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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 4 Sa 89/08
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 62 Abs. 2
ZPO § 927 Abs. 1
ZPO § 929 Abs. 2
ZPO § 936
Aufhebung einer erstinstanzlich erlassenen Leistungsverfügung auf Weiterbeschäftigung im Rahmen des § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG wegen fehlender rechtzeitiger Vollziehung durch Parteizustellung innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO sowie einer nachträglichen erneut primär außerordentlich fristlosen - nicht offensichtlich wiederholenden und sonst rechtsunwirksamen - Arbeitgeberkündigung.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 Sa 89/08

Verkündet am: 24. April 2008

In dem Rechtsstreit

hat die Vierte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Burger sowie die ehrenamtlichen Richter von Zezschwitz und Markert für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 17. Dezember 2007 - 12a Ca 248/07 - in den Ziffern 1. bis 3. abgeändert:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

II. Der Verfügungskläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Der Verfügungskläger macht im Wege des Eilverfahrens einen Antrag auf Weiterbeschäftigung geltend.

Der, nach den vorgelegten Unterlagen, am 00.00.1982 geborene Verfügungskläger war auf der Grundlage des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 14.02.2002 (Anl. K1, Bl. 6 bis 13 d. A., nebst Anlage Vergütung hierzu, Bl. 14 bis 16 d. A.) ab diesem Zeitpunkt in der M. Niederlassung der Verfügungsbeklagten als PC-/Netzwerktechniker bzw., so auch die beiderseitige Bezeichnung, als Service-Delivery-Manager mit einer Grundvergütung von 3.939,88 € brutto/Monat - nach seinen Ausführungen entsprechend einem Durchschnittsentgelt, einschließlich Prämien und des Wertes der Privatnutzung seines Firmen-Pkw, von ca. 5.171,50 € brutto/Monat - beschäftigt. Der Verfügungskläger war Mitglied des Betriebsrats dieses Betriebs, in dem ca. 180 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Die Verfügungsbeklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Verfügungskläger mit Schreiben vom 30.08.2007 fristgemäß zum 30.11.2007 (Anl. K2, Bl. 17 d. A.) aus betriebsbedingten Gründen mit der näheren Begründung, dass die Betriebsabteilung "B." dieser Niederlassung, in der der Verfügungskläger ausschließlich tätig gewesen sei, wegen Beendigung des mit der Fa. B. AG bestehenden Vertrages stillgelegt und das Arbeitsverhältnis damit und aufgrund fehlender Möglichkeit einer anderweitigen Weiterbeschäftigung des Verfügungsklägers beendet habe werden müssen und auch im Hinblick auf seinen Sonderkündigungsschutz als Betriebsratsmitglied zulässig beendet habe werden können. Der Betriebsrat dieser Niederlassung, der von der Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 21.08.2007 angehört worden war (u. a. Bl. 63 bis 66 d. A.), widersprach der beabsichtigten Kündigung des Verfügungsklägers mit Schreiben vom 29.08.2007 (u. a. Anl. A5, Bl. 29 d. A) insbesondere mit der Begründung, dass es sich nicht um eine Teilbetriebsschließung, sondern lediglich die Kündigung mehrerer Mitarbeiter des Betriebes gehandelt habe und deshalb der besondere Kündigungsschutz nach § 15 KSchG für das Betriebsratsmitglied weiter bestehe, der Verfügungskläger auch in anderen Bereichen der Niederlassung München eingesetzt hätte werden können - ein anderer Mitarbeiter (Herr B.), der mit dem Verfügungskläger vergleichbar sei, unberechtigt besser als dieser gestellt sei -, und weiter der Verfügungskläger nach einer Einarbeitung bzw. Schulung auch andere Tätigkeiten im Bereich Consulting übernehmen könne.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 17.12.2007, das den Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers am 07.01.2008 und den Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten am 03.01.2008 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses dem Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Weiterbeschäftigung im wesentlichen und mit der Begründung stattgegeben hat, dass ihm aufgrund des noch den Anforderungen des § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG genügenden Widerspruchs des Betriebsrats ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG zustehe - weshalb das Bestehen auch eines allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches offen bleiben könne -, und der Verfügungsgrund sich bereits aus der gesetzlichen Regelung selbst ergebe, da dem Verfügungskläger das Abwarten einer Hauptsacheentscheidung nicht zugemutet werden könne - der Verfügungsgrund lediglich insoweit fehle, als die Weiterbeschäftigung zu einem bestimmten Monatsgehalt nebst Privatnutzung eines Dienstwagens und einer Jahresprämie begehrt werde, was im Hauptsacheverfahren geklärt werden könne -. Der Hilfsantrag der Verfügungsbeklagten auf Entbindung von einer Weiterbeschäftigungspflicht gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG sei unbegründet, weil sie die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung hierzu allein geltend gemachten Gründe nach Nr. 2 dieser Regelung nicht hinreichend substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsbeklagten mit Schriftsatz vom 30.01.2008, am 31.01.2008 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen, zu deren Begründung sie fristgerecht vorgetragen hat, dass der Arbeitsplatz des Verfügungsklägers weggefallen sei, da der Support Center Vertrag der Verfügungsbeklagten mit der B. AG zum 30.09.2007 beendet worden sei und damit ein Großteil ihres Geschäfts des Standorts M. vollständig weggebrochen sei, weshalb von ihrem Vorstand am 13.08.2007 u. a. die unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung der, eigenständigen, Betriebsabteilung B. mit etwa 140 von insgesamt ca. 180 in M. beschäftigten Arbeitnehmern spätestens zum 30.11.2007 getroffen worden sei. Der Verfügungskläger sei in dieser Abteilung beschäftigt gewesen. Eine anderweitige Weiterbeschäftigung sei nicht möglich gewesen. Der Widerspruch des Betriebsrats vom 29.08.2007 begründe keinen Weiterbeschäftigungsanspruch. Der Betriebsrat habe sich nicht auf eine geringere Schutzbedürftigkeit eines anderen Arbeitnehmers stützen können, zumal er diesen in zahlreichen anderen Widersprüchen ebenfalls so bezeichnet gehabt habe. Der Verfügungskläger hätte die am 17.12.2007 erlassene einstweilige Verfügung innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO auch durch Parteizustellung vollziehen müssen, was nicht geschehen sei, weshalb diese unstatthaft und aufzuheben sei. Einem etwaigen Weiterbeschäftigungsanspruch des Verfügungsklägers stehe jedenfalls entgegen, dass ihm mit Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 19.03.2008 eine weitere vorsorgliche fristlose, hilfsweise ordentliche, Kündigung wegen vorsätzlicher Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen im Rahmen seiner Rechtsverteidigung im Hauptsacheverfahren ausgesprochen worden sei, zu der mangels Vorhandenseins von Mitgliedern bzw. Ersatzmitgliedern des früheren Betriebsrats dessen Anhörung nicht erforderlich gewesen sei. Zumindest wäre die Verfügungsbeklagte gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BetrVG wegen offensichtlich unbegründeten Betriebsratswiderspruches von einer Weiterbeschäftigungsverpflichtung des Verfügungsklägers zu entbinden. In jedem Fall würde es an einem Anspruch auf Beschäftigung des Verfügungsklägers am Standort M. fehlen, da die Parteien vertraglich keinen festen Arbeitsort vereinbart gehabt hätten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt:

1. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 17. Dezember 2007 ( Az. 12a Ga 248/07) aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

2. Hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts München vom 17. Dezember 2007 (Az. 12a Ga 248/07) die Verfügungsbeklagte von der Weiterbeschäftigung des Verfügungsklägers zu entbinden.

3. Hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts München vom 17. Dezember 2007 (Az. 12a Ga 248/07) der Verfügungsbeklagten aufzugeben, den Verfügungskläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Service-Delivery-Manager weiterzubeschäftigen und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Übrigen zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger trägt zur Begründung seines Antrages auf Zurückweisung der Berufung - sowie seines zuletzt, im Berufungsbeantwortungsschriftsatz, hilfsweise erneut gestellten Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Weiterbeschäftigung mit dem nämlichen Begehren wie bereits erstinstanzlich erfolgt - vor, dass das Arbeitsgericht den erfolgten Widerspruch des Betriebsrats zutreffend als ausreichend zur Begründung eines Weiterbeschäftigungsanspruches nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG angesehen habe, da nach der einschlägigen Rechtsprechung hierfür nicht erforderlich sei, dass die dort angeführten Tatsachen einleuchtend oder schlüssig seien, sondern es ausreiche, wenn sich ein Grund ergebe, der einen der im Gesetz aufgeführten Widerspruchsgründe des § 102 Abs. 3 BetrVG als möglich erscheinen lasse. Der Betriebsrat habe deshalb die fehlerhafte Sozialauswahl nach § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG rügen können - diese nicht schlüssig darlegen müssen -und auch mit seiner Mehrfachnennung in einzelnen Widersprüchen gegen diese Anforderungen nicht verstoßen. Dies müsse insbesondere bei Massenkündigungen wie hier gelten. Auch bestünde aufgrund offensichtlich unwirksamer Kündigung der Verfügungsbeklagten ein allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch, da der Verfügungskläger den nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG besitze, weshalb er grundsätzlich in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen gewesen wäre, was auch zu einer Freikündigungspflicht der Verfügungsbeklagten führen würde. Die Verfügungsbeklagte habe darüber hinaus keine Ausführungen zu fehlenden Übernahmemöglichkeiten auch in andere Betriebe des Unternehmens gemacht. Es werde unverändert bestritten, dass das Projekt B. eine eigenständige Betriebsabteilung, wie im Interessenausgleich benannt, dargestellt habe - dies sei offensichtlich nicht der Fall gewesen. Der Verfügungskläger sei auch für andere Projekte der Verfügungsbeklagten eingesetzt worden. Bereits zum 31.10.2007 seien zwei Positionen und weitergehende Arbeitsplätze frei gewesen. Selbst eine behauptete Nichteinhaltung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO würde nur zur Unstatthaftigkeit der Vollziehung selbst und nicht zur Unrichtigkeit des Titels führen und deshalb allenfalls eine Vollstreckung verhindern können. Jedenfalls hätte die Vollziehungsfrist erst mit Erhalt der vollstreckbaren Ausfertigung des Arbeitsgerichts München beginnen können, die bereits im Antragsschriftsatz vom 23.11.2007 beantragt und in der Folge mehrfach nachgefragt worden sei. Die vollstreckbare Ausfertigung des Ersturteils sei der Verfügungsbeklagten dann am 04.04.2008 zugestellt worden. Auch genügten für eine Vollziehung jede Vollstreckungsmaßnahme aus dem Urteil, durch die Schuldner erfahre, dass der Gläubiger den Titel gebrauchen wolle, oder jede sonstige Umsetzungshandlung des Verfügungsklägers. Dieser habe die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 04.02.2008 zur Nachzahlung der Löhne ab Dezember 2007 aufgefordert und mit weiterem Schreiben vom 15.02.2008 seinen Weiterbeschäftigungsanspruch geltend gemacht.

Vorsorglich beantragt der Verfügungskläger gleichzeitig den erneuten Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Weiterbeschäftigung mit dem nämlichen Antrag wie erstinstanzlich gestellt.

Der von der Verfügungsbeklagten hilfsweise gestellte Entbindungsantrag nach § 102 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist nach Ansicht des Verfügungsklägers unzulässig, da dieser verfahrenstechnisch nicht im streitgegenständlichen Verfahren eingebracht werden könne, sondern in einem eigenständigen Verfahren mit den entsprechenden Voraussetzungen des Antrages auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden müsse. Der Sachvortrag der Verfügungsbeklagten hierzu sei im Übrigen unzureichend. Der Verfügungskläger sei am Standort M. weiterzubeschäftigen. Dies ergebe sich aus den Regelungen des Arbeitsvertrages, gegen die die Bestimmungen der Zusatzvereinbarung, betreffend allein die Vergütung, nicht sprächen, weshalb ein etwa daraus ableitbares Versetzungsrecht im Hinblick auf § 305 c (Abs. 2) BGB unwirksam wäre. Die nunmehrige primär als außerordentliche fristlose ausgesprochene Kündigung der Verfügungsbeklagten vom 19.03.2008 hält der Verfügungskläger für bereits offensichtlich unwirksam deshalb, weil hierzu ein, weiter vorhandener, Betriebsrat anzuhören gewesen wäre.

Wegen des Sachvortrags der Parteien im Zweiten Rechtszug im Übrigen wird auf die Schriftsätze vom 29.02.2008, vom 14.04.2008, vom 21.04.2008, vom 22.04.2008 und vom 24.04.2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

I.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung der Verfügungsbeklagten ist begründet. Dem Weiterbeschäftigungsanspruch des Verfügungsklägers stehen, nunmehr, sowohl die nachträgliche Unstatthaftigkeit der Vollziehung der vom Arbeitsgericht erlassenen einstweiligen Verfügung und damit deren hierdurch veranlasste Aufhebung (dazu 1.) als auch die zuletzt ausgesprochene weitere vorsorgliche außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche, Kündigung der Verfügungsbeklagten vom 29.03.2008 (dazu 3.) entgegen. Der Erlass einer erneuten einstweiligen Verfügung scheidet hier aus (dazu 2.).

1. Die vom Arbeitsgericht erlassene einstweilige Verfügung auf Weiterbeschäftigung ist auf Antrag der Verfügungsbeklagten aufzuheben (§ 927 Abs. 1 ZPO), weil ihre Vollziehung unstatthaft geworden ist (§ 929 Abs. 2 ZPO).

a) Nach § 62 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 936 und 929 Abs. 2 ZPO wird die Vollziehung einer erlassenen einsteiligen Verfügung unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem die einstweilige Verfügung verkündet oder der Partei, auf deren Antrag sie ergangen war (Verfügungskläger), zugestellt war, ein Monat verstrichen ist.

aa) Auch bei einer erstinstanzlichen einstweiligen Verfügung, die, wie hier, durch Urteil erlassen worden ist, muss neben dessen damit veranlasster Amtszustellung nach §§ 317, 166 Abs. 2 ZPO (des ohne Klauselerteilung sofort vollstreckbaren Urteils: §§ 929 Abs. 1 ZPO; 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) grundsätzlich zusätzlich und innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO eine Vollziehung dieser UrteilsLeistungsverfügung durch Parteizustellung an den Schuldner/Verfügungsbeklagten erfolgen (ständ. Rspr., vgl. nur Zöller-Vollkommer, 26. Aufl. 2007, § 929 Rz. 12 m. w. N.). Erst hierdurch verdeutlicht der Vollstreckungsgläubiger/Verfügungskläger zweifelsfrei seinen Willen, von der einstweiligen Verfügung tatsächlich Gebrauch machen zu wollen, den Schuldner/Verfügungsbeklagten zu warnen (vgl. näher etwa LAG Hamm, U. v. 25.05.2005, 10 (2) Sa 381/05, juris/Rz. 41, m. w. N.; LAG Schleswig-Holstein, U. v. 30.11.2006, 4 Sa 412/06, juris).

bb) Eine zusätzliche Zustellung im Parteibetrieb des bereits im Wege der Amtszustellung zugestellten Verfügungsurteils kann im Einzelfall entbehrlich sein, wenn der Schuldner der Anordnung von vornherein nicht nachkommt oder nach den konkreten Umständen an der Ernstlichkeit des Anliegens des Verfügungsklägers sonst kein Zweifel bestehen kann und eine zusätzliche Parteizustellung deshalb auf eine bloße Förmlichkeit hinauslaufen würde (LAG Hamm, aaO (dort auch Rz. 46); LAG Hamm, U. v. 09.03.1995, NZA-RR 1996, S. 145; Zöller-Vollkommer, aaO, m. w. N.). Bei einer durch Urteil erlassenen Unterlassungsverfügung kann dies auch dann gegeben sein - die alleinige Amtszustellung des Urteils damit ausreichend - , wenn im Urteil bereits die für die Verhängung von Ordnungsgeld/-haft gemäß §§ 890 Abs. 2, 928, 936 ZPO erforderliche Androhung dieser Ordnungsmittel enthalten war (LAG Nürnberg, U. v. 31.07.2001, LAGE Nr. 5 zu § 929 ZPO; vgl. auch Dunkl/Moeller/Baur/Feldmeier, Handbuch des vorläufigen Rechtsschutzes, 3. Aufl. 1999 B Rz. 19).

Bei Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Weiterbeschäftigung kann dies etwa der Fall sein, wenn der Schuldner/Verfügungsbeklagte vor Ablauf der Vollziehungsfrist freiwillig der Anordnung nachkommt und den Verfügungskläger, der einen Weiterbeschäftigungstitel erlangt hatte, ohne weiteres weiterbeschäftigt, oder dieser sonst unmissverständlich seine Absicht zur Durchsetzung des erlangten Titels kundgetan hatte.

b) Hier war das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts München mit dem Weiterbeschäftigungstitel am 17.12.2007 verkündet und im Wege der Amtszustellung den Verfügungsklägervertretern am 07.01.2008 und am 03.01.2008 den Verfügungsbeklagtenvertretern zugestellt worden, im Wege der Parteizustellung dagegen, wie der Verfügungskläger selbst ausführt, erst am 04.04.2008 (Anl. A14, Bl. 377 d. A.).

Eine, im Rahmen der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO rechtzeitig erfolgte, Zustellung im Parteibetrieb war hier auch nicht entbehrlich oder lediglich als bloße Förmelei anzusehen:

Weder lag eine, mit Strafandrohung nach § 890 Abs. 2 ZPO versehene, Unterlassungsverfügung vor - sondern eine auf positive Handlung (Weiterbeschäftigung) gerichtete Leistungsverfügung, deren Zwangsvollstreckung sich nach § 888 ZPO richtet - noch wäre dies hier sonst als bloße Förmelei anzusehen gewesen: Der Verfügungskläger hatte die Arbeitgeberin/nunmehrige Verfügungsbeklagte lediglich im Vorfeld seines danach anhängig gemachten Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Schriftsatz vom 20.11.2007 (Anl. A6, Bl. 30/31 d. A.) zur Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens zur Weiterbeschäftigung auffordern lassen. Obwohl im folgenden Antrag an das Arbeitsgericht auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Schriftsatz vom 23.11.2007 vorab für den Fall des Obsiegens die Erteilung einer vollstreckbaren Kurzausfertigung der Entscheidung beantragt worden war, erfolgte eine nochmalige Aufforderung nach dem Erlass der einstweiligen Verfügung durch Urteil vom 17.12.2007, gegenüber dem Arbeitsgericht (!), erst mit Schreiben des Verfügungsklägers vom 18.03.2008 (Anl. A12, Bl. 374 d. A.) - obwohl Urteile im Verfügungsverfahren in der Regel (und hier) ohne Klauselerteilung nach §§ 724 Abs. 1, 725 ZPO vollstreckbar sind (§ 929 Abs. 2 ZPO)! Damit konnte die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht etwa, wie der Verfügungskläger in der Berufungsbeantwortung meint, abweichend hiervon erst mit Parteizustellung des Titels beginnen: Einer Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung mit Klausel bedurfte es hier für eine Zwangsvollstreckung eben nicht. Der Verfügungskläger ist nach Erlass des erstinstanzlichen Leistungsverfügungsurteils bereits eine Woche vor Weihnachten 2007 längere Zeit untätig geblieben und hat, soweit vorgetragen oder ersichtlich, gegenüber der Verfügungsbeklagten auch sonst nicht zum Ausdruck gebracht, dieses Urteil vollziehen zu wollen. Erst mit Schreiben vom 04.02.2008 (Anl. KV17, Bl. 278/279 d. A.) hat er zunächst lediglich Zahlung von Überstundenvergütung und Arbeitsentgelt ab Dezember 2007 geltend machen lassen - nicht aber Weiterbeschäftigung aufgrund des längst vorliegenden Leistungstitels hierzu verlangt! - und die Verfügungsbeklagte erst mit Schreiben seiner anwaltlichen Vertretung vom 15.02.2008 (Anl. KV 18, Bl. 280/281 d. A.) - längst nach Ablauf der Vollziehungsfrist am 17./01./07.02.2008 - zur Weiterbeschäftigung aufgefordert! Der Verfügungskläger hat also trotz beantragter und nach mündlicher Verhandlung zügig erlassener einstweiliger Verfügung bereits mit Endurteil vom 17.12.2007 die dort titulierte Weiterbeschäftigung nicht in der gebotenen und gesetzlich verlangten Weise forciert geltend zu machen/durchzusetzen versucht.

Deshalb war die Vollziehung der einstweiligen Verfügung nach § 929 Abs. 2 ZPO unstatthaft geworden und ist deshalb wegen veränderter Umstände nach § 927 Abs. 1 ZPO aufzuheben (etwa LAG Hamm, U. v. 25.05.2005, 10 (2) Sa. 381/05, aaO).

2. Die einstweilige Verfügung ist nicht auf den im Berufungsbeantwortungsschriftsatz des Verfügungsklägers für den Fall ihrer Aufhebung nach §§ 61 Abs. 2 ArbGG, 936, 929 Abs. 2, 927 Abs. 1 ZPO - wie geschehen - hilfsweise gestellten nämlichen Antrag erneut zu erlassen:

Ungeachtet dessen, ob, wie vom Arbeitsgericht in seinem Urteil vom 17.12.2007 angenommen, vom Vorliegen zunächst eines Verfügungsanspruchs wegen als noch ausreichend anzusehenden Widerspruches des Betriebsrats nach § 102 Abs. 3 BetrVG und damit eines Weiterbeschäftigungsanspruches nach § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG auszugehen wäre (dagegen allerdings überzeugend LAG München, U. v. 10.04.2008, 3 Sa 80/08, in einem der Parallelverfahren - A. ./. Verfügungsbeklagte - zu einem ähnlich wie hier formulierten Betriebsratswiderspruch ) -die Voraussetzungen für einen hiervon unabhängigen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch lägen hier auch nicht ansatzweise vor -, ist dieser Antrag in dieser Form in mehrfacher Hinsicht unzulässig:

Der Verfügungskläger kann in seiner hier gegebenen Parteirolle als Berufungsbeklagter einen solchen Antrag als neuen Sachantrag in der Zweiten Instanz allenfalls im Wege der Anschlussberufung stellen. Eine solche ist jedoch nicht erhoben - wobei die Antragstellung im Berufungsbeantwortungsschriftsatz hierzu nicht ohne weiteres dahin auszulegen wäre (wenngleich im Übrigen den Fristanforderungen des § 524 Abs. 2 ZPO genügend) - . Des weiteren wäre die Erhebung einer (zwangsläufig) bedingten Anschlussberufung als solche nicht als unbedenklich anzusehen. Auch ist der mit einer Anschlussberufung angestrebte Erlass einer neuen einstweiligen Verfügung, nachdem eine erstinstanzlich erlassene solche wegen Fristablaufs nach § 929 Abs. 2 ZPO aufzuheben war, nach überwiegender, richtiger, Ansicht grundsätzlich unzulässig (vgl. etwa OLG Schleswig, U. v. 17.12.1971, NJW 1972, S. 1056 f/1057; Zöller-Vollkommer, aaO, Rz. 23 aE, m. w. N.; umfangreiche Nachweise hierzu auch bei Doukoff, Die zivilrechtliche Berufung, 3. Aufl. 2005, Rz. 334/FN 1605), wobei weiter Bedenken im Hinblick auf die Verkürzung des Instanzenzuges im Rahmen eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erst in der zweiten und damit zwangsläufig letzten Instanz bestehen müssten, und auch die Frage des Vorliegens eines Verfügungsgrundes hier, nach derart zögerlichem Verhalten, nicht von vornherein und ohne weiteres zu bejahen wäre.

3. Des Weiteren hat die erneute, primär als außerordentliche fristlose ausgesprochene, Kündigung der Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 19.03.2008 (Bl. 440 d. A.) den Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen lassen.

Bei einer weiteren jedenfalls außerordentlichen Kündigung, die sich nicht lediglich als bloße Wiederholungskündigung ohne neue, eigenständige, Begründung darstellt und die nicht offensichtlich unwirksam ist, endet der Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers aus dem Weiterbeschäftigungsverhältnis gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG nach einer früheren Kündigung (LAG Nürnberg, U. v. 25.06.2004, 9 Sa 151/04 (juris); vgl. auch BAG, U. v. 18.09.2003, AP Nr. 15 zu § 102 BetrVG 1972 Weiterbeschäftigung - B. VI. 1. der Gründe -; siehe auch KR-Etzel, 8. Aufl. 2007, § 102 Rzn. 239 und 294, m. w. N.; ähnlich die beim allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch geltenden Grundsätze: BAG, U. v. 19.12.1985, AP Nr. 16 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

Auch wenn die das Rechtsverteidigungsvorbringen des hiesigen Verfügungsklägers im Hauptsacheverfahren als Verstoß gegen seine Verschwiegenheitspflicht sanktionierende außerordentliche fristlose Kündigung vom 19.03.2008 auf den ersten Blick durchaus denkwürdig anmutet - sie sich deshalb ggf. (auch) als taktisches Instrument im Hinblick auf das vorliegende Eilverfahren darstellen könnte -, ist sie deswegen noch nicht als evident rechtsunwirksam oder nichtig - ebenso nicht als bloße Wiederholungskündigung - anzusehen, auch nicht im Hinblick auf die Frage einer Betriebsratsbeteiligung, nachdem die Verfügungsbeklagte nicht von vornherein unglaubhaft/gänzlich unnachvollziehbar ausführt, dass zum Zeitpunkt dieser Kündigung keine Betriebsratsmitglieder oder Ersatzmitglieder mehr beschäftigt gewesen seien.

Auch dies müsste deshalb nunmehr dem Erlass bzw. Fortbestand der einstweiligen Leistungsverfügung entgegenstehen.

4. Damit bedarf es keiner Ausführungen mehr zur Begründetheit des Widerspruchs des Betriebsrats vom 29.08.2007 nach den Anforderungen im Rahmen des § 102 Abs. 3 BetrVG sowie zu dem hilfsweise, offensichtlich im Rahmen eines Wider-Verfügungsantrags - ersichtlich nicht nur zur Rechtsverteidigung gegenüber dem Weiterbeschäftigungsantrag des Verfügungsklägers, sondern eigenständig - , gestellten Entbindungsantrag der Verfügungsbeklagten nach § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG (der jedoch weder hinreichend begründet noch, wie erforderlich, hinsichtlich der eher vagen Begründungsansätze glaubhaft gemacht gewesen wäre ...). Weiter entfallen deshalb Ausführungen zur Vollstreckbarkeit der titulierten Weiterbeschäftigungsverpflichtung und deren örtlicher Situierung im Hinblick auf die einschlägigen (im Hinblick auf §§ 307, 305 c BGB wirksamen?) arbeitsvertraglichen Regelungen zum Beschäftigungsinhalt.

III.

Der Verfügungskläger hat damit die Kosten des Verfahrens zu tragen (§§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

IV.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben (72 Abs. 4 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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