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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 19.10.2005
Aktenzeichen: 5 Sa 383/05
Rechtsgebiete: MTV Privates Versicherungsgewerbe
Vorschriften:
MTV Privates Versicherungsgewerbe § 24 |
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 19. Oktober 2005
In dem Rechtsstreit
hat die fünfte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Wolff sowie die ehrenamtlichen Richter Löchel und Hirschmann für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 19.01.2005 - 7 Ca 6572/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Abfindung aus einem Sozialplan im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers.
Der Kläger war vom 01.04.1993 bis 31.03.2000 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zuletzt im Servicezentrum München zu einem monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von € 2.808,02 (DM 5.492,--) beschäftigt.
Am 17.05.1999 vereinbarte der bei der Beklagten gebildete Gesamtbetriebsrat mit dieser einen Rahmeninteressenausgleich im Zusammenhang mit der strategischen Neuausrichtung der Beklagten. Dieser enthält u. a. folgende Regelungen:
" 1. Geltungsbereich
Dieser Rahmeninteressenausgleich gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ... wegen der strategischen Neuausrichtung der Unternehmen. ...
2. Ziele und Strukturen
Kern der strategischen Neuausrichtung sind die weitere Umsetzung der Bildung von Geschäftsfeldern (Zielgruppen) ... sowie die Nutzung von Synergien ... . Der Gesamtbetriebsrat nimmt dabei zu Kenntnis, dass damit eine Reduzierung von Arbeitsplätzen verbunden ist. ...
3. Personelle Maßnahmen
Für die Jahre 1999 bis 2005 ergibt sich der pro Jahr ins Auge gefasste Personalabbau aus dem Ergebnis des Beratungsverfahrens gemäß Ziffer 4. Die Unternehmen verpflichten sich, in einzelnen Teilinteressenausgleichen über eine Überdeckung gegenüber den jeweiligen Jahressollzahlen und über einen Verzicht auf betriebsbedingte Entlassungen ... zu verhandeln. ...
4. ... Beteiligungsverfahren zwischen Unternehmen und Gesamtbetriebsrat
a) Es besteht Einvernehmen darüber, dass die einzelnen Teilmaßnahmen der strategischen Neuausrichtung erst umgesetzt werden dürfen, wenn Teilinteressenausgleiche i. S. von § 112 BetrVG über die jeweils beschriebenen Teilmaßnahmen zustande gekommen sind, ..."
Nach Nr. 7 des Rahmeninteressenausgleichs galt zur Vermeidung oder Milderung möglicher wirtschaftlicher Nachteile der "mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossene ... Sozialplan vom heutigen Tage". Dieser Sozialplan vom 17.05.1999 enthält u. a. folgende Regelungen:
" § 2 Geltungsbereich
Dieser Sozialplan findet Anwendung auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, soweit diese ab 1. Januar 1999 in einem ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis gestanden haben ... .
§ 3 Nachteilsausgleich
1. Allgemeine Anspruchsvoraussetzungen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis infolge der im Rahmeninteressenausgleich vom heutigen Tage genannten unternehmerischen Maßnahmen endet, sei es durch arbeitgeberseitige (Änderungs-)Kündigung, einen arbeitgeberseitig veranlassten Aufhebungsvertrag oder durch Eigenkündigung nach Erhalt eines Angebots eines unzumutbaren Arbeitsplatzes, erhalten Leistungen, deren Höhe sich entsprechend nachfolgenden Regelungen ermittelt. ...
2. Abfindung
...
h) Höchstgrenze
Die Höchstgrenze der Abfindung nach Buchstaben a) bis g) beträgt 280.000 DM.
...
4. Fälligkeit
Der Anspruch auf die Abfindung entsteht frühestens mit der rechtskräftigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Die Zahlung wird mit dem nächsten Gehaltslauf fällig. ...
§ 4 Entfallen der Abfindung bei zumutbarem Arbeitsplatzangebot
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Angebot eines zumutbaren neuen Arbeitsplatzes nicht annehmen und deren Arbeitsverhältnis deshalb endet, haben keinen Anspruch auf Leistungen gemäß § 3.
Ein neuer Arbeitsplatz ist zumutbar, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
...
3. Regionale Zumutbarkeit
Die Entfernung zwischen bisherigem und neuem Arbeitsort darf höchstens 50 km betragen ... .
§ 11 In-Kraft-Treten und Dauer
Dieser Sozialplan tritt mit seiner Unterzeichnung in Kraft. Er ist erstmals zum 31.12.2005 kündbar."
Auf einer Informationsveranstaltung am 26./27.10.1999 teilte die Beklagte den Arbeitnehmern des Servicezentrums München mit, dieses werde zum 31.12.2001 geschlossen; seine Aufgaben würden auf die Zentren Hamburg, Köln und Wiesbaden verlagert. Die Beklagte sagte jedem Mitarbeiter die Weiterbeschäftigung in einem dieser Zentren zu. In einem an alle Mitarbeiter des Servicezentrums gerichteten Schreiben vom 03.12.1999 erläuterte die Beklagte die personellen Auswirkungen der geplanten Maßnahmen. In dem Schreiben heißt es:
" Welche Mitarbeiter von welchen personellen Maßnahmen zu welchem Zeitpunkt persönlich betroffen sein werden, hängt auch vom Ergebnis unserer noch bevorstehenden Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat ... ab. ... Nach unseren Planungen sollen zum 31.12.2001 sämtliche Arbeiten des Servicezentrums auf die anderen Standorte verlagert sein. Dies wird nicht auf einmal, sondern nur sukzessive möglich sein. ... Dies müssen wir u. a. dadurch steuern, dass wir die Zeitpunkte des Wechsels von Mitarbeitern an andere Standorte selbst bestimmen. (Wir weisen darauf hin), dass ein Wechsel eines Mitarbeiters vor dem von uns bestimmten Zeitpunkt nicht in unserem Interesse wäre und daher zum Verlust der Ansprüche aus dem Sozialplan führen würde."
Bei der Beklagten galt ein Haustarifvertrag, der als Manteltarifvertrag (MTV) überschrieben ist und in § 24 regelt:
" § 24 Verfall von Ansprüchen
Vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, soweit sie nicht spätestens innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht werden. Hierunter fallen nicht Ansprüche aus der Einkommensregelung mit im Angestelltenverhältnis tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Werbeaußendienstes, insbesondere aus einer Provisionsvereinbarung. Entsprechende Ansprüche müssen jedoch innerhalb einer Frist von 12 Monaten wenigstens dem Grunde nach schriftlich geltend gemacht werden."
Im Arbeitsvertrag des Klägers ist unter Nr. 10 geregelt:
" Die in der Gesellschaft geltenden Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweiligen Fassung sind Bestandteil dieses Vertrages; das Gleiche gilt für die tariflichen Bestimmungen, sofern dieser Dienstvertrag nicht Abweichendes regelt. Dieser Vertrag kann durch Betriebsvereinbarung verändert werden."
Mit Schreiben vom 17.02.2000 bat der Kläger die Beklagte "um eine Arbeitsvertragsauflösung zum 01.04.2000" und um "Aushändigung eines, den oben genannten Beendigungsgrund beinhaltenden, Aufhebungsvertrages". Die Beklagte antwortete darauf mit Schreiben vom gleichen Tag und teilte dem Kläger mit, sie habe zurzeit keinen Grund, ihm einen Aufhebungsvertrag anzubieten. Sie brauche ihn, um ihren Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 18.02.2000 die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2000.
Am 12.05.2000 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat einen Teilinteressenausgleich u. a. hinsichtlich der Schließung des Servicezentrums München.
Der Kläger hat behauptet, dass allein die konkrete in Aussicht gestellte Schließung des Betriebes Anlass für seine Eigenkündigung gewesen sei.
Er hat die Ansicht vertreten, vorliegend handle es sich um einen Parallelfall zu dem vom Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 25.03.2003 - 1 AZR 169/02 - entschiedenen Fall. Der Ursachenzusammenhang zwischen der geplanten Schließung des Servicezentrums und der erfolgten Eigenkündigung ergebe sich daraus, dass die Schließung des Servicezentrums eine wesentliche Folge der Umsetzung der im Rahmeninteressenausgleich genannten unternehmerischen Ziele sei. Die Eigenkündigung sei folglich von der Beklagten veranlasst worden. Der Kläger habe nicht abwarten müssen, bis ein unzumutbares Angebot der Beschäftigung unterbreitet werde, da der entsprechende § 3 Nr. 1 des Sozialplans gem. § 75 BetrVG unwirksam sei. Im Übrigen seien alle Arbeitsplatzangebote, die die Beklagte auf der Informationsveranstaltung als sicher in Aussicht gestellt habe, auf Grund der Entfernung unzumutbar gewesen.
Der Kläger hat beantragt:
Die Beklagte wird kostenpflichtig verurteilt, € 19.572,56 brutto nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit 01.04.2000 an ihn zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat bestritten, dass der Wunsch des Klägers auf Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ausschließlich auf der Schließungsabsicht des Servicezentrums München geruht habe, da er daran interessiert gewesen sei, das Arbeitsverhältnis schnellstmöglich zu beenden.
Sie hat geltend gemacht, dass der Anspruch auf eine Abfindung nicht gegeben und auf Grund der Ausschlussfrist verfallen sei. Der Kläger habe nach dem Wortlaut des Sozialplans keinen Anspruch auf die Sozialplanabfindung, da er, ohne zuvor das Angebot eines unzumutbaren Arbeitsplatzes erhalten zu haben, selbst gekündigt habe. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht gegeben, da es sachgerecht sei, die Gruppe derer, die auf Grund Aufhebungsvertrages und derer, die auf Grund Eigenkündigung ausschieden, unterschiedlich zu behandeln. Eine Parallele zu der vom Kläger herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sei nicht gegeben.
Der Anspruch des Klägers sei auf jeden Fall gemäß § 24 MTV verfallen.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 19.01.2005, das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 08.03.2005 zugestellt wurde, Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat in dieser Entscheidung die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es dahingestellt bleiben könne, ob dem Kläger ein Anspruch aus dem Sozialplan zugestanden habe. Auf jeden Fall sei ein solcher Anspruch nach § 24 MTV verfallen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 07.04.2005, die am 08.04.2005 beim Landesarbeitsgericht München eingegangen ist und zu deren Begründung er fristgemäß im Wesentlichen vorgetragen hat, der Anspruch sei nicht nach § 24 MTV verfallen.
Diese Bestimmung, wonach "vertragliche Ansprüche nach Ablauf von 6 Monaten verfallen, wenn sie nicht vorher schriftlich geltend gemacht würden", beträfen nicht Ansprüche aus einem Sozialplan. Vielmehr handle es sich dabei nur um einzelvertragliche Ansprüche. Dies sei das Ergebnis einer zutreffenden Auslegung der tarifvertraglichen Bestimmung. Im Übrigen habe der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Sozialplananspruch erfüllt.
Der Kläger beantragt zu erkennen:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 19.01.2005 - 7 Ca 6572/04 - wird abgeändert.
2. Es wird nach den Schlussanträgen I. Instanz erkannt.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und führt im Wesentlichen aus, ein eventueller Anspruch des Klägers sei gem. § 24 MTV verfallen. Im Übrigen habe er die tatbestandlichen Voraussetzungen gem. § 3 Nr. 1 des Sozialplans vom 17.05.1999 nicht erfüllt, da er selbst das Arbeitsverhältnis durch Eigenkündigung beendet habe, ohne dass die Beklagte ihm vorher einen unzumutbaren Arbeitsplatz angeboten hätte. Vielmehr habe der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung einen neuen Arbeitsplatz gehabt. Dies habe ihn zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten veranlasst.
Wegen des Sachvortrags der Parteien im zweiten Rechtszug im Übrigen wird Bezug genommen auf die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung vom 09.06.2005 sowie auf die Ausführungen der Beklagten in der Berufungserwiderung vom 01.08.2005.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
I.
Die gem. § 64 Abs. 2 statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von bloßen Wiederholungen zunächst Bezug genommen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG), die Klage abgewiesen. Im Hinblick auf die Ausführungen der Parteien in der Berufung wird ergänzend und zusammenfassend auf Folgendes hingewiesen:
1. Ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Abfindung gemäß dem Sozialplan vom 17.05.1999 ist nach § 24 MTV verfallen. Bei dem Anspruch aus dem Sozialplan handelt es sich um einen "vertraglichen Anspruch" im Sinne dieser tarifvertraglichen Bestimmung.
a) Für die Auslegung von Tarifverträgen ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) von folgenden Rechtsgrundsätzen auszugehen: "Bei der Tarifauslegung ist über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, wie er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Für die bei Zweifeln darüber hinaus mögliche Heranziehung weiterer Auslegungskriterien (Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages) gibt es keinen Zwang zu einer bestimmten Reihenfolge."
aa) Maßgebend ist zunächst der von den Tarifvertragsparteien verwandte Sprachgebrauch (vgl. Erfurter Kommentar/Schaub, 5. Auflage, § 1 TVG Rn. 16). Vorliegend ist dabei zu sehen, dass der MTV selbst keine Definition des Begriffs "Vertragliche Ansprüche" enthält. Es wird darin jedoch unterschieden nach "vertraglich", "einzelvertraglich" (§ 2 Abs. 1 Satz 2 MTV) und "tarifvertraglich" (§ 3 Ziff. 6, § 25 MTV). Wie schon das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist, wenn alle drei Begriffe im Tarifvertrag gebraucht werden, davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien zwischen den einzelnen Begriffen unterschieden haben. Wenn mit vertraglich nur einzelvertraglich gemeint gewesen wäre, so hätten die Parteien dies entsprechend den übrigen Regelungen auch so bezeichnet.
Soweit die Tarifvertragsparteien sich der juristischen Fachsprache bedienen, ist davon auszugehen, dass sie diese im Umfang der Fachsprache verwenden (BAG vom 18.03.2003 - 9 AZR 691/01 - m. w. N.).
bb) Daneben sind Tarifverträge aus dem systematischen Zusammenhang auszulegen. Dabei ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass Tarifvertragsparteien einen Begriff im gesamten Tarifvertrag mit sich selbst identisch verwenden (Erfurter Kommentar/Schaub, 5. Auflage, § 1 TVG Rn. 17). Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Gebrauch von verschiedenen Begriffen auch darauf hindeutet, dass diese einen unterschiedlichen Inhalt haben. Wenn demnach der MTV einerseits von "einzelvertraglich" und andererseits von "vertraglich" spricht, dann kann vertraglich nicht das Gleiche wie einzelvertraglich bedeuten.
cc) Von besonderer Bedeutung ist, welchen Zweck die Tarifvertragsparteien mit der Norm im Einzelfall verfolgen. Insoweit ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Tarifvertragsparteien eine vernünftige und praktisch brauchbare Regelung treffen wollen, sodass derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen des Arbeitslebens am besten entspricht (BAG AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; Erfurter Kommentar/Schaub, 5. Auflage, § 1 TVG Rn. 18). Dagegen ist eine Auslegungsregel ungeeignet, einen Tarifvertrag nach arbeitsrechtlichen Schutzprinzipien danach auszulegen, was für den Arbeitnehmer am günstigsten ist. Durch ein derartiges Auslegungsprinzip würde gegen die Neutralität verstoßen; es ist auch nicht einzusehen, dass allein die Arbeitgeberseite Regelungen unklarer Tarifverträge zu tragen hat (Erfurter Kommentar/Schaub, a. a. O.). Auch die Unklarheitenregelung des § 305c BGB kann für Tarifverträge nicht gelten, da § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB deren Anwendung auf Tarifverträge ausschließt.
Sinn und Zweck von Ausschlussfristen ist die Erzielung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit. Der Schuldner soll innerhalb einer bestimmten Frist darauf hingewiesen werden müssen, welche Ansprüche noch gegen ihn geltend gemacht werden.
Wenn eine tarifvertragliche Ausschlussfrist nur Ansprüche aus einzelvertraglichen Vereinbarungen erfassen würde, fielen Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge nicht darunter. Es erscheint geradezu widersinnig, annehmen zu wollen, der MTV wolle in § 24 zwar einzelvertragliche, nicht aber tarifvertragliche Ansprüche ausschließen. Primär regelt der MTV wie jeder Tarifvertrag in seinem normativen Teil tarifvertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer. Somit müssen mit vertraglichen Ansprüchen auch solche aus dem Tarifvertrag gemeint sein.
Nachdem es Sinn und Zweck der Ausschlussfrist ist, innerhalb einer bestimmten, angemessenen Frist Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herzustellen, sind unter die Regelung in § 24 MTV alle vertraglichen Ansprüche zu subsumieren. Das sind neben den tarifvertraglichen und einzelvertraglichen Ansprüchen auch diejenigen aus einer Betriebsvereinbarung. Auch insoweit handelt es sich um vertragliche Ansprüche. Denn bei einer Betriebsvereinbarung handelt es sich nach überwiegender Meinung (vgl. Fitting, 22. Auflage, § 77 BetrVG Rn. 13 m. w. N.) um einen privatrechtlichen kollektiven Normenvertrag. Zwar wirken die Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung normativ (§ 77 Abs. 4 BetrVG), insoweit unterscheiden sie sich jedoch nicht von Tarifverträgen (§ 4 Abs. 1 TVG). Beide Regelwerke haben individuelle Ansprüche der Arbeitnehmer zum Gegenstand. Nachdem in beiden Fällen die Ansprüche durch einen Vertrag generiert werden, ist es ohne weiteres zulässig, insoweit auch von vertraglichen Ansprüchen zu sprechen.
Dass es sich bei dem Sozialplan um eine Betriebsvereinbarung handelt, hat das Arbeitsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAGE 66, 328 m. w. N.) schon zutreffend festgestellt.
b) Bei der Auslegung von § 24 MTV erscheint es ohne Bedeutung, dass nur etwa 10 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Beklagten tarifgebunden sind.
Tarifvertragsparteien schaffen grundsätzlich ein Regelwerk für ihre Mitglieder oder - wie vorliegend - bei einem Firmentarifvertrag für die tarifgebundenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Unternehmens. Der Organisationsgrad spielt dabei keine Rolle.
Wenn die Tarifvertragsparteien - aus welchen Gründen auch immer - nur einzelvertragliche (im Gegensatz zu kollektivvertraglichen) Ansprüche von der Ausschlussfrist umfassen hätten wollen, wäre es ein Leichtes gewesen, dies durch die entsprechende Wortwahl deutlich zu machen.
2. Der Kläger erfüllt auch nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen zur Erfüllung des Sozialplans für den geltend gemachten Anspruch.
Nach Nr. 3.1 des Sozialplans vom 17.05.1999 erhalten nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Leistungen, deren Arbeitsverhältnis infolge der im Rahmeninteressenausgleich vom gleichen Tage genannten unternehmerischen Maßnahme endet, sei es durch arbeitgeberseitige (Änderungs-)Kündigung, einen arbeitgeberseitig veranlassten Aufhebungsvertrag oder durch Eigenkündigung nach Erhalt eines Angebots eines unzumutbaren Arbeitsplatzes. Diese Voraussetzung hat der Kläger nicht erfüllt. Er ist, nachdem die Beklagte den Abschluss eines Aufhebungsvertrages ausdrücklich abgelehnt hatte, durch Eigenkündigung bei ihr ausgeschieden, ohne vorheriges Angebot eines unzumutbaren Arbeitsplatzes.
Anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25.03.2003 - 1 AZR 169/02) entschiedenen Fall, auf den der Kläger sich beruft, hat sein Arbeitsverhältnis nicht durch einen von der Beklagten veranlassten Aufhebungsvertrag geendet. Vielmehr hatte die Beklagte den Abschluss eines solchen Vertrages ausdrücklich abgelehnt, weil sie sich nicht vom Kläger trennen wollte. Im Schreiben vom 17.02.2000 hatte sie dem Kläger mitgeteilt, dass sie zurzeit keinen Grund habe, ihm einen Aufhebungsvertrag anzubieten und ihn weiter darauf hingewiesen, dass sie ihn brauche, um ihren Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war somit nicht vom Arbeitgeber veranlasst.
Das Bundesarbeitsgericht (a. a. O. unter II. 2. b) cc) der Gründe) hat ausdrücklich darauf abgestellt, dass die Beklagte es in der Hand hatte, den Aufhebungsvertrag abzulehnen, wenn sie den betreffenden Mitarbeiter noch benötigte. Wenn sie dieses Angebot jedoch angenommen habe, habe sie auch die Aufhebung veranlasst. Offengelassen hat das Bundesarbeitsgericht (a. a. O.), ob auch bei einer Eigenkündigung ein Abfindungsanspruch besteht.
Das ist zu verneinen.
Die Beklagte hatte im Schreiben vom 03.12.1999, das auch an den Kläger ging, ausgeführt, nach ihren Planungen sollten zum 31.12.2001 sämtliche Arbeiten des Servicezentrums München auf die anderen Standorte verlagert sein. Dies würde nicht auf einmal, sondern nur sukzessive möglich sein. Weiter hat die Beklagte in diesem Schreiben darauf hingewiesen, dass sie dies u. a. dadurch steuern müsste, dass sie die Zeitpunkte des Wechsels von Mitarbeitern an andere Standorte selbst bestimmen würde. Sie hat weiter deutlich gemacht, dass ein Wechsel eines Mitarbeiters vor dem von ihr bestimmten Zeitpunkt nicht in ihrem Interesse wäre und daher zum Verlust der Ansprüche aus dem Sozialplan führen würde.
Die Beklagte hatte ein nachvollziehbares Interesse daran, dass die Mitarbeiter bis zu dem Zeitpunkt bei ihr blieben und den Betrieb aufrechterhielten, zu dem die jeweilige Umsetzung der Betriebsänderung geplant war. Es widerspricht deshalb nicht dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn die Betriebsparteien in dem Sozialplan Arbeitnehmer von Leistungen ausnehmen, die durch Eigenkündigung vor dem Termin der geplanten Betriebsänderung ausscheiden (vgl. BAGE 80, 286). Wenn der Arbeitnehmer selbst kündigt, so verliert der Arbeitgeber unter Umständen Arbeitnehmer, die er überhaupt oder noch eine gewisse Zeit benötigt und daher behalten möchte. Auch das Interesse des Arbeitgebers an einer geordneten Durchführung der Betriebsänderung und damit auch an der Weiterbeschäftigung bestimmter Arbeitnehmer können die Betriebspartner bei ihrer Regelung über Leistungen aus einem Sozialplan berücksichtigen (BAG a. a. O., m. w. N.).
Von einer willkürlichen und auf sachfremden Gründen beruhenden Ungleichbehandlung kann deshalb vorliegend nicht die Rede sein.
III.
Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Ende der Entscheidung
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