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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 20.01.2009
Aktenzeichen: 6 Sa 160/08
Rechtsgebiete: KSchG, TVG


Vorschriften:

KSchG § 4 Satz 1
TVG § 12a
1. Das Beschäftigungsverhältnis eines arbeitnehmerähnlichen freien Mitarbeiters des ... kann nach TZ 4.2.1 TV für arbeitnehmerähnliche Personen v. 25. Mai/3. Juni 1992 (TV 1992) nur noch aus wichtigem Grund beendet werden, wenn der Mitarbeiter seit mindestens 20 Jahren ständig für den ... tätig gewesen war und von diesem wirtschaftlich abhängig ist.

2. Die 20-jährige ständige Beschäftigung muss nicht ausschließlich auf Grund eines arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses erfolgt sein; vielmehr erfüllen auch Zeiten eines Arbeitsverhältnisses diese "Wartezeit".

3. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass der arbeitnehmerähnliche Mitarbeiter im Zeitpunkt der Beendigungserklärung als arbeitnehmerähnliche Person beschäftigt ist, da ansonsten der TV 1992 nicht zur Anwendung käme.


Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

6 Sa 160/08

Verkündet am: 20. Januar 2009

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Künzl und die ehrenamtlichen Richter Rentz und Schachner

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 13. November 2007 - 14 Ca 5930/06 wird abgeändert.

II. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis durch die schriftliche Erklärung der Beklagten vom 8. Dezember 2005 nicht beendet wurde, sondern über den 31. März 2007 hinaus fortbesteht.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Beendigung des zwischen ihnen bestehenden freien Mitarbeiterverhältnisses durch die Erklärung der Beklagten vom 8. Dez. 2005.

Der im Bayerischen Journalistenverband organisierte Kläger ist bei der Beklagten seit 17. Juli 1985 zunächst auf Grund einer aushilfsweisen Beschäftigung bis 31. Dez. 1985, gemäß schriftlicher Vereinbarung vom 11. Juli 1985 (Bl. 11 d. A.), als Redakteur der Hauptabteilung "..." beschäftigt. Im Anschluss an die Aushilfstätigkeit arbeitete der Kläger ab 1. Jan. 1986 nahtlos als freier Mitarbeiter weiterhin für die Beklagte. Er wird seit 1. Jan. 1986 bei der Beklagten als arbeitnehmerähnliche Person geführt. Seine Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 0.000,- €.

Zwischen der Beklagten und dem Bayerischen Journalistenverband besteht ein Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen. Auf das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis fand zunächst der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen vom 6./29. Nov. 1976 (nachfolgend: TV 1976), Anwendung. Unter dem Datum 25. Mai/3. Juni 1992 schlossen die Beklagte und der Bayerische Journalistenverband einen neuen Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen (nachfolgend: TV 1992).

Mit Schreiben vom 8. Dez. 2005 (Bl. 7 d. A.), das der Kläger am 13. Dez. 2005 erhielt, erklärte die Beklagte die Beendigung des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses zum Kläger zum 31. März 2007. Mit Schreiben des Bayerischen Journalistenverbandes vom 16. Dez. 2005 widersprach der Kläger dieser Erklärung (Bl. 8. d. A.). Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 8. Feb. 2006 (Bl. 9 d. A.) mit, die Kündigung nicht zurücknehmen zu können.

Mit seiner am 2. Mai 2006 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und der Beklagten am 11. Mai 2006 zugestellten Klage vom 30. April 2008 wendet sich der Kläger gegen die Beendigungserklärung vom 8. Dez. 2005.

Er ist der Ansicht, sein Rechtsverhältnis könne nur mehr aus wichtigem Grund beendet werden, da er mehr als 20 Jahre bei der Beklagten, von der er wirtschaftliche abhängig sei, tätig gewesen sei.

Zudem verweist er darauf, schon vor 17. Juli 1985 habe er im Auftrag der ...redaktion 2 Beiträge für die Beklagte erstellt, die im Juli und August 1985 gesendet worden seien. Hierfür habe er 2.200.- DM erhalten. Auch sei ihm seitens des früheren Hauptabteilungsleiters sowie vom früheren Personalleiter der Beklagten schriftlich bestätigt (Bl. 13, 14 d. A.), er sei bereits seit 1985 für die Beklagte tätig gewesen.

Er beantragt:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis durch die schriftliche Beendigungserklärung der Beklagten vom 08. 12. 2005 nicht zum 31. 03. 2007 beendet wird, sondern über dem 31. 03. 2007 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie meint, der Kläger sei noch nicht nur aus wichtigem Grund zu kündigen. Er sei noch keine 20 Jahre als arbeitnehmerähnliche Person bei der Beklagten beschäftigt. Das früher bestandene Arbeitsverhältnis könne für die Dauer der Arbeitnehmerähnlichkeit nicht berücksichtigt werden, da es systematisch dem Manteltarifvertrag des B. vom 14. Mai 1957 (nachfolgend: MTV 1957) unterfallen sei. Die beiden im Jahr 1985 erstellten Beiträge belegten keine ständige Tätigkeit des Klägers im Sinne des TV 1992. Zudem ergebe sich die Arbeitnehmerähnlichkeit des Klägers erst 6 Monate nach Erfüllung der tariflichen Voraussetzungen hierfür.

Schließlich verweist die Beklagte darauf, der Kläger sei Gesellschafter und Geschäftsführer der Fa. ... E. GmbH; es sei davon auszugehen, dass er regelmäßig an Ausschüttungen teilnehme. Zu diesen Einnahmen und den von der Beklagten erhaltenen Honoraren habe er nichts vorgetragen, weswegen die Behauptung der wirtschaftlichen Abhängigkeit nicht hinreichend substanziiert sei.

Der Kläger erwidert hierauf, er habe in den letzten 6 Monaten vor der Beendigungserklärung mindestens ein Drittel seiner erwerbsmäßigen Gesamtentgelte seitens der Beklagten bezogen. Als Geschäftsführer der E.-Firma beziehe er kein Entgelt; an Gewinnausschüttungen habe er niemals teilgenommen. Die GmbH sei 1998 zur Durchführung kostengünstiger Veranstaltungen bei der Beklagten gegründet worden. Sie habe niemals Gewinne erwirtschaftet. Seit 2000 seien ihr seitens der Beklagten keine Aufträge mehr erteilt worden. Demzufolge habe die wirtschaftliche Abhängigkeit und die soziale Schutzbedürftigkeit seiner Person auch 2005 und 2006 bestanden.

Mit Urteil vom 13. Nov. 2007 (Bl. 109 ff. d. A.) hat das Arbeitsgericht München wie folgt entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf EURO 9.814,44 festgesetzt.

Das Arbeitsgericht stellte im Wesentlichen darauf ab, der Kläger sei noch nicht allein aus wichtigem Grund kündbar, da er noch keine 20 Jahre bei der Beklagten als arbeitnehmerähnliche Person ständig beschäftigt gewesen sei. Die Zeit des befristeten Aushilfsarbeitsverhältnisses könne dabei keine Berücksichtigung finden, da für dieses ein anderer Tarifvertrag (MTV 1957) gegolten habe. Die beiden im Jahr 1985 erstellten Beiträge des Klägers für die Beklagte begründeten noch keine ständige Beschäftigung. Der Kläger werde erst seit 1. Jan. 1986 als arbeitnehmerähnliche Person geführt und sei somit bei Erhalt der Beendigungserklärung noch keine 20 Jahre arbeitnehmerähnlich beschäftigt gewesen. Die Schreiben des früheren Hauptabteilungsleiters und des früheren Personalchefs der Beklagten begründeten keine Unwirksamkeit der Beendigungserklärung.

Im Einzelnen wird auf das Endurteil des Arbeitsgerichts (Bl. 109 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 1. Feb. 2008 zugestellte Endurteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 21. Feb. 2008, beim Landesarbeitsgericht am selben Tag eingegangen, Berufung eingelegt. Diese hat er innerhalb der bis 2. Mai 2008 verlängerten Begründungsfrist am 29. Apr. 2008 begründet.

Er ist der Ansicht, tariflich sei nur eine ständige Tätigkeit für den B. erforderlich sowie die wirtschaftliche Abhängigkeit von den hierfür bezahlten Honoraren. Die Frage, ob auf diese Tätigkeit teilweise ein anderer Tarifvertrag Anwendung fand, sei unerheblich. Im TV 1992 werde nicht danach differenziert, ob die Tätigkeit als freier Mitarbeiter, arbeitnehmerähnliche Person oder im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses erbracht werde bzw. worden sei. Für die einheitliche Betrachtung spreche auch, dass seine Tätigkeit im 2. Halbjahr 1985 sich in keiner Weise von der Tätigkeit ab 1. Jan. 1986 unterschieden habe. Nur die Vergütung sei nicht mehr durch das Gehaltsbüro, sondern durch die Abteilung Honorare und Lizenzen erfolgt.

Auf die Wartezeitregelung im TV 1992 könne es nicht ankommen, da im Vorläufertarifvertrag (TV 1976) keine entsprechende Regelung enthalten gewesen sei.

Im Jahr 2005 habe er seine gesamten Einkünfte ausschließlich über die Honorare der Beklagten erzielt.

Er beantragt:

Das Urteil des Arbeitsgericht München vom 13. 11. 2007, Geschäftszeichen: 14 Ca 5930/06, wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis durch die schriftliche Beendigungserklärung der Beklagten vom 08. 12. 2005 nicht zum 31. 03. 2007 beendet wurde, sondern über den 31. 03. 2007 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält daran fest, der TV 1992 gelte nicht für Arbeitsverhältnisse; die Einschränkungen des Geltungsbereiches sei bei allen tariflichen Regelungen zu berücksichtigen. Die vom Kläger 1985 erstellten Features belegten keine ständige Beschäftigung. Der Kläger sei bei Zugang der Beendigungsmitteilung weder 20 Jahre als arbeitnehmerähnliche Person ständig beschäftigt und wirtschaftlich abhängig gewesen, noch habe er zu diesem Zeitpunkt das 55. Lebensjahr vollendet gehabt.

Zudem verweist sie darauf, die wirtschaftliche Anhängigkeit müsse auf Grund der dafür bezogenen Honorare bestehen; Honorare bezögen jedoch nur freie Mitarbeiter.

Schließlich habe der Kläger zu seiner wirtschaftlichen Anhängigkeit in den Jahren vor 2005 nichts vorgetragen. Diese Voraussetzung müsse jeweils in den einzelnen Jahren erfüllt sein.

Wegen des Sachvortrags der Parteien im Einzelnen wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 30. Apr. 2006 (Bl. 1 ff. d. A.), vom 26. Sept. 2006 (Bl. 35 ff. d. A.), vom 9. Okt. 2007 (Bl. 88 ff. d. A.) und vom 29. Apr. 2008 (Bl. 146 ff. d. A.), der Beklagten vom 26. Juli 2006 (Bl. 26 ff. d. A.), vom 19.Okt. 2007 (Bl. 101 ff. d. A.) und vom 4. Juli 2008 (Bl. 170 ff. d. A.), jeweils mit den beigefügten Anlagen, sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 1. Juni 2006 (Bl. 23 f. d. A.), vom 22. Okt. 2007 (Bl. 95 ff. d. A.) und vom 13. Jan. 2009 (Bl. 192 f. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung hat in der Sache Erfolg

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie richtet sich gegen ein der Berufung zugängliches arbeitsgerichtliches Urteil (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und ist in rechter Form und Frist eingelegt und begründet (§ 66 ArbGG).

II. In der Sache hat die Berufung Erfolg.

Das arbeitsgerichtliche Urteil vom 13. Nov. 2007 ist abzuändern. Das zum Kläger bestehende Rechtsverhältnis war am 8. Dez. 2005 durch die Beklagte nur mehr aus wichtigem Grund zu beenden (Protokollnotiz zu TZ 4.2.1 TV 1992). Er war zu diesem Zeitpunkt bereits länger als 20 Jahre bei der Beklagten ständig tätig gewesen und auf Grund der für seine Tätigkeit erhaltenen Honorare nach TZ 2. 1 TV 1992 von der Beklagten wirtschaftlich abhängig. Auf Grund welches Rechtverhältnisses die ständige Beschäftigung in der Vergangenheit erfolgt war, ist danach unerheblich.

1. Die erhobene Klage ist weder verfristet noch verwirkt.

a. Die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG findet auf ein freies Mitarbeiterverhältnis keine Anwendung (BAG v. 20. 1. 2004 - 9 AZR 291/02, NZA 2004, 1058; APS/Preis, Kündigungsrecht, 3. Aufl., Grundlagen C Rz. 65).

b. Ebenso kann trotz der verstrichenen Zeit zwischen Zugang der Beendigungserklärung (13. Dez. 2005) und tatsächlicher Klageerhebung keine Verwirkung angenommen werden. Denn der Kläger hat nach Erhalt der Beendigungserklärung dieser durch seinen Verband widersprechen lassen. Selbst wenn man in den dann nochmals verstrichenen knapp drei Monaten nach Erhalt des Antwortschreibens bis zur tatsächlichen Klageerhebung das Zeitmoment der Verwirkung als erfüllt ansehen wollte - was nach Ansicht der Kammer bereits zweifelhaft erscheint -, so hat die Beklagte jedenfalls nichts vorgetragen, dass ihr danach auf Grund entstandenen Vertrauens, der Kläger werde gegen die Beendigungserklärung nicht mehr unternehmen, eine Erfüllung des später noch erhobenen Klageanspruches nicht mehr zumutbar gewesen wäre.

2. Die maßgeblichen Tarifnormen lauten:

a. TZ 1992:

"1. Geltungsbereich

1.1 Dieser Tarifvertrag gilt für arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des § 12a TVG, die Mitglied der diesen Tarifvertrag schließenden Gewerkschaften sind und in den letzten 6 Monaten Honorareinkünfte vom B. in Höhe von mindestens DM 5.000.- hatten oder einen Ausgleichsanspruch entsprechend TZ 4.3 haben,

1.1.1 für die zwischen ihnen und dem B. durch Dienst-/Arbeits- oder Werkverträge begründeten Rechtsverhältnisse.

1.2.1 Er gilt nicht für Arbeitsverhältnisse, auf die der Manteltarifvertrag (MTV) des BR vom 14. 05. 1957 anzuwenden ist.

...

2. Wirtschaftliche Abhängigkeit und soziale Schutzbedürftigkeit

2.1 Die wirtschaftliche Abhängigkeit und die soziale Schutzbedürftigkeit der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters ist gegeben, wenn sie/er entweder beim B. oder bei ihm und anderen Rundfunkanstalten, die zur Arbeitsgemeinschaft der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (...) gehören, mehr als die Hälfte, bzw. wenn sie/er künstlerische, schriftstellerische oder journalistische Leistungen erbringt oder an der Erbringung, insbesondere an der technischen Gestaltung solcher Leistungen unmittelbar mitwirkt, mindestens ein Drittel ihrer/seiner erwerbsmäßigen Gesamtentgelte (brutto und ohne gesonderte Unkostenerstattung) in den letzten sechs Monaten vor der Geltendmachung eines Anspruchs aus diesem Tarifvertrag oder seinen Durchführungs-Tarifverträgen bezogen hat.

Protokollnotiz:

Voraussetzung ist ferner eine wiederkehrende Tätigkeit. Eine zeitlich nur geringfügige Mitarbeit begründet z.B. keinen Anspruch.

...

4. Beginn und Dauer der Arbeitnehmerähnlichkeit

4.1.1 Das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis mit dem B. beginnt für Personen, die bis 30. 06 eines Kalenderjahres ihre Tätigkeit aufgenommen haben, zum 01. 04. des darauf folgenden Jahres, falls sie bis dahin die für die Anwendung des Tarifvertrages erforderlichen allgemeinen Voraussetzungen erfüllt haben. Für Personen, die nach dem 01. 07. ihre Tätigkeit aufgenommen haben, gilt das Gleiche zum 01. 10. des darauf folgenden Jahres. Soweit einzelne Vorschriften des Tarifvertrages längere Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen voraussetzen, bleiben diese unberührt.

4.2.1 Beabsichtigt der B. die Beendigung der Tätigkeit der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters, so hat er ihr/ihm dies, sofern die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter mindestens einmal innerhalb der letzten abgerechneten drei Kalenderjahre einen berechtigten Urlaubsanspruch gegen ihn geltend gemacht hat, durch die Honorarabteilung mindestens zwei Monate vorher schriftlich anzukündigen. Für jeden über einmalig sechs Monate hinausgehenden einjährigen Zeitraum ihrer/seiner Tätigkeit verlängert sich die Frist um einen Monat, bei mehr als 10-jähriger Tätigkeit für den B. auf höchstens 15 Monate. Ist eine Mitarbeiterin/ein Mitarbeiter regelmäßig mindestens 20 Jahre für den BR tätig geworden oder hat sie/er das 55. Lebensjahr vollendet und ist sie/er seit mindestens 10 Jahren für den B. beschäftigt gewesen, so kann ihre/seine Tätigkeit beim B. nur aus wichtigem Grund beendet werden.

Protokollnotiz:

Als regelmäßig beim BR beschäftigte(r) freie Mitarbeiterin/freier Mitarbeiter im Sinne der TZ 4.2.1 Satz 3 ist ein(e) freie Mitarbeiterin/freier Mitarbeiter dann anzusehen, wenn sie/er ständig für den B. tätig wird und aufgrund der für diese Tätigkeit erhaltenen Honorare gemäß TZ 2.1 vom BR wirtschaftlich abhängig ist.

..."

b. TV 1976:

"...

4. Beginn und Dauer der Arbeitnehmerähnlichkeit

4.1 Das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis mit dem B. beginnt mit dem Eintritt der Voraussetzungen nach Ziffer 2., ohne dass es im Einzelfall einer ausdrücklichen Erklärung oder Feststellung bedarf.

..."

c. MTV 1957

"...

275.1 Der B. kann das unbefristete Arbeitsverhältnis mit einem/einer AN, der/die das 35. Lebensjahr vollendet hat und dessen/deren Betriebszugehörigkeit mehr als 10 Jahre beträgt, nur mehr aus wichtigem Grunde kündigen. Für Orchester- und Chormitglieder gilt diese Bestimmung bereits nach einer Betriebszugehörigkeit von vier auf die Probezeit folgenden Jahren.

..."

3. Bei Auslegung der TZ 4.2.1 TV 1992 und der Protokollnotiz zu TZ 4.2.1 TV 1992 folgt, dass die Beklagte das Rechtsverhältnis zum Kläger nur mehr aus wichtigem Grund beenden konnte. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Regelung so zu verstehen, dass die Dauer der ständigen Beschäftigung für den B. nicht zwingend insgesamt auf Grund eines freien Mitarbeiterverhältnisses als arbeitnehmerähnliche Person zurückgelegt sein muss. Vielmehr rechnen auch Zeiten der ständigen Beschäftigung, z.B. auf Grund eines Arbeitsverhältnisses, dazu. Dies ergibt sich nach Ansicht der Kammer bei Auslegung der TZ 4.2.1 TV 1992 sowie der dazu bestehenden Protokollnotiz. Zudem spricht dafür das telos der Regelung, das Beschäftigten, die über einen langen Zeitraum ständig für den B. tätig gewesen waren, einen besonderen Schutz auch hinsichtlich des Bestandes des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses zukommen lassen will. Diese Zweckrichtung manifestiert sich in gleicher Weise in TZ 275.1 MTV 1957. Die unterschiedliche Bestandsdauer im TV 1992 gegenüber dem MTV 1957 rechtfertigt sich durch die unterschiedlich enge Rechtsbeziehung zwischen der Beklagten und einem freien Mitarbeiter bzw. einem Arbeitnehmer.

a. TZ 4.2.1 Satz 3 TV 1992 und die dazu bestehende Protokollnotiz sind in ihrem Wortlaut nicht eindeutig und daher nach ihrem Bedeutungsgehalt hin auszulegen. Dies gilt ebenso für die zum normativen Teil des Tarifvertrags zählende Protokollnotiz.

aa. TZ 4.2.1 Satz 3 TV 1992 spricht lediglich von einem Tätigwerden über mindestens 20 Jahre für den B. ohne näher zu bezeichnen, auf welcher Rechtsgrundlage das Tätigwerden erfolgen musste. Allein vom Wortlaut her ist es nicht ausgeschlossen, dass auch eine Tätigkeit, die eine arbeitnehmerähnliche Person etwa im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses (ständig) erbringt, ebenso zur Erfüllung der Beschäftigungsdauer von 20 Jahren beiträgt.

bb. Die Protokollnotiz zu TZ 4.2.1 TV 1992 hat Tarifcharakter. Anerkanntermaßen kommt es für den Tarifcharakter einer Protokollnotiz darauf an, ob in ihr der Wille der Tarifvertragsparteien zur Normsetzung hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt (BAG v. 24. 11. 1994 - 4 AZR 402/92, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bergbau Nr. 2; ferner BAG v. 26. 1. 1983 - 4 AZR 224/80, AP TVG § 1 Nr. 20; BAG v. 16. 9. 1987 - 4 AZR 265/87, AP TVG § 4 Effektivklausel Nr. 15; Wiedemann/Thüsing, TVG, 7. Aufl., § 1 Rz. 315; Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 113; Däubler/Reim, TVG, 2. Aufl., § 1 Rz. 14). Dafür spricht neben der Bezeichnung als Protokollnotiz insbesondere, wenn in der getroffenen Vereinbarung der Wille zur Schaffung einer tariflichen Regelung zum Ausdruck kommt (Däubler/Reim, a.a.O.), wie dies hier der Fall ist. Die vorliegende Protokollnotiz trifft eine Regelung, die inhaltlich und formal der eines Tarifvertrages entspricht. Sie müsste nicht in einer Protokollnotiz niedergelegt sein, sondern könnte ohne weiteres auch Inhalt des Tarifvertrages selbst sein.

Aber auch aus der Protokollnotiz zu TZ 4.2.1 TV 1992 erhellt nicht eindeutig, auf Grundlage welches Rechtsverhältnisses die 20-jährige Beschäftigung erfolgt sein muss bzw. kann. Sie spricht allein davon, dass eine bzw. ein freier Mitarbeiter "ständig für den BR tätig wird und aufgrund der für diese Tätigkeit erhaltenen Honorare gemäß TZ 2.1 vom BR wirtschaftlich abhängig ist". Eine Tätigkeit auf einer bestimmten Rechtsgrundlage, z.B. einem freien Mitarbeiterverhältnis ist nicht explizit gefordert. Allein auf Grund der Inbezugnahme der Honorare könnte man, wie die Beklagte, darauf schließen, es müsse ein freies Mitarbeiterverhältnis sein, da nur diese, nicht aber Arbeitnehmer, Honorare erhalten; eindeutig ist dies aber nicht. Ebenso könnte man den Hinweis auf die Honorare dahin gehend verstehen, dass jedenfalls im aktuellen Zeitpunkt, bei Ausspruch einer Beendigungserklärung, ein freies Mitarbeiterverhältnis in wirtschaftlicher Anhängigkeit gegeben sein muss.

b. Mangels einer eindeutigen tariflichen Regelung ist die Tarifnorm auszulegen. Daraus folgt, dass auch ein früher bestandenes Arbeitsverhältnis geeignet sein kann, die 20-jährige Tätigkeit für die Beklagte zu erfüllen. Nach TZ 4.2.1 TV 1992 i.V.m. der dazu bestehenden Protokollnotiz bedarf es gerade keines 20-jährigen freien (arbeitnehmerähnlichen) Rechtsverhältnisses. Dies folgt zum einen aus den Regelungen in TZ 1.1.1. TV 1992, die auch ein durch Arbeitsverhältnis begründetes arbeitnehmerähnliches Mitarbeiterverhältnis in den Tarifvertrag und seinen Geltungsbereich einbeziehen; zum anderen folgt dies aus Sinn und Zweck der Regelung, dass nach 20-jähriger Tätigkeit nur mehr aus wichtigem Grund eine Beendigungserklärung der Beklagten erfolgen kann.

aa. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den geltenden Regelungen zur Auslegung von Gesetzen. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Es ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu ermitteln, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Auch der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut mit zu berücksichtigen, allerdings nur soweit er in den tariflichen Normen einen Niederschlag gefunden hat (BAG v. 15. 2. 2007 - 6 AZR 773/06, AP BAT SR 2c § 2 Nr. 6 m.w.N.). Ferner ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert. Nur so sind Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend zu ermitteln (std. Rspr. BAG v. 15. 2. 2007, a.a.O.; BAG v. 28. 5. 1989 - 6 AZR 349/96, AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 52). Lassen sich auch daraus keine zweifelsfreien Auslegungsergebnisse erzielen, können - ohne Bindung an eine Reihenfolge - weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, ggf. eine praktische Tarifausübung, herangezogen werden. Dabei ist jeweils die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 15. 2. 2007, a.a.O.; BAG v. 1. 6. 2006 - 6 AZR 37/06, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bühnen Nr. 15; BAG v. 5. 10. 1999 - 4 AZR 578/98, AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15).

bb. Der Wortlaut der TZ 4.2.1 TV 1992 i.V.m. der dazu vereinbarten Protokollnotiz ist nicht eindeutig. Daraus ist nicht zweifelsfrei zu entnehmen, dass für die Beschränkung der Beendigungsmöglichkeit der Beklagten gem. TZ 4.2.1 Satz 3 TV 1992 eine 20-jährige Tätigkeit des betreffenden Mitarbeiters für die Beklagte auf Grund eines arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses vorangegangen sein musste. Dies folgt auch nicht aus der Protokollnotiz zu TZ 4.2.1 TV 1992 (vgl. dazu bereits oben II. 3. a.). Wie ausgeführt ist dem Tarifwortlaut nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass die 20-jährige Beschäftigung auf einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis basiert haben musste und nicht auch - zunächst - in einem Arbeitsverhältnis erfolgt sein konnte. Dies folgt ebenso nicht eindeutig aus der Erwähnung der "Honorare" zur Bestimmung der wirtschaftlichen Abhängigkeit in der Protokollnotiz zu TZ 4.2.1.

Daraus ist nicht lediglich zu entnehmen, die Person, die sich auf die nur mehr aus wichtigem Grund mögliche Beendigung des bestehenden Rechtsverhältnisses nach TZ 4.2.1 TV 1992 beruft, müsse in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis stehen. Diese Folge ergibt sich bereits aus dem Geltungsbereich des TV 1992 allein für arbeitnehmerähnliche Personen (TZ 1 TV 1992). Jedoch ist es auch nicht eindeutig, dass ihr konstitutive Bedeutung in dem Sinne zukommt, es müssten während der gesamten Dauer der Tätigkeit (20 Jahre) Honorare bezogen, demnach also ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis vorgelegen haben. Der Verweis auf Honorare ist nach dem Vorerwähnten - der TV 1992 gilt allein für arbeitnehmerähnliche Personen - zunächst selbstverständlich. Die daraus zu entnehmende wirtschaftliche Abhängigkeit (vgl. Protokollnotiz zu TZ 4.2.1 TV 1992 i.V.m. TZ 2.1 TV 1992) dient dazu, die vom Tarifvertrag erfassten arbeitnehmerähnlichen Personen von sonstigen, wirtschaftlich nicht abhängigen Mitarbeitern der Beklagten abzugrenzen, für welch Letztere der TV 1992 gerade keine Anwendung finden soll (vgl. TZ 1.1 TV 1992). Über welche Zeitdauer die betreffende arbeitnehmerähnliche Person, die eine wirtschaftliche Abhängigkeit begründenden Honorare bezogen haben muss, folgt auch aus der Protokollnotiz zu TZ 4.2.1 TV 1992 nicht eindeutig.

cc. Der Bedeutungsgehalt der tariflichen Vorschriften spricht - unter Beachtung des im Tarifwortlaut zum Ausdruck kommenden Willens der Tarifvertragsparteien und des telos der tariflichen Bestimmungen - nach Ansicht der Kammer dafür, dass eben keine einheitliche 20-jährige Tätigkeit der arbeitnehmerähnlichen Person in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis für das Eingreifen des Beendigungsschutzes der TZ 4.2.1 TV 1992 erforderlich ist. Sinn und Zweck der Regelung belegen, dass eine teilweise auf der Basis eines Arbeitverhältnisses erbrachte Tätigkeit für die Beklagte einer Anwendung der tariflichen Beendigungsschutznorm der TZ 4.2.1 Satz 3 TV 1992 erst Recht nicht entgegensteht.

aaa. Der Gesamtzusammenhang des Tarifvertrages deutet nach Ansicht der Kammer darauf, dass die 20-jährige Tätigkeit des nur mehr aus wichtigem Grund zu "kündigenden" arbeitnehmerähnlichen Mitarbeiters nicht ausschließlich auf einem freien Mitarbeiterverhältnis zurückgelegt sein musste; vielmehr kann er diese auch teilweise in einem Arbeitsverhältnis erbracht haben, solange mindestens in den der Beendigungserklärung vorangehenden 6 Monaten ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis bestanden hat. Dies folgt zur Überzeugung der Kammer aus TZ 1.1 TV 1992 i.V.m. TZ 1.1.1 TV 1992.

(1.) Nach TZ 1.1 TV 1992 gilt der "Tarifvertrag gilt für arbeitnehmerähnliche Personen ..., die ... in den letzten 6 Monaten Honorareinkünfte vom B. n Höhe von mindestens DM 5.000.- hatten ...". Wenngleich diese Bestimmung primär eine Wartezeitregelung enthält, der Tarifvertrag danach erst nach einem 6-monatigen Bestand des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses Anwendung findet, kommt in ihr doch auch zum Ausdruck, dass der 6-monatige Bestand des freien (arbeitnehmerähnlichen) Rechtsverhältnisses ausreicht, dass eine arbeitnehmerähnliche Person in den Genuss tariflicher Vergünstigungen kommt.

(2.) Die Anwendbarkeit des TV 1992 nach TZ 1.1 gilt "für die zwischen ihnen (sic. Den arbeitnehmerähnlichen Personen) und dem BR durch Dienst-/Arbeits- oder Werkverträge begründeten Rechtsverhältnisse" (TZ 1.1.1 TV 1992). Hieraus erhellt nach Ansicht der Kammer, dass für die Anwendbarkeit des Tarifvertrages auf freie Mitarbeiterverhältnisse diese nicht von vornherein bestanden haben müssen. Die Anwendbarkeit des Tarifvertrags und der enthaltenen Regelungen - insbesondere zugunsten der arbeitnehmerähnlichen Personen - wird nicht ausgeschlossen, wenn dieses zunächst als Arbeitsverhältnis oder auf der Basis eines Werkvertrages begründet und erst nachfolgend in ein freies, arbeitnehmerähnliches Mitarbeiterverhältnis "übergeleitet" worden war.

Die Kammer verkennt nicht, dass es sich in TZ 1.1 und TZ 1.1.1 TV 1992 allenfalls um ein Indiz handelt, die 20-jährige Tätigkeit nach TZ 4.2.1 TV 1992 könne teilweise auch im Arbeitsverhältnis zurückgelegt sein. Ein dahin gehender zwingender Schluss kann aus diesen Normen noch nicht gezogen werden.

bbb. Aber auch Sinn und Zweck der Regelung, die ihrerseits Aufschluss über das von den Tarifvertragsparteien Gewollte geben, sprechen gegen ein Verständnis, dass die 20-jährige Tätigkeit allein und ausschließlich im Rahmen eines freien Mitarbeiterverhältnisses zurückgelegt worden sein muss.

(1.) Mit der Regelung in TZ 4.2.1 TV 1992 tragen die Tarifvertragsparteien dem Umstand Rechnung, auch in wirtschaftlicher Abhängigkeit tätige arbeitnehmerähnliche Personen haben nach langjähriger Tätigkeit für einen Auftraggeber ein weitergehendes Schutzbedürfnis vor einer Beendigung ihres bestehenden Rechtsverhältnisses, wenngleich das Schutzbedürfnis nicht dem eines Arbeitnehmers entspricht. So billigen die Tarifvertragesparteien den bei der Beklagten in wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigten arbeitnehmerähnlichen Mitarbeitern nicht nur nach der Dauer der Tätigkeit für die Beklagte gestaffelte Beendigungsfristen zu, sondern in TZ 4.2.1 Satz 3 TV 1992 auch einen Beendigungsschutz: Das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis eines Beschäftigten, der das 55. Lebensjahr vollendet hat und 10 Jahre für die Beklagte tätig gewesen war bzw. eines jüngeren Mitarbeiter (wie hier dem Kläger), der 20 Jahre für die Beklagte tätig gewesen war, kann nur mehr aus wichtigem Grund beendet werden. Die Tarifpartner tragen damit neben dem Alter des arbeitnehmerähnlich Beschäftigten insbesondere der Dauer der bestandenen Rechtsbeziehung Rechnung, die auch dann, wenn sie nicht derart eng geknüpft ist, wie in einem Arbeitsverhältnis, nicht mehr ohne weiteres gelöst werden können soll. Dieses Schutzbedürfnis rührt - von der Altersregelung abgesehen - aus der Dauer der bestandenen Rechtsbeziehung; welcher Natur diese Rechtsbeziehung war, ist zunächst unerheblich.

(2.) Eine entsprechende Regelung findet sich in TZ 275.1 MTV 1957 für die Arbeitnehmer der Beklagten, mit der einem erhöhten Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer nach längerer Beschäftigung bei der Beklagten Rechnung getragen wird. Die Beklagte kann danach das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, der "das 35. Lebensjahr vollendet hat und dessen/deren Betriebszugehörigkeit mehr als 10 Jahre beträgt, nur mehr aus wichtigem Grunde kündigen." Hier ist die Altersgrenze für den Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit gegenüber arbeitnehmerähnlichen Personen um 20 Jahre niedriger angesetzt; die geforderte Betriebszugehörigkeit entspricht der Dauer der Tätigkeit eines 55-jährigen arbeitnehmerähnlichen Mitarbeiters.

Ein Vergleich der für arbeitnehmerähnliche Personen und der für Arbeitnehmer geltenden sog. Unkündbarkeitsregelung lässt erkennen, dass bei arbeitnehmerähnlichen Personen auch zurückgelegte Tätigkeitszeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für das Eingreifen des besonderen Bestandsschutzes der Nr. 4.2.1 TV 1992 Berücksichtigung finden müssen. Die Tarifpartner haben mit den unterschiedlichen Altersgrenzen und der unterschiedlich geforderten Betriebszugehörigkeit bzw. der Tätigkeitsdauer für die Beklagte der unterschiedlich engen Bindung der Arbeitnehmer und der arbeitnehmerähnlichen Personen an das Unternehmen der Beklagten Rechnung getragen. Die in einer engen Rechtsbeziehung zur Beklagten stehenden Arbeitnehmer erlangen schon relativ früh und nach kürzerer Dauer der Betriebszugehörigkeit ihre sog. Unkündbarkeit, während die in einem lockererem Rechtsverhältnis an die Beklagte gebundenen arbeitnehmerähnlichen Personen erst im höheren Alter sowie bei einer der Beschäftigungsdauer als Arbeitnehmer nur mehr aus wichtigem Grund "gekündigt" werden können. Das Fehlen einer TZ 4.2.1 Satz 3 TV 1992 entsprechenden Regelung in TZ 275.1 MTV verwundert nicht. Bei Arbeitnehmern, die jünger als 35 Jahre sind, ist nur in den seltensten Fällen eine 20-jährige Beschäftigungsdauer gegeben. Zudem bedürfen diese noch keines so weitgehenden Schutzes wie die über 50-jährigen Arbeitnehmer, da es diese regelmäßig relativ einfach möglich sein wird, eine neue Beschäftigung zu finden.

Ausgehend vom Schutzbedürfnis der arbeitnehmerähnlichen Personen, das Grundlage der Regelung in TZ 4.2.1 TV 1992 ist, kann es nach Ansicht der Kammer keinen Unterschied machen, auf Grund welchen Rechtsverhältnisses die betreffenden arbeitnehmerähnlichen Personen ihre 20-jährige Tätigkeit erbracht haben. Im Arbeitsverhältnis hätte diese - soweit sie das 35. Lebensjahr bereits vollendet haben - bereits nach 10-jähriger Beschäftigung sog. Unkündbarkeit erlangt. Der lockereren Anbindung freier, arbeitnehmerähnlicher Mitarbeiter ist schon dadurch Rechnung getragen, dass diese entweder bei gleicher Tätigkeitsdauer älter (vollendetes 55. Lebensjahr) sein oder die doppelte Tätigkeitsdauer zurückgelegt haben müssen, damit ihr Rechtsverhältnis nur mehr aus wichtigem Grund beendet werden kann. Hatten diese aber ihre 20-jährige Tätigkeit teilweise auf Grund eines Arbeitsverhältnisses, also in engerer Anbindung ans Unternehmen der Beklagten, erbracht, so steht dies der Anwendung der Schutznorm der TZ 4.2.1 TV 1992 erst Recht nicht entgegen.

3. Im Zeitpunkt des Zuganges der Beendigungserklärung der Beklagten bestand ein freies (arbeitnehmerähnliches) Rechtsverhältnis zwischen den Parteien. Zudem hatte das Rechtsverhältnis insgesamt mehr als 20 Jahre ununterbrochen bestanden, weswegen dem Kläger der Schutz der Nr. 4.2.1 TV 1992 zugute kommt. Auf die Frage, inwieweit er auch in den Jahren zuvor arbeitnehmerähnlich oder als Arbeitnehmer beschäftigt war, kommt es nicht an.

a. Im Zeitpunkt des Zuganges der Beendigungserklärung der Beklagten war der Kläger als arbeitnehmerähnliche Person i.S. § 12a TVG i.V.m. Nr. 1., 2 TV 1992 beschäftigt.

Dies hat er durch Vorlage seines Steuerbescheides für das Kündigungsjahr belegt und wird von der Beklagten auch nicht in Abrede gestellt. Der TV 1992 kommt danach zur Anwendung.

Der Kläger war auf Grund eines Dienstvertrages für die Beklagte ständig tätig gewesen, was diese auch nicht bestreitet, und hatte in den vor der Beendigungserklärung liegenden 6 Monaten mehr als 5.000.- DM (mehr als etwa 2.500.- €) Honorareinkünfte (§ 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG i.V.m. Nr. 1.1. TV 1992). In diesem Zeitraum war auf Grund seiner wiederkehrenden und nicht nur geringfügigen Tätigkeit für die Beklagte wirtschaftliche Abhängigkeit des Klägers gegeben (§ 12a Abs. 3 TVG i.V.m. Nr. 2.1, Protokollnotiz zu Nr. 2.1 TV 1992); auch dies stellt die Beklagte nicht in Abrede.

b. Inwieweit die Voraussetzungen eines arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses auch für die Zeit davor gegeben war, ist nach dem Vorstehenden (vgl. oben II. 2.) nicht zu prüfen. Die Rechtsnatur des Rechtsverhältnisses, kraft dessen der Kläger wiederkehrend seit mehr als 20 Jahren für die Beklagte ständig tätig geworden war, ist unerheblich.

aa. Die Einhaltung einer Wartezeit für den Beginn des arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnisses im Jahr 1986 ist unerheblich. Zum einen enthielt der TV 1976 keine der Nr. 4.1 TV 1992 vergleichbare Wartezeitregelung; zum anderen kommt es nicht darauf an, ob der Kläger bereits seit 1. Jan. 1986 in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis zur Beklagten stand oder ggf. das Arbeitsverhältnis bis 30. Juni 1986 noch "fortwirkte".

bb. Ferner ist der Kläger nicht gehalten, für jedes Jahr seiner "ständigen Tätigkeit" für die Beklagte die bestandene wirtschaftliche Abhängigkeit nachzuweisen. Der Schutz der Nr. 4.2.1 Satz 3 TV 1992 greift nach dem Vorstehenden ein, wenn im Zeitpunkt der Beendigungserklärung ein in wirtschaftlicher Abhängigkeit stehender freier (arbeitnehmerähnlicher) Mitarbeiter der Beklagten nach mindestens 20-jähriger ständiger Tätigkeit für die Beklagte "gekündigt" werden soll. Wie ausgeführt kommt es nicht darauf an, dass über den gesamten Zeitraum von 20 Jahren ein arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis bestanden haben muss.

Zudem hat der Kläger, von der Beklagten zuletzt nicht mehr bestritten, ausgeführt, seine Geschäftsführertätigkeit für die Fa. ... E. GmbH habe ihm keine Einnahmen erbracht; auch aus seiner Gesellschafterstellung habe er keine Einkünfte durch Gewinnausschüttungen erzielt.

Die Beklagte, der der Umfang der Tätigkeit des Klägers für sie bekannt war, hat keine weiteren Anhaltspunkte für andere Einnahmen des Klägers, der nach eigener Einlassung über keine weitere Einnahmen verfügte, angeführt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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