Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 10.01.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 402/05
Rechtsgebiete: GG, EWG-Vertrag


Vorschriften:

GG Art. 3
EWG-Vertrag Art. 119
Unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau bei den versicherungsmathematischen Abzügen in einer betrieblichen Versorgungsordnung.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 402/05

Verkündet am: 10. Januar 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter von Zezschwitz und Fellermeier für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers vom 13. April 2005 gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 16. März 2005 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Für den Kläger wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Berechnung der dem Kläger zustehenden betrieblichen Altersversorgung. Beanstandet wird der beklagtenseits vorgenommene versicherungsmathematische Abschlag von 0,3 % für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme vor Vollendung des 63. Lebensjahres.

Der im Dezember 1943 geborene Kläger war vom 1. Juli 1973 bis zu seinem Ausscheiden am 30. Juni 2000 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Angestellter beschäftigt gewesen. Vom 1. Juli 2000 bis 31. Dezember 2003 hatte er sich im Zustand der Arbeitslosigkeit befunden und in dieser Zeit die vertraglich festgesetzte Abfindung in monatlichen Raten ausbezahlt erhalten. Seit 1. Januar 2004 bezieht er von der Beklagten eine Betriebsrente in Höhe von € 815,23 brutto monatlich.

Am 3. Dezember 1999 hatten die Parteien einen Aufhebungsvertrag (Blatt 7 bis 14 der Akte) geschlossen, der in den §§ 9 und 10 die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung regelt. Die Betriebsrenten findet man dabei in § 9 Ziffer 4 um einen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,3 % für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme vor dem vollendeten 63. Lebensjahr gekürzt. Diese Vereinbarung entspricht den einschlägigen Bestimmungen in der Betriebsvereinbarung Nummer 133 vom 28. Oktober 1999 (Blatt 16 bis 24 der Akte), die eine Vorruhestandsregelung bei der Beklagten zum Gegenstand hat und unter § 9 Ziffer 5 vorsieht:

Die errechnete betriebliche Altersversorgung wird bei Männern um einen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,3 % für jeden Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme vor vollendetem 63. Lebensjahr gekürzt.

Zum Zeitpunkt der Vollendung seines 63. Lebensjahres hatte die Beklagte für den Kläger einen fiktiven Rentenanspruch in Höhe von € 913,94 errechnet. Davon brachte sie dann einen versicherungsmathematischen Abschlag in Höhe von 36 (Monaten) mal 0,3 % = 10,8 %, entspricht € 98,71, in Abzug, was der Kläger nunmehr beanstandet, weil er darin eine diskriminierende Ungleichbehandlung gegenüber Frauen sieht. Bei ihnen wird nach § 9 Ziffer 3 Satz 4 dieser Betriebsvereinbarung eine solche Kürzung nicht vorgenommen.

Mit seiner am 1. März 2004 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Klage vom 28. Januar 2004 begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von € 1.381,94 brutto sowie von monatlich € 98,71 brutto zusätzliche Rente ab 21. März 2005. Diese Begehren sind vor dem angerufenen Arbeitsgericht München aber erfolglos geblieben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des klageabweisenden Endurteils vom 16. März 2005 wird Bezug genommen.

Mit der am 13. April 2005 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese seinen Prozessbevollmächtigten am 31. März 2005 zugestellte Entscheidung verfolgt der Kläger seine Anträge weiter. Die Begründung dazu ist innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 28. Juni 2005 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht vorgehalten, bei seiner Entscheidung fälschlicherweise die Schlussfolgerung gezogen zu haben, die Wirkung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Mai 1990 auf Beschäftigungszeiten ab dem 18. Mai 1990 zu beschränken. Auch die folgende Verrechnung des ihm danach zugestandenen Differenzbetrages in Höhe von € 37,02 mit einem ihm aus anderem Rechtsgrund gezahlten Aufstockungsbetrag in Höhe von € 127,82 läßt der Kläger beanstanden. Er verlangt wegen diskriminierender Ungleichbehandlung den ungekürzten Differenzbetrag. Die von der Beklagten ab 17. Mai 1990 vorgenommene Berechnung sei unzutreffend und die vorgenommene Aufrechnung mit dem Aufstockungsbetrag unzulässig. Renten der betrieblichen Altersversorgung fielen nach der zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unter den Begriff des Entgelts im Sinne von Art. 119 EWG-Vertrag und damit auch unter das dieser Vorschrift zu entnehmende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Der Kläger erhalte seit 1. Januar 2004 seine Betriebsrente auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung Nr. 20 von Januar 1994 (Blatt 141 bis 148 der Akte). Die Betriebs­vereinbarung Nr. 133 vom 28. Oktober 1999 habe die Betriebsvereinbarung Nr. 132 vom 30. Juni 1999 (Blatt 149 bis 153 der Akte) ersetzt. Davor habe die Betriebsvereinbarung Nr. 131 (Blatt 154 bis 158 der Akte) gegolten. Weiter müsse noch berücksichtigt werden die Betriebsvereinbarung Nr. 25 vom Januar 1994 (Blatt 159 bis 170 der Akte). Diese war für die Isar-Amper-Werke abgeschlossen worden und habe nur für Mitarbeiter gegolten, die nach dem 30. Juni 1983 eingetreten sind. Für den Kläger maßgeblich sei die Betriebsvereinbarung Nr. 20, da sein Eintrittsdatum der 1. Juli 1973 gewesen war.

Seit Beginn des Jahres 2004 erhalte der Kläger nunmehr Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auf Grundlage der Betriebsvereinbarung Nr. 20 in Verbindung mit Betriebsvereinbarung Nr. 133. Die Betriebsvereinbarung Nr. 133 enthalte in § 9 Ziffer 3 die Kürzungsmöglichkeit bei Betriebsrenten für männliche Mitarbeiter in Höhe von 0,3 % je Monat ihrer vorzeitigen Inanspruchnahme zwischen dem 60. und dem 63. Lebensjahr. Ausdrücklich sei auch festgelegt worden, dass bei Frauen und Schwerbehinderten keine Kürzungen vorgenommen werden. Weiter enthalte diese Betriebsvereinbarung in § 10 einen Ausgleich für Nachteile in der Sozialversicherungsrente. In seiner Ziffer 1 seien Aufstockungsbeträge vorgesehen abhängig vom Alter bei Beginn des Vorruhestandes. Solche Ausgleichszahlungen erfolgten ausschließlich wegen eingetretener Nachteile im Rahmen der Sozialversicherung. Soweit eine vergleichbare Frau einen geringeren Aufstockungsbetrag erhalte, folge das aus ihrem geringeren Abschlag in der Sozialversicherungsrente. Damit sei dieser Sachverhalt aber nicht vergleichbar mit dem vorgenommenen Abzug bei seiner Betriebsrente. § 9 Ziffer 3 der Betriebsvereinbarung Nr. 133 sehe ausdrücklich nur für Männer einen versicherungsmathematischen Abschlag vor wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der betrieblichen Altersversorgung zwischen dem 60. und dem 63. Lebensjahr. Eine vorzeitige Inanspruchnahme sei aber unabhängig vom Geschlecht für Männer und Frauen gleichermaßen möglich. Für diese Ungleichbehandlung gebe es keine sachlichen Gründe und so lässt der Kläger beantragen:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 16. März 2005, Az. 6 Ca 3460/04, wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.381,94 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Januar 2004, 21. Februar 2004, 21. März 2004, 21. April 2004, 21. Mai 2004, 21. Juni 2004, 21. Juli 2004, 21. August 2004, 21. September 2004, 21. Oktober 2004, 21. November 2004, 21. Dezember 2004, 21. Januar 2005, 21. Februar 2005, 21. März 2005, 21. April 2005, 21. Mai 2005 jeweils aus € 98,71 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, ab 21. März 2005 und künftig jeweils zum 21. eines Folgemonats € 98,71 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit diesen Tagen zu bezahlen.

Die Beklagte lässt beantragen:

die Berufung zurückzuweisen.

Den Überlegungen des Erstgerichts in der angegriffenen Entscheidung pflichtet sie bei, den Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung tritt sie entgegen. Ergänzend dazu wird vorgetragen, im Aufhebungsvertrag vom 3. Dezember 1999 seien die gesamten sich im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Vorruhestandsregelung stellenden Fragen umfassend und detailliert geregelt worden, darunter auch die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die von der Beklagten zu erbringenden Leistungen. Eine unter § 12 des Aufhebungsvertrages niedergelegte Erledigungsklausel habe diese Vereinbarungen abgeschlossen.

Dem Kläger wird vorgehalten, in vorliegendem Verfahren Ansprüche geltend zu machen, die über das Leistungsprogramm des Aufhebungsvertrages hinausgehen. Gerade solche Ansprüche seien durch die Erledigungsklausel aber ausgeschlossen worden. Dem stehe auch nicht etwa § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG entgegen. Der Kläger mache keine ihm vermeintlich durch eine Betriebsvereinbarung eingeräumten Rechte geltend, sondern berufe sich ganz im Gegenteil darauf, dass die einschlägige Regelung der Betriebsvereinbarung Nr. 133 unwirksam sei. Der zur Entscheidung gestellte Anspruch solle also nicht wegen, sondern trotz dieser Betriebsvereinbarung bestehen.

Unabhängig davon wird die vom Kläger beanstandete geschlechtsspezifische Differenzierung aber auch als durch sachliche Gründe gerechtfertigt angesehen. Zur Begründung lässt die Beklagte auf ihre Ausführungen im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 29. Juni 2004 (zu Ziffer II. 4.) hinweisen.

An der hilfsweisen Gegenrechnung des Aufstockungsbetrages hält die Beklagte fest. Entscheidend müsse sein, ob der Kläger im Rahmen seiner betrieblichen Altersversorgung insgesamt weniger erhalte als eine vergleichbare Arbeitnehmerin. Und das ist nach Ansicht der Beklagten durch den vertraglich vereinbarten Aufstockungsbetrag nicht der Fall.

Der Kläger tritt diesen Ausführungen entgegen. Er rügt weiterhin einen Verstoß gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts und stützt sein Begehren auf Art. 119 EWG-Vertrag.

Die Beklagte hält demgegenüber an ihrem Vorbringen fest.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 28. Juni 2005 (Blatt 133 bis 140 der Akte) mit Anlagen, auf die Berufungsbeantwortung vom 9. August 2006 (Blatt 177 bis 182 der Akte), auf den Schriftsatz der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 12. Dezember 2005 (Blatt 189 bis 194 der Akte) mit Anlage, auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 2. Januar 2006 (Blatt 202 bis 204 der Akte) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 10. Januar 2006 (Blatt 205 bis 207 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und im Wesentlichen auch zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO; § 257 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, den beklagtenseits vorgenommenen versicherungsmathematischen Abzug bei der Betriebsrente ausbezahlt zu bekommen, muss erfolglos bleiben. Zu diesem Ergebnis war bereits das Erstgericht gekommen. Seiner Begründung schließt sich die Berufungskammer zunächst einmal an (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

1. Zulässigkeitsbedenken bestehen, soweit mit den Berufungsanträgen Zinsen für die umstrittenen Abzüge März, April und Mai 2005 doppelt geltend gemacht werden. Darauf im Tenor des Berufungsurteils gesondert einzugehen, erscheint aber entbehrlich, da es im Ergebnis bei der bereits vom Erstgericht ausgesprochenen Klageabweisung verbleibt.

2. Für das zur Entscheidung gestellte Begehren gibt es keine tragfähigen Rechtsgrundlagen. Der Kläger war auf der Grundlage des Aufhebungsvertrages vom 3. Dezember 1999 (Blatt 7 bis 14 der Akte) ausgeschieden. Darin haben die Parteien auch die dem Kläger zustehende betriebliche Altersversorgung (§ 9) und einen Ausgleich seiner durch das vorzeitige Ausscheiden entstehenden Nachteile in der Sozialversicherungsrente (§ 10) rechtswirksam vereinbart verbunden mit einer Erledigungs- und Salvatorischen Klausel (§§ 12, 13). Daran muss er sich nun auch festhalten lassen.

3. Soweit der Kläger die in Ziffer 3 von § 9 der Betriebsvereinbarung Nr. 133 enthaltene Abschlagsregelung beanstandet, liegt - wie vom Erstgericht dargestellt - eine Ungleichbehandlung vor. Diese zu beseitigen sind zunächst einmal die Betriebsparteien aufgerufen. Dabei werden sie dann auch § 10 der Betriebsvereinbarung Nr. 133 zu berücksichtigen haben, erhalten Frauen danach doch gegenüber Männern vom Rentenrecht ausgehend eine geringere Aufstockung.

Bezogen auf den Streitfall stellt die Berufungskammer in Übereinstimmung mit dem Erstgericht und der von ihm zitierten Rechtsprechung auf die Entscheidungsverkündung ab, das heißt, bei benachteiligenden Betriebsrentenregelungen werden nur die Beschäftigungszeiten ab dem 18. Mai 1990 so behandelt, als gelte auch für sie das günstigere Rentenzugangsalter der Frauen. Aus Beschäftigungszeiten vor dem 18. Mai 1990 können sich erhöhte Teilansprüche auf die Betriebsrente nicht ergeben. Das Erstgericht hat in Anlehnung an die Berechnungen der Beklagten diese zeitliche Trennung bezogen auf die klägerische Gesamtbeschäftigungszeit umgerechnet mit dem Ergebnis, dass € 37,02 als ungerechtfertigte Schlechterstellung des Klägers gegenüber einer mit ihm vergleichbaren Frau verbleiben. Diese € 37,02 hat das Erstgericht dann - ebenfalls zu Recht - mit dem Aufstockungsbetrag von € 127,82 verrechnet und eine anspruchserhöhende Benachteiligung des Klägers damit ausgeschlossen. Auch wenn eine solche Aufstockung wegen sozialversicherungsrechtlicher Nachteile bezahlt werden soll, kann sie die Beklagte als Leistung ihrer betrieblichen Altersversorgung bei der gebotenen Gleichbehandlung zwischen Mann und Frau in Anrechnung bringen, haben die Betriebsparteien diesen Ausgleich doch großzügig pauschaliert vorgenommen.

Mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO verbleibt es damit bei der angefochtenen Entscheidung.

Für den Kläger wird gem. § 72 Abs. 2 ArbGG die Revision zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück