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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 05.02.2009
Aktenzeichen: 3 TaBV 107/08
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 23 Abs. 1
BetrVG § 78
BetrVG § 119
Einzelne Betriebsratsmitglieder können vom Arbeitgeber nicht die Unterlassung der Begünstigung anderer Betriebsratsmitglieder wegen deren Betriebsratsamt verlangen. Es fehlt ihnen insoweit die Antragsbefugnis.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes BESCHLUSS

3 TaBV 107/08

Verkündet am: 05.02.2009

In dem Beschlussverfahren

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Anhörung vom 05.02.2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder und die ehrenamtlichen Richter Gollum und Huber

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 15.10.2008 - 34 BV 165/08 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die von den antragstellenden Betriebsratsmitgliedern gegenüber der Beteiligten zu 5) - ihrer Arbeitgeberin - begehrte Untersagung der Aufrechterhaltung der Übergruppierung des Vorsitzenden des Betriebsrats und der Höhergruppierung von dessen Stellvertreter sowie um die Untersagung der Vergütung des Betriebsratsvorsitzenden nach Entgeltgruppe TVöD 14 und des Stellvertreters nach Entgeltgruppe TVöD 15, hilfsweise um die Untersagung der Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern durch Beförderung und/oder Höhergruppierung gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung i. S. v. § 37 Abs. 4 BetrVG.

Die Antragsteller zu 1) bis 3) sind Mitglieder des bei den Arbeitgeberinnen und Beteiligten zu 5) und 6) gebildeten Betriebsrats (Beteiligter zu 4)).

Der Betriebsratsvorsitzende wurde als Fl. eingestellt und war im operativen Teil des Flughafens tätig. Er ist seit etwa Mai 1988 bei der Beteiligten zu 5) beschäftigt und hat einen Abschluss als geprüfter Fl. (IKK). Diese Tätigkeit entspricht der Entgeltgruppe 4 TVöD bzw. nach Bewährungszeit der Entgeltgruppe 5 TVöD. Er ist seit 1998 Mitglied des Betriebsrats und war zum Zeitpunkt seiner Wahl als Vorarbeiter im Bodenverkehrsdienst mit Entgeltgruppe 5 TVöD eingesetzt. Im Frühjahr 2006 wurde er zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Nach einer Bewerbung auf eine am 06.09.2006 ausgeschriebene Stelle eines Leiters Operations (LOP) (m/w) und der Teilnahme an einem zweitägigen Assessment-Center/Audit erhielt er diese Stelle, die nach Entgeltgruppe 14 TVöD vergütet wird, und wurde entsprechend versetzt. Voraussetzung für die Eingruppierung in diese Entgeltgruppe ist u. a. ein Fachhochschulstudium oder eine vergleichbare Ausbildung mit Schwerpunkt Verkehr, Transport und Logistik mit entsprechender Praxiserfahrung, gute betriebswirtschaftliche Kenntnisse, gute Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit EDV sowie sehr gute Kenntnisse in der englischen Sprache. Der Betriebsratsvorsitzende wird seit 01.01.2007 nach dieser Entgeltgruppe vergütet.

Der Stellvertreter des Betriebsratsvorsitzenden ist bei der Arbeitgeberin seit 1993 beschäftigt. Er ist seit vielen Jahren Mitglied des Betriebsrats und war von 1994 bis 1998 dessen Vorsitzender. 1995 wurde er freigestellt und von der Tarifgruppe V b BAT (gemäß Überleitungsbestimmungen Entgeltgruppe 9 TVöD) in die Tarifgruppe I b BAT (entspricht Entgeltgruppe 14 TVöD) höhergruppiert.

Die Antragsteller sind der Meinung, dass die Eingruppierung des Betriebsratsvorsitzenden sowie seines Stellvertreters eine Begünstigung i. S. v. §§ 78 und 119 BetrVG darstelle, weil beide die tarifvertraglich vorgesehenen Anforderungen nicht erfüllten. Sie nehmen an, dass sich die Arbeitgeberin das Wohlwollen des Betriebsrats verschaffen wolle, insbesondere ein arbeitgeberfreudiges Abstimmungsverhalten bei dem Vorhaben, bis zu 33 % der Lohnkosten zu senken. Sie sind der Auffassung, jedes Betriebsratsmitglied, so auch die Antragsteller, hätten einen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber, dass dieser ein solches - ggf. strafbares - Verhalten unterlasse. Ansonsten sei das Recht des Betriebsrats und der Betriebsratsmitglieder auf störungsfreie Ausübung der Betriebsratstätigkeit nicht hinreichend gesichert.

Die Beteiligten zu 4) bis 6) sind der Auffassung, dass die Anträge unzulässig sind, weil den Antragstellern die Antragsbefugnis und ein Rechtsschutzbedürfnis an der begehrten Entscheidung fehle. Sie seien nicht Träger eines streitbefangenen Rechts, weil sie nicht durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung betroffen seien und die begehrte Entscheidung auf ihre betriebsverfassungsrechtliche Stellung keine Auswirkung habe. Für die betriebsverfassungsrechtliche Stellung einzelner Betriebsratsmitglieder sei es unerheblich, wie andere Betriebsratsmitglieder arbeitsvertraglich vergütet werden. Im Übrigen meinen die beteiligten Arbeitgeber (Beteiligte zu 5) und 6)), die Eingruppierung des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters sei korrekt.

Das Arbeitsgericht München hat mit Beschluss vom 15.10.2008 - 34 BV 165/08 -, auf den hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, der im ersten Rechtszug gestellten Anträge sowie der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Anträge mangels Antragsbefugnis der Antragsteller und Beteiligten zu 1) bis 3) zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss, der den Antragstellern und Beteiligten zu 1) bis 3) am 28.10.2008 zugestellt worden ist, richtet sich deren am 19.11.2008 beim Beschwerdegericht eingegangene Beschwerde, die im Beschwerdeschriftsatz zugleich begründet worden ist.

Die Beschwerdeführer greifen die rechtliche Würdigung des Arbeitsgerichts an, dass durch die Begünstigung einzelner Betriebsratsmitglieder andere Mitglieder in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung nicht betroffen seien. Das Gesetz untersage jede Begünstigung und Benachteiligung. Das Arbeitsgericht übersehe, dass durch die Begünstigung auch die anderen Betriebsratsmitglieder negativ betroffen seien. Nach den Darlegungen der Antragsteller gibt es - konkret vorgetragene - Belege und Beispiele für fehlendes arbeitgeberkritisches Verhalten der Begünstigten.

Die Antragsteller und Beteiligten zu 1) bis 3) beantragen:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 15.10.2008 - 34 BV 165/08 -wird abgeändert.

2. Der Beteiligten zu 5) wird untersagt, die Übergruppierung des Betriebsratsvorsitzenden G. von der Entgeltgruppe TVöD 5 in die Entgeltgruppe TVöD 14 aufrecht zu erhalten.

3. Der Beteiligten zu 5) wird untersagt, den Betriebsratsvorsitzenden G. entsprechend Entgeltgruppe TVöD 14 zu vergüten.

4. Der Beteiligten zu 5) wird untersagt, die Höhergruppierung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Si. in die Entgeltgruppe TVöD 15 aufrecht zu erhalten.

5. Der Beteiligten zu 5) wird untersagt, den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Si. entsprechend der Entgeltgruppe TVöD 15 zu vergüten.

Hilfsweise, anstelle der Anträge zu 2) bis 5), wird beantragt, wie folgt zu erkennen:

6. Der Beteiligten zu 5) wird untersagt, Betriebsratsmitglieder durch Beförderung und/oder Höhergruppierung gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung i. S. d. § 37 Abs. 4 BetrVG zu begünstigen.

Die Beteiligte zu 5) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die sonstigen Beteiligten haben im Beschwerdeverfahren keine Anträge gestellt.

Die Beteiligten zu 4) und 5) sind der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die Anträge zu Recht mangels Antragsbefugnis zurückgewiesen. Der Beteiligte zu 4) äußert - wie schon im ersten Rechtszug - die Auffassung, er sei überhaupt nicht beteiligt.

Hinsichtlich des sonstigen Vorbringens der Beteiligten im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze der Antragsteller und Beteiligten zu 1) bis 3) vom 19.11.2008, des Beteiligten zu 4) vom 15.01.2009 und der Beteiligten zu 5) vom 29.01.2009 verwiesen, ferner auf die Sitzungsniederschrift vom 05.02.2009.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter am Verfahren nicht beteiligt sind, dagegen dem Betriebsrat (Beteiligter zu 4)) eine Beteiligtenstellung zukommt.

Ebenfalls hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, dass die Anträge zurückzuweisen sind, weil den Antragstellern und Beteiligten zu 1) bis 3) die Antragsbefugnis fehlt.

Das Beschwerdegericht folgt dem Arbeitsgericht sowohl im Ergebnis als auch in allen Einzelheiten der Begründung und verzichtet deshalb darauf, den für richtig erkannten Rechtsstandpunkt des Arbeitsgerichts nochmals in aller Ausführlichkeit darzustellen bzw. zu wiederholen und beschränkt sich auf eine knappe Verdeutlichung der tragenden Gesichtspunkte:

1. Der Vorsitzende des Betriebsrats und sein Stellvertreter sind nicht Beteiligte des vorliegenden Verfahrens. Denn die Antragsteller wollen nicht - in einer Art Prozessstandschaft - das Recht dieser beiden anderen Betriebsratsmitglieder auf eine störungsfreie Ausübung ihres Betriebsratsamts geltend machen; sie berufen sich vielmehr auf eine Beeinträchtigung ihrer eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung - des Rechts auf störungsfreie Ausübung der Betriebsratstätigkeit, das aufgrund des beanstandeten Verhaltens der Arbeitgeberseite nicht hinreichend gewährleistet sei.

Dagegen ist der Betriebsrat (Beteiligter zu 4)) als solcher am vorliegenden Verfahren beteiligt. Denn durch die Begünstigung einzelner Betriebsratsmitglieder wird nicht lediglich deren Anspruch auf unbeeinflusste und störungsfreie Ausübung ihres Betriebsratsamts beeinträchtigt, sondern gleichermaßen der Anspruch des Betriebsrats als betriebsverfassungsrechtliches Organ auf eine allein dem Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs verpflichtete und von Einflussnahmen des Arbeitgebers freie Tätigkeit.

2. Den Antragstellern fehlt die Antragsbefugnis. Denn sie sind durch die behauptete Begünstigung der beiden anderen Betriebsratsmitglieder in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung nicht betroffen.

a) Wenn der Arbeitgeber einzelne Betriebsratsmitglieder wegen ihres Betriebsratsamts - rechtswidrig - begünstigt, sind nach dem oben (zu 1.) Ausgeführten das begünstigte Betriebsratsmitglied und der Betriebsrat als Organ unmittelbar betroffen. Sie werden in ihrer Aufgabenerfüllung nach dem Betriebsverfassungsgesetz entgegen den Grundsätzen der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) und der ehrenamtlichen Tätigkeit (§ 37 Abs. 1 BetrVG) gestört und haben deshalb Anspruch auf Unterlassung bzw. Beseitigung der Störung.

Dagegen werden die nicht begünstigten Betriebsratsmitglieder in ihrer Amtsausübung allein durch den Umstand, dass andere Mitglieder begünstigt werden, nicht gestört oder beeinträchtigt. Sie können ihr Amt nach wie vor frei von unzulässigen Beeinflussungen durch den Arbeitgeber - insbesondere im Hinblick auf ihr Abstimmungsverhalten - ausüben und sind somit durch die "Drittbegünstigung" nicht (unmittelbar) betroffen. Ihre betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung ist insoweit nicht berührt.

b) Die Antragsteller scheinen der Auffassung zu sein, sie seien durch die unzulässige Drittbegünstigung mittelbar in ihrer eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung insoweit betroffen, als sie dadurch benachteiligt würden.

Hieran ist richtig, dass die Antragsteller, wenn eine Benachteiligung i. S. v. § 78 Satz 2 BetrVG vorläge, diese Benachteiligung abwehren könnten und insoweit eine Antragsbefugnis hätten. Die von ihnen behauptete Begünstigung des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters stellt sich jedoch nicht als unzulässige Benachteiligung der Antragsteller dar.

Soweit ihr Begehren darauf abzielt, die für rechtswidrig gehaltene Begünstigung der anderen Betriebsratsmitglieder dadurch zu kompensieren, dass sie (die Antragsteller) hinsichtlich ihrer Vergütung diesen gleichgestellt werden, geht es ihnen nicht um die Beseitigung einer rechtswidrigen Begünstigung, sondern um deren Ausdehnung auf die bisher nicht begünstigten Betriebsratsmitglieder. Dies können die Antragsteller jedoch nicht geltend machen, weil ein solches Begehren in gesetz- und sinnwidriger Weise nicht auf eine Störungsbeseitigung, sondern auf deren Ausweitung und Verfestigung hinausliefe. Abgesehen davon gilt auch hier der allgemeine Grundsatz, dass es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt.

Soweit das Antragsbegehren darauf abzielt, dass damit dem - gut nachvollziehbaren -Bedürfnis Rechnung getragen werden soll, nicht mit korrupten bzw. käuflichen Betriebsratsmitgliedern zusammenarbeiten zu müssen, geht es um ein Anliegen, das nicht in den Schutzbereich des § 78 BetrVG fällt. Denn diese Vorschrift schützt vor dem "Täter", also demjenigen, der behindert, benachteiligt oder begünstigt. Dagegen schützt sie nicht vor dem "Opfer", d. h. vor demjenigen, der sich - wie hier nach Darstellung der Antragsteller -begünstigen lässt, auch wenn sich dadurch mittelbar negative Auswirkungen auf die interne Betriebsratsarbeit ergeben. Die mittelbaren Auswirkungen einer rechtswidrigen Begünstigung berühren nicht die organschaftliche Rechtsstellung der nicht begünstigten Betriebsratsmitglieder - deren Rechte und Pflichten bleiben gleich -, sondern erschweren "lediglich" ihre Amtsausübung.

c) Dass das Bedürfnis, nicht mit käuflichen oder korrupten Betriebsratsmitgliedern zusammenarbeiten zu müssen, nicht zur Berechtigung von nicht begünstigten Betriebsratsmitgliedern führt, in einer Art "actio pro socio" oder auch "actio pro gremio" die Unterlassung einer gem. § 78 BetrVG unzulässigen Begünstigung geltend zu machen, zeigt ein Blick auf § 23 Abs. 1 BetrVG:

Wenn ein Betriebsratsmitglied seine gesetzlichen Pflichten grob verletzt - was bei der Annahme einer unzulässigen Begünstigung ohne weiteres vorläge -, kann die in dieser Bestimmung vorgesehene Sanktion des Ausschlusses aus dem Betriebsrat nur von einem Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, vom Arbeitgeber, von einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft oder eben "nur" vom Betriebsrat selbst durch Stellung eines entsprechenden Antrags beim Arbeitsgericht veranlasst werden. Daraus folgt, dass ein einzelnes Betriebsratsmitglied nicht die Möglichkeit haben soll, durch das Betreiben eines Ausschlussverfahrens für "saubere Verhältnisse" im Betriebsrat zu sorgen. Dieses Recht steht auf der Betriebsratsseite allein dem Gremium zu.

Überträgt man diesen Rechtsgedanken auf den vorliegenden Fall, ist die Möglichkeit einzelner, nicht begünstigter Betriebsratsmitglieder, eine gesetzwidrige Begünstigung anderer Mitglieder durch einen "Popularantrag" der vorliegenden Art abzustellen, nicht gegeben.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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