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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 27.10.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 286/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611
1. Es erscheint möglich, dass der Anspruch auf Zahlung einer Jahresvergütung (Weihnachtsgeld) an Versorgungsempfänger eines Unternehmens aufgrund einer betrieblichen Übung entsteht.

2. Eine solche betriebliche Übung hat den Inhalt, dass eine Zusage eines solchen "Rentner-Weihnachtsgeldes" nach Maßgabe der bisher an die Versorgungsempfänger erfolgten Zahlungen besteht.

3. Diese Zusage kraft betrieblicher Übung kann bereits während der aktiven Zeit eines Arbeitnehmers erworben werden (im Anschluss an BAG 29.04.2003 - 3 AZR 742/02).

4. Wenn der Arbeitgeber von Anfang an die Zahlung einer Jahresvergütung (eines Weihnachtsgeldes) an aktive Arbeitnehmer und Versorgungsempfänger unter den Vorbehalt eines jährlichen Aufsichtsrats- bzw. Vorstandsbeschlusses gestellt und ferner ausdrücklich erklärt hat, durch die Zahlung entstehe kein Präjudiz für kommende Jahre, schließt das die Entstehung einer betrieblichen Übung aus.

5. Die Kenntnis eines solchen Vorbehalts auf Seiten des einzelnen Arbeitnehmers ist keine Voraussetzung für den Ausschluss der Entstehung einer betrieblichen Übung. Es reicht insoweit aus, dass diese Einschränkung in die Bekanntmachungen aufgenommen wird, mit denen der Arbeitgeber die Gewährung der Leistung ankündigt.

6. Ebenso wenig, wie es für die Begründung einer betrieblichen Übung einer Kenntnis jedes einzelnen Arbeitnehmers von der Gewährung der Leistung an andere Arbeitnehmer bedarf, ist für den Ausschluss der Betriebsübung eine Kenntnis der diesen Ausschluss begründenden Umstände bei jedem einzelnen Arbeitnehmer erforderlich.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 286/05

Verkündet am: 27. Oktober 2005

In dem Rechtsstreit

hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Hoffmann und Scheib für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 14.01.2005 - 6 Ca 12485/03 - geändert:

Die Klage wird abgewiesen, soweit beantragt ist festzustellen, dass die Beklagte an den Kläger auch weiterhin ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe von 60 % des monatsdurchschnittlichen Versorgungsbezugs bezahlen muss (Ziff. I.3 der Klageanträge).

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines sog. Rentner-Weihnachtsgeldes.

Der am 30.01.1941 geborene Kläger war vom 01.08.1973 bis 31.12.1998 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt, zuletzt als Außenstellenleiter mit einer monatlichen Bruttovergütung von rund 10.000,00 DM. Das Arbeitsverhältnis bestand bis April 1996 mit der B. AG und ging in diesem Monat gemäß Schreiben der Arbeitgeberin vom 11.04.1996 auf die in Februar 1996 gegründete Tochtergesellschaft B. GmbH über. Diese Gesellschaft erhielt im Verlauf des Rechtsstreits die jetzige Firma. Mitte 2000 wurde die P. AG auf die B. AG verschmolzen. Zum 14.07.2000 erhielt die fusionierte Gesellschaft die Firma E. AG.

Die Parteien unterzeichneten am 27.02.1998 bzw. 12.03.1998 einen Aufhebungsvertrag, der die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Veranlassung der Arbeitgeberin zum 31.12.1998 vorsah. In § 2 dieses Vertrages verpflichtete sich die Arbeitgeberin, einen Aufstockungsbetrag zum Arbeitslosengeld in Höhe der Differenz zwischen dieser Sozialleistung und 100 % eines monatlichen Aktiv-Nettoeinkommens bis zu dem Zeitpunkt zu gewähren, zu dem der Kläger frühest möglich ein vorgezogenes Altersruhegeld erhalten könne, ein Arbeitsverhältnis eingehe oder aus anderen Gründen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen könne. In § 7 des Vertrages ist geregelt, dass der Kläger - unter anderem - bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens anteilige Jahresvergütung und während der Laufzeit des Vertrages abweichend von den Richtlinien für Jahresvergütung im Monat November Weihnachtsgeld in Höhe von 450,00 DM, im Jahr des Übergangs und Ausscheidens aus dieser Regelung zeitanteilig, erhalte. Im übrigen ist im Aufhebungsvertrag geregelt, dass während des Vertragszeitraums hinsichtlich der Gewährung von sozialen Leistungen die Regelungen wie für Versorgungsempfänger der B. AG gilt und der Kläger ab Bezug einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung soziale Leistungen entsprechend den für Versorgungsempfänger der B. AG jeweils geltenden Regelungen erhält.

Der Kläger bezieht seit Vollendung des 60. Lebensjahrs am 30.01.2001 ab 01.02.2001 vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Er erhielt für die Jahre 1999 und 2000 nach den Unterlagen der Beklagten kein Weihnachtsgeld, auch nicht den in § 7 des Aufhebungsvertrages genannten Betrag von 450,00 DM. Für das Jahr 2001 erhielt er eine Weihnachtsvergütung in Höhe von 1.644,00 DM gemäß Schreiben der Arbeitgeberin vom 27.11.2001, in dem mitgeteilt wurde, die Weihnachtsvergütung sei eine freiwillige, widerrufliche soziale Leistung, durch die, wie schon bisher, kein Präjudiz für die Zukunft geschaffen werden solle.

Bei der B. AG wurde seit den 50iger Jahren eine Weihnachtsvergütung gewährt. Auch die Beklagte zahlte entsprechend ihrem Schreiben vom 11.04.1996, in dem der Betriebsübergang angezeigt wurde, die Leistungen, "die beim B. in betrieblichen Richtlinien geregelt sind, etwa Jahresvergütung und Beihilfen". Auch die Versorgungsempfänger erhielten seit den 50iger Jahren ein Weihnachtsgeld, das zunächst 50 % der ungekürzten betrieblichen Gesamtversorgung betrug und ab 1989 auf 60 % dieser Bezugsgröße erhöht wurde. Der Weihnachtsgeldzahlung lagen jährlich neu gefasste Beschlüsse des Bayernwerk-Aufsichtsrats, ab 1996 jährliche Vorstandsbeschlüsse, zugrunde. In den Aufsichtsratsprotokollen seit 1960 wird diese Leistung in Bezug auf die Gruppe der Versorgungsempfänger, die teilweise auch Beihilfeempfänger genannt werden, überwiegend als Weihnachtsgabe, zum Teil - ebenso wie bei der aktiven Belegschaft - als Jahresvergütung bezeichnet. Lediglich im Aufsichtsrats-Beschlussprotokoll des Jahres 1975 sind die Versorgungsempfänger nicht eigens erwähnt. Alle protokollierten Beschlüsse enthalten - sinngemäß - den Passus, dass durch diese Genehmigung kein Präjudiz für kommende Geschäftsjahre geschaffen werden solle. Entsprechend gilt für die Vorstandsbeschlüsse der Jahre 1996 bis 1999.

Die Zahlung der Weihnachtsvergütung wurde in jedem Jahr durch Aushang am Schwarzen Brett bekannt gemacht. Die im Verlauf des Rechtsstreit vorgelegten Aushänge 1969 bis 2000 - mit Ausnahme der Aushänge der Jahre 1989, 1993 und 1994, die bei der Beklagten nicht mehr auffindbar waren - enthalten durchweg den Hinweis, der Aufsichtsrat bzw. Vorstand habe wiederum im betreffenden Jahr einer Jahresvergütung zugestimmt. Ferner wird darauf hingewiesen, dass durch die Gewährung dieser Leistung kein Präjudiz für kommende Jahre geschaffen werde; teilweise ist diese Leistung auch als freiwillige, widerrufliche Leistung des Unternehmens bezeichnet. In den Aushängen der Jahre 1976 bis 1978, 1992 sowie ab 1995 ist die Gruppe der Versorgungsempfänger nicht eigens erwähnt. Die Aushänge weisen einen umfangreichen Verteiler auf. In einer Broschüre "Hinweise für unsere Mitarbeiter vor dem Ruhestand", die in den Jahren 1979, 1990 und 1993 erschien, wurden unter anderem die Leistungen der Arbeitgeberin im Ruhestand erläutert. Dabei enthalten die Broschüren der Jahre 1979 und 1993 jeweils einen Hinweis auf das Erfordernis der Genehmigung der Weihnachtsvergütung durch den Aufsichtsrat.

Am 21.12.2000 schlossen die E. AG für die Konzernunternehmen mit dem Gesamtbetriebsrat der E. eine "Betriebsvereinbarung zur Aufhebung bestehender Betriebsvereinbarungen im E. -Konzern". Darin wurden gegen Zahlung eines einmaligen Ausgleichsbetrages - unter anderem - im ehemaligen B.-Bereich die Betriebsvereinbarungen über Fahrtkostenzuschuss und über die Gewährung von Beihilfen sowie "gleichlautende oder vom Regelungsinhalt her ähnliche arbeitgeberseitige Leistungen (Betriebsvereinbarungen, Regelungsabreden, Richtlinien und freiwillige Leistungen), die in den im Rubrum genannten Unternehmen Anwendung finden", gemäß einer Auflistung in der Protokollnotiz zu dieser Vereinbarung aufgehoben. Dementsprechend teilte die Beklagte dem Kläger unter dem 20.11.2002 unter anderem mit, das bisher auf freiwilliger Basis jährlich gezahlte Weihnachtsgeld entfalle zukünftig.

Mit der vorliegenden Feststellungsklage wendet sich der Kläger gegen den Wegfall dieser Leistung.

Er hat im ersten Rechtszug vorgetragen, in der Bekanntmachung des Jahres 1969 sei die Weihnachtsvergütung auch für Versorgungsempfänger festgeschrieben worden. In den regelmäßigen jährlichen Bekanntmachungen sei darauf hingewiesen worden, dass auch Rentner jeweils im November eines Jahres eine Weihnachtsvergütung erhalten. Diese sei dreimal hintereinander ohne Vorbehalt in gleich bleibender Höhe gezahlt worden. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die einseitige Lösung von dieser Leistungsgewährung mit der Beklagten vom 20.11.2002 sei nicht möglich, da es sich um eine unwiderrufliche Zusage handele. Durch Betriebsvereinbarung könne nicht in diesen Besitzstand eingegriffen werden. Die entstandene betriebliche Übung sei mangels Kenntnis des Klägers vom Vorbehalt für die Leistungsgewährung bzw. vom Ausschluss eines Präjudizes für die kommenden Jahre vorbehaltlos entstanden. Der Kläger hat vorgetragen, der Aufsichtsrat habe nur über die Jahresvergütung für aktive Mitarbeiter ohne Präjudiz für die Folgejahre entschieden; die Weihnachtsvergütung für die Versorgungsempfänger stehe gerade nicht unter diesem Vorbehalt.

Der Kläger hat, soweit es für die vorliegende Berufung von Interesse ist, im ersten Rechtszug beantragt festzustellen, dass die Beklagte den Kläger auch weiterhin ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe von 60 % des monatsdurchschnittlichen Versorgungsbezuges bezahlen muss.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat zur Begründung vorgetragen, aus § 7 des Aufhebungsvertrages vom 27.02./12.03.1998 ergebe sich, dass der Kläger nach Beseitigung der Weihnachtsgeldzahlung an die Mitarbeiter des E.-Konzerns durch Gesamtbetriebsvereinbarung vom 21.12.2000 ein Rentner-Weihnachtsgeld nicht mehr beanspruchen könne. Die Beklagte hat das Bestehen einer betrieblichen Übung bestritten mit der Begründung, die jährlichen Aufsichtsrats- bzw. Vorstandsbeschlüsse hätten deutlich gemacht, dass die Leistung von einem jährlich zu treffenden Beschluss abhängig sei. Entsprechendes sei in der Broschüre "Hinweise für unsere Mitarbeiter vor dem Ruhestand" enthalten, die sämtliche Vorruheständler erhalten hätten. Dieser Vorbehalt ergebe sich auch aus den jährlichen Aushängen und aus dem Papier "Interne Arbeitsanweisung für die Berechnung der Jahresvergütung" vom 18.09.1989.

Das Arbeitsgericht München hat mit Teilurteil vom 14.01.2005 - 6 Ca 12485/03 -, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien im Übrigen und der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts im einzelnen verwiesen wird, festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger auch weiterhin ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe von 60 % des monatsdurchschnittlichen Versorgungsbezugs bezahlen muss, mit der Begründung, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Weihnachtszuwendung aufgrund betrieblicher Übung zu, weil er als Versorgungsempfänger nach seinem Ausscheiden diese Leistung in der unstreitigen Höhe von 60 % des monatsdurchschnittlichen Versorgungsbezuges drei Jahre lang erhalten habe. Die Beklagte habe nicht unter Beweis stellen können, dass die Gewährung dieser Leistung an den Kläger mit Widerrufsvorbehalt erfolgt sei. Der Kläger habe eine Kenntnis der jährlich gefassten Aufsichtsbeschlüsse und der Informationsbroschüre für Vorruheständler bestritten. Somit könne dahingestellt bleiben, ob eine vor Ausscheiden des Klägers entstandene betriebliche Übung in Anbetracht des § 7 des Aufhebungsvertrages über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus wirke.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 17.02.2005 zugestellte Teilurteil vom 14.01.2005 am 14.03.2005 (Schriftsatzeingang) Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung bis 17.05.2005 am 12.05.2005 (Schriftsatzeingang) begründet.

Sie trägt vor, schon wegen Widerrufs der Weihnachtsgeldzahlung mit Schreiben vom 20.11.2002 könne eine dreimalige vorbehaltlose Zahlung von Rentnerweihnachtsgeld an den Kläger nach dessen Ausscheiden aus den Diensten der Beklagten nicht vorliegen. Aus den Unterlagen der Beklagten folge keine Zahlung dieser Zuwendung an den Kläger für die Jahre 1999 und 2000 in Höhe von je 60 % des monatsdurchschnittlichen Versorgungsbezuges. Die vom Arbeitsgericht angenommen betriebliche Übung liege somit nicht vor. Aber auch bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten sei eine betriebliche Übung des vom Kläger behaupteten Inhalts nicht entstanden. Aus den vom Kläger im ersten Rechtszug vorgelegten Unterlagen ergebe sich durchweg die Einschränkung, dass die Leistung ohne Präjudiz für die Zukunft bzw. für die kommenden Jahre gezahlt werde. Dies folge aus der Bekanntmachung des Jahres 1969, aus den Broschüren der 1979, 1990 und 1993 und aus der vom Kläger selbst vorgelegten Internen Arbeitsanweisung vom 18.09.1989. Die Zahlung des Weihnachtsgeldes sei stets unter dem Vorbehalt erfolgt, dass der Aufsichtsrat bzw. der Vorstand jedes Jahr neu entscheide, und dass durch die Zahlung kein Präjudiz für die Zukunft geschaffen werde. Diese Vorbehalte seien durch die Aushänge am Schwarzen Brett bekannt gemacht worden. Der Kläger habe aus seiner aktiven Zeit bei der B. AG aufgrund zahlreicher Aushänge, Informationsbroschüren und sonstigen Schriftstücken gewusst, dass die Zahlung einer Weihnachtsvergütung jährlich vom Aufsichtsrat neu beschlossen werden musste und ohne Präjudiz für die Zukunft bezahlt würde.

Die Beklagte beantragt:

I. Das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 14.01.2005 (Aktenzeichen: 6 Ca 12485/03) wird aufgehoben.

Die Klage wird, soweit sie Gegenstand des Teilurteils ist, abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Er weist darauf hin, es sei unerheblich, ob der betreffende Arbeitnehmer selbst bisher schon in die betriebliche Übung einbezogen war. Es sei nicht einmal die Mitteilung über die an andere Arbeitnehmer erfolgten Zahlungen erforderlich. In Bezug auf die Aushänge bzw. Vorbehaltserklärungen am Schwarzen Brett trägt der Kläger vor, er habe aus seiner aktiven Zeit gerade nicht gewusst, weder aus Aushängen noch aus Informationsbroschüren oder sonstigen Schriftstücken, dass Zahlungen an Aktive und Versorgungsempfänger ohne Präjudiz erfolgten.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 11.05.2005, des Klägers vom 15.06.2005 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 13.10.2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet, weil zum einen der Anspruch auf das geltend gemachte Rentner-Weihnachtsgeld durch § 7 des zwischen den Parteien geschlossenen Aufhebungsvertrages vom 27.02./12.03.1998 ausgeschlossen ist und weil zum anderen die vom Kläger behauptete betriebliche Übung nicht besteht.

1. Selbst wenn eine betriebliche Übung mit dem vom Kläger behaupteten Inhalt - Zahlung eines Rentner-Weihnachtsgeldes in Höhe von 60 % der ungekürzten betrieblichen Gesamtversorgung - entstanden wäre, hätte der Kläger nicht Anspruch auf diese Leistung, weil ein solcher Anspruch durch § 7 Abs. 1 des Aufhebungsvertrages vom 27.02./12.03.1998 ausgeschlossen wäre:

Danach gilt:

Während der "Laufzeit dieses Vertrages", d.h., solange nach dem Vertrag Leistungen der Beklagten erfolgen sollten, mithin während der Dauer des Bezugs eines Aufstockungsbetrages zum Arbeitslosengeld gemäß § 2 des Aufhebungsvertrages bzw. zum Eintritt der Voraussetzungen für vorgezogenes Altersruhegeld, hatte der Kläger Anspruch auf Weihnachtsgeld in Höhe von 450,00 DM, im Jahr des Übergangs und Ausscheidens aus dieser Regelung zeitanteilig. Dies betrifft die Zeit bis einschließlich 31.01.2001. Ab Rentenbeginn, also seit 01.02.2001, hat der Kläger Anspruch auf soziale Leistungen entsprechend den für die Versorgungsempfänger der B. AG - jetzt: E. AG - jeweils geltenden Regelungen.

Diese Bezugnahme ist zulässig, weil das Rentner-Weihnachtsgeld bei der früheren B. AG, soweit ersichtlich, nicht durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag geregelt war und aufgrund des Betriebsübergangs auf die Beklagte im Jahre 1996 eine etwaige Kollektivregelung ohnehin nur noch kraft Transformation in Individualrecht gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB fortbestünde. Da bei der Beklagten kein Betriebsrat besteht, verstößt § 7 des Aufhebungsvertrages nicht gegen eine im Unternehmen der Beklagten mit normativer Wirkung geltenden Betriebsvereinbarung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG).

Die Vereinbarung von Sozialleistungen, also Rentner-Weihnachtsgeld, "wie für Versorgungsempfänger der B. AG" bewirkt, dass die Beseitigung der bei der B. AG bestehenden Regelungen über sog. freiwillige Leistungen einschließlich des Weihnachtsgelds für Versorgungsempfänger durch die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 21.12.2000, geschlossen zwischen dem Unternehmen des E.-Konzerns und dem Gesamtbetriebsrat der E., in die Rechtsbeziehungen der Parteien des vorliegenden Rechtsstreits hineinwirkt. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 21.12.2000 unzulässigerweise in bereits erdiente Besitzstände bzw. Anwartschaften oder gar in bereits erworbene Versorgungsansprüche eingreift (vgl. BAG vom 18.12.2003 - 3 AZR 81/02; BAG vom 25.10.1988 - 3 AZR 483/88) eingreift. Denn sie gilt jedenfalls für die diejenigen Arbeitnehmer, die solche Besitzstände, Anwartschaften oder Ansprüche noch nicht erworben haben. Die Bezugnahme auf "Regelungen wie für Versorgungsempfänger der B. AG" will den Kläger nicht mit denjenigen Personen gleichstellen, die bei Rentenbeginn des Klägers am 01.02.2001 bereits Versorgungsempfänger der E. AG sind. Vielmehr ist Bezug genommen auf die Regelungen, die das genannte Unternehmen jeweils für Versorgungsempfänger schafft bzw. in Kraft setzt. Abgestellt wird auf die "geltenden Regelungen", nicht dagegen auf einzelvertragliche Ansprüche bzw. Besitzstände von E.-Ruheständlern.

Im Übrigen besteht auch im Bereich der früheren B. AG - jetzt: E. AG - für die dortigen ehemaligen Mitarbeiter kein Anspruch auf Rentner-Weihnachtsgeld aufgrund einer betrieblichen Übung oder einer arbeitsvertraglichen Gesamtzusage (dazu sogleich), so dass die Gewährung dieser Leistung unbeschadet der erwähnten Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts durch die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 21.12.2000 beseitigt werden konnte mit der Folge des Wegfalls dieser Leistung auch für den Kläger gemäß § 7 des Aufhebungsvertrages.

2. Das Teilurteil vom 14.01.2005 kann aber vor allem deshalb keinen Bestand haben, weil die vom Kläger behauptete und vom Arbeitsgericht angenommene betriebliche Übung nicht besteht. Eine solche Übung ist entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts nicht in der Zeit nach dem Ausscheiden des Klägers am 31.12.1998 begründet worden. Sie ist aber auch nicht während der aktiven Zeit des Klägers oder früher im Bereich der früheren B. AG oder der jetzigen Beklagten entstanden.

a) Es ist im Berufungsverfahren unstreitig geworden, dass die Beklagte an den Kläger nach dessen Ausscheiden nicht dreimal hintereinander ein Weihnachtsgeld in Höhe von 60 % seiner monatlichen Versorgungsbezüge gezahlt hat. Vielmehr hat die Beklagte an den Kläger nach ihren unbestritten gebliebenen Vortrag für die Jahre 1999 und 2000 überhaupt kein Weihnachtsgeld und für das Jahr 2001 ein solches in Höhe von lediglich 1.644,00 €, und dies ausdrücklich als "freiwillige, widerrufliche soziale Leistung" ohne Präjudiz für die Zukunft, gezahlt. Dies hatte die Beklagte bereits im ersten Rechtszug, allerdings nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragen und der Kläger in seiner Erwiderung hierauf nicht bestritten. Gleichwohl hat das Arbeitsgericht die mündliche Verhandlung nicht wieder eröffnet mit der Folge, dass das Teilurteil, das auf der Annahme einer nach Ausscheiden des Klägers entstandenen betrieblichen Übung beruht, mit dieser Begründung nicht aufrecht zu erhalten ist.

b) Aber auch während der aktiven Zeit des Klägers oder zuvor ist keine betriebliche Übung bei der früheren B. AG oder der Beklagten dahin entstanden, dass die Arbeitgeberin verpflichtet wäre, an die Versorgungsempfänger ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe von 60 % der monatsdurchschnittlichen Gesamtversorgungsbezüge zu zahlen.

Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass durch Zahlung einer solchen Leistung an die Versorgungsempfänger eine betriebliche Übung nicht nur zugunsten der jeweiligen Versorgungsempfänger, sondern auch schon der aktiven Arbeitnehmer entstanden ist. Eine solche betriebliche Übung hätte den Inhalt der Zusage eines Rentner-Weihnachtsgeldes nach Maßgabe der Zahlungen an die Versorgungsempfänger. Der Kläger konnte somit einen Anspruch auf das Rentner-Weihnachtsgeld nicht erst aufgrund entsprechender Zahlungen der Arbeitgeberin an die Versorgungsempfänger nach Ausscheiden des Klägers erwerben, sondern bereits während seiner aktiven Zeit. Das Bundesarbeitsgericht hat ausgeführt (BAG vom 29.04.2003 - 3 AZR 742/02), dass in solchen Fällen die betriebliche Übung darin bestehen kann, dass im Versorgungsfall an die ausgeschiedenen Arbeitnehmer Leistungen erbracht werden und dass die verpflichtende Wirkung einer betrieblichen Übung zugunsten derjenigen aktiven Arbeitnehmer eintritt, die unter ihrer Geltung im Betrieb gearbeitet haben; solche Arbeitnehmer könnten darauf vertrauen, dass die Übung nach ihrem Ausscheiden bei Eintritt des Versorgungsfalles fortgeführt wird.

Gleichwohl ist eine solche betriebliche Übung nicht entstanden, weil die Arbeitnehmer der B. AG und der Beklagten - ebenso wie im übrigen die Ruheständler - nicht darauf vertrauen konnten, dass die Übung, mithin die Zahlung eines Rentner-Weihnachtsgeldes, nach ihrem Ausscheiden bei Eintritt des Versorgungsfalles fortgeführt werde. Aus der Sicht der Arbeitnehmer war nicht anzunehmen, dass sich ihr Arbeitgeber über die Zahlung eines Rentner-Weihnachtsgeld im jeweiligen Jahr hinaus für die Zukunft binden wolle, dass sie also ohne den Vorbehalt jeweils erneuter Entscheidung zur Leistungsgewährung bereit sei.

Dies folgt daraus, dass die Arbeitgeberin von Anfang an die Zahlung der Weihnachtsvergütung mit Bekanntmachungen angekündigt hat, in denen zum einen die Absicht, diese Leistung im jeweiligen Jahr zugewähren, ausschließlich auf dieses Jahr bezogen mitgeteilt hat, in denen zum anderen auf einen zustimmenden Beschluss des Vorstands bzw. Aufsichtsrats als Grundlage der Zahlung hingewiesen wurde und in der schließlich - zum Teil in einem eigenen Absatz - klargestellt wurde, durch die Gewährung der Jahresvergütung im betreffenden Jahr werde keine Präjudiz für kommende Jahre geschaffen.

Allein schon die Ankündigung der Leistung Jahr für Jahr spricht gegen einen Bindungswillen der Arbeitgeberin über das jeweilige Auszahlungsjahr hinaus für die Zukunft. Vor allem aber der jeweils einleitende Hinweis auf einen Aufsichtsrats- bzw. Vorstandsbeschluss lässt bei einem unbefangenen, verständigen Leser keine Zweifel daran aufkommen, dass über die Leistung in jedem Jahr neu beschlossen werden müsse, mithin ein zustimmender Beschluss des Aufsichtsrats oder Vorstandes Leistungsvoraussetzung sei. Die Mitteilung des Ausschlusses eines Präjudizes für die kommenden Jahre bzw. die Zukunft verdeutlicht den Vorbehalt einer erneuten, jahresbezogenen Entscheidung über die Gewährung der Weihnachtszuwendung nochmals in fachsprachlich gehaltener Umschreibung.

Es ist davon auszugehen, dass auch in den Jahren 1989, 1993 und 1994, für die entsprechende Bekanntmachungen nicht vorgelegt wurden, solche Aushänge erfolgten. Denn der Kläger hat nicht die Art und Weise dieser Bekanntmachungen bestritten, sondern lediglich, dass er sie zur Kenntnis genommen hat.

Auch spielt es keine Rolle, dass in den Jahr 1976 bis 1978, 1992 sowie ab 1995 in den Bekanntmachungen ein Hinweis auf die an die Versorgungsempfänger bezahlte Weihnachtsvergütung fehlt. Denn wenn sich die Bekanntmachungen ohne Differenzierung in Bezug auf bestimmte Gruppen von begünstigten Personen generell auf die von Arbeitgeberseite bezahlte Jahresvergütung bezogen, musste jedem verständigen Leser klar sein, dass die dort genannten Leistungsvoraussetzungen und -umstände eben auch sämtliche gezahlten Jahresvergütungen bezog - gleich ob es sich bei den Empfängern um aktive Arbeitnehmer oder Ruheständler handeln würde. Es wäre gerade zu widersinnig annehmen zu wollen, dass die für aktive Arbeitnehmer genannten Leistungsvoraussetzungen für Pensionäre nicht gelten sollten, dass diese also besser gestellt werden sollten als die Belegsschaftsangehörigen. Auch der Kläger konnte bis zu seinem Ausscheiden nicht davon ausgehen, er werde im Gegensatz zu den aktiven Arbeitnehmern, die keinen Anspruch auf die Jahresvergütung über das Zahlungsjahr hinaus erwürben, einen unbefristeten Anspruch auf diese Leistung haben.

Auch spielt es für die rechtliche Qualität keine Rolle, dass für die Jahreszuwendung an die aktiven Arbeitnehmer in den Bekanntmachungen teilweise ein anderer Begriff gewählt wurde wie für die entsprechenden Zuwendungen an die Versorgungsempfänger. Diese unterschiedlichen Bezeichnungen haben, wie sich aus dem Gesamtinhalt der jeweiligen Bekanntmachung und der nicht durchgehend einheitlichen Begrifflichkeit über die Jahre hinweg ergibt, keine Bedeutung in der Sache selbst. Es kann keine ernstlichen Zweifel daran geben, dass die Bekanntmachungen sowohl hinsichtlich der aktiven Arbeitnehmer als auch in Bezug auf die Ruheständler eine Leistung betrafen, die im allgemeinen Sprachgebrauch als Weihnachtsgeld bezeichnet wird.

Wie sich aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Unterlagen sowie aus dem insoweit unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten ergibt, enthalten auch die verschiedenen Fassungen der Broschüre "Hinweise für unsere Mitarbeiter vor dem Ruhestand" eine unmissverständliche Erläuterung dahin, dass die Weihnachtsvergütung für Rentner von der jeweiligen Genehmigung der Zahlung einer Jahresvergütung durch den Aufsichtsrat abhänge.

Entgegen der Auffassung des Klägers wird das verlautbarte Fehlen eines Bindungswillen des Arbeitgebers für die Zukunft nicht durch die fehlende Kenntnis des Klägers von den Bekanntmachungen bzw. Broschüren und den dort enthaltenen Einschränkungen oder Vorbehalten überwunden. Wenn ein Arbeitgeber bei einer sog. freiwilligen Leistung eine Bindungswirkung für die Zukunft ausschließen will, ist es nicht erforderlich, dass jeder einzelne Arbeitnehmer, der diese Leistung erhält, von diesem Bindungsausschluss erfährt. Vielmehr reicht es insoweit aus, wenn der Arbeitgeber (spätestens) bei Leistungsgewährung klarstellt, er wolle sich nicht für die Zukunft zur Erbringung der Leistung verpflichten bzw. er habe sich nur für das betreffende Jahr bzw. den bevorstehenden Auszahlungsfall zur Erbringung der Leistung entschlossen und wolle sich in den Folgejahren eine erneute Entscheidung vorbehalten. Erbringt der Arbeitgeber eine Sozialleistung - wie hier - nicht einfach kommentarlos, sondern gibt er sie in betriebsüblicher Weise, etwa durch Aushänge an den Schwarzen Brettern, bekannt, kann er durch den Inhalt der Bekanntgabe das Entstehen eines Vertrauens der Arbeitnehmer auf eine künftige Leistungsgewährung und damit die Annahme eines Bindungswillens des Arbeitgebers auf Seiten der begünstigen Arbeitnehmer zerstören. Ebenso wenig, wie es für die Begründung einer betrieblichen Übung auf eine Kenntnis jedes einzelnen Arbeitnehmers von der Gewährung der Leistung an andere Arbeitnehmer bedarf, ist für den Ausschluss einer Betriebsübung eine Kenntnis der diesen Ausschluss begründenden Umstände bei jedem einzelnen Arbeitnehmer erforderlich.

Nach allem ist bis zum Ausscheiden des Klägers aus den Diensten der Beklagten mit Ablauf des 31.12.1998 eine betriebliche Übung mit den Inhalt der Zusage eines Rentner-Weihnachtsgeldes nicht entstanden. Aus dem bisher Ausgeführten folgt, dass auch eine Gesamtzusage mit diesem Inhalt ausscheidet. Die Beklagte durfte somit entsprechend dem Ankündigungsschreiben der E. AG vom 20.11.2002 die Gewährung des Rentner-Weihnachtsgeldes ab dem Jahr 2002 einstellen. Eines irgendwie gearteten Widerrufs und einer Begründung hierfür bedurfte es nicht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Einzelheiten hierzu sind den Hinweisen zu entnehmen.

Ende der Entscheidung

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