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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 11.03.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 1023/07
Rechtsgebiete: MTV für das private Omnibusgewerbe, BGB


Vorschriften:

MTV für das private Omnibusgewerbe in Bayern
BGB § 133
Die Regelung in einem Sozialplan, "Arbeitnehmer, die gegen die Kündigung gemäß dem Interessenausgleich Kündigungsschutzklage erhoben oder sich in sonstiger Weise gegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses gewehrt haben, erhalten Leistungen nach diesem Sozialplan erst, wenn rechtskräftig feststeht, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist", bestimmt die Fälligkeit des Abfindungsanspruchs; sie ist nicht lediglich eine Auszahlungsvorschrift.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 1023/07

Verkündet am: 11. März 2008

In dem Rechtsstreit

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Herbst und Müller für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten vom 15. November 2007 gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 5. Oktober 2007 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob die verlangte Sozialplanabfindung innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlussfrist des anwendbaren Manteltarifvertrages für das private Omnibusgewerbe in Bayern geltend gemacht worden ist.

Die im Februar 1952 geborene Klägerin war auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages (Blatt 54 bis 56 der Akte) seit 1. Juni 1996 bei der Beklagten, einem Busunternehmen, als Sachbearbeiterin im Bereich Buchhaltung und Verwaltung sowie Personal beschäftigt gewesen. Unter Ziff. 6 dieses Arbeitsvertrages findet man die Geltung des Manteltarifvertrages Nr. 5 des privaten Omnibusgewerbes in Bayern vom 6. Juni 1991 vereinbart. Zum 31. Dezember 2006 hatte die Beklagte, die damals circa 65 Mitarbeiter beschäftigte, der Klägerin im Zuge einer Umstrukturierung ordentlich gekündigt. In diesem Zusammenhang waren mit dem Betriebsrat jeweils unter dem 2. August 2006 ein Interessenausgleich mit Namensliste (Blatt 4 bis 9 der Akte) sowie ein Sozialplan (Blatt 10 bis 12 der Akte) vereinbart worden.

Nach Ziffer I. Abs. 3 des Sozialplans sollte die Abfindung mit Zugang der Kündigung entstehen und vererblich sein. Fällig ist sie nach dem Wortlaut des Sozialplans grundsätzlich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Auf Wunsch des Arbeitnehmers kann die Auszahlung auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Eine Verzinsung bis dahin findet nur im Verzugsfall statt.

Unter Ziffer VII. des Sozialplans haben die Betriebsparteien vereinbart:

Arbeitnehmer, die gegen die Kündigung gemäß dem Interessenausgleich Kündigungsschutzklage erhoben oder sich in sonstiger Weise gegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses gewehrt haben, erhalten Leistungen nach diesem Sozialplan erst, wenn rechtskräftig feststeht, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist.

Die Klägerin hatte gegen die ihr mit Schreiben vom 25. August 2006 zum 31. Dezember 2006 ausgesprochene Kündigung am 13. September 2006 Kündigungsschutzklage erheben lassen, die mit Schriftsatz vom 3. Mai 2007 (Blatt 5 der Akte) wieder zurückgenommen worden ist. Gleichzeitig war die Beklagte mit anwaltschaftlichem Schreiben vom 3. Mai 2007 (Blatt 13 der Akte) gebeten worden, nun die der Klägerin zustehende Sozialplanabfindung auszuzahlen.

Die Beklagte war dieser Aufforderung unter Hinweis auf die ihres Erachtens mittlerweile eingetretene Verfristung nach Maßgabe des arbeitsvertraglich Bezug genommenen Tarifvertrags des privaten Omnibusgewerbes in Bayern aber entgegengetreten. Auf ihr diesbezügliches Schreiben vom 13. Juli 2007 (Blatt 14/15 der Akte) wird hingewiesen.

Die Klägerin hält demgegenüber an ihrer Forderung fest und hat sie mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 18. Juli 2007 vor dem angerufenen Arbeitsgericht München auch erfolgreich geltend machen lassen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Endurteils vom 5. Oktober 2007 wird Bezug genommen.

Mit der am 15. November 2007 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese seinen Prozessbevollmächtigten am 18. Oktober 2007 zugestellte Entscheidung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Begründung des Rechtsmittels ist innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 18. Januar 2008 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht vorgehalten, der Ziffer VII. des Sozialplans zu Unrecht eine spezielle Fälligkeitsregel entnommen zu haben, die der grundsätzlichen Fälligkeitsbestimmung in Ziffer 1 des Sozialplans vorgehe. Demgegenüber lässt die Beklagte die Ausschließlichkeit der Fälligkeitsregelung in Ziffer 1 des Sozialplans vertreten. Soweit in diesem Zusammenhang das Wort "grundsätzlich" verwandt worden ist, sieht die Beklagte den Ausnahmefall dazu im folgenden Satz dieses Abs. 3 der Ziffer 1 geregelt, dass nämlich der Arbeitnehmer verlangen könne, die Auszahlung (der Sozialplanabfindung) erst zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen. Die dazu bei den Sozialplanverhandlungen geführten Gespräche werden ansatzweise geschildert.

Die Ansicht des Erstgerichts, die Fälligkeitsregelung in Ziffer VII. entspreche den Interessen der Beklagten, wird ebenfalls zurückgewiesen. Auf die dazu angestellten Überlegungen zur Verzinsung der Abfindung (Blatt 62/63 der Akte) wird Bezug genommen. Auf jeden Fall kann nach Ansicht der Beklagten die Regelung in Ziffer VII. des Sozialplans nicht als Ausnahme von der in Ziffer I. geregelten Fälligkeit gesehen werden. Eigentlich wird diese Aussage als überflüssig angesehen, sie beinhalte hinsichtlich der Verzinsung während der Dauer des Kündigungsschutzverfahrens nur eine Selbstverständlichkeit. Im Wortlaut dieser Ziffer VII. sei auch nicht die Fälligkeit der Forderung angesprochen. Das stattdessen verwandte Wort "erhalten" beschreibt nach Ansicht der Beklagten den Zeitpunkt, wann die Abfindung auf dem Konto der Arbeitnehmer ausgezahlt werden müsse. Damit wird diese Ziffer VII. lediglich als Auszahlungsvorschrift verstanden.

Die von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage war in den Augen der Beklagten von vorneherein aussichtslos gewesen. Dies sei der Klägerin in der Güteverhandlung am 7. November 2006 auch klargemacht worden, so dass sie Zeit gehabt hätte, die Sozialplanabfindung bis zum 31. Januar 2007 geltend zu machen. In der Erhebung der Kündigungsschutzklage könne ein Geltendmachen der Sozialplanforderung nicht gesehen werden. Dieses Geltendmachen sei vielmehr erst mit Schreiben vom 3. Mai 2007 und damit zu spät erfolgt. Die Berufungsanträge lauten:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München, Gz. 8 Ca 9825/07, vom 5. Oktober 2007 abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Die Klägerin lässt beantragen:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Den Überlegungen des Erstgerichts pflichtet sie bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung tritt sie entgegen. Die tarifvertragliche Ausschlussfrist des § 16 Nr. 2 des Manteltarifvertrages Nr. 7 für das private Omnibusgewerbe in Bayern vom 30. Juli 2002 versäumt zu haben, bestreitet die Klägerin. Ziffer VII. des Sozialplans enthalte ebenfalls eine Fälligkeitsbestimmung. Dies wird im Folgenden dann auch eingehend begründet. Diese Ziffer VII. des Sozialplans mache keinen Unterschied, aus welchen Gründen und mit welchen Prozessaussichten die Kündigungsschutzklage erhoben worden sei. Mit Fälligkeit werde im allgemeinen Zivilrecht derjenige Zeitpunkt bezeichnet, von dem ab der Gläubiger die Leistung fordern könne.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 18. Januar 2008 (Blatt 59 bis 66 der Akte) mit Anlagen, auf die Berufungsbeantwortung vom 25. Februar 2008 (Blatt 77 bis 80 der Akte) mit Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 11. März 2008 (Blatt 92/93 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, die vom Erstgericht zugebilligte Sozialplanabfindung abgewiesen zu bekommen, muss erfolglos bleiben. Dieser Anspruch findet im Sozialplan vom 2. August 2006 seine Rechtsgrundlage. Anspruchsgrund und Anspruchshöhe waren zwischen den Parteien zumindest im Berufungsverfahren nicht im Streit gewesen.

Die Klägerin hat ihren Anspruch entgegen den Ausführungen der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung auch fristgerecht, das heißt, innerhalb der Kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung geltenden tarifvertraglichen Ausschlussfrist, geltend gemacht. Ziffer VII. des Sozialplans ist nicht lediglich eine Auszahlungsvorschrift, sie enthält vielmehr auch nach Ansicht der Berufungskammer eine Fälligkeitsregelung für den Fall, dass die Arbeitnehmer die ihnen ausgesprochene Kündigung gerichtlich überprüfen lassen. Das findet man in der angefochtenen Entscheidung bereits zutreffend begründet. Diesen Ausführungen schließt sich die Berufungskammer zunächst einmal an (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die Worte in Ziffer VII. des Sozialplans:

Arbeitnehmer, die gegen die Kündigung gemäß dem Interessenausgleich Kündigungsschutzklage erhoben oder sich in sonstiger Weise gegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses gewehrt haben, erhalten Leistungen nach diesem Sozialplan erst, wenn rechtskräftig feststeht, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist, lassen Sinn und Zweck dieser Regelung eindeutig erkennen. Sie soll durchaus den Interessen des Arbeitgebers Rechnung tragen, der die Sozialplanabfindung natürlich erst bezahlen will, wenn das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis, für dessen Verlust diese Abfindung vorgesehen ist, gesichert beendet ist. Es bestehen damit auch keine Bedenken dagegen, diese Ziffer auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Sicher kann die Klagerücknahme nicht als rechtskräftige Feststellung gewertet werden. Sie führt aber zum gleichen Ergebnis. Mit Klagerücknahme steht, da auf das bestandene Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung gekommen war, endgültig fest, dass dieses Arbeitsverhältnis mit dem 31. Dezember 2006 beendet ist.

Hat das Erstgericht nach alledem zutreffend entschieden, muss die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO erfolglos bleiben.

Für die Beklagte wird die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Revision einlegen. Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.

Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.

Ende der Entscheidung

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