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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: 3 Sa 257/06
Rechtsgebiete: BBiG


Vorschriften:

BBiG § 23
Erfolgreiche und rechtzeitige Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs nach § 23 BBiG (früher: § 16 BBiG) nach unwirksamer fristloser Arbeitgeberkündigung - bei allerdings problematischer Einhaltung der dreimonatigen gesetzlichen Ausschlussfrist.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 257/06

Verkündet am: 7. September 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Schober und Kuska für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 19.10.2005 - 9 Ca 1421/05 - in Ziffer 1 geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 4.946,55 (i.W.: Viertausendneunhundertsechsundvierzig 55/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 26.04.2005 zu zahlen.

2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadenersatzansprüche, die der Kläger als früherer Auszubildender gegenüber der Beklagten als Ausbildender wegen vorzeitiger Beendigung des Ausbildungsverhältnisses durch diese nach Ablauf der Probezeit geltend macht.

Der Kläger begann am 07.08.2001 eine Ausbildung zum Kommunikationselektroniker bei der Beklagten. Nach einer fristlosen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses durch die Beklagte am 25.11.2003, die mit Vergleich vom 26.02.2004 zurückgenommen wurde unter Vereinbarung der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses, kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis erneut am 02.03.2004 fristlos. Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage war vor dem Arbeitsgericht erfolgreich; dieses stellte mit - rechtskräftig gewordenem - Endurteil vom 24.11.2004 fest, dass die Kündigung vom 02.03.2004 unwirksam sei. Mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 04.03.2004 hatte der Kläger Weiterbeschäftigung geltend gemacht. Dieser Antrag wurde mit Endurteil vom 15.03.2004 zurückgewiesen. Nachdem die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 29.03.2004 das Ansinnen, die Kosten der praktischen Ausbildung bei der Lehranstalt E. in R. bis zum Bestehen der Abschlussprüfung zu übernehmen, abgelehnt hatte, schloss der Kläger einen Vertrag zur praktischen Ausbildung mit dem genannten Weiterbildungsinstitut und wurde in der Zeit vom 13.04.2004 bis 30.07.2004 sowie vom 24.08.2004 bis 01.02.2005 dort ausgebildet. Hierfür wandte er insgesamt 4.946,55 € auf. Im Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien einen - später widerrufenen - Vergleich, demzufolge (unter anderem) zum Ausgleich für die Aufwendung des Klägers, die dieser zwischenzeitlich für seine anstehende Abschlussprüfung getätigt habe, die Beklagte diesem pauschal € 6.400,00 zahlen sollte. In einem Schriftsatz vom 21.10.2004 unterbreitete der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Kündigungsschutzverfahren einen Vergleichsvorschlag und bezifferte dabei die Aufwendungen des Klägers für die Ausbildung bei der Lehranstalt E. unter Vorlage der Rechnungen vom 15.04.2004, 21.06.2004 und 10.09.2004. Nach Verkündung des der Kündigungsschutzklage stattgebenden Endurteils vom 24.11.2004 schlossen die Parteien in einem weiteren Einstweiligen Verfügungsverfahren einen Vergleich, wonach - unter anderem - das Ausbildungsverhältnis mit Ablauf des 20.01.2005 ende, auch wenn die Prüfung nicht bestanden werde und der Kläger unwiderruflich und unter Fortzahlung der Vergütung von der Ausbildung bis zum Ende des Ausbildungsverhältnisses freigestellt werde, wobei in diesem Zeitraum Resturlaub eingebracht werde.

Der Kläger verlangt im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten Schadenersatz wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch diese in Höhe von 4.946,55 €.

Die Beklagte wendet sich gegen diesen Anspruch, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für einen solchen Schadenersatzanspruch nicht gegeben seien und keine rechtszeitige Geltendmachung vorliege.

Das Arbeitsgericht Regensburg hat mit Endurteil vom 19.10.2005, auf das hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts, des streitigen Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Beklagte verurteilt, an diesen (lediglich) 3.732,56 € nebst Zinsen zu zahlen. Einem Zeugnisberichtigungsantrag des Klägers hat das Erstgericht stattgegeben; das Endurteil vom 19.10.2005 ist insoweit rechtskräftig geworden. Gegen das dem Kläger am 02.02.2006 und der Beklagten am 03.02.2006 zugestellte Endurteil vom 19.10.2005 haben der Kläger mit einem am 24.02.2006 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz und die Beklagte mit einem am 02.03.2006 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Der Kläger hat seine Berufung mit einem am 03.04.2006 - einem Montag - eingegangenen Schriftsatz begründet; der Berufungsbegründungsschriftsatz der Beklagten ist am 02.03.2006 beim Berufungsgericht eingegangen.

Die Beklagte trägt vor zur Begründung ihrer Berufung vor, das Arbeitsgericht sei zu unrecht davon ausgegangen, dass der Schadenersatzanspruch bereits vor dem 21.04.2005 geltend gemacht worden sei, da der Vergleich vom 16.09.2004 widerrufen und somit gegenstandslos geworden sei. Auch stehe der dort genannte Abfindungsbetrag in Höhe von 6.400,00 € in keinem Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Schadenersatzanspruch. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 29.03.2004 sei nicht auf eine Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs durch den Kläger zu schließen. Die Beklagte bringt vor, sie habe das Ausbildungsverhältnis nicht vorzeitig gelöst im Sinne von § 23 Abs. 1 BBiG. Vielmehr sei es erst durch einvernehmliche Aufhebung zum 20.01.2005 beendet worden. Auch enthalte die einvernehmliche Aufhebung einen gegenseitigen Verzicht auf Schadenersatzansprüche. Die Beklagte meint, es liege schon deshalb kein für den geltend gemachten Schaden kausaler vorzeitiger Abbruch des Ausbildungsverhältnisses vor, weil das Arbeitsverhältnis nicht durch die Beklagte vorzeitig rechtlich beendet worden sei. Ferner bestreitet die Beklagte, dass sich die Rechnungen der Lehranstalt E. auf eine praktische Ausbildung bezögen. Die Aufwendungen des Klägers seien insoweit kein kausaler Schadensposten. Vor allem seien die Aufwendungen zwischen dem 24.11.2004 und der Prüfung freiwillig erfolgt, weil der Kläger sofort nach Verkündung des Endurteils vom 24.11.2004 zur Weiterarbeit ab 25.11.2004 aufgefordert worden sei.

Die Beklagte beantragt daher in ihrer Eigenschaft als Berufungsklägerin:

I. Das am 19.10.05 verkündete und am 03.02.06 zugestellte Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg, Az.: 9 Ca 1421/05, wird wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte ist verpflichtet, das dem Kläger erteilte Ausbildungszeugnis vom 20.01.2005 in Absatz 2 dahingehend abzuändern, dass der Passus "in der Zeit vom03.09.01 bis zum 31.12.03" gestrichen wird.

2. Im Übrigen wird de Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 88,1 %, die Beklagte 11,9 %.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er bringt vor, die Aufwendungen laut Vergleich vom 16.09.2004 entsprächen genau den streitgegenständlichen Schadenersatzansprüchen. Die Beklagte habe sich mit allen Mitteln gewehrt, den Kläger auszubilden, so dass dieser keine andere Möglichkeit gehabt habe, als sich um eine anderweitige Ausbildung zu kümmern. Er meint, das Ausbildungsverhältnis sie bereits nach der Kündigung der Beklagten vom 02.03.2004 tatsächlich beendet worden. Die einvernehmliche Regelung mit Vergleich vom 02.12.2004 habe allein das rechtliche Ende betroffen. Der Vergleich vom 02.12.2004 enthalte keinen Verzicht auf Schadenersatzansprüche. Diese Ansprüche seien bereits bei dem im Anwaltsschreiben der Gegenseite vom 29.03.2004 erwähnten Telefonat geltend gemacht worden; eine endgültige Bezifferung habe erst später erfolgen können.

Der Kläger begründet seine Berufung damit, er habe gegen seine Schadensminderungspflicht nicht verstoßen. Auch für die Zeit ab 24.11.2004 liege ein Eigenverschulden des Klägers nicht vor. Selbst wenn er die Ausbildung bei der Beklagten am 24.11.2004 aufgenommen hätte, wäre ihm von den angefallenen Gebühren in Höhe von 3.035,02 € nichts erstattet worden. Diese Gebühren seien unabhängig davon angefallen, ob die Ausbildung tatsächlich wahrgenommen werde. Auch habe die Beklagte den Kläger im Vergleich vom 02.12.2004 freigestellt. Schließlich sei es ihm angesichts des Verhaltens der Beklagten nicht zumutbar gewesen, so kurz der Prüfung seine praktische Ausbildung bei dieser wieder aufzunehmen, zumal sie noch am 16.09.2004 in mündlicher Verhandlung geäußert habe, es sei nicht vertretbar, den Kläger weiterhin auszubilden.

Der Kläger beantragt daher,

das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 19.10.2004 insoweit aufzuheben, als den Kläger nur einen Betrag von 3.732,56 € zugesprochen wurde und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger insgesamt 4.946,55 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihr sonstiges Vorbringen und bestreitet, dass dem Kläger von den Gebühren in Höhe von 3.035,02 € nichts erstattet worden wäre. Außerdem fordert sie den Kläger auf mitzuteilen, ob er die Aufwendungen beim Finanzamt geltend gemacht habe.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 02.03.2006 und 19.05.2006, des Klägers vom 03.04.2006 und 25.07.2006 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 03.08.2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist erfolglos. Auf die Berufung des Klägers ist das angefochtene Endurteil dahin abzuändern, dass die Beklagte an den Kläger Schadenersatz in voller geltend gemachter Höhe von 4.946,55 € nebst Zinsen zu zahlen hat.

1. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Kläger kann von der Beklagten nach § 23 BBiG (= § 16 BBiG a.F.) Schadenersatz in geltend gemachter Höhe verlangen.

a) Die Beklagte hat das Ausbildungsverhältnis nach Ablauf der Probezeit vorzeitig beendet.

§ 23 Abs. 1 BBiG setzt nicht eine rechtlich wirksame Beendigung - insbesondere nicht eine rechtlich wirksame Kündigung - voraus, sondern nur eine tatsächliche Beendigung durch Ausscheiden des Auszubildenden unter Vertragsbruch oder auch durch endgültige Weigerung des Ausbildenden, den Auszubildenden weiter auszubilden. Gerade die rechtswidrige und damit rechtlich unwirksame Kündigung ist vielfach Ausgangspunkt für den Schadenersatzanspruch. Entscheidend ist somit, dass sich mindestens ein Vertragsteil von dem Ausbildungsverhältnis insgesamt löst (vgl. z.B. BAG vom 17.08.2000, Az. 8 AZR 578/99; BAG vom 11.08.1987, Az. 8 AZR 93/85).

Die Beklagte hat sich durch fristlose Kündigung vom 02.03.2004 endgültig vom Arbeitsverhältnis gelöst. Sie hat eine Weiterbeschäftigung des Klägers - selbst eine vorläufige Weiterbeschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses - hartnäckig abgelehnt, auch noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2004, und hat bis zur Verkündung des Endurteils vom 24.11.2004 an dieser Kündigung festgehalten.

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, sie habe das Ausbildungsverhältnis nicht vorzeitig gelöst im Sinne von § 23 Abs. 1 BBiG, vielmehr sei das Ausbildungsverhältnis durch Vergleich vom 02.12.2004 einvernehmlich zum 20.01.2005 aufgehoben worden, will sie nicht sehen, dass es nicht auf die rechtlich wirksame Beendigung, sondern durch die endgültig gemeinte tatsächliche Auflösung ankommt. Mit dem Vergleich vom 02.12.2004 haben die Parteien lediglich die rechtliche Situation endgültig bereinigt. Die tatsächliche Auflösung konnten sie fast ein dreiviertel Jahr nach der unwirksamen fristlosen Kündigung der Beklagten vom 02.03.2004 gar nicht mehr rückgängig machen. Selbst für die Zeit ab Vergleichsschluss bis zur rechtlichen Beendigung mit Ablauf des 20.01.2005 haben die Parteien nicht die Wiederaufnahme der tatsächlichen Ausbildung vereinbart. Vielmehr haben sie sich auf eine Freistellung des Klägers bis zum Beendigungszeitpunkt geeinigt. Die Auffassung der Beklagten, der Kläger habe durch Widerruf des Vergleichs vom 16.09.2004 und durch Abschluss des Vergleichs vom 02.12.2004 den Willen zum Ausdruck gebracht, das Arbeitsverhältnis tatsächlich zum 20.01.2005 beenden zu wollen, liegt nach allem schon deshalb neben der Sache, weil dieses Ausbildungsverhältnis längst aufgrund des Verhaltens der Beklagten tatsächlich beendet war.

b) Die Aufwendungen des Klägers für die praktische Ausbildung bei der Lehranstalt E. sind ein Schaden im Sinne von § 23 Abs. 1 BBiG. Denn es handelt sich um Aufwendungen, die der Kläger nach den Umständen des Falles als notwendig ansehen durfte (BAG vom 17.08.2000, Az. 8 AZR 578/99; BAG vom 11.08.1987, Az. 8 AZR 93/85).

Diese Aufwendungen waren notwendig, weil die konkrete Gefahr bestand, dass der Kläger die Prüfung mangels praktischer Ausbildungszeiten im letzten Ausbildungsjahr nicht bestehen würde. Die Beklagte hatte sich geweigert, einer Prozessbeschäftigung zuzustimmen. Ferner bestand die weitergehende Gefahr, dass der Kläger überhaupt nicht zur Prüfung zugelassen würde. Er durfte also davon ausgehen, dass die Fortsetzung der praktischen Ausbildung notwendig sei, um einen erfolgreichen Abschluss zu erreichen. Soweit die Beklagte vorbringt, die Aufwendungen des Klägers für die Lehranstalt E. seien nicht auf eine praktische Ausbildung bezogen gewesen, vielmehr habe es sich um eine theoretische Zusatzausbildung im Sinne eines Nachhilfeunterrichts gehandelt, ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger bereits im ersten Rechtszug unbestritten vorgetragen hat, dass er mit der IHK Rücksprache genommen habe, die die praktische Ausbildung bei der Lehranstalt E. anerkannt habe. Somit ist davon auszugehen, dass dieser Ausbildungsgang die durch das Verhalten der Beklagten entstandene Lücke bei der praktischen Ausbildung von 9 bis 10 Monaten im letzten Lehrjahr zu überbrücken geeignet war und tatsächlich auch überbrückt hat. Dass die Ausbildung bei der Lehranstalt E. nicht geeignet gewesen wäre, dem Kläger die erforderlichen praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, vermag die Berufungskammer nicht zu erkennen, vor allem angesichts des Prüfungserfolgs des Klägers. Es erscheint schlechterdings nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte darauf verfallen kann, die Ausbildung bei der Lehranstalt E. als nicht notwendig im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anzusehen angesichts des Umstandes, dass infolge der Weigerung der Beklagten, den Kläger im dritten Lehrjahr auszubilden, für jeden vernünftigen Menschen eine konkrete und massive Gefährdung des Ausbildungserfolgs auf der Hand liegt.

c) Die Höhe der Aufwendungen ist unstreitig. Auch ist nicht ersichtlich, dass die von der Lehranstalt E. in Rechnung gestellten Kosten unangemessen hoch gewesen wären.

d) Die Beklagte hat ihre Pflicht zur Ausbildung für die Zeit ab Zugang der fristlosen Kündigung vom 02.03.2004 verletzt.

Dies liegt im Fall einer unwirksamen fristlosen Kündigung durch den Ausbildenden auf der Hand (vgl. BAG vom 11.08.1987, Az. 8 AZR 93/85). Hier steht aufgrund rechtskräftigem Endurteils des Arbeitsgerichts Regensburg vom 24.11.2004 fest, dass die genannte fristlose Kündigung rechtsunwirksam war.

e) Die genannte Pflichtverletzung ist auch schuldhaft.

Das Verschulden der Beklagten ist - widerleglich - zu vermuten nach § 280 Abs. 1 Sätze 1, 2 BGB (vgl. Palandt/Heinrichs, 64. Aufl., § 280 BGB Rn. 34, 40; zur Haftung des Arbeitgebers a.a.O., Rn. 41). Dies entspricht auch der Beweislastverteilung nach Gefahren- und Verantwortungsbereichen nach der bisherigen Rechtssprechung (Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rn. 34). Die Beklagte musste also dartun und beweisen, dass ein vernünftig denkender, sorgsam abwägender Arbeitgeber nicht zum Mittel der außerordentlichen Kündigung gegriffen hätte. Dies ist hier nicht ersichtlich.

f) Die Pflichtverletzung ist auch kausal für den Schaden des Klägers. Denn die vorzeitige tatsächliche Beendigung der Ausbildung durch die Beklagte hat zu den genannten Aufwendungen des Klägers geführt. Bei einer Fortsetzung der Ausbildung bis zum vereinbarten Ende des Ausbildungsverhältnisses wäre es nicht zu den streitgegenständlichen Aufwendungen gekommen. Nach dem oben Ausgeführten kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf die Einigung der Parteien über die rechtliche Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zum 20.01.2005 an.

g) Ein Mitverschulden des Klägers liegt nicht vor.

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hinweist, der Kläger habe kein Interesse an der Ausbildung gehabt, ist dem schon das Bemühen des Klägers um eine vorläufige Prozessbeschäftigung entgegen zu halten. Auch vermag die Berufungskammer nicht zu erkennen, dass es der Kläger darauf angelegt hätte, den Kündigungsrechtsstreit zu verzögern. Denn der von der Beklagten erwähnte Terminverlegungsantrag erfolgte unstreitig zu dem Zweck, dem Kläger eine ungestörte Teilnahme am Blockunterricht der Berufsschule zu ermöglichen. Dies ist angesichts der Gefährdung des Ausbildungserfolgs durch die unberechtigte Kündigung der Beklagten als sehr verantwortungsvoll und keinesfalls als Verzögerungstaktik zu bezeichnen.

Die Frage, ob der Kläger gemäß § 254 Abs. 2 BGB seinen Schaden dadurch hätte vermindern können, dass er auf das Weiterbeschäftigungsangebot der Beklagten ab 25.11.2004 eingegangen wäre, betrifft nicht den dem Kläger durch das Arbeitsgericht zugesprochenen Schadensbetrag, sondern die Teilabweisung der Klage durch das Erstgericht, mithin die Berufung des Klägers.

h) Der Kläger hat entgegen der Auffassung der Beklagten nicht durch Abschluss des Vergleichs vom 02.12.2004 auf Schadenersatzansprüche gemäß § 23 Abs. 1 BBiG verzichtet.

An einen solchen Verzicht wäre zu denken, wenn die Aufhebung des Ausbildungsverhältnisses dem geäußerten oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Klägers entsprochen hätte und wenn somit auch die tatsächliche Beendigung einvernehmlich erfolgt wäre. Die vorzeitige tatsächliche Beendigung des Ausbildungsverhältnisses entsprach jedoch nicht dem Willen oder dem Interesse des Klägers. Im Gegenteil: dieser hat sich vehement gegen die hartnäckigen Beendigungsversuche der Beklagten zur Wehr gesetzt. Unter diesen Umständen ist nicht anzunehmen, dass die rechtliche Bereinigung des Streits durch Einigung über die rechtliche Beendigung des Ausbildungsverhältnisses einen Willen des Auszubildenden enthält, auf Schadenersatzansprüche nach § 23 Abs. 1 BBiG zu verzichten.

i) Der Anspruch ist nicht verfallen. Er ist vom Kläger rechtzeitig, d.h. innerhalb der Dreimonatsfrist des § 23 Abs. 2 BBiG geltend gemacht worden.

Eine hinreichende Geltendmachung ist jedenfalls mit Schriftsatz des Klägers im Kündigungsschutzprozess vom 21.10.2004 erfolgt, mit dem die Rechnungen der Lehranstalt E. vom 15.04.2004, 21.06.2004 und 10.09.2004 vorgelegt worden sind. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Schadenersatzansprüche innerhalb von 3 Monaten nach der tatsächlichen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses aufgrund der fristlosen Kündigung vom 02.03.2004 hätten geltend gemacht werden müssen. Denn zum einen war der Schadenersatzanspruch des Klägers in seiner vollen Höhe frühestens erkennbar, als die Rechnung der Lehranstalt E. vom 10.09.2004 über den zweiten, bis zur Prüfung reichenden Ausbildungsabschnitt vorlag. Die Ausschlussfrist hat also nicht vor dem 10.09.2004 zu laufen begonnen. Zum anderen entspricht es dem Sinn und Zweck des § 23 Abs. 2 BBiG, alsbald rechtliche Klarheit über die Folgen des misslungenen Ausbildungsverhältnisses zu gewinnen, die Ausschlussfrist erst dann beginnen zu lassen, wenn auch rechtlich geklärt ist, wann das Arbeitsverhältnis im Rechtssinne beendet ist. Es besteht kein Bedarf, diejenige Partei, die für das Scheitern des Ausbildungsverhältnisses verantwortlich ist, darüber hinaus zu schützen. Das Berufungsgericht folgt somit letzten Endes der Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Frist des § 23 Abs. 2 BBiG mit der rechtlichen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses am 20.01.2005 zu laufen begonnen hat.

Nach allem muss es bei der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 3.732,56 € an den Kläger verbleiben.

2. Die Berufung des Klägers ist begründet, da er gemäß § 23 BBiG Anspruch auf Schadenersatz in der vollen geltend gemachten Höhe von 4.946,55 € hat. Er muss sich nicht ein Eigenverschulden dahin anlasten lassen, dass er nach dem 24.11.2004 trotz Aufforderung nicht mehr bei der Beklagten weiter gearbeitet habe mit der Folge einer Kürzung der an die Lehranstalt E. bezahlten Ausbildungsgebühren für die restlichen 2 Monate ab 25.11.2004 in Höhe von 1.214,00 €. Denn der Kläger hatte aufgrund der Rechnungsstellung der Lehranstalt E. vom 10.09.2004 die Gebühren für die gesamte Ausbildungszeit bis einschließlich 01.02.2005 im Voraus zu begleichen - abgesehen davon, dass er im September 2004 nach dem oben Ausgeführten die praktische Ausbildung bei der Lehranstalt E. für die gesamte Zeit bis hin zur Prüfung für notwendig halten durfte. Der Schaden war daher im Zeitpunkt des Weiterbeschäftigungsangebots der Beklagten vom 24.11.2004 bereits in voller Höhe eingetreten. Für die Möglichkeit einer nachträglichen Minderung der Ausbildungsgebühr ist nichts ersichtlich und von der beweisbelasteten Beklagten (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 254 Rn. 74) nichts dargetan.

Abgesehen davon war dem Kläger die Rückkehr zur Beklagten angesichts deren hartnäckigen Festhaltens an der Absicht, das Arbeitsverhältnis fristlos aufzulösen, nicht zuzumuten angesichts deren Verweigerung einer Prozessbeschäftigung und schließlich im Hinblick auf die nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers noch am 16.09.2004 in mündlicher Verhandlung abgegebenen Erklärung, es sei nicht mehr vertretbar, den Kläger weiterhin auszubilden, er hätte auch Schwierigkeiten mit den anderen Mitarbeitern zu fürchten, wenn er zurückkomme. Der Kläger konnte unter diesen Umständen nicht erwarten, dass die Beklagte alles Erforderliche tun werde, um den Kläger zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen. Bei diesen unsicheren Aussichten einer Rückkehr zur Beklagten wäre es nicht zu verantworten gewesen, den Kläger aus dem geordneten - und, wie sich gezeigt hat, schließlich auch erfolgreichen - Ausbildungsgang bei der Lehranstalt E. herauszunehmen.

Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen folgt aus § 291 BGB.

3. Die Beklagte hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Die Kostenfolge beruht im Übrigen auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

4. Die Revision wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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