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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 23.07.2009
Aktenzeichen: 4 Sa 1049/08
Rechtsgebiete: SGB IX, BGB


Vorschriften:

SGB IX § 85
BGB § 134
Ein geringfügiges Überschreiten der nach der neueren Rechtsprechung des BAG nunmehr geltenden Regelfrist von drei Wochen für die Berufung auf die bestehende Schwerbehinderteneigenschaft nach Zugang einer Kündigung (hier: um drei Kalendertage) kann nach den Umständen des Einzelfalls unschädlich sein (hier: geringerer Vertrauensschutz der Arbeitgeberin aufgrund bereits länger bestehender und auf einen Arbeitsunfall zurückzuführenden Erkrankung/Arbeitsunfähigkeit u. a.).
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

4 Sa 1049/08

Verkündet am: 23.07.2009

In dem Rechtsstreit

hat die Vierte Kammer des Landesarbeitsgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger sowie die ehrenamtlichen Richter Kleehaupt und Sonnabend auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 25. September 2008 - 32 Ca 8718/08 - in den Ziffern 1. und 2. abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 17.06.2008 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Kehrmaschinenfahrer weiterzubeschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 2.400,00 (i. W.: zweitausendvierhundert) EUR brutto nebst jeweils Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 1.040,00 EUR brutto für den Zeitraum vom 01.06.2008 bis 30.06.2008 und aus einem Betrag von 2.400,00 EUR brutto ab 01.07.2008 zu bezahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht die Rechtsunwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung der Beklagten wegen seines bestehenden Schwerbehindertenstatus und Ansprüche auf Weiterbeschäftigung sowie auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geltend.

Der - nach den vorliegenden Unterlagen: am 00.00.1949 geborene - Kläger war bei der Beklagten auf der Grundlage eines mündlichen Arbeitsvertrages ab 01.11.2006 als "Kehrmaschinenfahrer" mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden und einer Vergütung von 10,-- € brutto/Stunde beschäftigt. Die Beklagte erbringt nach dem Vorbringen ihres Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren infrastrukturelle Gebäudedienstleistungen insbesondere im Auftrag der Landeshauptstadt München und privater Auftraggeber (Winterdienst, Straßenreinigung, Gartenpflege u. ä.), wobei sie nach ihrer Einlassung außerhalb des Winters weiter 13/14 - zwischen acht und 30 - Arbeitnehmer ausschließlich als Vollzeitbeschäftigte beschäftige. Der Kläger ist schwerbehinderter Mensch ("Schwerbehindertenausweis" vom 14.04.2004, ausweisend einen GdB von 50, Bl. 20 d. A.). Eine Beteiligung des zuständigen Integrationsamtes vor Ausspruch dieser Kündigung war nicht erfolgt.

Der Kläger hatte im/Anfang Oktober 2007 einen Arbeitsunfall erlitten, aufgrund dessen er durchgängig bis Anfang Mai 2008 arbeitsunfähig krank geschrieben war. Mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der - vom Berufungsgericht als sachverständige Zeugin vernommenen - Ärztin Dr. A. P. (Anl. K4/5 Bl. 9/10 d. A.) wurde der Kläger ab 10.05.2008 erneut bzw. weiter arbeitsunfähig krank geschrieben. Die Beklagte ließ das Arbeitsverhältnis mit Anwaltsschreiben vom 17.06.2008 (Anl. K2, Bl. 6 d. A.), dem Kläger unwiderlegt zugegangen am 18.06.2008, "zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist" kündigen.

Mit Klageschriftsatz seiner anwaltschaftlichen Vertreter vom 03.07.2008, der der Beklagten am 12.07.2008 zugestellt wurde, erhob der Kläger Feststellungsklage gegen die Kündigung der Beklagten vom 17.06.2008, auch unter Berufung auf seinen Schwerbehindertenstatus, und machte gleichzeitig Ansprüche auf Weiterbeschäftigung sowie auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ab 10.05.2008 für einen Zeitraum von sechs Wochen geltend.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 25.09.2008, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 03.11.2008 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses die Klage in vollem Umfang mit der Begründung abgewiesen hat, dass die Kündigung der Beklagten vom 17.06.2008 nicht mangels vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam sei, da der Erhalt des Sonderkündigungsschutzes des Schwerbehinderten nach § 85 SGB IX voraussetze, dass dieser dies dem Arbeitgeber innerhalb einer Regelfrist von - nach der nunmehrigen Rechtsprechung des BAG - drei Wochen ab Zugang der Kündigung mitteile, sofern der Arbeitgeber hiervon nicht ohnehin Kenntnis gehabt habe. Letzteres scheide aus. Die Ausführungen bzw. Andeutungen des Klägers, dass die Beklagte von der Agentur für Arbeit in Kenntnis gesetzt bzw. der Beklagten seine Schwerbehinderung auf jeden Fall bekannt gewesen und offen gelegt worden sei, seien unsubstantiiert und spekulativ, ebenso, dass ihm jeweils der Schwerbehindertenzusatzurlaub gewährt worden sei. Das vorgerichtliche Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19.06.2008 habe keinerlei Hinweis auf die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers enthalten. Der Klageschriftsatz mit dem Hinweis auf die bestehende Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers sei der Beklagten erst am 09.07.2008 und damit nach Ablauf der nunmehr geltenden Dreiwochenfrist zugestellt worden. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes allgemein habe der Kläger seiner hier geltenden Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Mindestarbeitnehmerzahl nicht genügt. Es bestehe auch kein Entgeltfortzahlungsanspruch des Klägers für die Zeit nach dem 09.05.2008, da er seiner ihm insoweit ebenfalls obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen sei, sondern sich vielmehr darauf beschränkt habe, - wiederholt - lediglich zu behaupten, bei der Krankschreibung ab 10.05.2008 habe es sich um eine "neue" Osteoporose-Erkrankung gehandelt, die nicht kausal auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei, ohne wiederum notwendig konkrete Tatsachen hierfür vorzutragen und seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Damit sei vom Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung auszugehen, die einen erneuten Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausschließe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.11.2008, am selben Tag zunächst per Telefax beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung er gleichzeitig vorgetragen hat, dass sich - anders als vom Arbeitsgericht angenommen - aus seinen erstinstanzlichen Darlegungen ergeben habe, dass er der Beklagten seine Schwerbehinderteneigenschaft rechtzeitig vor Ausspruch der Kündigung mitgeteilt gehabt habe, da die Beklagte bereits im Rahmen der Vermittlung des Klägers durch die Agentur für Arbeit hiervon in Kenntnis gesetzt und auch ein Vorgesetzter des Klägers als Zeuge dafür angeboten gewesen seien, dass die Beklagte bereits während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses Kenntnis von der Schwerbehinderung des Klägers gehabt habe, zumal ihm von der Beklagten zusätzlich zu seinem normalen Urlaub weiterer Urlaub für seine Schwerbehinderung gewährt worden sei. Hinsichtlich der Ablehnung des Anspruches auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verkenne des Arbeitsgericht, dass das BAG bei Unkenntnis des Arbeitgebers über die Ursachen der Erkrankung und Bestreiten einer Fortsetzungserkrankung darauf abstelle, dass auf Wunsch des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer der behandelnde Arzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden wäre. Einen solchen Wunsch habe die Beklagte erstinstanzlich nicht geäußert, jedenfalls vorprozessuale kategorisch das Vorliegen einer "neuen" Erkrankung des Klägers bestritten. Das nachträgliche Berufen auf eine Entbindung von der Schweigepflicht sei rechtsmissbräuchlich, da die Beklagte das Vorliegen einer "neuen" Erkrankung einfach ins Blaue hinein bestritten habe, um sich einer erneuten Entgeltfortzahlung entziehen zu können. In der Folge des Berufungsverfahrens hat der Kläger eine schriftliche Erklärung über die Entbindung seiner behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht vorgelegt (Anl. K10, Bl. 95 d. A.).

Der Kläger beantragt:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München, Az.: 32 Ca 8718/08, wird aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 17.06.2008 nicht aufgelöst wird.

III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.400,00 brutto (Gehalt für Mai und Juni 2008) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus € 1.040,00 vom 01.06.2008 bis 30.06.2008 sowie aus € 2.400,00 seit 01.07.2008 zu bezahlen, sowie die Monate Mai und Juni 2008 ordnungsgemäß abzurechnen.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Kehrmaschinenfahrer weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihres Antrages auf Zurückweisung der Berufung unter Verteidigung der Gründe des Ersturteils vor, dass es dem Kläger nach wie vor nicht gelinge, die - rechtzeitige - Unterrichtung des Arbeitgebers über seine Schwerbehinderteneigenschaft darzulegen und zu beweisen. Dies hätte dem Arbeitgeber innerhalb des vom Gesetzgeber vorgesehenen Drei-Wochen-Zeitraums mitgeteilt werden müssen, was der Kläger unterlassen habe. Auch der vom Kläger benannte Zeuge M. biete keinen hinreichenden Beweis dafür, dass die Geschäftsführung der Beklagten von einer Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers Kenntnis gehabt habe. Der Kläger sei auch für seine nicht vorhandene Fortsetzungserkrankung darlegungs- und beweisbelastet, da die Arbeitgeberseite nach den vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen natürlich davon ausgehen habe müssen, dass es sich nicht um eine erneute - diagnosefremde - Erkrankung handle, sondern die Ursprungserkrankung weiterhin fortgesetzt werde. Eine Obliegenheit des Arbeitgebers, vom Arbeitnehmer zu verlangen, die Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, gebe es nicht. Die Beklagte habe eine "neue" Erkrankung auch nicht einfach ins Blaue hinein bestritten, da es für die Beklagte den Anschein habe, als sei die Ursprungserkrankung fortgesetzt worden. Hier liege ein Zielkonflikt zwischen der Krankenkasse und der Bundesagentur für Arbeit vor, da eine dieser beiden Parteien zur Fortzahlung im Krankheitsfalle verpflichtet wäre.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Zweiten Rechtszug im Übrigen wird auf die Schriftsätze vom 28.11.2008, vom 05.12.2008, vom 22.04.2009, vom 26.05.2009 und vom 16.06.2009, nebst der vorgelegten Anlagen, sowie auf ihre ergänzenden Einlassungen in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren gemäß dem Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 12.03.2009 und vom 25.06.2009 Bezug genommen.

Die Berufungskammer hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 19.03.2009 Beweis erhoben durch jeweils uneidliche Einvernahme der vom Kläger benannten sachverständigen Zeugin Dr. P. und des Zeugen M.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.06.2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache weitgehend Erfolg.

I.

1. Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

2. Hinsichtlich des Antrages zu Ziffer III. der in der Berufung gestellten Anträge aE, in der Fassung des Antrages zu Ziffer II. im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 18.08.2008 (Bl. 22 d. A.), - der dort auch beantragten "ordnungsgemäße(n) Abrechnung" der Monate Mai und Juni 2008 - ist die vom Kläger insoweit eingelegte Berufung unzulässig, weil diese insoweit auch nicht ansatzweise begründet ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, 64 Abs. 6 ArbGG, 522 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO). Die Berufungsbegründung geht auf die erstinstanzliche Entscheidung hierzu mit näherer Begründung der klageabweisenden Entscheidung zu diesem Abrechnungsanspruch, auch unter Bezugnahme auf § 108 Abs. 2 GewO, mit keinem Wort ein. Dies ergibt sich auch nicht als Annex zur vorliegend hierzu abändernden und der Klage - auch - insoweit stattgebenden Entscheidung.

Die Berufung des Klägers ist deshalb insoweit mangels Begründung unzulässig, wobei aus tenorierungspragmatischen Gründen von einer teilweisen Verwerfung der Berufung als unzulässig abgesehen wurde.

II.

Die Berufung des Klägers ist im Übrigen begründet.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aufgrund Rechtsunwirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 17.06.2008 nicht aufgelöst worden (dazu 1.), weshalb auch dem Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers stattzugeben ist (dazu 2.). Ebenso hat der Kläger Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Rahmen des hierzu zuletzt gestellten Antrages (dazu 3.).

1. Die Kündigung der Beklagten vom 17.06.2008, dem Kläger unwiderlegt zugegangen am 18.06.2008, ist mangels erforderlicher Zustimmung des Integrationsamtes rechtsunwirksam (§§ 85 SGB IX, 134 BGB).

a) Der Status des Klägers als schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX ist unstreitig. Die Beklagte hat seinen vom Kläger erstinstanzlich in Kopie vorgelegten Schwerbehindertenausweis vom 14.04.2004 (Bl. 20 d. A. - mit nur deklaratorischer Wirkung -), ausweisend einen Grad der Behinderung von 50 und mit Gültigkeit ab 18.03.2004, nicht in Zweifel gezogen.

b) Die ordentliche Kündigung der Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 17.06.2008 bedurfte deshalb zwingend der vorherigen Zustimmung des zuständigen Integrationsamtes (§ 85 SGB IX), die hier ebenso unstreitig fehlt.

aa) Hierauf konnte der Kläger sich nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls noch - rechtzeitig - im Klageschriftsatz berufen.

Zwar steht dem schwerbehinderten Menschen der volle Sonderkündigungsschutz nach den §§ 85 f SGB IX unabhängig davon zu, ob dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung bekannt ist oder nicht (etwa BAG, U. v. 12.01.2006, 2 AZR 539/05, AP Nr. 3 zu § 85 SGB IX - II. 3. a der Gründe -).

Ist dem Arbeitgeber die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers bekannt - oder ist dies nach den Umständen jedenfalls als offenkundig anzusehen oder hat der Arbeitgeber Kenntnis von solchen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmer, die ihrer Art nach den Schluss auf eine Schwerbehinderteneigenschaft nahelegen (ständ. Rspr. des BAG; vgl. näher Dörner in Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2009, Kap. 4 Rz. 64 f m.w.N.) -, erweist sich die ohne die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene Kündigung als nichtig.

Hat der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers keine Kenntnis und kann er deshalb mit der Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung nicht rechnen, kann das Recht des Arbeitnehmers, sich später im Prozess auf seine Schwerbehinderung zu berufen und die Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung nach § 85 SGB IX geltend zu machen, verwirken (vgl. auch den gerichtlichen Hinweisbeschluss vom 19.03.2009, dort Ziff. 4. lit. a, Bl. 104/105 d. A.). Deshalb muss der Arbeitnehmer in diesem Fall, um sich den Sonderkündigungsschutz nach § 85 SGB IX zu erhalten, nach Zugang der Kündigung gegenüber dem Arbeitgeber innerhalb einer angemessenen Frist seine festgestellte (oder zur Feststellung beantragte) Schwerbehinderteneigenschaft geltend machen. Unterlässt der Arbeitnehmer im Rahmen dieser Obliegenheit eine solche Mitteilung - innerhalb einer entsprechenden Frist -, ist die Kündigung nicht bereits wegen der fehlenden Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam - der Arbeitnehmer hat dann allein den besonderen Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch verwirkt (BAG, etwa U. v. 12.01.2006, aaO - II. 3. b der Gründe, m. w. N. -).

Als in diesem Zusammenhang angemessene Frist für die Berufung auf den bestehenden (oder beantragten) Schwerbehindertenstatus gegenüber dem Arbeitgeber nach Ausspruch einer ohne Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochenen Kündigung zur Vermeidung einer Verwirkung einer solchen Mitteilung - also im Ergebnis das Zeitmoment des Verwirkungstatbestandes - hat das BAG früher in ständiger Rechtsprechung eine Frist von "regelmäßig" einem Monat nach Erhalt der Kündigung angesehen. In der auch vom Arbeitsgericht angezogenen Entscheidung vom 12.01.2006 (2 AZR 539/05, aaO) hat das BAG im Rahmen eines obiter dictums erwogen, nach der Neufassung des SGB IX und des § 4 KSchG künftig von einer Regelfrist von drei Wochen auszugehen, innerhalb derer der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Schwerbehinderung (oder einen entsprechenden Feststellungsantrag) zur Vermeidung der Verwirkung seines Berufendürfens hierauf mitteilen muss. Dies stellte somit lediglich die Ankündigung einer, möglichen/denkbaren, Rechtsprechungsänderung dar - nicht bereits diese selbst, wie dies das Arbeitsgericht offensichtlich ohne Weiteres und unbesehen angenommen hat (was etwa das LAG Baden-Württemberg - U. v. 25.03.2008, 16 Sa 87/07, A. II./Rz. 73 d. Gr. (juris) - nachvollziehbar dazu veranlasst hat, bis zu einer im angedeuteten Sinn tatsächlich erfolgten Rechtsprechungsänderung durch das BAG von der bisherigen Rechtsprechung der Regel-Monatsfrist für ein nachträgliches Sich-Berufen-Dürfen auf die bestehende Schwerbehinderteneigenschaft zum Erhalt des Sonderkündigungsschutzes auszugehen).

Allerdings ist derselbe Zweite Senat des BAG in, soweit ersichtlich, zwei neueren Entscheidungen (vom 13.02.2008, 2 AZR 864/06, AP Nr. 4 zu § 85 SGB IX - Rz. 45 der Gründe -, u. v. 11.12.2008, 2 AZR 395/07, NZA 2009, S. 556 f - Rz. 17 -) jeweils ebenfalls im Rahmen von obiter dicta offensichtlich ohne Weiteres von einer nunmehr anzuwendenden Regelfrist von drei Wochen für die Geltendmachung der - festgestellten oder beantragten - Schwerbehinderteneigenschaft zum Erhalt des Sonderkündigungsschutzes und der Vermeidung einer Verwirkung eines nachträglichen Berufendürfens hierauf ausgegangen - was deshalb hier zugrunde zulegen ist.

bb) Unter den vorliegenden besonderen Umständen und nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme kann zur Überzeugung der Berufungskammer offen bleiben, ob davon auszugehen ist, dass die Beklagte den Schwerbehindertenstatus des Klägers zum Zeitpunkt der Kündigung vom 17.06.2008 positiv kannte, da der Kläger andernfalls dies jedenfalls noch innerhalb der nunmehrigen Regelfrist von (ca.) drei Wochen nach Erhalt der Kündigung der Beklagten nachträglich mitgeteilt hätte (dazu cc).

(1) Der vom Kläger benannte Zeuge M. hat vor der Berufungskammer zusammengefasst ausgesagt, dass er während der Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten als Betriebsleiter tätig gewesen sei und gewusst habe, dass der Kläger schwerbehindert ist. Ob er, der Zeuge, über die Schwerbehinderung des Klägers mit dem Geschäftsführer der Beklagten geredet habe, könne er nicht mehr mit Sicherheit sagen, zumal dieser nicht immer anwesend gewesen sei (Sitzungsniederschrift vom 25.06.2009, S. 6/7, Bl. 131 f/136 f d. A.).

Die Aussage des Zeugen M. war für die Berufungskammer uneingeschränkt glaubhaft. Der Zeuge ist nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt und damit ersichtlich ohne Bindung an eine der Parteien. Seine Aussage war konkret, differenziert und frei von erkennbaren Widersprüchen, damit ohne Einschränkung überzeugend. Auch der Eindruck der Berufungskammer von der Person des Zeugen und Stil und Ablauf seiner Aussage gibt zu keinen Zweifeln hinsichtlich deren Glaubhaftigkeit und/oder der Glaubwürdigkeit des Zeugen Anlass.

(2) Als Adressat einer nachträglichen Mitteilung der bestehenden (oder beantragten) Schwerbehinderteneigenschaft durch den Arbeitnehmer als dessen Obliegenheit zur Aufrechterhaltung seines Sonderkündigungsschutzes kommt nicht nur der gesetzliche oder rechtsgeschäftlich umfassend, auch zum Ausspruch einer Kündigung, bevollmächtigte Vertreter in Betracht - ausreichend ist hierfür die Kenntnis solcher in herausgehobener Stellung tätigen Arbeitnehmer, die eine ähnlich selbstständige Stellung wie ein rechtsgeschäftlicher Vertreter des Arbeitgebers innehaben, oberhalb der Ebene von auf rein arbeitstechnische Befugnisse beschränkten Vorgesetzten (BAG, U. v. 05.07.1990, 2 AZR 8/90, AP Nr. 1 zu § 15 SchwbG 1986 - vergleichbar der ständigen Rechtsprechung zur möglichen Zurechnung einer Kenntnis etwa eines Vorgesetzten im Rahmen der Kündigungserklärungsausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB).

Aufgrund der Aussage des Zeugen M. steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass dem Zeugen M. als damaligem "Betriebsleiter" -oder "Vorarbeiter" bzw. "Kapo", so der Geschäftsführer der Beklagten im Rahmen seiner Parteianhörung am Ende der mündlichen Verhandlung zur Stellung/Funktion dieses Zeugen - der Schwerbehindertenstatus des Klägers positiv bekannt war. Es spricht hiernach für die Berufungskammer einiges dafür, dass die Beklagte - deren Organgeschäftsführer als deren gesetzlicher Vertreter (§ 35 GmbHG) - sich dessen Kenntnis nach den Umständen zurechnen lassen muss, da dieser Zeuge nach seiner glaubhaften Aussage diejenige Person war, die das Direktionsrecht gegenüber den Arbeitnehmern der Beklagten ausgeübt, diese eingeteilt hat (usw.).

Es liegt nach Auffassung der Berufungskammer nahe, aufgrund der Aussage des Zeugen M. über seine Stellung, Funktion und Befugnisse gegenüber den Mitarbeitern der Beklagten wie dem Kläger seine Kenntnis von dessen Schwerbehindertenstatus hiernach der Beklagten zuzurechnen. Der Zeuge M. war nach dem Gesamtinhalt und -eindruck seiner Aussage nicht lediglich schlichter "Schichtführer" o. ä., sondern allerdings "Betriebsleiter" im Sinne der ersichtlich weitgehenden Ausführung des operativen Geschäfts der Beklagten, des Einsatzes deren Mitarbeiter für die verschiedenen, offensichtlich auch witterungsbedingt schwankenden, Aufträge.

cc) Im Ergebnis kann dies jedoch offen bleiben, da der Kläger auch bei Annahme einer fehlenden, der Beklagten zuzurechnenden, Kenntnis von seiner Schwerbehinderteneigenschaft diese jedenfalls rechtzeitig innerhalb einer, wie nunmehr anzunehmen, Regelfrist von - etwa - drei Wochen mitgeteilt hätte:

(1) Wie das Arbeitsgericht, ohne Berufungsangriffe hiergegen, ausgeführt hat, hatte der Kläger der Beklagten seinen Schwerbehindertenstatus nicht vorgerichtlich mitgeteilt, sich jedoch hierauf ausdrücklich im Klageschriftsatz vom 03.07.2008, der der Beklagten, ausweislich der Postzustellungsurkunde, am 12.07.2008 zugestellt worden ist, berufen -damit 24 Kalendertage = drei Wochen und drei Kalendertage nach dem unwiderlegten Zugang der Kündigung vom 17.06.2008 am 18.06.2008.

(2) Dies erweist sich auch in Ansehung der Anwendung einer Regelfrist von drei Wochen im Rahmen der Obliegenheit des Arbeitnehmers zur nachträglichen Mitteilung der Schwerbehinderteneigenschaft zur Vermeidung einer Verwirkung des Berufenkönnens hierauf zum Erhalt des Sonderkündigungsschutzes nach den besonderen Umständen des vorliegenden Einzelfalles als noch rechtzeitig:

Bei dieser Frist von drei Wochen für die nachträgliche Mitteilung der Schwerbehinderteneigenschaft als Obliegenheit des Arbeitnehmers handelt es sich nicht um eine fixe, starre, Frist, als Ausschlussfrist - solches wäre durch Richterrecht auch kaum rechtswirksam festzusetzen -. Diese Frist stellt nach ständiger Rechtsprechung des BAG eine "Regelfrist" dar, eine angemessene Frist im Rahmen des Zeitmoments des Verwirkungseinwands, die - vor allem aus Rechtssicherheitsgründen für den Arbeitgeber - "regelmäßig" einen solchen Zeitraum umfasst (BAG, etwa U. v. 12.01.2006, 2 AZR 395/05, aaO). Deshalb sind je nach den Umständen des Einzelfalles geringfügige Überschreitungen dieser Frist denkbar/unschädlich (vgl. BAG, U. v. 16.01.1985, 7 AZR 373/83, AP Nr. 14 zu § 12 SchwbG; zuletzt U. v. 12.01.2006, 2 AZR 539/05 aaO - II. 3. c/Rz. 18 der Gründe, m. w. N. -; siehe näher auch BAG, U. v. 05.12.1980, 7 AZR 931/78; U. v. 16.12.1980, 7 AZR 1031/78; U. v. 17.09.1981, 2 AZR 369/79 - letztere drei Entscheidungen sind unveröffentlicht und jeweils dokumentiert in juris -; siehe näher auch APS-Vossen, 3. Aufl. 2007, § 85 SGB IX Rz. 17 m. w. N.).

Als einen besonderen Umstand, der eine Unterbrechung/Überschreitung der Regelfrist zur nachträglichen Mitteilung im Rahmen des Verwirkungsgedankens bewirken kann, hat die Rechtsprechung des BAG etwa die Kenntnis des Arbeitgebers von solchen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers angesehen, die nach ihrer Art den Schluss auf eine mögliche Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers nahelegen. In einem solchen Fall besteht jedenfalls bei einer nicht wesentlichen Überschreitung der Mitteilungsfrist kein schutzwürdiges Vertrauen des Arbeitgebers darauf, dass der Arbeitnehmer nicht Schwerbehinderter im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen ist und es daher zur Kündigung keiner Zustimmung des Integrationsamtes bedurfte (BAG, U. v. 12.01.2006, 2 AZR 539/05, aaO - II. 3. c der Gründe -).

Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung unstreitig wegen eines Arbeitsunfalls im/ab Oktober 2007 durchgängig mehr als ein halbes Jahr arbeitsunfähig erkrankt und krankgeschrieben war - was bereits eine ganz erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung indiziert. Die Beklagte selbst insistiert im Zusammenhang mit dem weiteren streitgegenständlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung ab 10.05.2008 darauf, dass die hier erfolgte Krankschreibung keine, vom Kläger behauptete, "neue" Erkrankung, sondern eine Fortsetzungserkrankung darstelle, die Folgen des vom Kläger im Oktober 2007 erlittenen Arbeitsunfalls somit nach wie vor nicht ausgeheilt gewesen seien, was schwerwiegende Folgen des Arbeitsunfalls in Kenntnis der Beklagten indiziert und die Anforderungen an ihren Vertrauensschutz hinsichtlich einer Einhaltung der Geltendmachungsfrist für den Schwerbehindertenstatus reduziert. Im Unterschied zu Fallgestaltungen, in denen der Arbeitgeber keinerlei Kenntnis von irgendwelchen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des zu kündigenden Arbeitnehmers hat, besteht in Fällen wie dem vorliegenden ein geringerer Vertrauensschutz des Arbeitgebers, der es rechtfertigt, geringfügige Durchbrechungen/Überschreitungen der Regelfrist um wenige - hier lediglich drei - Kalendertage als unschädlich für den Erhalt des besonderen Kündigungsschutzes nach § 85 SGB IX zu erachten (siehe auch BAG, U. v. 05.12.1980, 7 AZR 931/78, aaO - II. aE der Gründe -; U. v. 16.12.1980, 7 AZR 1031/78, aaO; U. v. 12.01.2006, 2 AZR 539/05, aaO).

Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass sich die Beklagte jedenfalls insoweit zurechnen lassen muss, dass ihr bekannt sein musste, dass der Kläger in der Vergangenheit, vor seinem Arbeitsunfall im (Anfang) Oktober 2007 und der dann folgenden langfristigen und bis zur Kündigung (aus welchen Gründen insoweit auch immer) andauernden Erkrankung/Arbeitsunfähigkeit, aus gesundheitlichen Gründen nur beschränkt einsatzfähig war: Der Zeuge M. hat, auch insoweit uneingeschränkt glaubhaft, ausgesagt, dass ihm klar gewesen sei, dass der Kläger "z. B. keine reinen Handschaufel-Touren machen" habe können, und er vom Kläger darauf hingewiesen worden sei, dass dieser nicht für alle Arbeiten einsatzfähig sei (Sitzungsniederschrift vom 25.06.2009, S. 6, Bl. 131 f/136 d. A.). Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Kündigung ein Alter von 58 Jahren.

Diese besonderen gesundheitlichen Umstände - Arbeitsunfall mit der Folge langfristiger Erkrankung/Arbeitsunfähigkeit, bis zum Zeitpunkt der Kündigung, bereits zuvor bestehende und der Beklagten bekannte beschränkte körperliche Belastbarkeit für die vom Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung abschließend geschilderten handwerklichen Dienstleistungen weitgehend im Freien (Winterdienst, Straßenreinigung u. a.) - wirken sich auf den hier, im Rahmen der Regelfrist für die Geltendmachung seiner Schwerbehinderteneigenschaft als Verwirkungstatbestand, maßgeblichen Vertrauensschutz der Beklagten aus und lassen eine Überschreitung der nunmehr, nach der aktuellen Rechtsprechung des BAG, zugrunde zulegenden Regelfrist von drei Wochen um hier drei Kalendertage durch Zustellung des Klageschriftsatzes als unschädlich erscheinen - weshalb der Kläger sich auch bei Annahme fehlender Kenntnis der Beklagten von seinem Schwerbehindertenstatus bei Ausspruch der Kündigung jedenfalls noch innerhalb einer angemessenen Frist - von hier 24 Kalendertagen - auf seinen Schwerbehindertenstatus berufen hat, die geringfügige Überschreitung dieser Frist um drei Kalendertage nach den Umständen des vorliegenden Falles als unschädlich erscheinen muss.

dd) Deshalb erweist sich die Kündigung der Beklagten vom 17.06.2008 mangels vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes als nichtig (§§ 85 SGB IX, 134 BGB), weshalb die Feststellungsklage Erfolg haben muss - die erstinstanzliche Entscheidung hierzu zu ändern ist -, ohne dass es weiter auf die Frage ankommt, ob sich die Kündigung auch nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes als sozial ungerechtfertigt erweisen würde (im Klageschriftsatz hatte sich der Kläger wohl noch erkennbar - auch - hierauf berufen, dies jedoch nach allgemeinem Bestreiten der Beklagten hinsichtlich dessen Anwendbarkeit nach der erforderlichen Beschäftigtenzahl (§ 23 Abs. 1 KSchG) im Klageerwiderungsschriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.07.2008 erstinstanzlich offensichtlich nicht mehr weiterverfolgt - siehe § 6 KSchG ! -, wobei nach den Einlassungen des Geschäftsführers der Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren zuletzt wohl von den Voraussetzungen der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes - § 23 Abs. 1 KSchG - auszugehen gewesen sein dürfte ...).

2. Damit hat er Kläger ohne Weiteres auch einen allgemeinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu den vertragsgemäßen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits (ständ. Rspr. des BAG seit dem B. des Großen Senats v. 27.02.1985, GS 1/84, AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

Die Beklagte hat besondere Umstände, die auch im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung über die Rechtsunwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung während des Rechtsstreits ein überwiegendes Interesse an einer Nichtbeschäftigung des Klägers begründen sollten, weder - wenigstens hilfsweise - vorgetragen noch wären solche sonst ersichtlich.

3. Der Kläger hat nach dem Ergebnis der vom Berufungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme auch einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den sechswöchigen Zeitraum vom 10.05.2008 bis 24.(20.)06.2008 in der zuletzt geltend gemachten Höhe von 2.400,-- € brutto nebst Verzugszinsen (§§ 3 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, 4 Abs. 1 EntgFG).

a) Dem Entgeltfortzahlungsanspruch des Klägers dem Grunde nach steht nicht entgegen, dass die unstreitig bestehende und attestierte Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 10.05.2008 (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in Anl. K4 und K5, Bl. 9/10 d. A.) eine Fortsetzungserkrankung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG im Rahmen seiner infolge des Arbeitsunfalls im Oktober 2007 durchgängig (fort)bestehenden Arbeitsunfähigkeit gewesen wäre, wie die Beklagte hierzu ersichtlich allein geltend macht und was einen solchen Anspruch ausschließen würde.

aa) Die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen der Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG trägt der Arbeitnehmer. Dieser genügt seiner Darlegungs- und Beweislast gemäß § 5 Abs. 1 EFZG - wie das Gericht bereits wiederum im gerichtlichen Hinweisbeschluss vom 19.03.2009 (dort unter 4. lit. b) näher ausgeführt hat - regelmäßig durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die jedoch bei einer über sechs Wochen hinaus dauernden Arbeitsunfähigkeit nicht ausreichend ist, weil sie keine Angaben zum Bestehen einer Fortsetzungserkrankung enthält. Der Arbeitnehmer muss deshalb darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt, wobei er eine entsprechende ärztliche Bescheinigung vorlegen kann. Bestreitet der Arbeitgeber das Vorliegen einer "neuen" Krankheit, obliegt dem Arbeitnehmer die Darlegung der Tatsachen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung vorgelegen. Dabei hat der Arbeitnehmer - auch ohne besondere Aufforderung seitens des Arbeitgebers - den Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden.

Die Folgen einer Nichterweislichkeit einer Fortsetzungserkrankung sind allerdings vom Arbeitgeber zu tragen, da nach der sprachlichen Fassung des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG den Arbeitgeber die objektive Beweislast hierfür trifft (vgl. BAG, U. v. 13.07.2005, 5 AZR 389/04, AP Nr. 25 zu § 3 EntgeltFG - Rz. 29 der Gründe m. w. N. -).

bb) (1) Die (sachverständige) Zeugin Dr. P., die langjährige (offensichtlich Haus-) Ärztin des Klägers, die auch die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ab 10.05.2008 erstellt hat, hat bei ihrer Einvernahme durch die Berufungskammer im wesentlichen ausgesagt, dass sie den Kläger im Zusammenhang mit einem Trauma an seiner Wirbelsäule im Jahr 2007 und der sich hierbei stellenden Frage eines Arbeitsunfalls an den BG-Arzt weitergeschickt und in einer radiologischen Praxis die Erstellung eines Skelettszintigramms usw., ebenso einer Kernspintomographie, veranlasst habe, auch im Zusammenhang mit einer früheren Krebserkrankung des Klägers. Hierbei sei die Diagnose Osteoporose nicht festzustellen gewesen. Da der Kläger dann aber über zunehmende Schmerzen im gesamten Skelettbereich geklagt und ein anderer Arzt der Zeugin die Verschreibung eines Osteoporosemittels aus diesem Grund empfohlen habe, sei die Krankschreibung - Arbeitsunfähigkeit - des Klägers durch die Zeugin am 09.05.2008 wegen des Verdachts der Osteoporose erfolgt. Ohne solche unspezifischen Schmerzen/Beschwerden wäre die Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Zusammenhang mit dem Trauma an seiner Wirbelsäule und auch der früheren Krebserkrankung nicht mehr wesentlich gewesen und hätte zu keiner weiteren Arbeitsunfähigkeit aus diesen Gründen mehr geführt. Sie erkundige sich im Zusammenhang mit Krankschreibungen über die berufliche Tätigkeit des Patienten usw., falls ihr solches nicht bereits bekannt sei (Sitzungsniederschrift vom 25.06.2009, S. 3 f, Bl. 131 f/133 f d. A.).

Die Aussage der sachverständigen Zeugin Dr. P. war für die Berufungskammer uneingeschränkt glaubhaft. Diese Aussage war präzise, stimmig und ohne jegliche Widersprüche. Die Zeugin hat als Ärztin aufgrund ihrer langjährigen Behandlung und Kenntnis des Klägers als Patienten, ihrer beruflichen Kompetenz und auf der Basis ihrer Patientenunterlagen die anamnestischen und diagnostischen Feststellungen - auch, soweit diese von dritten Ärzten stammten - überlegt dargestellt und ihre Überlegungen zur ärztlichen Einschätzung der zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen des Klägers überzeugend bekundet. Auch der Eindruck des Gerichts von der Persönlichkeit der Zeugin und Stil und Ablauf ihrer Aussage gibt zu keinen Zweifeln hinsichtlich deren Glaubhaftigkeit und/oder der Glaubwürdigkeit der Zeugin Anlass.

(2) Damit steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 10.05.2008 und für den folgenden, unbestritten gegebenen, sechswöchigen Arbeitsunfähigkeitszeitraum keine weitere Fortsetzungserkrankung im Rahmen der auf dem Arbeitsunfall vom Oktober 2007 (wohl, nach den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung am 12.03.2009 im Rahmen seiner ergänzenden Parteianhörung im Berufungsverfahren unbestritten geschilderten Umständen dieses Arbeitsunfalls und dessen (Verletzungs-)Folgen: Bruch von Brustwirbeln bzw. Trauma an der Wirbelsäule) bestehenden Arbeitsunfähigkeit darstellte, sondern eine "neue", andere, Erkrankung und hierauf beruhende Arbeitsunfähigkeit. Die Zeugin Dr. P. hat auf nachdrückliche Nachfrage auch des Beklagtenvertreters glaubhaft und überzeugend bekundet, dass ohne die nunmehr, erstmals, beim Kläger festgestellte Osteoporose seine bis dahin bestehende Arbeitsunfähigkeit, im Zusammenhang mit dem Trauma an der Wirbelsäule (und möglicher Metastasen aufgrund seiner früheren Krebserkrankung), beendet gewesen wäre - somit ab 10.05.2008 eine "neue" zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung vorlag, die nach der hier geltenden gesetzlichen Regelung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 EFZG) einen erneuten Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall begründete.

Aufgrund dieser überzeugenden und eindeutigen Zeugenaussage scheidet auch die Annahme aus, dass die Osteoporoseerkrankung des Klägers ab 10.05.2008 während der noch fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers insbesondere wegen des Arbeitsunfalls im Oktober 2007 bzw. in unmittelbarem Anschluss hieran hinzugetreten wäre, was nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Verhinderungsfalles einem neuerlichen Entgeltfortzahlungsanspruch entgegenstehen müsste (vgl. etwa BAG, U. v. 13.07.2005, aaO - Rz. 26 f der Gründe -; grundlegend auch BAG, U. v. 02.12.1981, 5 AZR 89/80, AP Nr. 48 zu § 1 LohnFG - falls anzunehmen wäre, dass die Beklagte, die die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 10.05.2008 ersichtlich weiterhin ausschließlich als Folge des Arbeitsunfalls vom Oktober 2007 und damit als Fortsetzungserkrankung im gesetzlichen Sinn ansehen und hierauf zurückführen will, sich überhaupt auf diese Überlegung berufen hätte !).

Weitergehendes materiellrechtliches Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 01.07.2009, nach ausdrücklicher Schließung der mündlichen Verhandlung am Ende des Termins vom 25.06.2009 (§ 136 Abs. 4 ZPO), - sofern dort überhaupt erfolgt - war nicht zu berücksichtigen. Der Beklagten - beiden Parteien - war eine Schriftsatzfrist, wie beantragt, ausschließlich zur Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme in diesem Termin nachgelassen worden. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund etwa zusätzlichen, entscheidungserheblichen, materiellrechtlichen Vorbringens war deshalb nicht veranlasst (§§ 156, 296 a ZPO).

Nach der objektiven Beweislast hat der Kläger somit dem Grunde nach einen neuerlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum von sechs Wochen ab 10.05.2008 (§ 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG - das Fortbestehen der neuerlichen Arbeitsunfähigkeit des Klägers für diesen Zeitraum ist, wie ausgeführt, nicht streitig).

b) Der Höhe nach besteht nach dem Lohnausfallprinzip Anspruch auf den hierzu zuletzt geltend gemachten Hauptsachebetrag von 2.400,-- € brutto, nachdem eine Wochenarbeitszeit des Klägers von 40 Stunden und eine Stundenvergütung von 10,-- € brutto ebenfalls unstreitig sind (40 Stunden/Woche x 10,-- € brutto/Stunde x 6 Wochen).

c) Die Entscheidung zu den auf diesen Betrag zuletzt geltend gemachten Verzugszinsen beruht auf § 288 Abs. 1 BGB ab dem jeweiligen Fälligkeitstermin.

III.

Aufgrund des ganz überwiegenden Erfolgs der Berufung des Klägers hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen, wobei das marginale Teilunterliegen des Klägers hinsichtlich der geltend gemachten Verpflichtung zur Erteilung einer Entgeltabrechnung für Mai/Juni 2008 wegen seiner peripheren wirtschaftlichen Bedeutung vernachlässigt werden konnte (§§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 und 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

IV.

Da dem Rechtsstreit über die Klärung der konkreten Rechtsbeziehungen der Parteien hinaus keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, bestand für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung.

Gegen dieses Urteil ist deshalb die Revision nur gegeben, wenn sie das Bundesarbeitsgericht auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde, auf deren Möglichkeit und Voraussetzungen gemäß § 72 a ArbGG insbesondere die Beklagte hingewiesen wird, zulassen sollte.

Ende der Entscheidung

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