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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 06.07.2007
Aktenzeichen: 3 TaBV 84/07
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 3
BetrVG § 18
BetrVG § 19
ArbGG § 87
ZPO § 940
Das Verfahren der einstweiligen Verfügung ist bei Geltendmachung von Gestaltungsrechten nicht generell ausgeschlossen. Wegen der im Verhältnis zur Leistungsverfügung nochmals gesteigerten Anforderungen an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes kommt das Eilverfahren zur Regelung eines einstweiligen Zustands im Sinne von § 940 ZPO jedoch nur in extrem seltenen Fällen in Betracht.

Die Möglichkeit, in einem bisher betriebsratslosen Unternehmen einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat zu wählen, ist nicht schon dann ausgeschlossen, wenn in einem der Betriebe des Unternehmens ein Wahlvorstand für die Betriebsratswahl im einzelnen Betrieb gebildet ist, sondern erst dann, wenn in einem der Betriebe des Unternehmens ein Betriebsrat existiert, d. h. gewählt ist.

Das Amt des Wahlvorstandes für die Wahl eines Betriebsrats für einen der Betriebe in einem bisher betriebsratslosen Unternehmen endet nicht vor der Bestellung eines Wahlvorstandes für die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats.

Die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats in einem bisher betriebsratslosen Unternehmen kann im Regelfall nur durch einen in einer Unternehmensversammlung gewählten Wahlvorstand betrieben werden.

Betreibt der lediglich für die Wahl eines Betriebsrats in einem der Betriebe eines bisher betriebsratslosen Unternehmen bestellte Wahlvorstand nach Durchführung einer unternehmensweiten Abstimmung gem. § 3 Abs.3 BetrVG die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats, führt dies jedenfalls zur Anfechtbarkeit der Wahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats, angesichts der unklaren Rechtslage - insbesondere in Bezug auf Verfahrensfragen - aber nicht zu einer offensichtlich nichtigen Wahl.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES BESCHLUSS

3 TaBV 84/07

Verkündet am: 31. August 2007

In dem Beschlussverfahren

hat die dritte Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der Anhörung vom 31. August 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder sowie die ehrenamtlichen Richter Sonnabend und Trautmann für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 2. und 3. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 06.07.2007 - 37 BVGa 26/07 - geändert:

Der Antrag auf Eresetzung des Wahlvorstandes wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde ist begründet. Der Wahlvorstand zur Durchführung der Betriebsratswahl im Betrieb M. AG in I. ist nicht durch einen neuen Wahlvorstand zu ersetzen.

Dabei kann dahinstehen, ob ein Verfügungsanspruch im Sinne von § 85 Abs. 2 S. 1 und 2 ArbGG i. V. mit § 936 ZPO besteht, ob also die Voraussetzungen für die Ersetzung eines Wahlvorstandes gem. § 18 Abs. 1 BetrVG gegeben sind.

Ebenso kann dahinstehen, ob - wie die Beschwerdeführerin und Beteiligte zu 3. meint - ein Antrag der vorliegenden Art im Verfahren der einstweiligen Verfügung verfolgt werden kann oder nicht. Letzteres ist keine Sonderproblematik der Behandlung von Gestaltungsrechten im Verfahren der einstweiligen Verfügung, sondern Ausfluss der generellen Problematik der sog. Befriedigungsverfügung, die dazu führt, dass an den Verfügungsgrund bei der Durchsetzung von Gestaltungsrechten im Verfahren der einstweiligen Verfügung noch höhere Anforderungen zu stellen sind als die ohnehin sehr hohen Anforderungen bei Leistungsrechten (zur sog. Leistungsverfügung vgl. z. B. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 940 Rn. 6). Auch in vielen Fällen einer Leistungsverfügung wird im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein irreversibler Zustand geschaffen, z. B. wenn die Leistungspflicht ein Fixgeschäft betrifft oder im Falle eines auf Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers gerichteten Verfügungsantrags. Allerdings führen die anzulegenden hohen Anforderungen dazu, dass ein Verfügungsgrund für die Regelung eines einstweiligen Zustandes im Sinne von § 940 ZPO bei Gestaltungsrechten - nur ein solcher kommt hier in Betracht - nur in extrem seltenen Fällen zu bejahen ist.

Dies gilt auch im vorliegenden Fall:

Zu bezweifeln ist schon, ob der Verfügungsgrund, d. h. die Erforderlichkeit des Erlasses der beantragten einstweiligen Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, in einem Fall wie dem vorliegenden zu bejahen ist, in dem das Abwarten des Ergebnisses einer unternehmensweiten Abstimmung gem. § 3 Abs. 3 BetrVG durch den Wahlvorstand in einem bisher betriebsratslosen Betrieb nur zur Verschiebung des Fortgangs des Wahlverfahrens um einen absehbaren und verhältnismäßig geringen Zeitraum führt. Denn wenn die Arbeitnehmer eines betriebsratslosen Unternehmens mit Stimmenmehrheit die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats beschließen, solange - wie hier - noch kein Betriebsrat besteht (von einer Unzulässigkeit einer solchen Abstimmung bereits dann, wenn im Unternehmen für die Wahl eines Betriebsratsgremiums ein Wahlvorstand bestellt ist, ist im Gesetz nicht die Rede), endet frühestens mit Bestellung eines Wahlvorstandes für die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats in einer Unternehmensversammlung (vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 22. Aufl., § 3 Rn. 98) das Amt des für die Wahl eines Betriebsrats in einem der unternehmenszugehörigen Betriebe bestellten Wahlvorstandes.

Vor allem aber fehlt hier ein Verfügungsgrund im genannten Sinne deshalb, weil der bisherige Wahlvorstand jedenfalls im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Anhörung in der letzten Tatsacheninstanz des vorliegenden Verfahrens der einstweiligen Verfügung der Wahl ihren Fortgang gegeben hat. Unstreitig hat der Beteiligte zu 2. ein Wahlausschreiben erlassen. Dabei ist es unschädlich, dass dieses Wahlausschreiben nach Auffassung der Beschwerdekammer materiell-rechtlich fehlerhaft ist, weil der Wahlvorstand, der nur für die Wahl des Betriebsrats in einem von mehreren Betrieben des Unternehmens bestellt ist, die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats durchführen möchte. Dies verstößt gegen den basisdemokratischen Gedanken, der in § 3 Abs. 3 BetrVG zum Ausdruck kommt. Da die Verfahrensweise des Beteiligten zu 2. jedoch angesichts des Fehlens jeglicher auf die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats in einem betriebsratslosen Unternehmen zugeschnittener gesetzlicher Regelungen über die Wahlvorbereitung und das Wahlverfahren nicht zu einer offensichtlich nichtigen Wahl führt, kommt die von der Beschwerdekammer angenommene Fehlerhaftigkeit des Vorgehens des Wahlvorstandes nicht einer Untätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 BetrVG gleich. Der Wahlvorstand ist allenfalls in fehlerhafter Weise tätig geworden; er ist aber im relevanten Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Anhörung nicht untätig geblieben. Eine weitere Verzögerung der Wahl ist nicht zu befürchten.

Die Nachteile der - nach Auffassung der Beschwerdekammer - fehlerhaften Vorgehensweise des Wahlvorstandes sind nicht derart gravierend, dass er ersetzt werden müsste, weil für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Wahl das Wahlanfechtungsverfahren gem. § 19 BetrVG zur Verfügung steht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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