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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 24.06.2005
Aktenzeichen: 3 Sa 778/04
Rechtsgebiete: KSchG, BetrVG


Vorschriften:

KSchG § 1
BetrVG § 102
1. Zu den Anforderungen an die Entscheidung des Arbeitgebers, eine Stelle zu streichen und die vom Stelleninhaber erledigten Aufgaben auf andere Mitarbeiter umzuverteilen, als betriebsbedingter Kündigungsgrund.

2. Gegen die Mitwirkung des Betriebsratsvorsitzenden an der Erarbeitung einer unternehmerischen Organisationsentscheidung, auf Grund derer der Bedarf für die Beschäftigung eines Mitarbeiters entfällt und die schließlich zu dessen Kündigung führt, bestehen keine rechtlichen Bedenken.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 Sa 778/04

Verkündet am: 24. Juni 2005

In dem Rechtsstreit

hat die Dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Müller-Arends und Meindl für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 25.05.2004 - 10b Ca 1090/03 I - in Ziff. 1 und 2 abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.

Der Kläger wurde von der Beklagten, für die in der Regel ca. 400 Arbeitnehmer tätig sind, aufgrund Anstellungsvertrages vom 21.12.1979 als Leiter der Arbeitsvorbereitung eingestellt. Zu seinem Verantwortungsbereich gehörten jedenfalls die passive Lohnveredelung und der Werksverkehr.

In einer Stellungnahme an das Integrationsamt in einer anderen Sache teilte die Beklagte mit, die Arbeitnehmer, darunter auch der Kläger, die sich ihr Recht - auf Privatnutzung eines Firmen-PKW - über eine Anwaltskanzlei erstreiten wollten, hätten mit der Entlassung zu rechnen ("jeder einzelne"), da dies von einem Personenkreis dieser Einkommensklasse und feinsten Arbeitsbedingungen einfach unannehmbar wäre.

In einem "Protokoll über die Sitzung des Betriebsrats am 26.05.2003" ist zu "Punkt: 1" vermerkt:

"Betriebsbedingte Kündigung von Herrn G.. Der Betriebsrat wurde ordnungsgemäß gehört. Er nimmt die Kündigung zur Kenntnis. Einwände von Seiten des Betriebsrats sind nicht zu erwarten."

Unter dem maschinenschriftlich erstellten Text befindet sich eine handschriftliche Ergänzung:

"Tel. Fr. B. am 27.5.2003: für BR ist Sache abgeschlossen."

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 27.05.2003 zum 31.12.2003 und stellte den Kläger seit 04.06.2003 frei.

Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit der Begründung, der betriebsbedingte Kündigungsgrund sei nur vorgeschoben; wahrer Grund für die Kündigung sei die Weigerung des Klägers, den Dienst-PKW abzugeben und auf 20 % bis 30 % des Gehalts zu verzichten. Die von der Beklagten dargestellte wirtschaftliche Situation des Unternehmens sei unzutreffend. Der Tätigkeitsbereich des Klägers sei von der Beklagten nicht richtig, insbesondere unvollständig, wiedergegeben. Sowohl der Kläger als auch die in seinem Umfeld beschäftigten Mitarbeiter seien im vollen Umfang ausgelastet gewesen. Der Kläger habe nicht - wie die Beklagte suggeriere - seit Jahren nicht einmal eine Halbtagsbeschäftigung ausgeübt, sondern oftmals unbezahlte Überstunden durchgeführt. Der Betriebsrat sei zur Kündigung nicht angehört worden. Die im Betriebsratsprotokoll angeführte Sitzung habe nicht stattgefunden. Der Betriebsrat sei lediglich unvollständig und einseitig informiert worden. Im Übrigen sei der Kläger nach § 2 Ziffer 1 des Tarifvertrages über die Sicherung älterer Arbeitnehmer für alle gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten in der Bekleidungsindustrie vor ordentlichen Kündigungen geschützt.

Die Beklagte begründet die Kündigung mit einer in einem Gespräch am 21.05.2003 im Grundsatz festgelegten und in einer Aufstellung vom 22.05.2003 näher präzisierten unternehmerischen Entscheidung, die Abteilungsleiterposition des Klägers entfallen zu lassen und dessen Aufgaben auf andere Mitarbeiter zu verteilen. Die endgültige Entscheidung vom 22.05.2003 habe der Geschäftsführer am 23.05.2003 der Betriebsratsvorsitzenden mitgeteilt. Die anderweitige Verteilung der bisher zum Arbeitsplatz des Klägers zusammengefassten Tätigkeiten sei bereits seit Freistellung des Klägers im Juni 2003 umgesetzt worden. Das bisherige Arbeitsvolumen des Klägers könne von den übernehmenden Arbeitnehmern ohne unzumutbare Leistungsverdichtung erledigt werden, zumal sich bei der Umsetzung der beabsichtigten Neuverteilung herausgestellt habe, dass die von anderen Mitarbeitern zusätzlich zu übernehmenden Arbeiten vom zeitlichen Umfang her noch wesentlich geringer als angenommen gewesen seien. Ein anderweitiger freier Arbeitsplatz stehe nicht zur Verfügung.

Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 25.05.2004, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien, der im ersten Rechtszug gestellten Anträge und der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30.06.2003 nicht aufgelöst worden ist, weil von einer hinreichenden unternehmerischen Entscheidung der Beklagten schon mangels eines konkreten Entscheidungsvorgangs nicht ausgegangen werden könne. Auch ließen die Ausführungen der Beklagten hinreichende Darlegungen darüber vermissen, dass die Aufgabenübertragung auf andere Mitarbeiter diese nicht übermäßig belasteten.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 01.07.2004 zugestellte Endurteil vom 25.05.2004 am 08.07.2004 (Schriftsatzeingang) Berufung eingelegt und diese am 31.08.2004 (Schriftsatzeingang) begründet.

Sie bringt vor, sämtlichen Mitarbeitern, die mit dem Kläger zusammengearbeitet hätten, sei bekannt gewesen, dass der Kläger alles andere als ausgelastet gewesen sei und seine Arbeitsergebnisse nicht eine 37-Stunden-Woche erfordert hätten. Der Geschäftsführer der Gesellschafter der Beklagten habe am 21.05.2003 dem späteren Prozessbevollmächtigten der Beklagten erklärt, er halte insbesondere zwei Abteilungsleiterposten - darunter der des Leiters Arbeitsvorbereitung - für verzichtbar. Er habe darauf hin angeordnet, schriftlich zu fixieren, welche Aufgabenbereiche der Kläger im Einzelnen wahrnehme und auf welche Mitarbeiter diese Aufgaben sinnvollerweise übertragen werden könnten. Diese Aufstellung sei am Vormittag des nächsten Tages gefertigt und dem geschäftsführenden Gesellschafter vorgelegt sowie dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten per Fax übersandt worden. Der technische Leiter der Beklagten und der Personalleiter Angestellte hätten gegenüber dem geschäftsführenden Gesellschafter erklärt, die dort vorgeschlagene Neuverteilung des bisherigen Aufgabenbereich des Klägers könne von den nunmehr zuständigen Mitarbeitern zusätzlich mitübernommen werden. Darauf habe der geschäftsführende Gesellschafter die unternehmerische Entscheidung getroffen, die vorgeschlagene Umverteilung auf die im Einzelnen genannten Mitarbeiter umzusetzen. Die Durchführung habe kurzfristig, d.h. spätestens innerhalb der nächsten Wochen erfolgen sollen. Die Beklagte habe davon ausgehen können, dass eine relevante zeitliche Vergrößerung des Arbeitsvolumens der übernehmenden Arbeitnehmer schon deshalb nicht zu erwarten gewesen sei, weil sämtliche Zeiten, die diese Mitarbeiter in der Vergangenheit, auch aufgrund von Aufgabenüberschneidungen, für Abstimmungsgespräche mit dem Kläger hätten aufwenden müssen, wegfallen würden.

Die Beklagte bringt ferner vor, die Beendigungskündigung habe nicht durch mildere Maßnahmen vermieden werden können, weil kein freier Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe, an dem der Kläger ggf. auch zu für beide Parteien zumutbaren veränderten Arbeitsbedingungen hätte weiterbeschäftigt werden können. Insbesondere sei die Beendigungskündigung nicht durch den Ausspruch einer Änderungskündigung vermeidbar gewesen.

Die Beklagte hält daran fest, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden sei. Im Übrigen und vertieft die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München - Kammer Ingolstadt - Az: 10b Ca 1090/03 I vom 25. Mai 2004 wird abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er trägt vor, sein Tätigkeitsbereich sei von der Beklagten nicht richtig wiedergegeben worden. Da sowohl der Kläger als auch sämtliche Mitarbeiter in seinem Umfeld voll ausgelastet gewesen seien, versuche die Beklagte, Kündigungsgründe in betriebsbedingter Hinsicht zu konstruieren, die tatsächlich nicht vorhanden seien. Der Vortrag der Beklagten über den erforderlichen Zeitaufwand der einzelnen Aufgaben des Klägers werde bestritten. Zur Betriebsratsanhörung bringt der Kläger ergänzend zu seinem erstinstanzlichen Vortrag vor, die Unterschrift unter das Protokoll über die Sitzung vom 26.05.2003 begegne erheblichen Bedenken, weil das Protokoll nicht von der Schriftführerin unterzeichnet sei.

Wegen des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 24.08.2004, 17.01.2005 und 12.05.2005, des Klägers vom 28.09.2004 und 14.03.2005 sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 03.02.2005 und 12.05.2005 verwiesen.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben auf Grund Beschlusses vom 10.02.2005 und 12.05.2005 durch uneidliche Vernehmung der Zeugen R. und B.. Wegen des Ergebnisses des Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 12.05.2005 verwiesen. Der Kläger hat zum Ergebnis der Beweisaufnahme mit Schriftsatz vom 13.06.2005 Stellung genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 27.05.2003 zum Ablauf des 31.12.2003 beendet worden.

Die Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, die der Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb oder Unternehmen der Beklagten entgegenstehen, § 1 Abs. 2 KSchG. Eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG war nicht durchzuführen, weil vergleichbare Arbeitnehmer nicht vorhanden sind. Die Kündigungsfrist ist eingehalten. Die Kündigung scheitert schließlich nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG an einer nicht oder nicht ordnungsgemäßen erfolgten Betriebsratsanhörung.

1. Die Kündigung ist durch betriebliche Erfordernisse bedingt, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen.

Die Beklagte hat in der Person des damaligen geschäftsführenden Gesellschafters am 23.05.2003 die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Aufgaben des Klägers anderweitig zu verteilen und die Position des Leiters Arbeitsvorbereitung entfallen zu lassen. Dies steht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest.

Der Zeuge R. hat ausgesagt, der geschäftsführende Gesellschafter sei bei einem Gespräch unter vier Augen ca. drei Wochen vor der Kündigung auf den Kläger zu sprechen gekommen und gefragt, was dieser denn mache. Der Zeuge habe ihm die Aufgaben spontan aus dem Kopf heraus aufgezählt und dies nachher komplett zu Papier gebracht. Sodann habe der geschäftsführende Gesellschafter seine Vorstellungen über die Übertragung der vom Zeugen aufgezählten 5 bis 7 Aufgaben auf Frau B. und ihn selbst mitgeteilt. Der Zeuge habe geglaubt, dass das funktionieren werde, und spontan zugestimmt. Er sei sich deshalb so sicher gewesen, weil der Job, den der Kläger gebracht habe, maximal ein Halbtagsjob gewesen sei. Auf Bitte des geschäftsführenden Gesellschafters habe er - der Zeuge - das dann anschließend zusammen mit Herrn F. schriftlich fixiert und dem geschäftsführenden Gesellschafter übergeben. Dieser müsse das vor dem 22.05.2003 akzeptiert haben, weil das anschließend per Fax an den späteren Prozessbevollmächtigten der Beklagten übermittelt worden sei. Der geschäftsführende Gesellschafter habe sinngemäß gesagt, "dass wir es dann so machen".

Auch die Zeugin B. hat die Darstellung der Beklagten bestätigt mit der Aussage, sie sei von Herrn F. am 21.05.2003 informiert worden, dass der Kläger am 01.06.2003 zum 31.12.2003 betriebsbedingt gekündigt werden solle. Sie habe dann eine Auflistung über die Aufgabenverteilung des Klägers bekommen. Dies sei wohl ein paar Tage vor der Kündigung gewesen. Sie sei diese Aufstellung noch einmal mit Herrn R. und Herrn F. durchgegangen, ob das so in Ordnung sei und ob dies so gemacht werden könne.

Die Aussage beider Zeugen erscheint glaubhaft. Der von ihnen geschilderte Ablauf der Ereignisse ist kohärent und weist keine Brüche auf. Die Darstellungen beider Zeugen vom zeitlichen Ablauf der Ereignisse bestätigen im Wesentlichen den Vortrag der Beklagten und stehen im wechselseitigen Einklang miteinander. Auch das Motiv der Maßnahme - Beseitigung des "nicht ausgelasteten Wasserkopfs" (Zeugin B.) bzw. einer Ganztagsstelle für einen Halbtagesjob (Zeuge R.) ist deutlich geworden. Vor allem haben sich beide Zeugen auf die im Zusammenhang mit der behaupteten Unternehmerentscheidung gefertigte Aufstellung der Aufgabenbereiche des Klägers und deren Neuverteilung (Anlage B13) bezogen.

Beide Zeugen erschienen auch glaubwürdig. Der Zeuge R. hat ruhig und ohne erkennbare negative Voreinstellungen gegenüber dem Kläger ausgesagt. Er hat den Vortrag der Beklagten nicht bis in Einzelheiten bestätigt oder nacherzählt, sondern seine subjektive Sicht der Dinge unbefangen geschildert. Auch die Zeugin B. erschien dem Berufungsgericht glaubwürdig. Sie hat unbefangen und spontan von den Vorgängen berichtet und nicht etwa im Stil einer sorgsam vorbereiteten und eingeübten Redeweise. Auch sie hat emotionale Voreingenommenheit gegen den Kläger war nicht erkennen lassen. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin wird auch nicht dadurch erschüttert, dass sie Betriebsratsvorsitzende ist. Denn ein - allerdings ungewöhnliches gutes - Verhältnis zur Geschäftsleitung, wie es hier vorzuliegen scheint, reicht für sich genommen nicht zur Annahme aus, es liege ein abgekartetes Spiel zwischen der Betriebsratsvorsitzenden und dem Geschäftsführer vor. Im Gegenteil: Aus der Aussage der Zeugin wird deutlich, dass sie sich mit dem Unternehmen identifizierte und - wie die Wahl des Ausdrucks "Wasserkopf" belegt - um sein Wohl besorgt war. Dies erschien dem Gericht gut nachvollziehbar.

Damit steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass sich die Beklagte am 22.05.2003 entschloss, die Aufgaben des Klägers anderweitig zu verteilen und dessen Position eines Leiters Arbeitsvorbereitung zu beseitigen.

Diese Organisationsentscheidung ist als freie Unternehmerentscheidung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das Berufungsgericht folgt, nur begrenzt auf ihre Zweckmäßigkeit überprüfbar, nämlich darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (vgl. z.B. BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 141/99; BAG vom 22.05.2003 - 2 AZR 326/02). Allerdings gilt hier, dass sich die Entscheidung des Arbeitgebers im wesentlichen darin erschöpfte, Personal einzusparen, mit der Folge, dass sie nahe an den Kündigungsentschluss heranrückt, der seinerseits nicht frei ist, sondern der Begründung bedarf. Deshalb muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit und ihrer Nachhaltigkeit bzw. Dauer verdeutlichen, damit das Gericht überprüfen kann, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig und willkürlich, d.h. also rechtsmissbräuchlich ist (BAG, a.a.O.). Dazu gehört auch die Darlegung einer näher konkretisierten Prognose, aus der sich ergibt, wie die umverteilten Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können (BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 522/98).

Diese Konkretisierung ist vorliegend gelungen. Denn die Beklagte hat nicht einfach beschlossen, den Kläger aus dem Betrieb und Unternehmen zu entfernen und seine Position einzusparen. Sie hat vielmehr, wie aufgrund der Beweisaufnahme feststeht, ermittelt, welche Aufgaben vom Kläger tatsächlich erledigt werden, wie sie anderweitig verteilt werden können und ob diese Umverteilung funktionieren werde.

Dabei mögen durchaus nicht alle vom Kläger in den Jahren zuvor erledigten Einzelaufgaben behandelt worden sein, so die Tätigkeiten für Schwesterfirmen. Dies war aber nicht erforderlich, weil zur gebotenen Verdeutlichung der Organisationsentscheidung im Sinne der oben wiedergegebenen Grundsätze nicht gehört, dass bis in alle Einzelheiten zu überlegen ist, welche Arbeitsschritte von welcher Person konkret ausgeführt werden und wie alle denkbaren Entwicklungen und Eventualitäten bewältigt werden können.

Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine Prognose bezüglich des künftigen Arbeitskräftebedarfs, die so weit konkretisiert ist, dass offensichtliche Unsachlichkeit oder Willkür ausgeschlossen erscheinen. Der erforderliche Vortrag zur organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit ist weder Selbstzweck noch darf er dazu dienen, dass das Gericht in die betrieblichen Organisationsabläufe eingreift. Denn der Arbeitgeber kann grundsätzlich sowohl das Arbeitsvolumen, d.h. die Menge der zu erledigenden Arbeit, als auch das diesem zugeordnete Arbeitskraftvolumen, mithin die Arbeitnehmer-Stunden und damit auch das Verhältnis dieser beiden Größen zueinander festlegen (BAG vom 22.05.2003 - 2 AZR 326/02). Der Sinn, dass der Arbeitgeber zur organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit der unternehmerischen Entscheidung vortragen muss besteht darin, einem Missbrauch des Kündigungsrechts vorzubeugen (BAG a.a.O.).

Diesen Maßstäben genügt das von der Beklagten gewählte Verfahren der Ermittlung der Aufgaben des Klägers und der Erarbeitung der neuen Aufgabenzuordnung. Von einer offensichtlichen Unsachlichkeit oder Willkür kann nicht gesprochen werden.

Die Beklagte hat somit ein hinreichend fundiertes Organisationskonzept entwickelt, bei dessen Verwirklichung eine rechtswidrige Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals nach der angestellten Bedarfsprognose mutmaßlich nicht eintreten würde.

Damit erscheint es - trotz der gewiss nicht unproblematischen Auseinandersetzung um den Firmen-PKW kurz vor der Kündigung - ausgeschlossen, dass die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt wurde, um den Kläger bei nach wie vor bestehendem Beschäftigungsbedarf aus dem Betrieb zu drängen. Im Übrigen hat sich die Prognose dadurch bestätigt, dass das Konzept noch während der Kündigungsfrist ohne Probleme und nennenswerte Mehrbelastung anderer Mitarbeiter umgesetzt wurde und funktionierte.

Die dargestellte unternehmerische Entscheidung verliert ihre Qualität auch nicht dadurch, dass die Einzelheiten auf der Basis der Grundsatzentscheidung des geschäftsführenden Gesellschafters von den Mitarbeitern R., F. und B. ausgearbeitet wurden. Denn es ist Sache des Arbeitgebers, kraft seiner Organisationshoheit zu entscheiden, wer ein solches organisatorisches Konzept erarbeitet. Dies muss keinesfalls durch die Unternehmensleitung selbst, sondern kann auch durch einen oder mehrere Mitarbeiter - gewissermaßen eine Kommission - erfolgen, die das Vertrauen der Unternehmensleitung genießen. Dass zu dieser "Kommission" die Betriebsratsvorsitzende gehörte, gibt nach dem oben Ausgeführten keinen Anlass zu rechtlichen Bedenken.

2. Die betrieblichen Erfordernisse sind dringend im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, weil die Kündigung nicht durch Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem freien Arbeitsplatz oder durch den Ausspruch einer Änderungskündigung oder sonstige Maßnahmen vermeidbar war. Die Kündigung ist somit keine unverhältnismäßige Maßnahme.

Der insoweit zunächst darlegungsbelastete Kläger vermochte keine Beschäftigungsmöglichkeit auf einem Arbeitsplatz aufzuzeigen, der im Zeitpunkt der Kündigung noch frei gewesen oder dessen Freiwerden bis zum Ablauf der Kündigungsfrist absehbar gewesen wäre. Arbeitsplätze, die im Zeitpunkt der Kündigung bereits besetzt waren, scheiden aus.

Auch durch eine Änderungskündigung wäre die Kündigung vom 27.05.2003 nicht vermeidbar gewesen. Denn die Organisationsentscheidung der Beklagten zielte gerade auf eine vollständige Beseitigung der Position des Klägers ab. Wie unter diesen Umständen eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen hätte erfolgen können, hat sich dem Berufungsgericht nicht erschlossen.

3. Die Kündigung scheitert auch nicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG an einer fehlenden oder fehlerhaften Sozialauswahl. Denn bei der Beklagten gab es im Zeitpunkt der Kündigung nur einen Arbeitnehmer mit dem vertraglichen Aufgabengebiets eines Leiters Arbeitsvorbereitung: den Kläger. Die Vergleichbarkeit des Kläger mit anderen Arbeitnehmern der Beklagten scheitert also schon an der fehlenden arbeitsvertraglichen Austauschbarkeit.

4. Die Kündigung ist auch nicht wegen fehlender oder fehlerhafter Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

Denn die Beklagte hat - nach allgemeinem Bestreiten durch den Kläger insoweit - zur Betriebsratsanhörung, soweit sie in ihren Verantwortungsbereich fiel, ausreichend vorgetragen.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass dem Betriebsrat - in der Person der empfangszuständigen (vgl. § 26 Abs. 2 BetrVG) Betriebsratsvorsitzenden - die aus der Sicht der Beklagten maßgeblichen Kündigungsgründe mitgeteilt wurden. Aus der Aussage der Zeugin B. ergibt sich, dass sie bereits im Vorfeld und sodann dann durch Herrn F. am 21.05.2003 über die beabsichtigte Kündigung und deren Gründe unter Übergabe der Aufgabenverteilungsliste (Anlage B13) informiert wurde. Die Zeugin hat bekundet, sie sei diese Aufstellung dann mit Herrn R. und Herrn F. durchgegangen, ob das so in Ordnung und machbar sei. Der Betriebsrat war somit nicht nur über das Motiv der Kündigung, sondern auch über das ihr zugrunde liegende organisatorische Konzept vollständig informiert. Dass die Zeugin als Tag der beabsichtigten Kündigung den 01.06. genannt hat, ist unerheblich. Denn die der Betriebsratsvorsitzenden von Herrn F. gegebene Information zu Art und Frist und der beabsichtigten Kündigung konnte nur so verstanden werden, dass dem Kläger mit der zutreffenden - und wegen der langen Dauer des Arbeitsverhältnisses verlängerten - ordentlichen Kündigungsfrist zum Jahresende 2003 gekündigt werden sollte. Ob das unzutreffende Datum 01.06. auf eine Fehlinformation durch Herrn F., auf einen Hörfehler oder eine Fehlinterpretation der Zeugin oder aber auf deren lückenhaften Erinnerung zurückzuführen ist, kann deshalb dahinstehen. Die Zeugin hat ferner bekundet, dass sie für den 26.05.2003, 10.00 Uhr eine Sitzung einberufen und diese auch stattgefunden hat. Dabei habe sie die Kündigungsgründe und auch die persönlichen Daten des Klägers vorgetragen. Die Auflistung über die Aufgabenverteilung (Anlage B13) habe sie dabeigehabt. Nach der Sitzung habe sie das Ergebnis Herrn F. erst mündlich und dann in Form der Überlassung des Protokolls mitgeteilt.

Auch insoweit ist die Aussage der Zeugin glaubhaft. Der Ablauf der Anhörung ist widerspruchsfrei geschildert.

Dem Gericht erschien die Zeugin auch in Bezug auf ihre Aussage zur Betriebsratanhörung aus den oben (zu 1.) wiedergegebenen Gründen glaubwürdig. Sie hat auch auf wiederholtes Nachfragen ruhig geantwortet. Eine Voreingenommenheit gegen den Kläger war nicht erkennbar. Dass sich die Zeugin nicht an ein bis in die Einzelheiten von der Beklagten vorgegebenes "Drehbuch" gehalten hat, wird daran deutlich, dass sie in Bezug auf das Datum des Ausspruch der Kündigung bei ihrer Version geblieben ist (beabsichtigte Kündigung vom 01.06.2003), obwohl dies vom Standpunkt eines juristisch nicht versierten Betrachters eventuell als Anhörungsfehler hätte ausgelegt werden können.

Soweit der Kläger Mängel des Informationsflusses innerhalb des Betriebsrats oder bei dessen Beschlussfassung rügt, ist darauf hinzuweisen, dass Fehler in der Sphäre des Betriebsrats dem Arbeitgeber grundsätzlich nur zuzurechnen sind, wenn sie dieser selbst verursacht oder veranlasst hat (BAG vom 24.06.2004 - 2 AZR 461/03).

5. Die Kündigungsfrist ist eingehalten.

Sie beträgt bei der im Zeitpunkt der Kündigung über 30-jährigen Dauer des Arbeitsverhältnisses, die überwiegend nach Vollendung des 25. Lebensjahres zurückgelegt wurde, nach § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BGB auf 7 Monate zum Monatsende. Diese Frist ist eingehalten.

6. Entgegen der Auffassung des Klägers ist dieser nicht tarifvertraglich vor ordentlicher Kündigung geschützt. Denn es ist nicht ersichtlich, auf welcher rechtlichen Grundlage der Tarifvertrag zur Sicherung älterer Arbeitnehmer in der Bekleidungsindustrie anwendbar sein soll. Der insoweit darlegungsbelastete Kläger hat weder vorgetragen, dass beide Parteien tarifgebunden sind mit der Folge der normativen Geltung des genannte Tarifvertrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, noch dass die Parteien arbeitvertraglich oder auf sonstige Weise auf diesen Tarifvertrag Bezug genommen hätten.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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