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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 07.05.2003
Aktenzeichen: 5 Sa 344/03
Rechtsgebiete: GG, BGB, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 1
GG Art. 2
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
BGB § 242
BGB § 275
BGB § 611
ZPO § 940
1. Der Arbeitnehmer hat gemäß § 242 BGB - insbesondere auf Grund der Wertentscheidungen der Art. 1, 2 GG über den Persönlichkeitsschutz - grundsätzlich auch nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (allgemeiner Beschäftigungsanspruch).

2. Eine Ausnahme von dem Grundsatz des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs kommt - auch unter Berücksichtigung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Unternehmerfreiheit - nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber ein das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegendes, schutzwürdiges Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers hat.

3. Bei grundrechtskonformer Abwägung der kollidierenden Interessen der Arbeitsvertragsparteien ergibt sich, dass auch eine durch Art. 12. Abs. 1 GG geschützte Unternehmerentscheidung des Inhalts, den Arbeitnehmer allein oder zusammen mit anderen Arbeitnehmern freizustellen, für sich allein nicht ausreicht, den insbesondere durch Art. 1, 2 GG geschützten allgemeinen Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers auszuschließen.

4. Kommt eine Ausnahme von dem allgemeinen Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers in Betracht, so steht dem Arbeitgeber auf der Grundlage des § 242 BGB das besondere arbeitsrechtliche Recht zur Freistellung des Arbeitnehmers zu.

5. Den Ausnahmetatbestand des besonderen arbeitsrechtlichen Freistellungsrechts muss der Arbeitgeber - insbesondere mit Rücksicht auf den Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers durch Art. 1, 2 GG - hinreichend konkret darlegen und im Streitfall beweisen bzw. glaubhaft machen.

6. Das besondere arbeitsrechtliche Freistellungsrecht des Arbeitgebers ist durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz weder eingeschränkt noch ersetzt worden.

7. Der allgemeine Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers kann (allerdings) unabhängig von dem besonderen arbeitsrechtlichen Freistellungsrecht auch nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht gemäß § 275 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 BGB ausgeschlossen sein oder ausgeschlossen werden.

8. Ein Verfügungsgrund für eine Befriedigungsverfügung ist nur dann gegeben, wenn die Befriedigungsverfügung mit Rücksicht auf das rechtsstaatliche Gebot effektiven Rechtsschutzes erforderlich ist.

9. Mit Rücksicht auf das rechtsstaatliche Gebot effektiven Rechtsschutzes für beide Arbeitsvertragsparteien kann eine Befriedigungsverfügung in der Regel weder erlassen noch verweigert werden, ohne den Verfügungsanspruch zu prüfen.

10. Ein Verfügungsgrund für eine Beschäftigungsverfügung ist regelmäßig gegeben, wenn der Beschäftigungsanspruch zweifelsfrei besteht und daher auch im Hauptsacheverfahren anerkannt werden müsste (Bestätigung der Kammerurteile vom 19.08.1992 LAGE BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 32 = NZA 1993, 1130; 18.09.2002 LAGE § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 45 = NZA-RR 2003, 269).


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 Sa 344/03

Verkündet am: 07. Mai 2003

In dem Rechtsstreit

hat die Fünfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 07. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Bachmann sowie die ehrenamtlichen Richter Geißler und Hirschmann für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 27.02.2003 - 23 Ga 72/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand: Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren über den Anspruch des Klägers auf vertragsgemäße Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

Die Beklagte ist ein Elektrotechnikunternehmen, das in M. vier Betriebe unterhält. In dem Betrieb M. sind zurzeit (noch) etwa 5.600 Arbeitnehmer in dem Geschäftsbereich Information and Communicaton Networks (ICN) und etwa 1.700 Arbeitnehmer in dem Geschäftsbereich Information and Communication Mobile (ICM) beschäftigt.

Wegen eines erheblichen Auftrags- und Umsatzrückgangs beschloss der ICN-Be- reichsvorstand im Juli bzw. September 2002, die Personalkapazität an den Bedarf anzupassen und das so genannte Carrier-Geschäft (mit Telefonanlagen und -systemen für Telefongesellschaften im Festnetzbereich) neu zu organisieren.

Diesbezüglich vereinbarte die Beklagte mit dem Betriebsrat Mch H den Interessenausgleich "Kapazitätsanpassung ICN M. H 2002 und Neuausrichtung des ICN-Carrier-Geschäfts" vom 23.10.2002. Gemäß Nr. 3.1 dieses Interessenausgleichs wurde "mit Wirkung zum 01.11.2002" die "neue ICN Carrier-Organisation eingeführt" und gemäß Nr. 4.3 sollten 1.100 Arbeitnehmer "- so weit möglich - einvernehmlich ... ausscheiden" und dementsprechend "höchstens 1.100 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen" werden.

Auf der Grundlage dieses Interessenausgleichs kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 15.01.2003 im Geschäftsbereich ICN - gegen den Widerspruch des Betriebsrats - insgesamt 154 Arbeitnehmern, die sie alle "ab sofort" unter Fortzahlung der Vergütung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung bis zum Ablauf der jeweiligen Kündigungsfrist freistellte.

Der am 16.11.1963 geborene Kläger ist Diplom-Physiker und war seit 01.04.1989 bei der Beklagten als Datenverarbeitungsfachmann beschäftigt. Zuletzt war der Kläger im Betrieb Mch H in dem - schon nach Maßgabe des Interessenausgleichs neu organisierten - Geschäftsgebiet ICN CP (Forschung und Entwicklung) mit Arbeitsaufgaben der internationalen Standardisierung von Schnittstellen eines optischen Kommunikationssystems (mehr als 80 % der Arbeitszeit) und der Spezifikation einer bestimmten Schnittstelle (knapp 20 % der Arbeitszeit) beschäftigt. Noch im Oktober 2002 entschied der Gebietsleiter ICN CP, die Mitarbeit in den internationalen Standardisierungsorganisationen wesentlich zu reduzieren. Ende November/Anfang Dezember übergab der Kläger die übrig gebliebenen Arbeitsaufgaben weisungsgemäß zwei anderen Mitarbeitern.

Dem Kläger wurde - gegen den Widerspruch des Betriebsrats - mit Schreiben vom 15.01.2003 zum 31.07.2003 gekündigt und die sofortige Freistellung erklärt.

Der Kläger hat mit seiner Antragsschrift vom 07.02.2003 beantragt, die Beklagte durch einstweilige Verfügung zu verurteilen, ihn "bis zum Ablauf des 31.07.2003 zu unveränderten Vertragsbedingungen als Datenverarbeitungsfachmann zu beschäftigen".

Dagegen hat die Beklagte im ersten Rechtszug nur ganz allgemein vorgebracht, dass die Beschäftigungsmöglichkeit für 1.100 Arbeitnehmer einschließlich des Klägers nach Maßgabe des mit dem Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleichs schon mit 30.11.2002 weggefallen sei.

Das Arbeitsgericht hat auf Grund mündlicher Verhandlung die Beklagte antragsgemäß durch die einstweilige Verfügung vom 27.02.2003 verurteilt, den Kläger bis zum 301.07.2003 zu unveränderten Vertragsbedingungen als Datenverarbeitungsfachmann zu beschäftigen. Im Übrigen wird auf dieses Urteil Bezug genommen.

Seit Erlass dieses Urteils wird der Kläger wieder vertragsgemäß beschäftigt.

Die Beklagte hat aber gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und zur Begründung ihrer Berufung macht sie ausdrücklich geltend, dass der Beschäftigungsanspruch des Klägers gemäß § 275 Abs. 2 BGB ausgeschlossen sei. Der Aufwand, den die vom Kläger beanspruchte Beschäftigung erfordere, stehe in einem groben Missverhältnis zu dem Beschäftigungsinteresse des Klägers. Denn der bisherige Arbeitsplatz des Klägers sei durch die Umsetzung der im Interessenausgleich vom 23.10.2002 geregelten Unternehmerentscheidungen der Neuorganisation und "Kapazitätsanpassung" durch Personalabbau bereits mit Wirkung vom 30.11.2002 endgültig weggefallen. Insofern gebe es für den Kläger keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr. Wegen des Wegfalls seines bisherigen Arbeitsplatzes habe die Beschäftigung des Klägers für sie jedenfalls keinen wirtschaftlichen Nutzen mehr. Die Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz sei für sie unzumutbar. Außerdem fehle es an dem für eine einstweilige Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund.

Die Beklagte beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Abweisung des Verfügungsantrags des Klägers.

Der Kläger hält die Berufung für unschlüssig.

Hinsichtlich des sonstigen Sach- und Rechtsvortrags im Berufungsrechtszug wird auf die Berufungsbegründung, die Berufungsbeantwortung und das Protokoll über die Berufungsverhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht antragsgemäß durch einstweilige Verfügung verurteilt, den Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31.07.2003 zu unveränderten Vertragsbedingungen als Datenverarbeitungsfachmann zu beschäftigen.

Der Kläger beansprucht mit dem von ihm gestellten Antrag nicht die Beschäftigung auf seinem bisherigen oder einem anderen konkreten Arbeitsplatz, sondern (nur) vertragsgemäße Beschäftigung als Datenverarbeitungsfachmann. Das ergibt sich - im Wege der Auslegung dieses Antrags - daraus, dass die Parteien über die Rechtswirksamkeit der Freistellung des Klägers durch die Beklagte und dementsprechend (nur) darüber streiten, ob der Kläger von der Beklagten überhaupt noch vertragsgemäße Beschäftigung verlangen kann. In diesem Sinne hat der Kläger in der Berufungsverhandlung auch ausdrücklich klargestellt, dass Streitgegenstand (nur) eine einstweilige Verfügung über den Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung sei.

Der Verfügungsantrag des Klägers ist zulässig und insbesondere auch gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO inhaltlich hinreichend bestimmt (vgl. BAG 15.03.2001 AP KSchG 1969 § 4 Nr. 46 = EzA KSchG § 4 n. F. Nr. 61, zu B V 3 der Gründe).

Der Verfügungsanspruch des Klägers auf vertragsgemäße Beschäftigung ist begründet.

Jeder Arbeitnehmer hat grundsätzlich einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung (so grundlegend schon BAG 10.11.1955 AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 2 = EzA BGB § 611 Nr. 1, zu II der Gründe). Rechtsgrundlage dieses allgemeinen Beschäftigungsanspruchs ist eine entsprechende Rechtsfortbildung des Dienstvertragsrechts der §§ 611 ff. BGB auf der Grundlage von § 242 BGB iVm. Art. 1, 2 GG. Diese Rechtsfortbildung ist notwendig, weil die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1, 2 GG über den Persönlichkeitsschutz auch den Schutz des ideellen Beschäftigungsinteresses des Arbeitnehmers durch die grundsätzliche Anerkennung eines arbeitsvertraglichen Anspruchs auf vertragsgemäße Beschäftigung gebieten, sofern der Arbeitnehmer diese Beschäftigung verlangt, und weil der Arbeitnehmer gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG und § 79 Abs. 2 BPersVG auf sein Verlangen sogar nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt werden muss (so vertiefend BAG GS 27.02.1985 AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14 = EzA BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 9, zu C I 2 der Gründe).

Der allgemeine Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers kann demnach, insbesondere mit Rücksicht auf seinen Rechtsgrund und Zweck, gemäß Art. 1, 2 GG die Persönlichkeit des Arbeitnehmers vor Diskriminierung durch Nichtbeschäftigung zu schützen, nur ausnahmsweise durch die so genannte Freistellung oder Suspendierung des Arbeitnehmers ausgeschlossen werden. Die Freistellung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber ist "nur bei einem besonders schutzwürdigen Interesse des Arbeitgebers, an dessen Voraussetzungen strenge Anforderungen zu stellen sind, zulässig" (so BAG 15.06.1972 AP BGB § 628 Nr. 7, zu 2 b der Gründe). "Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsschutzes" und muss deshalb "nur dann zurücktreten, wenn überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen" (so BAG 19.08.1976 AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 4 = EzA BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 1, zu I 3 a der Gründe). In diesem Sinne hat auch der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts den allgemeinen Beschäftigungsanspruch nur für den Fall ausgeschlossen, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers schutzwürdig ist und das allgemeine ideelle Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers, das im Einzelfall noch durch besondere Interessen ideeller und/oder materieller Art verstärkt sein kann, überwiegt (BAG GS 27.02.1985 aaO, zu C I 2 der Gründe). Einmal hat das Bundesarbeitsgericht sogar ohne Einschränkung ausgeführt, dass "eine einseitige Freistellung in Form der "Suspendierung" von der Arbeit ... angesichts des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers im bestehenden Arbeitsverhältnis rechtlich nicht möglich" sei (so BAG 21.09.1993 EzA AWbG NW § 7 Nr. 14, zu 1 der Gründe). Nach einer neueren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts kann der allgemeine Beschäftigungsanspruch jedenfalls nur "ausnahmsweise entfallen, wenn der Weiterbeschäftigung zwingende betriebliche oder persönliche Gründe entgegenstehen und der Arbeitnehmer demgegenüber kein besonderes, vorrangig berechtigtes Interesse an der tatsächlichen Weiterbeschäftigung hat", so dass der Arbeitgeber nur dann berechtigt ist, "den Arbeitnehmer zu suspendieren, wenn er hierfür ein überwiegendes, schutzwürdiges Interesse geltend machen kann" (so BAG 15.03.2001 aaO, zu B V 4 der Gründe, wo der "Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung" gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG unter Bezugnahme auf den entsprechenden Anspruch "im ungekündigten Arbeitsverhältnis" beschrieben wird).

Nach dieser Rechtsprechung kann eine Ausnahme von dem Grundsatz des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers nur in seltenen Fällen in Betracht kommen (so schon Birk Anm. zu BAG 19.08.1976 AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 4; vgl. ferner Küttner/Kania Personalhandbuch 2003 Beschäftigungsanspruch Rn. 7; MünchKomm-Schwerdtner 3. Aufl. Vor § 620 Rn. 6 ff.; Schliemann in: ArbR BGB 2. Aufl. § 611 Rn. 865 f.; Stahlhacke/Preis Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 8. Aufl. Rn. 27; Walker Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren Rn. 677).

Ob die Freistellung des Arbeitnehmers ausnahmsweise gerechtfertigt ist, hängt auch vom Grundrechtsschutz der Unternehmerfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG ab. Denn so wie das allgemeine ideelle Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers durch Art. 1, 2 GG ist das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung bzw. Freistellung des Arbeitnehmers durch die Unternehmerfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG geschützt und auf Grund der Pflicht der Gerichte zum Schutz aller Grundrechte auch bei der Anerkennung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs auf der Grundlage von § 242 BGB zu berücksichtigen (zur Schutzfunktion der Grundrechte im Privatrecht und zur entsprechenden Schutzpflicht der Gerichte vgl. allg. etwa BAG 26.09.2002 AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124, zu II 1 c der Gründe; ErfK/Dietrich 3. Aufl. Einl. GG Rn. 33 ff.). Die Kollision grundrechtlich geschützter Interessen ist ganz allgemein dadurch zu lösen, dass die im Einzelfall kollidierenden Interessen grundrechtskonform gegeneinander abgewogen und so ausgeglichen werden, dass die Grundrechte beider Parteien - im Sinne so genannter praktischer Konkordanz - möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BAG 10.10.2002 AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 44 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 58, zu B II 3 c der Gründe). Bei diesem Ausgleich ergibt sich aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (aaO), dass der allgemeine Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers - trotz des Schutzes der Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers durch Art. 12 Abs. 1 GG schon mit Rücksicht auf den Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers durch Art. 1, 2 GG - nur ausnahmsweise durch die Freistellung des Arbeitnehmers ausgeschlossen werden kann, wenn der Arbeitgeber ausnahmsweise ein überwiegendes, schutzwürdiges Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers geltend machen kann, ganz abgesehen davon, dass das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers auch noch durch dessen Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützt ist (vgl. BAG 27.02.2002 AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 36 = EzA TVG § 4 Rundfunk Nr. 23, zu B II 4 der Gründe).

Bei dem grundrechtskonformen Ausgleich der kollidierenden Interessen der Arbeitsvertragsparteien - nach den für einen solchen Ausgleich in Betracht kommenden Kriterien (vgl. BAG 10.10.2002 aaO, zu B II 3 c der Gründe) - gebührt dem durch Art. 1, 2 und 12 Abs. 1 GG geschützten Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers jedenfalls grundsätzlich der Vorrang vor dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Arbeitgebers an der Freistellung des Arbeitnehmers, weil der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer nun einmal einen Arbeitsvertrag geschlossen hat, der Arbeitnehmer auf Grund dieses Vertrages grundsätzlich einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung hat (vgl. auch ErfK/Ascheid aaO § 1 KSchG Rn. 374), dieser Beschäftigungsanspruch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (aaO) nicht nur durch Art. 12 Abs. 1 GG, sondern vor allem durch Art. 1, 2 GG geschützt ist, dieser Beschäftigungsanspruch auf Grund der für die gesamte Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidungen der Art. 1, 2 GG über den Persönlichkeitsschutz einen besonders hohen Stellenwert hat und die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers durch den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers typischerweise allenfalls geringfügig eingeschränkt, der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers durch dessen Freistellung dagegen völlig ausgeschlossen wird.

Aus diesen Gründen reicht auch eine durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Unternehmerentscheidung des Inhalts, den Arbeitnehmer allein oder zusammen mit anderen Arbeitnehmern freizustellen, für sich allein nicht aus, den nicht nur durch Art 12 Abs. 1 GG, sondern vor allem durch Art. 1, 2 GG geschützten Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers in Frage zu stellen, zumal sonst praktisch jede Freistellung gerechtfertigt werden könnte und der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers - im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und zu der persönlichkeitsrechtlichen Begründung dieses Anspruchs - "kaum mehr als einen Erinnerungswert" hätte (so treffend schon LAG München 11.09.1993 LAGE ZPO § 888 Nr. 34; zum Kündigungsschutzrecht gleichermaßen BAG 26.09.2002 aaO, zu II 1 d der Gründe).

Der Arbeitnehmer hat dementsprechend auch nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung grundsätzlich Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (so ausdrücklich - gegen ein Missverständnis der älteren Rechtsprechung - schon BAG 19.08.1976 aaO; ebenso LAG Nürnberg 12.03.1982 AMBl. 1983 C 13; ferner das Urteil der Kammer vom 19.08.1992 LAGE BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 32 = NZA 1993, 1130; zustimmend ErfK/Preis 3. Aufl. § 611 BGB Rn. 709; vgl. außerdem Küttner/Kania aaO Rn. 6; Schliemann aaO Rn. 866; Walker aaO Rn. 677; für die Dauer des Zustimmungsersetzungsverfahrens gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG ebenso LAG München 06.05.1999 - 4 Sa 227/99 -; 19.09.2002 - 2 Sa 490/02 -). Denn der allgemeine Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers ist, insbesondere mit Rücksicht auf seinen Rechtsgrund und Zweck, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers vor Diskriminierung durch Nichtbeschäftigung zu schützen, ein integraler Bestandteil des Arbeitsverhältnisses und endet demgemäß - wie andere Rechte aus dem Arbeitsverhältnis auch - jedenfalls grundsätzlich erst mit dem Arbeitsverhältnis (vgl. ErfK/Preis aaO § 611 BGB Rn. 709; vgl. auch ErfK/Ascheid aaO § 1 KSchG Rn. 374 f.). Auch die soziale Rechtfertigung einer Kündigung gemäß § 1 KSchG rechtfertigt dementsprechend für sich allein nicht auch die Freistellung des gekündigten Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (vgl. ErfK/Müller-Glöge aaO § 620 Rn. 40; Stahlhacke/Preis aaO Rn. 27). Schließlich muss der Anspruch des Arbeitnehmers auf vertragsgemäße Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs - auch deswegen grundsätzlich anerkannt werden, weil der Arbeitnehmer - auch unabhängig von dem gesetzlichen Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG und § 79 Abs. 2 BPersVG - sogar Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits hat, wenn die Kündigung unwirksam ist und ein überwiegendes, schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegensteht (vgl. zu diesem allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch BAG GS 27.02.1985 aaO, zu C II der Gründe).

Kommt nach Maßgabe dieser Grundsätze eine Ausnahme von dem allgemeinen Beschäftigungsanspruch in Betracht, so steht dem Arbeitgeber auf der Grundlage von § 242 BGB (nur) ein Recht zur Freistellung bzw. Suspendierung des Arbeitnehmers zu, so dass der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers in rechtsdogmatischer Hinsicht nicht automatisch - ipso jure - ausgeschlossen ist, sondern erst durch die wirksame Ausübung des Freistellungsrechts des Arbeitgebers ausgeschlossen wird (vgl. BAG 15.03.2001 aaO; ferner Küttner/Kania aaO Rn. 4; Schliemann aaO Rn. 866; Stahlhacke/Preis aaO Rn. 27).

Das Recht des Arbeitgebers zur Freistellung des Arbeitnehmers ist als Ausnahme von dem Grundsatz des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers Bestandteil der diesbezüglichen Rechtsfortbildung auf der Grundlage von § 242 BGB und deswegen ist dieses besondere arbeitsrechtliche Freistellungsrecht auch nicht durch das am 01.01.2002 in Kraft getretene Gesetzt zur Modernisierung des Schuldrechts eingeschränkt oder ersetzt worden (a. M. wohl Gotthardt Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform Rn. 99).

Den Ausnahmetatbestand dieses Freistellungsrechts muss - mit Rücksicht auf die grundsätzliche Anerkennung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs und die allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast - der Arbeitgeber darlegen und beweisen bzw. glaubhaft machen (so schon die Urteile der Kammer vom 19.08.1992 aaO und 18.09.2002 NZA-RR 2003, 269 = LAGE BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 45 mwN; ebenso LAG München 06.05.1999 - 4 Sa 227/99 -; ferner MünchArbR/Blomeyer 2. Aufl. § 95 Rn. 19; Küttner/Kania aaO Rn. 7; Erman/Hanau BGB 10. Aufl. § 611 Rn. 355; HdBVR-Baur 3. Aufl. B Rn. 97). Der Arbeitnehmer muss also nicht etwa erst sein allgemeines ideelles Beschäftigungsinteresse darlegen. Denn dieses allgemeine Beschäftigungsinteresse ist - insbesondere nach der typisierenden Betrachtungsweise des Bundesarbeitsgerichts (aaO) - integraler Bestandteil der durch Art. 1, 2 GG geschützten Persönlichkeit jedes Arbeitnehmers und deswegen Grundlage und Legitimation, aber nicht Tatbestandsmerkmal des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs. Dementsprechend muss der Arbeitgeber den Ausnahmetatbestand, dass sein Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers schutzwürdig ist und das - mit dem Beschäftigungsanspruch grundsätzlich anerkannte - allgemeine Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt, darlegen und beweisen bzw. glaubhaft machen. Die Darlegung dieses Ausnahmetatbestands muss im Übrigen insbesondere mit Rücksicht auf den Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers durch Art. 1, 2 GG hinreichend konkret sein (vgl. allg. auch BAG 26.09.2002 aaO, zu II 1 d der Gründe; 10.10.2002 aaO, zu II 3 c bb der Gründe). Die Darlegungslast des Arbeitgebers ist nur insofern abgestuft, als der Arbeitnehmer etwaige besondere Beschäftigungsinteressen ideeller und/oder materieller Art, die sein allgemeines Beschäftigungsinteresse noch verstärken, erst einmal seinerseits hinreichend konkret darlegen muss, bevor der Arbeitgeber auch gegenüber diesem verstärkten Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers ein überwiegendes, schutzwürdiges Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers darlegen und beweisen bzw. glaubhaft machen muss.

Die Beklagte hat aber kein überwiegendes, schutzwürdiges Interesse an der Nichtbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist dargelegt, das nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (aaO) das zwischen den Parteien streitige Recht der Beklagten zur Freistellung des Klägers begründen könnte.

Entgegen der Berufungsbegründung hat die Beklagte insbesondere keine Unternehmerentscheidung dargelegt, die mit Rücksicht auf den Schutz der Unternehmerfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG das streitige Freistellungsrecht begründen könnte.

Die im Interessenausgleich vom 23.10.2002 geregelte Neuorganisation - "mit Wirkung zum 01.11.2002" - kann das streitige Freistellungsrecht schon deswegen nicht begründen, weil die vertragsgemäße Beschäftigung des Klägers weder von einem bestimmten Betrieb noch von einer bestimmten Betriebsorganisation noch von einem bestimmten Arbeitsplatz abhängig ist und der Kläger dementsprechend auch nach der Neuorganisation zunächst noch wie bisher beschäftigt worden ist und nach Erlass der streitigen einstweiligen Verfügung zwar nicht wieder wie bisher, aber wieder vertragsgemäß beschäftigt wird.

Und die ebenfalls im Interessenausgleich vom 23.10.2002 geregelte "Kapazitätsanpassung" durch Personalabbau kann das streitige Freistellungsrecht schon deswegen nicht begründen, weil der Personalabbau generell nur die Beendigung von Arbeitsverhältnissen und nicht deren inhaltliche Änderung durch die Freistellung der vom Personalabbau betroffenen Arbeitnehmer schon vor der Beendigung der Arbeitsverhältnisse bezweckt und weil der im Interessenausgleich vom 23.10.2002 geregelte Personalabbau überdies anders als die Neuorganisation nicht auch auf den 01.11.2002, sondern gar nicht terminiert worden ist.

Dementsprechend kann die Beklagte zur Begründung des streitigen Freistellungsrechts - entgegen der Berufungsbegründung - auch nicht geltend machen, dass die Freistellung des Klägers als Umsetzung einer der im Interessenausgleich vom 23.10.2002 geregelten Unternehmerentscheidungen gerechtfertigt sei.

Auch eine solche Rechtfertigung käme ja nur dann in Betracht, wenn die Freistellung des Klägers die notwendige Folge einer dieser Unternehmerentscheidungen wäre (vgl. - zum Kündigungsschutzrecht - etwa BAG 26.09.2002 aaO, zu II 1 d der Gründe; ErfK/Ascheid aaO § 1 KSchG Rn. 429 ff). Die Beklagte müsste also auch diese Notwendigkeit darlegen und beweisen bzw. glaubhaft machen, weil die Umsetzung einer Unternehmerentscheidung - anders als die Unternehmerentscheidung selbst - von den Gerichten für Arbeitssachen voll nachzuprüfen ist (vgl. - zum Kündigungsschutzrecht - etwa BAG 07.12.2000 AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 113, zu B III 2 der Gründe).

Die Beklagte hat aber gar nicht schlüssig dargelegt, dass die Umsetzung einer dieser Unternehmerentscheidungen nicht nur die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger, sondern auch die Freistellung des gekündigten Klägers schon Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist notwendig gemacht habe. Die Beklagte hat sich vielmehr damit begnügt, die Freistellung des Klägers als Umsetzung der im Interessenausgleich geregelten Unternehmerentscheidungen zu bezeichnen, obwohl es sich bei dieser Freistellung auch nach den Darlegungen der Beklagten gar nicht um die Umsetzung dieser Unternehmerentscheidungen im Sinne der notwendigen Folge einer dieser Entscheidungen gehandelt hat.

Es erscheint im Übrigen auch mit Rücksicht auf die typische Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer durch den Betriebsrat praktisch ausgeschlossen anzunehmen, dass der Betriebsrat im vorliegenden Fall mit dem Interessenausgleich vom 23.10.2002 - mittelbar - auch das Recht der Beklagten begründet habe, die - infolge der im Interessenausgleich geregelten Unternehmerentscheidungen - gekündigten Arbeitnehmer schon Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist freizustellen, obwohl im ganzen Interessenausgleich und insbesondere auch unter Nr. 4 betreffend die "Umsetzung der Kapazitätsanpassung" durch Personalabbau mit keinem Wort von der Freistellung gekündigter Arbeitnehmer die Rede ist, der Betriebsrat ordentlichen Kündigungen gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG widersprechen kann und gekündigte Arbeitnehmer insbesondere gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG sogar Weiterbeschäftigung nach Ablauf der Kündigungsfrist verlangen und in einem Kündigungsschutzprozess obsiegen können.

Bei der Freistellung des Klägers und aller anderen gleichzeitig gekündigten Arbeitnehmer kann es sich demnach nur um die Umsetzung einer - im Interessenausgleich vom 23.10.2002 gar nicht geregelten und von der Beklagten auch gar nicht ausdrücklich geltend gemachten, aber allem Anschein nach getroffenen - Unternehmerentscheidung etwa des Inhalts handeln, die Arbeitsaufgaben aller - von den geregelten Unternehmerentscheidungen - betroffenen Arbeitnehmer umgehend auf andere Arbeitnehmer zu übertragen oder gar nicht mehr zu stellen und gleichzeitig mit den Kündigungen alle gekündigten Arbeitnehmer sofort freizustellen. Ob eine solche Unternehmerentscheidung der Beklagten nach dem Verhandlungsgrundsatz überhaupt berücksichtigt werden muss, ist nicht entscheidungserheblich, weil auch eine solche Unternehmerentscheidung jedenfalls für sich allein das streitige Freistellungsrecht aus den dargelegten Gründen - mit Rücksicht auf den grundsätzlichen Vorrang des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers - nicht begründen kann.

Die Beklagte hat aber auch sonst nichts und schon gar nichts Konkretes dargelegt, das mit Rücksicht auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Unternehmerfreiheit ein das Beschäftigungsinteresse des Klägers überwiegendes, schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und damit eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Vorrang des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers vor dem Freistellungsrecht des Arbeitgebers begründen könnte, obwohl insbesondere der Grundrechtsschutz des Beschäftigungsanspruchs durch Art. 1, 2 GG die Anforderung einer hinreichenden Konkretisierung des Interesses des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers gebietet (vgl. hierzu allg. auch BAG 26.09.2002 aaO, zu II 1 d der Gründe; 10.10.2002 aaO, zu II 3 c bb der Gründe), von der Nichterfüllung der in dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15.06.1972 (aaO) gestellten strengen Anforderungen und vom Fehlen der in dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15.03.2001 (aaO) geforderten zwingenden Gründe gar nicht zu reden.

Denn der Kläger hätte ja - auch nach den Darlegungen der Beklagten - sogar auf seinem bisherigen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden können. Demgegenüber hat die Beklagte nämlich - abgesehen von den für das streitige Freistellungsrecht unerheblichen Unternehmerentscheidungen - lediglich geltend gemacht, dass es wirtschaftlich nutzlos gewesen wäre, den Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist auf seinem bisherigen Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen. Das ist aber mangels jeder konkreten Begründung schlechterdings nicht nachvollziehbar. Denn es gibt insbesondere keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit, die bisherigen Arbeitsaufgaben des Klägers schon Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist, ja sogar schon einen Monat vor der Kündigung teils gar nicht mehr zu stellen und teils anderen Arbeitnehmern zusätzlich zu übertragen. Und dementsprechend wäre der wirtschaftliche Nutzen der weiteren Beschäftigung des Klägers auf seinem bisherigen Arbeitsplatz zumindest nicht geringer gewesen als der wirtschaftliche Nutzen der monatelangen Freistellung des Klägers unter Fortzahlung der Vergütung.

Außerdem hat die Beklagte auch bei weitem nicht hinreichend konkret begründet, dass ihr die vertragsgemäße Beschäftigung des Klägers auf einem anderen Arbeitsplatz unzumutbar sei, zumal sie den Kläger seit Erlass der angefochtenen einstweiligen Verfügung tatsächlich auf einem anderen Arbeitsplatz wieder vertragsgemäß beschäftigt.

Schließlich müssten der Beklagten ja - vor allem mit Rücksicht auf die persönlichkeitsrechtliche Begründung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs - auch durchaus erhebliche Anstrengungen zugemutet werden, um den Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist vertragsgemäß beschäftigen zu können, zumal die streitige Freistellung des Klägers schon Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist nach etwa 14-jährigem Bestand des Arbeitsverhältnisses in ganz erheblichem Maße das Recht des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit vor Diskriminierung durch Nichtbeschäftigung beeinträchtigt.

Aus der Unschlüssigkeit der Darlegungen der Beklagten zur Begründung des streitigen Freistellungsrechts und insbesondere aus der Tatsache, dass die Beklagte alle 154 Kündigungen und Freistellungen im Geschäftsbereich ICN mit den im Interessenausgleich vom 23.10.2002 geregelten Unternehmerentscheidungen begründet und trotz unterschiedlicher Kündigungstermine alle Kündigungen gleichermaßen mit der sofortigen Freistellung der gekündigten Arbeitnehmer verbunden hat, ergibt sich vielmehr, dass die Beklagte entweder rechtsirrtümlich allein in diesen Unternehmerentscheidungen und dem daraus abgeleiteten Kündigungsrecht auch die Rechtfertigung der Freistellung aller gekündigten Arbeitnehmer gesehen oder trotz des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs die vertragsgemäße Beschäftigung aller dieser Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - aus welchen Gründen auch immer - einfach nicht gewollt hat und dass dementsprechend ein überwiegendes, schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (aaO) in Wahrheit gar nicht in Betracht kommt.

Die Beklagte kann also das besondere arbeitsrechtliche Freistellungsrecht schon deswegen nicht für sich in Anspruch nehmen, weil sie kein - das allgemeine ideelle Beschäftigungsinteresse des Klägers - überwiegendes, schutzwürdiges Interesse an der Nichtbeschäftigung des Klägers geltend machen kann, so dass es nicht darauf ankommt, ob das allgemeine ideelle Beschäftigungsinteresse des Klägers auch noch durch besondere Interessen ideeller und/oder materieller Art verstärkt ist.

Dementsprechend gibt es nach den Grundsätzen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts erst recht keinen Rechtsgrund dafür, den allgemeinen Beschäftigungsanspruch des Klägers auszuschließen.

Der allgemeine Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers kann allerdings - unabhängig von dem besonderen arbeitsrechtlichen Freistellungsrecht - im Einzelfall insbesondere auch gemäß § 275 BGB ausgeschlossen sein oder ausgeschlossen werden (vgl. BAG 27.02.2002 aaO, zu B I der Gründe; 13.06.1990 EzA BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 44, zu I 1 a und b sowie 2 der Gründe).

Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf die geschuldete Leistung ausgeschlossen, soweit diese Leistung für den Schuldner unmöglich ist. Unmöglich iSv. § 275 Abs. 1 BGB ist die Leistung für den Schuldner nur insoweit, als er die Leistung trotz aller möglichen Anstrengungen gar nicht erbringen kann (sog. wirkliche, insbesondere physische und rechtliche Unmöglichkeit), was sich nunmehr auch aus den am 01.01.2002 - mit dem Gesetzt zur Modernisierung des Schuldrechts - in Kraft getretenen Regelungen in § 275 Abs. 2 und 3 BGB ergibt. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber die vertragsgemäße Beschäftigung des Arbeitnehmers unmöglich iSv. § 275 Abs. 1 BGB und deswegen diese Beschäftigung nicht geschuldet ist, muss daher auch geprüft werden, ob der Arbeitgeber seinen Betrieb auch nicht so organisieren kann, dass die vertragsgemäße Beschäftigung des Arbeitnehmers möglich ist (idS. schon BAG 10.11.1955 aaO, zu II der Gründe; ebenso das Kammerurteil vom 19.08.1992 aaO; ebenso auch LAG München 11.09.1993 LAGE ZPO § 888 Nr. 34). Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht verschiedentlich ohne weiteres die Unmöglichkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers iSv. § 275 Abs. 1 BGB angenommen, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers lediglich infolge einer organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers weggefallen war (vgl. BAG 18.03.1999 ZTR 1999, 516, zu I 3 der Gründe; 13.06.1990 aaO, zu I 1 und 2 der Gründe; 04.09.1985 - 5 AZR 90/94 - nv., zu I 2 der Gründe). In solchen Fällen dürfte aber zumindest sehr häufig keine Unmöglichkeit iSv. § 275 Abs. 1 BGB vorliegen, sondern - abgesehen von dem besonderen arbeitsrechtlichen Freistellungsrecht - nur das Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 275 Abs. 2 BGB in Betracht kommen (gegen Unmöglichkeit auch Gotthardt aaO und Kittner/Becker Arbeitsrecht 2. Aufl. § 73 Rn. 4).

Der Beschäftigungsanspruch des Klägers ist jedenfalls nicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB wegen Unmöglichkeit der vom Kläger beanspruchten vertragsgemäßen Beschäftigung als Datenverarbeitungsfachmann ausgeschlossen. Die Beklagte hat sich allerdings auch darauf berufen, dass es keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für den Kläger gebe, weil dessen bisheriger Arbeitsplatz weeggefallen sei. Unmöglich iSv § 275 Abs. 1 BGB wäre der Beklagten die vom Kläger beanspruchte vertragsgemäße Beschäftigung aber nur dann, wenn die Beklagte den Kläger trotz aller möglichen organisatorischen Anstrengungen wirklich gar nicht mehr als Datenverarbeitungsfachmann beschäftigen könnte. Das hat die Beklagte aber gar nicht schlüssig dargelegt, zumal die vertragsgemäße Beschäftigung des Klägers weder auf einen bestimmten Betrieb noch auf eine bestimmte betriebliche Organisationseinheit noch auf einen bestimmten Arbeitsplatz beschränkt ist (vgl. hierzu Pallasch Anm. zu BAG AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 44, unter III 3 a) und allein schon die Größe des Beschäftigungsbetriebes Mch H mit immer noch etwa 5.600 Arbeitnehmern allein im Geschäftsbereich ICN es als völlig ausgeschlossen erscheinen lässt, dass die vom Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beanspruchte Beschäftigung als Datenverarbeitungsfachmann unmöglich iSv. § 275 Abs. 1 BGB sein könnte. Tatsächlich beschäftigt die Beklagte den Kläger ja auch wieder vertragsgemäß, seit sie durch die angefochtene einstweilige Verfügung dazu verurteilt worden ist, was jedenfalls die in § 275 Abs. 1 BGB vorausgesetzte Unmöglichkeit der vertragsgemäßen Beschäftigung des Klägers ausschließt.

Gemäß § 275 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Schuldner die Leistung - wegen so genannter faktischer oder praktischer Unmöglichkeit - verweigern, soweit diese Leistung einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht, wobei gemäß § 275 Abs. 2 Satz 2 BGB bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen auch zu berücksichtigt ist, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. Dieses Leistungsverweigerungsrecht kommt (entgegen Gotthardt und Kittner/Becker aaO) auch in Bezug auf die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers im Arbeitsverhältnis in Betracht, wo es allerdings wegen des besonderen arbeitsrechtlichen Freistellungsrechts des Arbeitgebers keine nennenswerte praktische Bedeutung haben dürfte.

Die Beklagte kann sich jedenfalls auch nicht auf das von ihr ausdrücklich geltend gemachte Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 275 Abs. 2 BGB berufen. Gemäß § 275 Abs. 2 Satz 1 BGB könnte die Beklagte die geschuldete vertragsgemäße Beschäftigung des Klägers nur verweigern, soweit diese Beschäftigung einen Aufwand erfordern würde, der unter Beachtung des Inhalts des Arbeitsverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Beschäftigungsinteresse des Klägers stünde. Davon kann aber schon deswegen keine Rede sein, weil das - mit dem Beschäftigungsanspruch grundsätzlich anerkannte - allgemeine Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers auf Grund der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1, 2 GG über den Persönlichkeitsschutz generell besonders schutzwürdig ist und weil die Beklagte auch sonst gar nichts Schlüssiges zu einem grob missverhältnismäßigen Aufwand der vertragsgemäßen Beschäftigung des Klägers vorgetragen hat, zumal das Leistungshindernis iSv. § 275 Abs. 2 Satz 1 BGB mit der Unmöglichkeit iSv. § 275 Abs. 1 BGB vergleichbar sein muss (vgl. Jauernig/Vollkommer BGB 10. Aufl. § 275 Rn. 24) und auch kein Leistungshindernis erkennbar ist, das die Beklagte nicht gemäß § 275 Abs. 2 Satz 2 BGB selbst zu vertreten hätte.

Gemäß § 275 Abs. 3 BGB kann der Schuldner die Leistung - wegen so genannter persönlicher Unmöglichkeit - verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm - unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers - nicht zugemutet werden kann. Auch dieses Leistungsverweigerungsrecht kommt wohl auch in Bezug auf die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers in Betracht. Allerdings kann das Tatbestandsmerkmal der persönlichen Leistungspflicht iSv. § 275 Abs. 3 BGB in Bezug auf die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers (entgegen Gotthardt und Kittner/Becker aaO) keinesfalls regelmäßig, sondern allenfalls ausnahmsweise gegeben sein. Abgesehen davon dürfte auch das Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 275 Abs. 3 BGB wegen des besonderen arbeitsrechtlichen Freistellungsrechts des Arbeitgebers keine nennenswerte praktische Bedeutung haben.

Im vorliegenden Fall kommt das Leistungsverweigerungsrecht wegen so genannter persönlicher Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 3 BGB jedenfalls schon deswegen nicht in Betracht, weil bei einer Aktiengesellschaft wie der Beklagten eine solche Unmöglichkeit generell ausscheidet.

Schließlich kann die Beklagte die Freistellung des Klägers unstreitig auch auf keinerlei Freistellungsvereinbarung stützen.

Auch der für die beantragte Beschäftigungsverfügung erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben, obwohl diese Beschäftigungsverfügung als so genannte Befriedigungsverfügung die Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorwegnimmt.

Der für die Zulässigkeit einer Befriedigungsverfügung erforderliche Verfügungsgrund ist in § 940 ZPO geregelt (vgl. Schilken Die Befriedigungsverfügung 1976 S. 68 ff.; Walker Der einstweilige Rechtsschutz im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren 1993 Rn. 125 ff., 135 mwN). Nach dieser Vorschrift ist eine einstweilige Verfügung auch zur Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gefahren oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift muss auch der so genannte Justizgewährungsanspruch berücksichtigt werden, weil dieser Anspruch gemäß Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip iSd. Art. 20 Abs. 3 GG auch im Zivilprozess als formelles Hauptgrundrecht gilt (vgl. BVerfG 31.10.1996 NJW 1997, 311, 312, zu II 1 der Gründe; vgl. ferner Walker aaO Rn. 47). Auf Grund dieses rechtsstaatlichen Justizgewährungsanspruchs ist der Staat dem Bürger auch im Zivilprozess zu einem wirksamen und umfassenden (effektiven) Rechtsschutz verpflichtet (vgl. BVerfG 31.10.1996 aaO, zu II 1 der Gründe; vgl. ferner Walker aaO Rn. 57; Hilbrandt RdA 1998, 155, 159). Infolgedessen ist gemäß § 940 ZPO eine Befriedigungsverfügung - trotz ihrer nicht nur sichernden, sondern befriedigenden Wirkung und der damit verbundenen Vorwegnahme der Entscheidung im Hauptsacheverfahren - nötig und damit zulässig, wenn sie zur Erfüllung des rechtsstaatlichen Justizgewährungsanspruchs auf effektiven Rechtsschutz erforderlich ist (vgl. BVerfG 16.05.1995 BVerfGE 93, 1 = NJW 1995, 2477, zu C I 1 und 2 der Gründe, insbes. in Bezug auf den einstweiligen Rechtsschutz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren; vgl. ferner Walker aaO Rn. 57, 70 ff., 246 ff.; Dütz AuR 2003, 161 ff.). Eine Befriedigungsverfügung kann demnach insbesondere dann zulässig sein, wenn sie die einzige wirksame Möglichkeit ist, das Recht des Gläubigers durchzusetzen bzw. den Gläubiger vor der Rechtsvereitelung zu schützen (vgl. BVerfG 16.05.1995 aaO, zu C I 1 der Gründe). Denn in einem Rechtsstaat, in dem das Selbsthilferecht grundsätzlich ausgeschlossen ist, gibt es keinen größeren Nachteil iSd. § 940 ZPO als den endgültigen Rechtsverlust (so auch schon LAG München 19.12.1979 EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 35, zu C I der Gründe mit zust. Anm. Dütz; zust. auch Walker aaO Rn. 247).

Das rechtsstaatliche Gebot effektiven Rechtsschutzes gilt allerdings nicht nur für den Gläubiger, sondern auch für den Schuldner und damit insbesondere auch dann, wenn die Vollziehung der Befriedigungsverfügung zu einem endgültigen Rechtsverlust des Schuldners führt (vgl. insbes. Walker aaO Rn. 70 ff. und 257 f.). Deswegen beinhaltet das rechtsstaatliche Gebot effektiven Rechtsschutzes für Gläubiger und Schuldner auch das "Gebot der Ausgewogenheit des einstweiligen Rechtsschutzes" (vgl. Walker aaO Rn. 70 f.). Entscheidend für die Zulässigkeit einer Befriedigungsverfügung ist infolgedessen - auch in den Fällen der Gefahr eines endgültigen Rechtsverlustes - eine am rechtsstaatlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes für beide Parteien und an dem daraus folgenden "Gebot der Ausgewogenheit des einstweiligen Rechtsschutzes" ausgerichtete prozessrechtliche Interessenabwägung mit dem Ergebnis, dass das Interesse des Gläubigers an dem Erlass der Befriedigungsverfügung das gegenteilige Interesse des Schuldners überwiegt (vgl. Walker aaO Rn. 246 ff.). Dabei kommt es mit Rücksicht auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes in erster Linie auf den voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens an (vgl. Walker aaO Rn. 261 f.). Deswegen kann insbesondere bei Gefahr eines endgültigen Rechtsverlustes eine Befriedigungsverfügung - in der Regel - ohne Prüfung des Verfügungsanspruchs weder erlassen noch verweigert werden.

Diese Grundsätze gelten auch für die Zulässigkeit einer Befriedigungsverfügung zur Durchsetzung eines Beschäftigungsanspruchs (vgl. hierzu auch schon die Urteile der Kammer vom 19.08.1992 NZA 1993, 1130 = LAGE BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 32 und 18.09.2002 NZA-RR 2003, 269 = LAGE BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 45; vgl. ferner LAG Thüringen 10.04.2001 NZA-RR 2001, 347 = LAGE GG Art. 2 Persönlichkeitsrecht Nr. 2, zu III 3 a und c der Gründe; Hilbrandt RdA 1998, 155 ff., insbes. 159 ff.). Ist der Beschäftigungsanspruch zweifelsfrei gegeben und kommt deswegen auch im Hauptsacheverfahren keine andere Entscheidung über den Beschäftigungsanspruch in Betracht, so ist mit Rücksicht auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes in der Regel auch der für den Erlass einer Beschäftigungsverfügung erforderliche Verfügungsgrund gegeben (so schon die Kammerurteile vom 19.08.1992 und 18.09.2002 aaO; ferner LAG Chemnitz 08.03.1996 NZA-RR 1997, 4, zu II 3 der Gründe; LAG München 06.05.1999 - 4 Sa 227/99 -; LAG Thüringen 10.04.2001 aaO, zu III 3 c der Gründe; Walker aaO Rn. 685 f.; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im arbeitsgerichtlichen Verfahren, Anhang zu §§ 935, 940 - I Rn. 53). Ist der Beschäftigungsanspruch nicht zweifelsfrei gegeben, ist der erforderliche Verfügungsgrund mit Rücksicht auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes umso eher gegeben, je wahrscheinlicher die Anerkennung des Beschäftigungsanspruchs im Hauptsacheverfahren ist (so auch schon das Kammerurteil vom 18.09.2002 aaO; ebenso LAG München 19.09.2002 - 2 Sa 490/02 -; vgl. ferner Walker aaO Rn. 261). Im Übrigen kommt eine prozessrechtliche Interessenabwägung in Bezug auf den Verfügungsgrund nur in Betracht, soweit dafür nach der materiellrechtlichen Interessenabwägung in Bezug auf den Beschäftigungsanspruch noch Raum ist (so schon die Kammerurteile vom 19.08.1992 und 18.09.2002 aaO; vgl. ferner auch insoweit LAG München 19.09.2002 - 2 Sa 490/02 -).

Demnach ist im vorliegenden Fall der für die beantragte Beschäftigungsverfügung gemäß § 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund gegeben, weil

- der Beschäftigungsanspruch des Klägers zweifelsfrei besteht,

- die Beschäftigungsschuld der Beklagten eine absolute Fixschuld ist,

- der Beschäftigungsanspruch des Klägers daher fortgesetzt gemäß § 275 Abs. 1 BGB erlischt, soweit die Beklagte den Kläger nicht beschäftigt,

- der Kläger angesichts der gegenwärtigen Belastung des Arbeitsgerichts offenkundig keine Möglichkeit hat und auch keine Möglichkeit gehabt hat, den Beschäftigungsanspruch kurzfristig im Hauptsacheverfahren durchzusetzen,

- die Beschäftigungsverfügung infolgedessen die einzige wirksame Möglichkeit ist, den Kläger vor dem gemäß § 275 Abs. 1 BGB drohenden endgültigen Verlust eines wesentlichen Teiles seines Beschäftigungsanspruchs zu schützen und die Verweigerung der beantragten Beschäftigungsverfügung dementsprechend eine

- nach dem rechtsstaatlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes iSd. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. insbes. BVerfG 16.5.1995 BVerfGE 93, 1, zu C. I. 1. der Gründe) - verfassungswidrige Rechtsschutzverweigerung wäre (vgl. allg. auch Dütz AuR 2003, 161, 163), zumal der Beschäftigungsanspruch nach seinem Zweck, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers gemäß Art. 1, 2 GG vor Diskriminierung durch Nichtbeschäftigung zu schützen, "immer auf sofortige Beschäftigung gerichtet ist" (so Walker aaO Rn. 686).

Das Bestehen des Beschäftigungsanspruchs des Klägers ist insbesondere auch derart zweifelsfrei, dass der gemäß § 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund für die beantragte Beschäftigungsverfügung anerkannt werden muss. In rechtlicher Hinsicht bestehen - insbesondere nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (aaO)- ohnehin keine Zweifel. Und in tatsächlicher Hinsicht bestehen aus den dargelegten Gründen jedenfalls keine erheblichen Zweifel, zumal die Darlegungen der Beklagten zur Begründung des streitigen Freistellungsrechts trotz mündlicher Verhandlung im ersten und zweiten Rechtszug ganz und gar unschlüssig geblieben sind. Zwar kommt es insoweit entscheidend auf den voraussichtlichen Ausgang eines Hauptsacheverfahrens an (vgl. Walker aaO Rn. 261 f.). Und insoweit kann natürlich nicht absolut jeder Zweifel ausgeschlossen werden. Dass die Beklagte in einem Hauptsacheverfahren Tatsachen darlegen und beweisen könnte, die die streitige Freistellung des Klägers doch rechtfertigen, ist aber (anders als in dem von der Kammer durch das Urteil vom 18.09.2002 aaO entschiedenen Fall) aus den dargelegten Gründen so unwahrscheinlich, dass es als bloß theoretische Möglichkeit außer Betracht bleiben muss, zumal sonst das rechtsstaatliche Gebot effektiven Rechtsschutzes durch jeden auch noch so theoretischen Zweifel in Frage gestellt wäre.

Eine Beschäftigungsverfügung trotzdem - etwa mangels eines Nachteils iSv. § 940 ZPO - zu verweigern, wäre im Übrigen auch nicht vereinbar mit dem gesetzlichen Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG und § 79 Abs. 2 BPersVG und der in der Regel gebotenen Anerkennung eines Verfügungsgrundes für eine Weiterbeschäftigungsverfügung, wenn dieser Weiterbeschäftigungsanspruch zweifelsfrei besteht.

Auf Grund dieses Anspruchs muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ggf. sogar nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Dieser Anspruch hat den Zweck, "dass der gekündigte Arbeitnehmer im Falle seines Obsiegens im Kündigungsschutzprozess seinen Arbeitsplatz behält und auf ihm auch tatsächlich weiterbeschäftigt werden kann" (so BAG GS 27.02.1985 aaO, zu C I 2 c der Gründe). Dementsprechend hat der Arbeitnehmer gemäß § 102 Abs. 5 Satz 1 BetrVG und § 79 Abs. 2 BPersVG jedenfalls grundsätzlich auch Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen (vgl. auch insoweit BAG GS 27.02.1985 aaO). Und dementsprechend kann der Arbeitnehmer diesen Weiterbeschäftigungsanspruch jedenfalls dann, wenn er zweifelsfrei besteht, in der Regel allein schon wegen der Gefahr des sukzessiven Erlöschens des Anspruchs gemäß § 275 Abs. 1 BGB im Wege einer Weiterbeschäftigungsverfügung durchsetzten, ohne dass es dazu noch eines weiteren Nachteils iSv. § 940 ZPO bedürfte (so die ganz überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum; vgl. nur das Kammerurteil vom 17.08.1994 LAGE BetrVG § 102 Beschäftigungspflicht Nr. 18; ferner LAG München 28.02.2002 - 4 Sa 1122/01 -; 13.03.2002 - 9 Sa 144/02 -; vgl. ferner Richardi/Thüsing BetrVG 8. Aufl. § 102 Rn. 239 mwN.).

Wenn aber ein Verfügungsgrund für eine Weiterbeschäftigungsverfügung in der Regel allein schon wegen der Gefahr des sukzessiven Erlöschens des Weiterbeschäftigungsanspruchs anerkannt werden muss, wenn dieser Anspruch zweifelsfrei besteht, dann wäre es ein - auch mit der gesetzlichen Regelung des Weiterbeschäftigungsanspruchs nicht vereinbarer - Wertungswiderspruch, eine Beschäftigungsverfügung auch im Falle eines zweifelsfrei bestehenden allgemeinen Beschäftigungsanspruchs bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - womöglich monatelang - mangels eines über den endgültigen Anspruchsverlust hinausgehenden Nachteils iSv. § 940 ZPO zu verweigern, weil der gesetzliche Weiterbeschäftigungsanspruch für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist nichts anderes ist als der allgemeine Beschäftigungsanspruch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (vgl. BAG 15.03.2001 aaO, zu B V 2 und 4 der Gründe) und der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts sich zur Begründung des allgemeinen Beschäftigungsanspruchs auch auf den gesetzlichen Weiterbeschäftigungsanspruch berufen hat (vgl. BAG GS 27.02.1985 aaO). Wenn ein Verfügungsgrund für eine Weiterbeschäftigungsverfügung in der Regel allein schon wegen der Gefahr des sukzessiven Erlöschens des Weiterbeschäftigungsanspruchs anerkannt werden muss, wenn dieser Anspruch zweifelsfrei besteht, dann muss zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs erst recht ein Verfügungsgrund für eine Beschäftigungsverfügung zur Durchsetzung eines zweifelsfrei bestehenden allgemeinen Beschäftigungsanspruchs bis zum Ablauf der Kündigungsfrist anerkannt werden, zumal man sonst - etwa im vorliegenden Fall - zu dem geradezu grotesken Ergebnis kommen würde, dass ein gekündigter und bis zum Ablauf einer monatelangen Kündigungsfrist zu Unrecht freigestellter Arbeitnehmer seinen allgemeinen Beschäftigungsanspruch bis zum letzten Tag der Kündigungsfrist nicht im Wege einer Beschäftigungsverfügung durchsetzen, schon am ersten Tag nach Ablauf der Kündigungsfrist aber eine Weiterbeschäftigungsverfügung erwirken könnte.

Das in einem Parallelrechtsstreit ergangene Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 24.04.2003 - 10 Sa 301/03 - berücksichtigt (ebenso wie das in diesem Urteil zitierte Urteil des LAG München vom 21.09.1998 - 3 Sa 933/98) vor allem nicht ausreichend das Gebot effektiven Rechtsschutzes eines zweifelsfrei bestehenden Anspruchs, soweit dieses Urteil den Erlass einer Beschäftigungsverfügung generell, also auch wenn der Beschäftigungsanspruch zweifelsfrei besteht, davon abhängig macht, "dass die sofortige Erfüllung des glaubhaft zu machenden Beschäftigungsanspruchs angesichts des im konkreten Fall besonders schutzwürdigen Interesses des Antragstellers an der Beschäftigung zwingend geboten ist, weil er sonst einen ihm nicht zuzumutenden Rechtsverlust erleidet", einen solchen Rechtsverlust aber "in aller Regel nicht schon dann" anerkennt, "wenn ein Arbeitnehmer für eine gewisse Zeit unter Fortzahlung des Gehalts von der Arbeit freigestellt ist" (so allerdings auch etwa LAG Hamm 18.02.1998 NZA-RR 1998, 422).

In einem rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren können die Gerichte - mit Rücksicht auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes zur Verwirklichung des materiellen Rechts - jedenfalls in der Regel nicht die Rechtsmacht haben zu entscheiden, dass dem Gläubiger eines zweifelsfrei bestehenden Anspruchs der endgültige Verlust dieses Anspruchs - mangels eines über diesen Rechtsverlust hinausgehenden Nachteils iSv. § 940 ZPO oder mangels eines gemäß § 940 ZPO besonders schutzwürdigen Interesses an der Durchsetzung des Anspruchs - zuzumuten und deswegen die Durchsetzung des Anspruchs durch eine Befriedigungsverfügung nicht geboten sei. Eine solche Rechtsmacht würde ja bedeuten, dass die Gerichte entscheiden, welches Recht vor dem endgültigen Rechtsverlust zu schützen ist und welches nicht, obwohl in einem rechtsstaatlichen Verfahren jedes Recht gleichermaßen schutzwürdig ist (vgl. allg. nur Dütz AuR 2003, 161 f.). Mit Rücksicht auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes kann daher gemäß § 940 ZPO im Falle eines zweifelsfrei bestehenden allgemeinen Beschäftigungsanspruchs der Erlass einer Beschäftigungsverfügung jedenfalls in der Regel nicht - über die Gefahr des endgültigen Verlustes dieses Anspruchs hinaus - noch von einem sonstigen Nachteil oder einem besonders schutzwürdigen Interesse an der Beschäftigungsverfügung abhängig gemacht werden.

Es kann jedenfalls nicht im Unklaren gelassen werden, wie eine solche prozessrechtliche Interessenabwägung von der für den allgemeinen Beschäftigungsanspruch maßgeblichen materiellrechtlichen Interessenabwägung abgegrenzt werden soll (insoweit unklar auch HdBVR-Baur aaO Rn. 99). Denn diese Abgrenzung ist erforderlich, weil es widersprüchlich wäre, den allgemeinen Beschäftigungsanspruch auf Grund einer materiellrechtlichen Interessenabwägung mangels eines überwiegenden, schutzwürdigen Interesses des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers anzuerkennen, auf Grund einer prozessrechtlichen Abwägung derselben Interessen aber einen Verfügungsgrund mangels eines besonders schutzwürdigen Beschäftigungsinteresses zu verneinen (so zutreffend Walker aaO Rn. 686 mwN; ebenso LAG München 19.09.2002 - 2 Sa 490/02 -) und weil deswegen für eine nochmalige Abwägung der für den Beschäftigungsanspruch maßgeblichen Interessen bei der Prüfung des Verfügungsgrundes für eine Beschäftigungsverfügung generell kein Raum mehr ist (vgl. auch Grunsky ArbGG 7. Aufl. § 62 Rn. 24 a).

Abgesehen davon ist zumindest in der Regel auch nicht ersichtlich, warum denn trotz des Gebotes effektiven Rechtsschutzes gemäß § 940 ZPO dem Gläubiger eines zweifelsfrei bestehenden allgemeinen Beschäftigungsanspruchs der endgültige Verlust dieses Anspruchs - mangels eines sonstigen Nachteils oder mangels eines besonders schutzwürdigen Interesses an der Durchsetzung dieses Anspruchs - zumutbar sein könnte, obwohl dieser Beschäftigungsanspruch - insbesondere nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (aaO) - auf Grund der für die gesamte Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidungen der Art. 1, 2 GG das ideelle Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers als Teil der Persönlichkeit des Arbeitnehmers schützen soll, die rechtswidrige Freistellung des Arbeitnehmers nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sogar eine schwerwiegende Missachtung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Schutz seiner Persönlichkeit vor Diskriminierung durch Nichtbeschäftigung darstellt (vgl. BAG 15.06.1972 und 19.08.1076 aaO) und das Interesse des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung einer zweifelsfrei rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht schutzwürdig ist (vgl. Walker aaO Rn. 261).

Dieses Urteil ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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