinien ist unter der Überschrift "Änderung der Richtlinien" bestimmt, daß diese Richtlinien auf dem Stand der Rentengesetzgebung von Mitte 1962 beruhen und mit Zustimmung des Aufsichtsrates der R. jederzeit geändert werden können, wenn grundsätzliche Änderungen der in den Rentenversicherungsgesetzen oder den Satzungen der VBL festgelegten Vorschriften für die Beitrags- und Rentenbemessung dies erforderlich machten.

In der Betriebsvereinbarung Nr. 2 in der Fassung vom 15.3.1957 ist unter Ziff. 2 bestimmt:

"Für die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der R. AG gilt folgende Regelung:

Den ständigen Arbeitnehmern der R. AG, wird eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu den reichsgesetzlichen Altersversicherungen gewährt. Sie entspricht der Höhe nach den Sätzen, die für Arbeitnehmer im Dienst der Bundesrepublik Geltung haben. Die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Angestellten kann - soweit nicht eine Beschränkung durch tarifvertragliche Vereinbarung etc. vorliegt - nach einmaliger freier Wahl erfolgen, durch

a) Überversicherung bei der Angestelltenversicherung (BfA) oder

b) Abschluß einer gemischten Kapitalversicherung mit Einschluß einer 10 %igen Rentenzahlung bei vorzeitiger Invalidität (Allianz) oder

c) Zusatzversicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL).

Die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Arbeiter erfolgt ausschließlich bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL).

Nach einer Betriebszugehörigkeit von 3 bis 6 Monaten soll in der Regel die Aufnahme zur zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung eintreten. Bei Neubauarbeiten, deren Arbeitseinsatz befristet ist, wird von einer Zusatzversicherung abgesehen.

Die Beiträge werden mit 2/3 vom Arbeitgeber und 1/3 vom Arbeitnehmer getragen.

Eine entsprechende Regelung findet sich in der Betriebsvereinbarung Nr. 2 in der Fassung vom 4.3.1964.

Der Kläger wählte bei seiner Einstellung die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung in Form der Zusatzversicherung bei der VBL.

Ab 1.1.1957 wurde die Zusatzversicherung bei der VBL auf ein Gesamtversorgungssystem umgestellt. Seitdem regelt § 65 Abs. 6 der Satzung der VBL, daß die Zusatzrente ruht, soweit der Arbeitnehmer Versorgungs- und versorgungsähnliche Bezüge vom Arbeitgeber erhält. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten befürchtete deshalb, daß trotz erheblicher Beiträge des Arbeitgebers zur VBL aufgrund der in den Richtlinien 1962 geregelten betrieblichen Altersversorgung die Ansprüche der Mitarbeiter auf Gesamtversorgung gemäß diesen Richtlinien vorrangig seien, daß sie mithin eine entsprechende betriebliche Altersversorgung gewähren müßte, obwohl gerade für eine solche zusätzliche Versorgung mit ihren Beiträgen die Zusatzversicherung bei der VBL aufgebaut wurde, die ihrerseits wegen der Ruhens-Regelung nicht zum Tragen käme. Dies hätte dazu geführt, daß die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin die entsprechenden Beiträge zur VBL insoweit vergebens aufgewandt hätte.

Auf diese Änderung reagierten zunächst weder die Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. die Betriebsparteien noch die Tarifparteien. Erst mit Tarifvereinbarung vom 17.11.1973 wurde (in § 2) bestimmt, daß die R. den Arbeitnehmer bei der VBL im Rahmen der Pflichtversicherung so zu versichern hat, daß der Arbeitnehmer eine Anwartschaft auf eine dynamische Versorgungsrente (Gesamtversorgung) für sich und seine Hinterbliebenen erwerben kann. Dementsprechend besagt die Betriebsvereinbarung Nr. 2 in der Fassung vom 29.11.1973 in § 3, daß die Zusatzversicherung bei der VBL (Gesamtversorgung) in der Tarifvereinbarung vom 7.11.1973 gesondert geregelt ist. Ansonsten entsprechen die Regelungen der Betriebsvereinbarung vom 29.11.1973 in den hier wesentlichen Punkten den Bestimmungen der Vorgänger-Betriebs-Vereinbarungen.

In einer Hausmitteilung der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 3.12.1974 wird das System der betrieblichen Altersversorgung nach dieser Änderung erläutert und insbesondere darauf hingewiesen, daß mit der Zusatzversicherung im Rahmen der Gesamtversorgung der VBL der R.-Arbeitnehmer für sich und seine Hinterbliebenen eine von der Höhe seiner Bezüge und der späteren allgemeinen Rentenentwicklung abhängende volldynamische Versorgungsrente (VBL-Gesamtversorgung) erhält und diese Zusatzversicherung im Rahmen der Betriebsvereinbarung Nr. 2 gesondert in der rechtlichen Form einer zwischen der R. und der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossenen Tarifvereinbarung geregelt wurde. In dieser Tarifvereinbarung erkläre die R, ihre grundsätzliche Bereitschaft, sich bei der VBL-Gesamtversorgung an die Bestimmungen des im öffentlichen Dienst bestehenden Versorgungstarifvertrages anzulehnen, R.-Angestellte und nicht ständige R.-Arbeiter könnten auch die Höherversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder eine gemischte Kapital-(Lebens-)Versicherung wählen. Im 5. Absatz dieser Hausmitteilung, deren Zugang beim Kläger streitig ist, heißt es:

"Hinsichtlich des Zusammenhangs der zusätzlichen R.Versorgung (VBL, Höherversicherung und Kapitalversicherung) mit den R. "Richtlinien" wurde im Einvernehmen mit dem Betriebsrat und der Hausgewerkschaft klargestellt, daß die R.-"Richtlinien" zwar ergänzend für die Höherversicherung und die Kapitalversicherung, nicht jedoch für die VBL-Gesamtversorgung gelten; letzteres ergibt sich einerseits aus der VBL-Satzung und andererseits aus dem Charakter der VBL-Versicherung als volldynamische Gesamt-Versorgung. "

Eben dieses Verhältnis zwischen den "R.-Richtlinien" und der VBL-Gesamtversorgung, wie sie in § 3 der Betriebsvereinbarung Nr. 2 in der Fassung vom 29.11.1973 angesprochen und in der Tarifvereinbarung vom 7.11.1973 geregelt ist, wurde jedoch zunächst nicht im Text der Richtlinien umgesetzt. Eine Neufassung erfolgte erst unter dem 22.12.1980. Dort ist im neugefaßten § 1 unter der Überschrift "Geltungsbereich" in Abs. 3c bestimmt, daß die Richtlinien nicht für Arbeitnehmer gelten, für die seitens der R. gem. Betriebsvereinbarung vom 29.11.1973 eine Zusatzversicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) abgeschlossen wurde.

In einer Hausmitteilung vom 13.3.1981, deren Zugang beim Kläger ebenfalls streitig ist, wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten auf die Richtlinienänderung hin. Absatz 3 dieser Hausmitteilung lautet:

"Wir möchten besonders auf § 1 Abs. (3) c) hinweisen, wonach diese Richtlinien für diejenigen Arbeitnehmer unserer Gesellschaft nicht gelten, für die eine Zusatzversicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) abgeschlossen wurde."

Zum damaligen Zeitpunkt waren die Zusatzversicherung bei der VBL nach dem Gesamtversorgungsprinzip und die sonstigen von der Beklagten praktizierten betrieblichen Altersversorgungssysteme gleichwertig; auch die VBL-Versicherung gewährte eine Gesamtversorgung mit einem bruttoentgeltbezogenen Gesamtversorgungsgrad von maximal 75 Prozent.

Dies änderte sich, als die VBL-Satzung mit Wirkung vom 1.1.1985 erneut geändert wurde, indem der Bruttoversorgungssatz von höchstens 75 Prozent durch einen Nettoversorgungssatz von höchstens 91,75 Prozent des anzusetzenden Nettoentgelts begrenzt wurde (§ 41 Abs. 2b der VBL-Satzung). Diese Änderung, die nach § 97c der Satzung zu einer Umstellung aller Versicherungsverhältnisse führte, hatte den Zweck, eine Überversorgung der Angestellten im öffentlichen Dienst abzubauen, die, vor allem aus steuerlichen Gründen, im Gegensatz zu den Beamten im Jahr 1985 zwischen 107 und 114 Prozent des Nettoarbeitseinkommens erreichte.

Eine neuerliche Änderung der Richtlinien der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin erfolgte nicht. Dies hatte zur Folge, daß dem Kläger von der Beklagten aufgrund der Richtlinien vom 22.12.1980 und der Betriebsvereinbarung Nr. 2 in der Fassung vom 29.11.1973 in Verbindung mit der Tarifvereinbarung vom 7.11.1973 keine betriebliche Altersversorgung mit einem bruttoentgeltbezogenen Versorgungsgrad von 75 Prozent zuerkannt, sondern lediglich eine Zusatzversorgungsrente der VBL unter Berücksichtigung der vorgenannten Nettoversorgungsgrenze gezahlt wurde. Der Kläger begehrt demgegenüber eine betriebliche Altersversorgung in der Höhe, wie sie die Beklagte nach wie vor denjenigen früheren Arbeitnehmern gewährt, die nicht die Zusatzversorgung bei der VBL gewählt haben.

Das Arbeitsgericht Regensburg hat mit Endurteil vom 9.10.2003, auf das hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts und des streitigen Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge verwiesen wird, festgestellt, daß dem Kläger bzw. ggf. seinen Hinterbliebenen gegen die Beklagte Ansprüche auf zusätzliche betriebliche Ruhestands-, Dienstunfähigkeits- oder Hinterbliebenenzuwendungen nach Maßgabe der Richtlinien der Rhein-Main-Donau AG für die Gewährung von zusätzlichen betrieblichen Ruhestands-, Dienstunfähigkeits- oder Hinterbliebenenzuwendungen vom 18.7.1962 zustehen. Es hat dies im wesentlichen damit begründet, die Betriebsvereinbarung Nr. 2 gewähre in jeder Fassung einen Anspruch auf eine zusätzliche betriebliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung durch die Beklagte, die der Höhe nach mindestens den Sätzen entsprechen müsse, wie sie für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland gelten. Dieser Anspruch bestehe für alle Angestellten gleichermaßen und in gleicher Wertigkeit, unabhängig davon, welche der drei vorgesehenen Möglichkeiten der Versorgung der Angestellte wähle. Die konkrete Ausgestaltung dieser durch die Betriebsvereinbarung begründeten Ansprüche finde sich in der Richtlinie vom 18.7.1962, die eine arbeitsvertragliche Zusage einer zusätzlichen Altersversorgung darstelle und von den Angestellten mit der Wahl der Zusatzversicherung angenommen worden sei. Daraus sei eine entsprechende Anwartschaft entstanden, aufgrund derer die Beklagte gem. § 613a Abs. 1 BGB verpflichtet sei. Der Ausschluß eines Rechtsanspruchs auf Versorgungszuwendung gem. § 2 Abs. 2 der Richtlinien vom 18.7.1962 sei unwirksam.

Die mit dem Kläger nach Maßgabe dieser Richtlinien von 1962 getroffene vertragliche Regelung sei in der Folgezeit nicht wirksam widerrufen, beseitigt oder sonst geändert worden. Die Betriebsvereinbarung Nr. 2 in den nachfolgenden Fassungen wiederholten lediglich die Wahlmöglichkeiten und träfen ergänzende Regelungen zur Beitragszahlung. Auch die Tarifvereinbarung vom 7.11.1973 besage an keiner Stelle, daß für VBL-Versicherte die bisherigen Richtlinien nicht mehr gelten sollten. Abgesehen davon könnten einzelvertragliche Regelungen nicht durch Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge zum Nachteil eines Arbeitnehmers geändert werden, weil das Günstigkeitsprinzip zum Tragen komme.

Auch die Hausmitteilung vom 29.11.1973 habe zu keiner Änderung der arbeitsvertraglichen Regelungen zwischen den Parteien geführt, Sie reiche nicht weiter als die genannten Kollektivregelungen - Betriebsvereinbarung Nr. 2 und Tarifvereinbarung vom 7.11.1973. Auch mit Änderung der Richtlinien vom 22.12.1980 und der Hausmitteilung vom 18.3.1981 sei die auf der Basis der Richtlinien von 1962 zugesagte betriebliche Altersversorgung nicht geändert worden. Damit habe die Arbeitgeberin zwar vom Änderungsvorbehalt gem. § 8 der Richtlinien 1962 Gebrauch gemacht. Die Konkurrenzsituation der Gesamtversorgungsregelungen der VBL einerseits und der Beklagten andererseits habe einer sachgemäßen Auflösung bedurft. Da beide Versorgungsregelungen damals in jeder Hinsicht gleichwertig gewesen seien, habe die Neufassung auch billigem Ermessen entsprochen. Allerdings entfalte diese Änderung der Richtlinien keine unmittelbare Wirkung für die arbeitsvertraglichen Rechte des Klägers, weil sie nicht in arbeitsvertraglich relevanter Art und Weise - durch eine empfangsbedürftige rechtsgestaltende Willenserklärung - Widerruf - umgesetzt worden sei. Selbst bei unterstellter Kenntniserlangung der Hausmitteilung vom 18.3.1981 durch den Kläger fehle es an einer hinreichend bestimmten und zweifelsfreien rechtsgestaltenden Willenserklärung im Sinne eines Widerrufs, weil sich die Hausmitteilung insoweit auf diejenigen Arbeitnehmer beziehe, für die "gem. Betriebsvereinbarung vom 29.11.1973" eine VBL-Versorgung abgeschlossen worden sei. Die VBL-Versicherung des Klägers beruhe aber auf den früheren Betriebsvereinbarungen und sei bereits 1965 abgeschlossen worden. Der Kläger habe sich demnach nicht angesprochen fühlen müssen.

Der Kläger hat nach Auffassung des Arbeitsgerichts auch bei einem wirksamen Widerruf der Geltung der Richtlinien 1962 durch die Richtlinien vom 22.12.1980 und die anschließende Hausmitteilung einen Anspruch gem. den Richtlinien vom 18.7.1962 aus der Betriebsvereinbarung Nr. 2 von 1956 in der jeweiligen Fassung in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Nach Umstellung der VBL-Versorgung auf eine nettolohnbezogene Gesamtversorgung sei die Beklagte untätig geblieben mit der Folge, daß für die nicht bei der VBL versicherten Angestellten weiterhin Anwartschaften auf eine bruttolohnbezogene betriebliche Gesamtversorgung entstanden seien. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz habe der Kläger Anspruch auf die gleiche Altersversorgung. Dieser Anspruch sei weder verwirkt noch verjährt oder verfallen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 29.10.2003 zugestellte Endurteil vom 9.10.2003 am 24.11.2003 (Schriftsatzeingang) Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung bis 29.1.2004 - mit einem am 28.1.2004 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte meint, das Arbeitsgericht verkenne, daß die Gesamtversorgungsregelungen nach der VBL-Satzung und den Richtlinien 1962 im wesentlichen eine inhaltsgleiche Gesamtversorgung von 75 Prozent des maßgeblichen Bruttoentgelts gewährleistet hätten. Das Zurückbleiben der VBL-Versorgung hinter den Richtlinien sei nicht zu erwarten gewesen. Die vom Kläger bis zur Änderung der Richtlinien zum 1.8.1980 erworbene Anwartschaft in Höhe von 54 Prozent des durchschnittlichen Monatsverdienstes sei ihm stets zugestanden worden; in dieser Höhe fehle der Klage das Feststellungsinteresse. Die Beklagte hält die Auffassung des Erstgerichts für falsch, daß die Richtlinien die Betriebsvereinbarung Nr. 2 ausgestalteten. Vielmehr seien die Richtlinien völlig losgelöst von der genannten Betriebsvereinbarung zu sehen; dort würden lediglich die Formen der betrieblichen Altersversorgung definiert. Demgegenüber sei die Richtlinie 1962 eine vom Arbeitgeber einseitig aufgestellte Ruhegeldordnung über die Gewährung zusätzlicher weiterer Ruhestands- und Hinterbliebenenzuwendung ergänzend zu den Ansprüchen aus der Betriebsvereinbarung Nr. 2. Nach Auffassung der Beklagten wäre es unverhältnismäßig, sie auf die Unwirksamkeit des Widerrufs der Richtlinien 1962 zu verweisen mit der Konsequenz, daß sie einerseits erhebliche Aufwendungen für ihre Mitarbeiter in Form von Umlagen an die VBL gezahlt hätte, um den Mitarbeitern im Versorgungsfall einen, direkten Anspruch gegenüber die VBL zu verschaffen, dieser Anspruch aber ins Leere gehe, weil die Beklagte nach den Gesamtversorgungsregelungen in den Richtlinien verpflichtet wäre, dem versorgungsberechtigten Mitarbeiter ebenfalls eine Gesamtversorgung zu gewähren mit der Folge, daß die Leistungspflicht der VBL satzungsmäßig suspendiert wäre. Die Beklagte meint, selbstverständlich sei unter Bezugnahme auf die Betriebsvereinbarung Nr. 2 vom 29.11.1973 in der Hausmitteilung vom 18.3.1981 die Betriebsvereinbarung in der jeweils gültigen Fassung gemeint, ohne damit eine zeitliche Determinante dahingehend normieren zu wollen, daß die Richtlinie nur für solche Mitarbeiter nicht mehr gelten solle, die nach 1973 bei der VBL versichert wurden. Bereits durch die genannte Hausmitteilung sei darauf hingewiesen worden, daß die Richtlinien nicht mehr für solche Mitarbeiter gälten, die eine Gesamtversorgung in der VBL gewählt hatten. Die Beklagte ist der Auffassung, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Änderung der Richtlinien gem. § 8 Richtlinien 1962 seien gegeben. Sie trägt vor, diese Änderung sei dem Kläger auch zugegangen.

Der Beklagten zufolge entspricht die Änderung der Richtlinien 1962 durch die ablösende Richtlinien 1980 billigem Ermessen, wie auch das Erstgericht feststelle. Aufgrund der Änderung der VBL-Satzung sei es zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gekommen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt, weil zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Richtlinien im Jahr 1980 alle Mitarbeiter Versorgungsanwartschaften in gleicher Höhe erhalten hätten.

Die Beklagte beantragt deshalb:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 9. Oktober 2003, Az. : 4 Ca 55/01, wird aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er wiederholt und vertieft im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen und bringt insbesondere vor, die der Hausmitteilung von der Berufungsbegründung beigemessene Erklärungsbedeutung sei für den Kläger, der weder Jurist noch Rentenversicherungsspezialist oder eine mit Altersversorgungsthemen besonders vertraute Person sei, weder erkennbar noch verständlich gewesen. Darauf komme es jedoch nicht an, nachdem diese Hausmitteilung dem Kläger unbekannt und nicht zugegangen sei und darüber hinaus wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes ein Widerruf selbst bei der rechtswirksamen und zugegangenen Erklärung den Anspruch des Klägers auf zusätzliche betriebliche Versorgungsleistungen nicht habe beseitigen können. Eine rechtswirksame Änderung der arbeitsvertraglichen Gesamtzusage durch die Richtlinien von 1980 bzw. die Hausmitteilung vom 18.3.1981 sei daher nicht erfolgt. Auch die Betriebsvereinbarung Nr. 2 in der Fassung vom 4.3.1964 und 29.11.1973 wie die Hausmitteilung gleichen Datums enthielten keine Erklärung einer Änderung bzw. eines Widerrufs der bestehenden Zusage. Eine solche Änderung widerspräche darüber hinaus dem Günstigkeitsprinzip. Gleiches gelte für die Tarifvereinbarung vom 7.11.1973. Auch die Kenntnis bzw. Zugang der Hausmitteilungen vom 29.11.1973 und 3.12.1974 würden bestritten.

Jedenfalls ergibt sich nach Auffassung des Klägers der geltend gemachte Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

Hinsichtlich des sonstigen Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 28.1.2004 und des Klägers vom 15.3.2004 und 15.7.2004 verwiesen, ferner auf die Sitzungsniederschrift vom 22.7.2004.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.

I.

Der Klage fehlt zwar nicht - teilweise - das Feststellungsinteresse. Sie ist aber unbegründet und damit abzuweisen, weil dem Kläger keine Ansprüche auf zusätzliche betriebliche Ruhestands-, Dienstunfähigkeits- oder Hinterbliebenenzuwendung nach Maßgabe der Richtlinien der R. AG für die Gewährung von zusätzlichen betrieblichen Ruhestands-, Dienstunfähigkeits- oder Hinterbliebenenzuwendung vom 13.7.1962 zustehen.

1. Die Klage ist nicht mangels Feststellungsinteresses teilweise unzulässig mit Rücksicht darauf, daß die Beklagte eine Anwartschaft des Klägers aufgrund der Zeit vom Eintritt des Klägers in das Unternehmen am 1.5.1965 bis zur Änderung der Richtlinien mit Wirkung zum 1.8.1980 in Höhe von 54 Prozent des durchschnittlichen Monatsverdienstes zugesteht.

Denn die Auslegung des Klageantrags ergibt, daß der Kläger nicht die Feststellung dieses unstreitigen Teils seiner Versorgungsanwartschaft bzw. Versorgungsbezüge begehrt, sondern Versorgungsansprüche, die darüber hinausgehen. Da die Beklagte diese - streitigen - Ansprüche verneint, ist das Feststellungsinteresse i.S. von § 256 Abs. 1 ZPO gegeben.

2. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung über die VBL-Rente hinaus.

a) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts begründet die Betriebsvereinbarung Nr. 2 in keiner der vorgelegten Fassungen - weder in den Fassungen vom 15.6.1956, 15.3.1957 und 4.3.1964, noch in der auf die Tarifvereinbarung vom 7.11.1973 folgenden Fassung vom 29.11.1973 - einen kollektivrechtlichen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung. Vielmehr enthält diese Betriebsvereinbarung in allen genannten Fassungen lediglich eine Beschreibung - d.h. eine deklaratorische Wiedergabe - der bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten geltenden und praktizierten betrieblichen Altersversorgungssysteme und legt fest, daß die Angestellten ein einmaliges freies Wahlrecht zwischen diesen Systemen haben. Konkrete Ansprüche der einzelnen Arbeitnehmer begründet diese Betriebsvereinbarung in den jeweiligen Fassungen ebenso wenig wie sie konkrete Vorschriften über die Berechnung der Altersversorgung im Einzelfall enthalten. In den Betriebsvereinbarungen vom 15.6.1956, 15.3.1957 und 4.3.1964 wird lediglich beschreibend darauf hingewiesen, daß die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Höhe nach den für Arbeitnehmer im Dienst der Bundesrepublik geltenden Sätzen entspricht.

Diese Auslegung der Betriebsvereinbarung folgt zum einen aus dem Wortlaut, wonach die Betriebsvereinbarung Nr. 2 in allen genannten Fassungen nicht regelt, daß die Arbeitnehmer einen Anspruch auf zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung haben, daß ihnen (hiermit) eine entsprechende Zusage erteilt wird oder daß ihnen aufgrund dieser Betriebsvereinbarung eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung gewährt wird. Diese Interpretation wird gestützt durch die Geschichte der betrieblichen Altersversorgung bei der R. AG, wie sie in der Präambel der Richtlinien vom 18.7.1962 skizziert wird. Danach bestand bei dieser Gesellschaft bereits seit 1935 bzw. 1937 eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung, die "später in einer Betriebsvereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat" (vom 15.3.1957 Nr. 2) "festgehalten" worden sei. Dies weist darauf hin, daß die genannte Betriebsvereinbarung lediglich der Wahrung der Kollektiv- bzw. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats diente. Dementsprechend enthält die Richtlinie von 1962 detaillierte Bestimmungen über die Voraussetzungen und die Höhe der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung, die das in der Betriebsvereinbarung Nr. 2 wiedergegebene "Altersversorgungsprogramm11 erst vollziehbar werden ließen.

Dagegen begründet die Tarifvereinbarung vom 7.11.1973 für diejenigen Arbeitnehmer, die gem. der Betriebsvereinbarung Nr. 2 die Zusatzversicherung bei der VBL wählten, Ansprüche auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung über die gesetzliche Altersversorgung hinaus in Form des Erwerbs einer Anwartschaft auf eine dynamische Versorgungsrente (Gesamtversorgung). Diese Ansprüche sind jedoch, wie oben ausgeführt wurde, nicht streitig.

Im übrigen hätte der Kläger selbst dann keinen Anspruch auf eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung im begehrten Umfang aufgrund der Betriebsvereinbarung Nr. 2, wenn man dieser eine anspruchsbegründende, also konstitutive Wirkung beimäße. Denn in diesem Falle hätte die Tarif Vereinbarung vom 7.11.1973 die entsprechenden Bestimmungen der Betriebsvereinbarung Nr. 2 wegen des Tarifvorrangs nach § 77 Abs. 3 BetrVG verdrängt, Sie wären unwirksam geworden.

Dem Kläger wurde von der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine betriebliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung zugesagt, die letzten Endes einzelvertraglicher Natur ist; das Berufungsgericht folgt insoweit dem Arbeitsgericht. Allerdings beruhte diese Zusage nicht auf einer individuellen, auf sein Arbeitsverhältnis zugeschnittenen und mit ihm gesondert ausgehandelten Vereinbarung, sondern auf einer sogenannten Gesamtzusage. Mit den Richtlinien vom 18.7.1962 verpflichtete sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Anwendung genereller, abstrakter Regelungen über eine Zusatzversorgung. Die Richtlinien stellen damit eine Versorgungsordnung dar, die für die betroffenen Arbeitnehmer den gleichen Inhalt und die gleiche Bedeutung hatte (Rechtsprechungsnachweise zur Gesamtzusage z.B. Erfurter Kommentar/Preis, 4. Aufl., § 611 BGB Rn. 259; vgl. auch z.B. BAG vom 22.10.2002 - 3 AZR 496/01). Der Kläger hat das in der Gesamtzusage liegende Angebot der begünstigenden Altersversorgungsregelung jedenfalls durch die Wahl der Zusatzversicherung bei der VBL konkludent angenommen. Im übrigen bedarf ein solches Angebot nach herrschender Meinung - der das Berufungsgericht folgt - gem. § 151 BGB keiner ausdrücklichen Annahmeerklärung (vgl. BAG vom 13.3.1975 AP Nr. 167 zu § 242 BGB Ruhegehalt). Jedenfalls hat die Rechtsvorgängerin der- Beklagten durch förmliche Bekanntgabe der Richtlinien an die Belegschaft ungeachtet der dogmatischen Begründung im einzelnen eine Altersversorgungszusage gegeben (vgl. BAG vom 12.10.1995, AP Nr. 8 zu § 99 BetrVG 1972). Für die Versorgungsberechtigten war aufgrund der Richtlinien von 1962 unschwer zu erkennen, daß sie eine beamtenähnliche Altersversorgung erhalten sollten.

c) Diese Zusage ist jedoch durch die Richtlinien vom 22.12.1980 im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte Umstellung der VBL-Zusatzversicherung auf ein Gesamtversorgungssystem mit einer gegenüber betrieblichen Altersrenten subsidiären VBL-Rente wirksam aufgehoben - d.h. in der Sache: widerrufen - worden.

aa) Das Berufungsgericht folgt dem Erstgericht darin, daß weder eine einvernehmliche - vertraglich ausdrücklich vereinbarte - Aufhebung, noch eine Aufhebung durch Änderungs- oder Teilkündigung erfolgt ist. Vielmehr hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Altersversorgungszusage einseitig widerrufen.

Gleichwohl ist dieser Widerruf wirksam aufgrund des in § 8 der Richtlinien vom 18.7.1962 enthaltenen Änderungsvorbehalts. Dieser Vorbehalt ist zulässig. Die dort geregelten Voraussetzungen für eine Änderung bis hin zur Beseitigung der Zusage auf betriebliche Altersversorgung gegenüber den bei der VBL versicherten Arbeitnehmern sind gegeben.

Gegen die generelle Zulässigkeit eines Widerrufs- bzw. Änderungsvorbehalts bei einer Gesamtzusage bestehen keine generellen Bedenken (vgl. ErfKomm/Preis a.a.O.; BAG vom 14.6.1995 - 5 AZR 126/94, Leitsatz 1).

Das Berufungsgericht vermag sich der Auffassung des Erstgerichts nicht anzuschließen, wegen der Formulierung in § 1 Abs. 3 der Richtlinien vom 22.12.1980, diese Richtlinien gälten nicht für Arbeitnehmer, für die seitens der R. "gem. Betriebsvereinbarung vom 29.11.1973" eine Zusatzversicherung bei der VBL abgeschlossen worden sei, habe sich der Kläger nicht angesprochen fühlen müssen. Die einseitige vertragsändernde Willenserklärung sei insoweit mißverständlich. Denn entscheidend ist nicht, wie der Kläger persönlich diese neuen Richtlinien verstanden haben könnte, sondern wie sie ein mit dem Sachverhalt vertrauter Belegschaftsangehöriger nach Treu und Glauben verstehen mußte. Nach dem klar erkennbaren Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3c der Richtlinien vom 22.12.1980 sollten aber diejenigen Arbeitnehmer vom Geltungsbereich ausgeschlossen werden, die sich nach der einschlägigen Betriebsvereinbarung (Nr. 2) für die Zusatzversorgung in Form der Zusatsversicherung bei der VBL entschieden hatten. Die betroffenen Arbeitnehmer hätten sich nur dann nicht von der Neuregelung angesprochen fühlen müssen, wenn dort formuliert gewesen wäre, daß die Richtlinien nicht für Arbeitnehmer gelten, für die seitens der R. nach Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung vom 29.11.1973 eine Zusatzversicherung bei der VBL abgeschlossen wurde. Die Belegschaft mußte davon ausgehen, daß die Arbeitgeberin in einer so heiklen Frage exakt formuliert und der in § 1 Abs. 3c geregelte Ausschluß aus dem Geltungsbereich der Richtlinien diejenigen Arbeitnehmer treffe, die entsprechend der Regelung in der Betriebsvereinbarung, also wie dort geregelt, bei der VBL zusatzversichert sind. Eine zeitliche Dimension, wie das Arbeitsgericht mutmaßt, ist dieser Wendung nicht zu entnehmen. Noch deutlicher wird dies in den Erläuterungen der neuen Richtlinien durch die Hausmitteilung vom 3.12.1974.

Der Widerruf der Versorgungszusage scheitert nicht am fehlenden Zugang beim Kläger. Denn ebensowenig wie die Gesamtzusage jedem einzelnen betroffenen Arbeitnehmer zugehen muß (BAG vom 12.10.1995 a.a.O.), ist es erforderlich, daß eine Änderung oder ein Widerruf jedem einzelnen der davon betroffenen Arbeitnehmer zugeht. Ausreichend ist auch insoweit die im Unternehmen übliche Bekanntgabe, z.B. durch Auslegung oder Aushang an den nach den Gepflogenheiten im Unternehmen maßgebenden Veröffentlichungsstellen (vgl. LAG Berlin vom 9.3.2001 - 19 Sa 25 96/00) oder durch Rundschreiben (vgl. den dem Urteil des BAG vom 22.10.2002 - 3 AZR 496/01 - zugrundeliegenden Sachverhalt). Zwar wird eine Willenserklärung gegenüber Abwesenden grundsätzlich erst wirksam, wenn sie ihm zugeht. Dieser Zugang ist vom Kläger bestritten worden. Der Änderungsvorbehalt in § 8 der Richtlinien vom 18.7.1962 enthält jedoch eine - nach allgemeiner Meinung zulässige - Abdingung des § 130 BGB (vgl. z.B. Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 130 Rn. 18). Die genannten Richtlinien sind ihrerseits, wie oben ausgeführt wurde, auch ohne ausdrücklich darauf bezogene Annahmeerklärung des Klägers insgesamt wirksam geworden.

Somit kann dahinstehen, ob der Kläger die geänderten Richtlinien in der Fassung des Jahres 1982 und die darauf bezogenen Hausmitteilungen erhalten hat oder nicht.

cc) Der Widerruf der Altersversorgungszusage durch die Richtlinien vom 22.12.1980 entsprach billigem Ermessen. Das Berufungsgericht folgt insoweit dem Erstgericht darin, daß die Konkurrenzsituation, die mit der Gesamtversorgungsregelung der VBL-Satzung mit der im wesentlichen gleichlautenden Gesamtversorgungsregelung der Beklagten entstanden war, einer sachgemäßen Auflösung bedurfte, nachdem die VBL-Versicherung sich mit ihrer Satzungsregelung für subsidiär erklärt hatte. Mit Recht hat das Arbeitsgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt, da beide Versorgungsregelungen damals in jeder Hinsicht gleichwertig gewesen seien, habe die Neufassung auch billigem Ermessen entsprochen. Denn für die bisherige Regelung in Gestalt der Richtlinien vom 18.7.1962 war die Geschäftsgrundlage entfallen, weil der mit der Entrichtung der Arbeitgeberbeiträge an die VBL verfolgte Zweck - Zahlung einer VBL-Rente an die begünstigten Arbeitnehmer - durch die Subsidiarität dieser Rente gegenüber betrieblichen Altersrenten vereitelt worden wäre. Der Kläger und die vergleichbaren Arbeitnehmer wurden durch die Anpassung der Richtlinien an die veränderten Gegebenheiten aus damaliger Sicht nicht unangemessen benachteiligt, weil sie - wie oben ausgeführt - aufgrund der Tarifvereinbarung vom 7.11.1973 eine absolut gleichwertige Zusatzversorgung bei der VBL erhielten.

Der Widerruf der auf den Richtlinien vom 18.7.1962 beruhenden Zusage einer betrieblichen Altersversorgung nach Abschluß der Tarifvereinbarung vom 7.11.1973 im Falle des Klägers und seiner vergleichbaren Kollegen ist nicht wegen eines Verstoßes gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz unwirksam.

Denn im Zeitpunkt der Neufassung der Richtlinien - am 22.12.1980 - war die Ablösung unstreitig mit keinerlei Nachteilen für die davon betroffenen Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitnehmern verbunden, die einen der beiden anderen Wege der betrieblichen Altersversorgung gewählt hatten. Die vom Kläger beanstandete Ungleichheit ist vielmehr erst durch die Einführung der Nettoversorgungsgrenze von 91,75 Prozent des anzusetzenden Nettoentgelts durch die 19. Änderung der VBL-Satzung vom 1.1.1985 entstanden. Diese Ungleichheit ist somit nicht die Folge der Ablösung der Gesamtzusage als solcher, sondern der nachfolgenden normativen Entwicklung im Bereich der VBL. Der Gleichbehandlungsgrundsatz schützt aber nicht vor späteren, im Zeitpunkt der zu beurteilenden Arbeitgebermaßnahme nicht vorhersehbaren Nachteilen, die durch Änderungen der Rechtslage entstehen. Das Risiko solcher Änderungen tragen der Kläger und die vergleichbaren Arbeitnehmer, die sich für die Zusatzversicherung bei der VBL entschieden hatten.

Schließlich ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht im Hinblick darauf verletzt, daß die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin nach Beseitigung der Überversorgung bei den VBL-Versicherten im Jahr 1985 untätig geblieben ist und die Überversorgung bei denjenigen Begünstigten, die eine Versorgungszusage aufgrund der Richtlinien mit einem bruttolohnbezogenen Versorgungsgrad von maximal 75 Prozent hatten und noch haben, nicht entsprechend abgebaut hat, Sie hatte dies - wie das Arbeitsgericht mit Recht ausgeführt hat - tun können, hat es aber nicht getan. Eine sachfremde Ungleichbehandlung ergibt sich aber nicht daraus, daß die Beklagte zum Zwecke des Abbaus der Überversorgung auch in die Versorgung bzw. Anwartschaften weiterer Begünstigter eingreifen durfte.

Dürfen bedeutet nicht Müssen; der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, seine rechtlichen Möglichkeiten voll auszuschöpfen (BAG vom 22.10.2002 - 3 AZR 496/01).

d) Der geltend gemachte Anspruch auf betriebliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe der Richtlinien vom 18.7.1962 ergibt sich auch nicht aus Schadenersatzgesichtspunkten. Insoweit wäre an eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu denken, wenn die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin die Ablösung der Gesamtzusage dem Kläger gegenüber schuldhaft nicht oder so spät zur Kenntnis gebracht hätte, daß dieser zu einer anderweitigen vergleichbaren Disposition seiner Altersversorgung nicht mehr in der Lage gewesen wäre. Letzteres hat der Kläger zwar vorgetragen. Es ist aber nicht ersichtlich, inwiefern die Beklagte oder ihre Rechtsvorgängerin insoweit schuldhaft gehandelt hätte. Abgesehen davon ist nicht dargelegt, daß und ggf. wie der Kläger im Falle einer aus seiner Sicht rechtzeitigen Bekanntgabe der Änderung anderweitig disponiert hätte.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

III. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG) zugelassen.

Ende der Entscheidung

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