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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 09.10.2003
Aktenzeichen: 4 Sa 443/03
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG 1972


Vorschriften:

ArbGG § 64 Abs. 2
BetrVG 1972 § 77
Nach der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 02.12.1994, ergänzt durch die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 10.03.1998, bei der Firma XY über die "Abkehr älterer Mitarbeiter" hat der Arbeitgeber "Übergangsbeihilfe" im Zeitraum zwischen Beendigung des Bezugs von Arbeitslosengeld und dem Zeitpunkt des Beginns des Anspruches auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 90% des letzten, vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers durchschnittlich verdienten, Nettomonatseinkommens zu zahlen, was bedeutet, dass der Arbeitgeber in diesem Zeitraum des Vorruhestandes im Ergebnis eine Steuerlast des Arbeitnehmers hinsichtlich eines vom Arbeitnehmer (wegen Nichtbezuges von Arbeitslosenhilfe) selbst zu versteuernden Krankenversicherungsbeitrages zu übernehmen - die "Übergangsbeihilfe" entsprechend
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 Sa 443/03

Verkündet am: 9. Oktober 2003

In dem Rechtsstreit

hat die Vierte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Wenzler und Scheib für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München - Kammer Ingolstadt - vom 11. Februar 2003 -10b Ca 482/02 I - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger fordert von der Beklagten als seiner früheren Arbeitgeberin die Zahlung einer höheren "Übergangsbeihilfe" während der Zeit des "Vorruhestandes", da er von der Beklagten erstattete Krankenversicherungsbeiträge nunmehr selbst versteuern muss.

Der am 22.04.1944 geborene Kläger war ab 01.04.1979 bei der Beklagten, zuletzt als Personalreferent, beschäftigt.

Bei der Beklagten besteht eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 02.12.1994 (Bl. 23 - 32 d.A.) über "die Abkehr älterer Mitarbeiter", die u.a. bestimmt:

"...

5. Leistungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Während der Arbeitslosigkeit erhalten ausgeschiedene Mitarbeiter Ausgleichszahlungen (Zuschuß/Übergangsbeihilfe), die als nachrangige Leistungen zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit gewährt werden.

Der Zuschuß wird gezahlt, solange der Mitarbeiter Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, längstens bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung besteht.

Übergangsbeihilfe wird nach Beendigung der Gewährung von Arbeitslosengeld gezahlt, längstens bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung besteht.

Voraussetzung für die Zahlung von Zuschuß bzw. Übergangsbeihilfe ist die Beantragung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe durch den Mitarbeiter.

Wird der Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe vom Arbeitsamt abgelehnt, entrichtet der Arbeitgeber - unabhängig von der Höhe der zu zahlenden Übergangsbeihilfe - die Krankenversicherungsbeiträge zu 100 % brutto (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil).

6. Höhe der Leistungen

Die Ausgleichszahlungen und die Leistungen des Arbeitsamts sichern zusammen 90 % des letzten vor dem Ausscheiden durchschnittlich verdienten Monatsnettoeinkommens ab.

Der Zuschuß bzw. die Überbrückungsbeihilfe wird monatlich nachträglich auf ein vom Mitarbeiter zu benennendes Girokonto gezahlt.

..."

Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde auf der Grundlage eines Schreibens der Beklagen vom 29.11.1996 (Bl. 5 d.A.) zum 31.12.1998 beendet. Der Kläger erhielt im Zeitraum vom 01.01.1999 bis 29.08.2001 Arbeitslosengeld, wobei die Beklagte während dieser Zeit gemäß der Regelungen der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 02.12.1994 einen Zuschuss in Höhe der Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld und 90 % der vom Kläger vor seinem Ausscheiden zuletzt bezogenen Nettovergütung von 4.770,66 DM/Monat bezahlte. Seit Ende August 2001 - bis, so der Vortrag des Klägers, zum Bezug vorgezogenen Altersruhegeldes mit Vollendung des 60. Lebensjahres ab 01.05.2004 - erhält der Kläger, der keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe hat, nunmehr "Übergangsbeihilfe" gem. Ziffn. 5 und 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 02.12.1994 zuzüglich eines Krankenversicherungsbeitrages von 840,52 DM (429,75 Euro)/Monat bzw. seit 01.01.2002 in Höhe von 447,42 Euro/Monat, welchen Betrag der Kläger selbst versteuern muss, weshalb die in diesem Zeitraum allein von der Beklagten zu erbringenden Leistungen 90 % seines letzten Nettoeinkommens aus dem aktiven Beschäftigungsverhältnis nicht erreichen.

Eine ergänzende "Gesamtbetriebsvereinbarung zur Fortführung und Ergänzung der Vereinbarung (vom 02.12.1994) über die Abkehr älterer Mitarbeiter" vom 10.03.1998 (Bl. 83 - 88 d.A.) bestimmt u.a.:

"...

8. Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge

Wird vom Arbeitsamt wegen Nichtbezuges von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe die Kranken- oder Pflegeversicherung nicht getragen, entrichtet der Arbeitgeber die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu 100 % brutto (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil). Die hierauf anfallenden Steuern sind vom Mitarbeiter zu tragen.

..."

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger die, rechnerisch unstreitige, Differenz zwischen dem Betrag von 90 % seiner letzten, zum Zeitpunkt seines Ausscheidens bei der Beklagten gegebenen Nettobezüge und den, nach Versteuerung der von der Beklagten erstatteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, bestehenden Nettoeinkünften nach Auslaufen des Anspruchs auf Zahlung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 01.09.2001 bis 28.02.2002 geltend.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens beider Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichtes München vom 11.02.2003 Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG i.d.F. v. 01.01.2002), mit dem dieses der Klage in vollem Umfang mit der Begründung stattgegeben hat, dass die vom Wortlaut her eindeutige und keiner weiteren Auslegung zugängliche Regelung in Ziff. 6 Abs. 1 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 02.12.1994, wonach der Kläger 90 % seines vor dem Ausscheiden verdienten Monatsnettoeinkommens erhalten solle, bedeute, dass dem Arbeitnehmer ein entsprechender Betrag effektiv zufließen, diesem nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Lebensversicherung verbleiben solle. Die Bestimmung in Ziff. 5 Abs. 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 02.12.1994 regele lediglich einen Berechnungsposten für diese Nettozahlung, für die einzig und allein die in Ziff. 6 Abs. 1 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung festgelegte Ausgleichszahlung entscheidend sei.

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 04.04.2003 zugestellte Endurteil richtet sich deren Berufung mit Schriftsatz vom 29.04.2003, beim Landesarbeitsgericht München eingegangen am 30.04.2003, zu deren Begründung sie gleichzeitig vorträgt, dass die Regelung in Nr. 5 Abs. 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung eine lex specialis darstelle und dort ausdrücklich von einem "Bruttobetrag die Rede sei, was - wie auch das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 05.05.1999 (Az. 14 Sa 2491/98) entschieden habe - bedeute, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei, zusätzlich zum bereits geleisteten Bruttobetrag die hierauf entfallenden Steuern dergestalt zu erstatten, dass der Kläger die Bruttoleistungen in vollem Umfang netto ausgezahlt erhalte. Die, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichtes, im Ergebnis nicht etwa überflüssige Bestimmung in Nr. 5 Abs. 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung 1994 sehe bewusst einen Aufwendungsersatzanspruch des Arbeitnehmers vor, da die Regelung in Nr. 6 Abs. 1 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung einen Anspruch auf Erstattung von Krankenkassenbeiträgen nicht hergebe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts München - Kammer Ingolstadt - vom 11.02.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger trägt im Zweiten Rechtszug vor, dass er mit der Beklagten auf der Grundlage der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 02.12.1994 eine Ausscheidensvereinbarung vom 29.11.1996 getroffen habe, so dass schon deswegen die geänderte Gesamtbetriebsvereinbarung vom 10.03.1998 für ihn nicht relevant sein könne, welche im Übrigen die ursprüngliche Betriebsvereinbarung lediglich fortführe, nicht aufhebe. Maßgeblich sei Ziff. 6 Abs. 1 der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 02.12.1994, nach der die Beklagte in jedem Fall die Ausgleichszahlung auf 90 % des letzten Monatsnettoeinkommens des Klägers aufzustocken habe, wobei Ziff. 5 Abs. 5 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung lediglich einen Berechnungsposten für die zu berechnende 90-%-Nettozahlung regle. Dies ergebe sich sowohl aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Ziff. 6 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung als auch aus deren Systematik.

Wegen des Sachvortrags der Parteien im Zweiten Rechtszug im Übrigen wird Bezug genommen auf die Schriftsätze vom 29.04.2003 (Bl. 111 f d.A.) und vom 30.05.2003 (Bl. 129 f d.A.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 11.09.2003 (Bl. 137fdA).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die gem. § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO in der seit 01.01.2002 geltenden Fassung).

Die Berufungsbegründung geht zwar ganz überwiegend lediglich auf ein früheres Urteil des Arbeitsgerichtes München vom 18.04.2001 zur nämlichen Problematik sowie ein "Urteil des Arbeitsgerichtes Gelsenkirchen und die dortige Berufungsentscheidung des Landesarbeitsgerichtes Hamm vom 05.05.1999 (Az. 14 Sa 2491/98) ein (!) - am Ende jedoch immerhin, sehr knapp, aber hier in noch ausreichender Weise auch auf das angefochtene Endurteil des Arbeitsgerichtes München vom 11.02.2003 und dessen Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 02.12.1994 in systematischer und teleologischer Hinsicht, so dass die Berufung nicht wegen nicht-ausreichender Begründung (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 520 Abs. 3 Ziff. 2. f ZPO i.d.F. v. 01.01.2002, § 26 Ziff. 5. EGZPO-) unzulässig ist (vgl. zuletzt etwa BAG, U. v. 15.08.2002, AP Nr. 55 zu § 519 ZPO - 2. der Gründe -, m.w.N.; Zöller-Gummer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 520 Rzn. 33 f).

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger nach der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 02.12.1994 - im folgenden: GBV 1994 - in Verbindung mit der Ergänzung-Gesamtbetriebsvereinbarung. vom 10.03.1998 - im folgenden: GBV 1998 - Anspruch auf die geltend gemachte Differenz zu 90 % seines bei seinem Ausscheiden zum 31.12.1998 zuletzt verdienten Nettoentgelts für den streitgegenständlichen Zeitraum 01.09.2001 bis 28.02.2002 in der unstreitigen Höhe des Klagebetrages hat.

1. Die Gesamtbetriebsvereinbarung(en) ist (sind) wegen ihres normativen Charakters wie ein Tarifvertrag gemäß den Regeln für die Auslegung von Gesetzen objektiv auszulegen. Maßgebend ist zunächst - entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung - der Wortlaut. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebspartner im Hinblick auf Sinn und Zweck der Regelungen zu berücksichtigen, sofern diese erkennbar zum Ausdruck gekommen sind. Zu beachten ist dabei der Gesamtzusammenhang der Regelung, weil er auf den wirklichen Willen der Betriebspartner und damit auch den Zweck der Regelung schließen lassen kann (BAG, zuletzt etwa B. v. 1.7.2003, 1 ABR 22/02 - II. 2. a) der Gründe - ; Ue. v. 17.11.1998 u. v. 21.08.2001, AP Nrn. 6 u. 10 zu § 77 BetrVG 1972 Auslegung, jeweils m.w.N.; U. v. 21.03.2001, NZA 2001, S. 1031 f - II. 2. der Gründe - ; vgl. auch GK-Kreutz, Bd. II, 7. Aufl. 2002, § 77 Rzn. 63 f m.w.N.).

2. Hiernach hat der Kläger gem. Ziff. 6 Satz 1 der GBV 1994 Anspruch auf die begehrte Differenz zu 90 % seiner der Höhe nach unstreitigen letzten Nettobezüge im aktiven Arbeitsverhältnis.

a) Zwar regelt Ziff. 5 der GBV 1994, isoliert betrachtet, zunächst die Zahlung von Lohnersatzleistungen des (ehemaligen) Arbeitgebers im Zeitraum des von den Parteien so bezeichneten "Vorruhestandes" nach dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses (beim Kläger: 31.12.1998) und dem Zeitpunkt, zu dem Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung besteht - in der Regel vorgezogenes Altersruhegeld mit Vollendung des 60. Lebensjahres, beim Kläger, auch nach seinem Vorbringen zuletzt in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren, somit April 2004 -, als "Ausgleichszahlung" nachrangig (ergänzend) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (Ziff. 1 Abs. 1 GBV 1994). Hierbei hat der (ehemalige) Mitarbeiter zunächst während der Phase des Bezugs von Arbeitslosengeld - in solchen Fällen in der Regel 32 Monate - Anspruch auf Zahlung eines "Zuschusses" hierzu; sodann, in der folgenden Phase bis in der Regel zum Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres bzw. dem Zeitpunkt des Anspruches auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, Anspruch auf "Übergangsbeihilfe".

Abs. 5 dieser Norm bestimmt, dass im Falle der Ablehnung des Antrages auf Zahlung von Arbeitslosenhilfe der Arbeitgeber unabhängig von der Höhe der zu zahlenden Überbrückungsbeihilfe "die Krankenversicherungsbeiträge" (sowie nunmehr, nach der GBV 1998, ebenso die Pflegeversicherungsbeiträge) "zu 100 % brutto (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil)" zu entrichten hat.

Auch wenn der Begriff "brutto" in letzterer Regelung, nach seinem zunächst maßgeblichen Wortlaut und seinem Sinn und Zweck, nach Ansicht der Berufungskammer nicht zwingend die naiv steuerrechtliche Bedeutung dieses Terminus meinen muss - "brutto" wird im Arbeitsleben und in der betrieblichen Praxis auch als vollständiger, belastungsfreier, Betrag, ohne Abzüge etc., verstanden, was hier gegebenenfalls bereits durch den unmittelbar folgenden Klammerzusatz ("Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil") indiziert wird, der dies durchaus als (bloße) Erläuterung des Wortes "brutto" als vollständigen, nicht lediglich hälftigen, Krankenversicherungsbeitrages zum Ausdruck bringen mag -, so wäre die Frage der Tragung der Steuerlast auf diese Zahlung jedenfalls durch die nachfolgende Regelung in der ergänzenden GBV 1998 geregelt, als dort in Ziff. 8 Satz 2 ausdrücklich normiert ist, dass "die hierauf anfallenden Steuern ... vom Mitarbeiter zu tragen" sind.

Es kommt im Ergebnis nicht darauf an, ob - wie der Kläger zuletzt einwenden lässt - letztere Regelung als rückwirkende schon deshalb unwirksam sei (obwohl sie - darauf sei lediglich ergänzend verwiesen - zwar nach Abschluss der wohl als Aufhebungsvertrag auszulegenden Beendigungs-/Abwicklungsregelung vom 29.11.1996, aber vor dem dort festgelegten Termin der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.1998, geschlossen wurde und schon deshalb nicht in bereits fällige Lohnansprüche eingreift, vgl. nur BAG, B. v. 10.08.1994, AP Nr. 86 zu § 112 BetrVG 1972; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl. 2002, § 77 Rzn. 41 f/44 u. 59, m.w.N.).

b) Auch wenn die ErgänzungsGBV 1998 hiernach in Ziff. 8 Satz 2 unwirksam sein sollte - was eben deshalb offen bleiben kann -, hätte der Kläger Anspruch auf die streitgegenständliche Differenz gem. Ziff. 6 der GBV 1994, wonach die Ausgleichszahlungen 90 % des letzten durchschnittlichen Monatsnettoeinkommens absichern sollen.

Nach Wortlaut und ebenso Sinn und Zweck sowie systematischem Zusammenhang der GBV 1994 will diese in der Zeit des "Vorruhestandes" zwischen dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt des Anspruches auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung 90 % des letzten Monatsnettoeinkommens des aktiven Arbeitsverhältnisses (eingefroren) absichern. Das Nettoeinkommen ist aber, insoweit eindeutig, das um die gesetzlichen Abzüge (v. a. Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge) bereinigte Bruttoeinkommen - also auch nach Abzug der Arbeitnehmeranteile zum Gesamtbeitrag zur Krankenversicherung (und Pflegeversicherung). Das letzte Monatsnettoeinkommen - davon 90 % - ist eine feststehende Größe, die zumal durch vom Arbeitnehmer unbeeinflussbare Parameter, v.a. solche nachträglicher Art, nicht tangiert wird: auch wenn etwa die Krankenversicherungs- oder sonstigen Sozialversicherungsbeiträge in der Zeit des "Vorruhestandes" steigen - oder im Ausnahmefall sinken - oder auch die Steuerbelastung aufgrund gesetzlicher Vorgaben, z.B. durch eine vorgezogene Steuerreform 2004 oder Änderungen in den persönlichen Verhältnissen - etwa Änderung der Steuerklassenwahl oder Wegfall/Zutritt der Kirchensteuer oder Änderung von Freibeträgen -, steigt oder sinkt, ändert dies nichts am feststehenden Monatsnettoeinkommen - beim Kläger eben 4.770,66 DM = 2.439,20 Euro, 90 % davon: 4.293,59 DM = 2.195,28 Euro (siehe die vom Kläger bereits mit der Klage vorgelegte, von der Beklagten nicht in Zweifel gezogene Aufstellung, Bl. 15 d.A.). Diesen Betrag hat die Beklagte dem Kläger nach der GBV 1994 für die gesamte Zeit des Vorruhestandes unverändert, unabhängig von einer Änderung hierin enthaltener Einzelfaktoren, zu bezahlen bzw. Leistungen des Arbeitsamtes (Arbeitslosengeld) in diesem Zeitraum auf eben diesen Betrag aufzustocken. Diese Regelung will den im Rahmen der Vorruhestandsregelung gemäß der GBV 1994 ausgeschiedenen Arbeitnehmer während der gesamten Zeit des "Vorruhestandes" in Höhe des festgeschriebenen Satzes von 90 % des feststehenden letzten Nettoeinkommens vor dem Ausscheiden aus dem aktiven Arbeitsverhältnis absichern, während dieser Übergangszeit - auch als Anreiz zum Abschluss einer entsprechenden Regelung - ein Einkommen in durchgängig gleichbleibender Höhe verlässlich absichern. Die Beklagte trägt nach Wortlaut und Sinn und Zweck der GBV 1994 das Risiko einer Änderung von hierbei einschlägigen steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Parametern - profitiert andererseits auch von solchen Änderungen -, der Arbeitnehmer soll während der Zeit des "Vorruhestandes" lediglich exakt 90 % seines letzten Gehaltes seiner aktiven Tätigkeit gleichbleibend erhalten.

Diese Regelung entspricht deshalb im Ergebnis einer im Arbeitsverhältnis eines aktiven Arbeitnehmers vorkommenden, früher häufigeren, Nettolohnvereinbarung, bei der der Arbeitgeber grundsätzlich das Risiko einer Veränderung der objektiven - Veränderung der Besteuerungsgrundlagen oder Sozialversicherungsbeiträge - oder, im Grundsatz, auch subjektiven - Lohnsteuerklasse - Faktoren, der hierin einfließenden Einzelparameter, trägt.

Da der Arbeitnehmeranteil des Gesamt-Krankenversicherungsbeitrages zu den Beiträgen gehört, die bei gesetzlich Krankenversicherten zur Ermittlung des Nettoeinkommens vom Bruttoeinkommen abgezogen werden, bedeutet deshalb die Regelung in Ziff. 6 Abs. 1 der GBV 1994, dass der Arbeitnehmer während des Zeitraums des "Vorruhestandes" = des Zeitraums des Bezuges von Übergangsbeihilfe eine solche in Höhe von immer 90 % der letzten Monatsnettobezüge zu erhalten hat - was auch zur Folge, dass der ausgeschiedene Arbeitnehmer in diesem Zeitraum, wenn etwa - wie hier - durch Versteuerung des getrennt ausbezahlten Krankenversicherungs-(nunmehr auch: Pflegeversicherungs-)Beitrages Belastungen anfallen, die Ausgleichsleistungen der Beklagten entsprechend zu erhöhen sind, so dass der Arbeitnehmer auch in diesem Fall - nach Abzug des Arbeitgebers- und Arbeitnehmeranteils zur Krankenversicherung - exakt 90 % seines letzten Nettomonatseinkommens erhält, der Kläger im vorliegenden Fall somit immer 2.195,28 Euro (4.293,59 DM) netto/Monat.

c) Gleiches ergibt sich aus der einzelvertraglichen Zusage im Schreiben der Beklagten vom 29.01.1999 (Bl. 7 d.A.), wonach die dem Kläger "zugesagte Nettogarantie ... 4.293,59 DM" beträgt. Auch dies bringt zum Ausdruck, dass dieser Betrag, unabhängig von der Berechnung/Veränderung einzelner darin enthaltener Parameter, dem im Rahmen der Vorruhestandsregelung ausgeschiedenen Arbeitnehmer während dieser Zeit immer verbleiben sollte.

3. Da der somit dem Grunde nach bestehende Anspruch des Klägers der Höhe nach unstreitig ist, ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

III.

Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

IV.

Die Kammer lässt die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen möglicher Divergenz zum Urteil des Landesarbeitsgerichtes Hamm vom 05.05.1999, Az. 14 Sa 2491/98, sowie, im Hinblick auf die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren zuletzt dargelegten Parallelfälle, wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

Ende der Entscheidung

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