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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 24.07.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 1366/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 612 Abs. 3
Mutterschutzfristen sind besondere Schutzvorschriften im Sinne von § 612 Abs. 3 Satz 2 BGB a.F. Sie gelten wegen des Geschlechts und können damit den Wegfall einer freiwillig gewährten sozialen Leistung nicht rechtfertigen, wenn die übrigen Beschäftigen diese Leistung erhalten.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 1366/06

Verkündet am: 24.Juli 2007

In dem Rechtsstreit

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Ell und Gebhardt für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin vom 29. Dezember 2006 wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 21. November 2006 (Az. 30 Ca 2702/06) abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin € 2.610,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten hieraus über dem Basiszinssatz der LZB seit dem 6. März 2006 zu bezahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, der Klägerin für das Jahr 2005 eine Weihnachtsgratifikation zu bezahlen.

Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 1. Dezember 1996 mit einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von € 2.610,00 beschäftigt. Sie befindet sich seit 1. Dezember 2005 anlässlich der Geburt einer Tochter in Elternzeit.

Die Klägerin hat ebenso wie eine weitere Mitarbeiterin, die sich ebenfalls in Elternzeit befindet, für das Jahr 2005 keine Weihnachtsgratifikation bekommen. Die übrigen Beschäftigten der Beklagten haben eine Weihnachtsgratifikation 2005 erhalten.

Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag (Blatt 3 bis 8 der Akte) enthält folgende Regelung:

(1) Die B. gewährt Frau Sch. mit dem jeweiligen Novembergehalt eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Bruttomonatsgehalts gemäß § 5 Abs. 1. Die Weihnachtsgratifikation ist eine freiwillige soziale Leistung, auf die auch bei mehrmaliger vorbehaltloser Bezahlung kein Rechtsanspruch besteht. Dies gilt auch für weitere unter § 6 gewährte Leistungen.

(2) Der Anspruch auf Gratifikation ist ausgeschlossen, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Auszahlungszeitpunkt endet oder wenn es sich im gekündigten Zustand befindet, es sei denn, die Kündigung erfolgte aus dringenden betrieblichen Gründen.

(3) Die Weihnachtsgratifikation ist zurückzuzahlen, wenn Frau Sch. aufgrund einer Kündigung oder wegen außerordentlicher Kündigung bzw. aus von ihr zu vertretender verhaltensbedingter Kündigung der B. bis zum 31. März des Folgejahres ausscheidet. Dies gilt entsprechend bei einvernehmlicher Aufhebung des Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin beruft sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz und ist der Ansicht, einen Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2005 zu haben. Mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 27. Februar 2006, der Beklagten zugestellt am 6. März 2006, hat sie ihr Begehren auch gerichtlich geltend machen lassen. Es ist vor dem angerufenen Arbeitsgericht München aber erfolglos geblieben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des klageabweisenden Endurteils vom 21. November 2006 wird Bezug genommen.

Mit der am 29. Dezember 2006 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese ihren Prozessbevollmächtigten am 29. November 2006 zugestellte Entscheidung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Berufungsbegründung ist innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 16. März 2007 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht vorgehalten, Urteile des Bundesarbeitsgerichts herangezogen zu haben, bei denen es um Gratifikationen gegangen war für Jahre, in denen sich die Klägerinnen bereits vollumfänglich in Elternzeit befunden haben. Die Klägerin habe demgegenüber im Jahre 2005 noch gearbeitet.

Soweit diese Gratifikation auch zukunftsbezogen gewährt werde, also Mischcharakter habe, lässt die Klägerin auf die Rückzahlungsverpflichtungen für den Fall der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinweisen. Diese Regelungen seien eng auszulegen, die nur tatsächliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses falle nicht darunter. Bei Gewährung der Gratifikation werde ohnehin allein der Vergangenheitsbezug berücksichtigt (§ 6 Abs. 1 des Arbeitsvertrages). Der somit grundsätzlich - zumindest anteilig - bestehende Anspruch auf das Weihnachtsgeld 2005 sei vorliegend damit nicht ausgeschlossen und nach dem Wortlaut von § 6 Abs. 2 und 3 des Arbeitsvertrages von ihr nach Erhalt auch nicht zurückzubezahlen.

Die Klägerin hält daran fest, dass sie über 2/3 des Zeitraums 2005 wie alle anderen Arbeitnehmer auch ihre Arbeitsleistung vollumfänglich erbracht habe. Damit stehe ihr gestützt auf den allgemeinen arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatz die den übrigen Arbeitnehmern gewährte Gratifikation zumindest im Umfang von 2/3 ebenfalls zu. Ihr Berufungsantrag lautet damit:

Unter Abänderung des Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 21. November 2006, Az. 30 Ca 2702/06, wird die Beklagte dazu verurteilt, an die Klägerin € 2.610,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten hieraus über dem Basiszinssatz der LZB seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte lässt beantragen:

Die Berufung gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 21. November 2006 wird zurückgewiesen.

Den Überlegungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung pflichtet sie bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung tritt sie entgegen. Vorweg wird beanstandet, dass die Klägerin weiterhin Verurteilung zur Zahlung in voller Höhe beantrage, obwohl in der Begründung dazu davon ausgegangen werde, dass sie im Jahr 2005 nur anteilig gearbeitet habe. In der Sache stehe ihr aber auch der anteilige Anspruch nicht zu, da es sich bei diesem Weihnachtsgeld um eine zukunftsbezogene Sondervergütung handele, die primär den Zweck habe, den Mitarbeiter über den Jahreswechsel hinaus für das neue Kalenderjahr an den Betrieb zu binden. Die Klägerin stehe aber aufgrund der in Anspruch genommenen Elternzeit dem Betrieb im Folgejahr nicht mehr zur Verfügung und könne deshalb auch die Gratifikation nicht erhalten.

§ 6 des Arbeitsvertrages sehe ausdrücklich vor, dass die Weihnachtsgratifikation eine freiwillige soziale Leistung sei, auf die auch bei mehrmaliger vorbehaltloser Bezahlung kein Rechtsanspruch bestehe. Weitergehend werde geregelt, dass die Gratifikation ausgeschlossen sei, wenn das Arbeitsverhältnis ende. Auf den vorliegenden Fall übertragen könne dies nur bedeuten, dass neben der ohnehin geregelten Freiwilligkeit der Leistung ein Anspruch dann ausgeschlossen sei, wenn die Klägerin, wie hier, im Folgejahr dem Arbeitgeber nicht mehr mit ihrer Arbeitskraft zur Verfügung stehe. Auch wenn das Arbeitsverhältnis durch Inanspruchnahme der Elternzeit nicht aufgelöst, sondern nur suspendiert werde, ändere dies an den vorstehenden Überlegungen grundsätzlich nichts. Ein Anspruch der Klägerin auf das Weihnachtsgeld 2005 wäre nach Ansicht der Beklagten nur gegeben, wenn sich im Betrieb eine betriebliche Übung dahingehend herausgebildet hätte, dass Mitarbeitern, die anteilig oder ganzjährig keine Arbeitsleistungen im Folgejahr erbringen können, dennoch Leistungen im November des jeweiligen Jahres gezahlt werden. Eine solche betriebliche Übung gebe es bei der Beklagten aber nicht.

Das streitbefangene Weihnachtsgeld sei dahingehend zu verstehen, dass diese Zahlungen im Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest stehen und ein Anspruch darauf nur dann gegeben sei, wenn das Arbeitsverhältnis zum Auszahlungszeitpunkt noch uneingeschränkt (also auch im Hinblick auf das Folgejahr) bestehe. Bei der Klägerin sei das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt aber bereits suspendiert gewesen und so könne sie auch kein Weihnachtsgeld bekommen.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 15. März 2007 (Blatt 57 bis 60 der Akte), auf die Berufungsbeantwortung vom 11. April 2007 (Blatt 61 bis 63 der Akte), auf die Sitzungsniederschrift vom 12. Juni 2007 (Blatt 68/69 der Akte) sowie auf den Schriftsatz der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 26. Juni 2007 (Blatt 70 der Akte) mit Anlage.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, die Weihnachtsgratifikation 2005 nebst Zinsen zugesprochen zu bekommen, hat Erfolg. Gestützt auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz in Verbindung mit § 6 des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages kann die Klägerin auch für das Jahr 2005 diese Weihnachtsgratifikation verlangen. Dementsprechend war die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Ersturteils zur Zahlung zu verurteilen.

1. Zwischen den Parteien unstreitig haben die übrigen Beschäftigten der Beklagten diese Weihnachtsgratifikation 2005 ausbezahlt erhalten. Der Klägerin wird diese Zahlung nur deshalb verweigert, weil sie sich im Jahr 2005 von 25. August bis 30. November 2005 im Mutterschutz und ab 1. Dezember 2005 in Elternzeit befunden hat. Da die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub/Elternzeit zu einer Suspendierung der beiderseitigen Hauptpflichten und damit zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses führt, streiten die Parteien nunmehr über die Frage, ob auch dieses Ruhen nach § 6 Abs. 2 und 3 des Arbeitsvertrages die Gratifikation ausschließt oder bei Zahlung zu einem Zahlungsanspruch führt.

2. Beides wird von der Berufungskammer verneint. Schon nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrages erfassen diese arbeitsvertraglichen Regelungen nur die Fälle der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses, seiner Kündigung oder seiner einvernehmlichen Aufhebung. Eine Suspendierung der beiderseitigen Hauptpflichten, das Ruhen des Arbeitsverhältnisses fallen nicht darunter, zumal wenn dies die Folge der Inanspruchnahme von Elternzeit ist.

Bei den Mutterschutzfristen handelt es sich um besondere Schutzvorschriften im Sinne von § 612 Abs. 3 Satz 2 BGB, da sie spezifisch an die Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmerinnen vor und nach der Entbindung anknüpfen. Sie gelten damit wegen des Geschlechts und vermögen deshalb die Vereinbarung einer geringeren Vergütung nicht zu rechtfertigen. Im Streitfall würde die geringere Vergütung auch auf einer Vereinbarung im Sinne des § 612 Abs. 3 Satz 2 BGB beruhen. Nach Art. 4 Richtlinie 75/117/ EWG ist umfassend sicherzustellen, dass mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts unvereinbare Bestimmungen in Tarifverträgen, Lohn- und Gehaltstabellen oder Einzelverträgen nichtig sind oder für nichtig erklärt werden können (BAG 23. September 1992 - 4 AZR 30/92 -BAGE 71, 195, BAG 02. August 2006 - 10 AZR 425/05 - AP Nr. 72 zu § 612 BGB, Rn. 17 ff.).

Ist die Kürzung des Entgelts im Hinblick auf die Mutterschutzfristen nach § 612 Abs. 3 Satz 2 BGB unzulässig, so kann als Bemessungsgrundlage das regelmäßige Monatsentgelt angesehen werden, das die Klägerin erzielt hätte, wenn sie während der Mutterschutzfristen gearbeitet hätte. Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (24. Februar 1999 - 10 AZR 258/98 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 213 = EZA TVG § 4 Verkehrsgewerbe Nr. 4; 20. August 2002 - 9 AZR 353/01 - BA-GE 102, 218). Hätte die Klägerin bis 30. November 2005 gearbeitet, wäre ihr nach § 6 Abs. 1 des Arbeitsvertrages mit dem Novembergehalt 2005 auch die Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Bruttomonatsgehalts gemäß § 5 Abs. 1 des Arbeitsvertrages ausbezahlt worden, im Zweifel mit Wertstellung: 29. November 2005. Eine anteilige Kürzung dieser Weihnachtsgratifikation sieht der Arbeitsvertrag nicht vor. Damit war der Klägerin die volle Anspruchshöhe zuzusprechen.

Der Zinsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in den §§ 288, 291 BGB.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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