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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 28.10.2003
Aktenzeichen: 6 Sa 47/03
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 1 Abs. 1
BGB § 709
BGB § 747 Satz 2
1. Haben die Parteien den Beginn des Arbeitsverhältnisses vertraglich vereinbart, ist dies auch für die Berechnung der Wartezeit des § 1 KSchG maßgeblich. Der Einwand, das Arbeitsverhältnis habe bereits 9 Tage früher, hier: am 22. Oktober statt dem vereinbarten 1. November begonnen, muss zumindest dann erfolglos bleiben, wenn der Arbeitnehmer bis 31. Oktober noch in einem anderen Arbeitsverhältnis stand.

2. Hat der Unterzeichner des Kündigungsschreibens Einzelvertretungsvollmacht, schadet es nicht, wenn auf diesem Kündigungsschreiben die Namen der Mitgesellschafter mitaufgeführt sind, sie aber nicht auch mitunterzeichnet haben.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 47/03

Verkündet am: 28. Oktober 2003

In dem Rechtsstreit

hat die sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Henning Scheele und Anneliese Metko für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin vom 17. Januar 2003 gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 20. November 2002 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung.

Die 1972 geborene Klägerin war von den Beklagten auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 27. September 2001 (Blatt 5/6 der Akte) als Zahntechnikerin eingestellt worden.

Ihre monatliche Vergütung hatte sich auf € 2.300,81 brutto belaufen.

Als ihr mit Schreiben vom 26. April 2002 (Blatt 9 der Akte) zum 10. Mai 2002 ordentlich gekündigt wurde, ließ die Klägerin dagegen mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 17. Mai 2002 Kündigungsschutzklage verbunden mit einem Weiterbeschäftigungsantrag erheben, die vor dem angerufenen Arbeitsgericht München allerdings erfolglos geblieben ist. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des klageabweisenden Endurteils vom 20. November 2002 wird Bezug genommen.

Mit der am 17. Januar 2003 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Kündigungsschutzbegehren weiter. Die Berufungsbegründung ist am 19. Februar 2003 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht vorgehalten, das Kündigungsschreiben trotz der fehlenden dritten Unterschrift als wirksam angesehen zu haben. Auf die Vertretung komme es hier nicht an, es gehe vielmehr ausschließlich um die Frage der Einhaltung des Offenkundigkeitsprinzips. Genau dieses werde hier dadurch verletzt, dass die vorgesehene Unterschriftszeile des die Kündigung nicht unterzeichnenden Beklagten zu 2. (...) nicht - auch nicht von dem angeblich Bevollmächtigten - unterzeichnet worden sei.

Gem. § 709 BGB werde eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) von allen Gesellschaftern gemeinsam vertreten. Eine Kündigung stelle eine Verfügung im Sinne von § 747 Satz 2 BGB dar. Damit bedürfe sie der Mitwirkung aller Gesellschafter, in diesem Fall aller Arbeitgeber. Das könne entweder von vornherein durch gemeinsame Mitwirkung geschehen oder durch Vertretung. Gemeinsame Mitwirkung sei ausgeblieben, die vom Erstgericht herangezogene Vertretung setze voraus, dass der Offenkundigkeitsgrundsatz eingehalten werde. Dies sei hier jedoch nicht geschehen. Dabei helfe auch nicht, dass die Kündigung auf dem Geschäftspapier der Beklagten ausgefertigt worden sei. Auf dem Kündigungsschreiben sei ausdrücklich eine Unterschriftszeile für ... vorgesehen gewesen. Das mache nach außen deutlich, dass auch nach Auffassung der Gesellschafter Herr ... zur wirksamen Vertretung der GbR mitwirken musste. Weiterhin wird mit Beweisangeboten vorgetragen, dass dieses Arbeitsverhältnis bereits am 22. Oktober 2001 begonnen hatte. Der Einwand, es habe sich dabei nur um einen Aufenthalt in der Praxis zum Kennenlernen von Kollegen und der Arbeitsumgebung gehandelt, wird bestritten und ausgeführt, die Klägerin habe an diesen Tagen bereits gearbeitet.

Die Berufungsanträge lauten damit:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 20.11.2002 - 5 Ca 8202/02 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 26.4.2002 nicht aufgelöst wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen bis zum 30.09.2002 fortbestand.

Gleichzeitig wird diese Kündigungsschutzklage erweitert um den Antrag:

Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Klägerin € 10.737,11 brutto zu bezahlen.

Die Beklagten lassen beantragen:

Die Berufung der Klägerin vom 17. Januar 2003 wird zurückgewiesen.

Den Überlegungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung pflichten sie bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung treten sie entgegen. Wie eine Kündigungserklärung zu verstehen sei, müsse vom Empfängerhorizont aus beurteilt werden. Grundsätzlich sehe jeder Empfänger eines Schreibens zunächst auf den Briefkopf, um zu prüfen, woher es komme. Im Streitfall sei deutlich geworden, dass dieses Schreiben von den Zahnärzten ... und ... also von den drei Arbeitgebern der Klägerin stammte.

Der Klägerin müsse bei Erhalt dieses Kündigungsschreibens klar gewesen sein, dass die beiden Ärzte, die ihr Kündigungsschreiben unterzeichnet hatten, hier nicht nur im eigenen Namen, sondern auch im Namen der Praxis gehandelt haben.

Diese Kündigung sei ohne Begründung möglich gewesen, das Arbeitsverhältnis habe im Kündigungszeitpunkt noch keine sechs Monate bestanden. Das folge schon aus dem Arbeitsvertrag, eine Urkunde, die den Anschein der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich habe. Zugestanden wird, dass die Klägerin zur Fertigung und Ablieferung einer Probearbeit bereits einige Tage vorher in der Praxis gewesen sei. Des Weiteren habe sie sich aus reinem Interesse an manchen Tagen vielleicht ein oder zwei Stunden in der Praxis aufgehalten, um ihren künftigen Arbeitsplatz kennen zu lernen, ihn nach ihren Wünschen umzugestalten, vorhandene Werkzeuge auszuprobieren, usw. Zum klägerischen Vortrag, sie habe ab dem 22. Oktober 2001 tagtäglich acht Stunden in der Praxis gearbeitet und die vertraglich übernommene Arbeitsleistung erbracht, werden weiterhin substantiierte Erklärungen vermisst.

Für Zahlungsansprüche fehlt nach Ansicht der Beklagten jede Rechtsgrundlage.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 19. Februar 2003 (Blatt 73 bis 78 der Akte), auf die Berufungsbeantwortung vom 10. März 2003 (Blatt 80 bis 82 der Akte), auf den Schriftsatz der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 23. Oktober 2003 (Blatt 94 bis 95 der Akte) mit Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 28. Oktober 2003 (Blatt 98/99 der Akte) mit Anlage.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) muss erfolglos bleiben. Die angefochtene Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die streitbefangene Arbeitgeberkündigung vom 26. April 2002 (Blatt 9 der Akte) hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 10. Mai 2002 aufgelöst. Zu diesem Ergebnis war bereits das Erstgericht gekommen; seinen zutreffenden Überlegungen schließt sich die Berufungskammner zunächst einmal an (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Ist das Arbeitsverhältnis zum 10. Mai 2002 beendet worden, gibt es für die in zulässiger Weise (§ 533 ZPO: sachdienlich) zur Entscheidung gestellten Zahlungsansprüche (§§ 615, 611 BGB) keine Rechtsgrundlage.

Dass Herr ... und Herr ... den Beklagten zu 2. Herrn ... bei Unterzeichnung der streitbefangenen Kündigung - wie vom Erstgericht dargestellt - rechtswirksam vertreten konnten, ist zwischen den Parteien nicht mehr im Streit. Die Unterzeichner des Kündigungsschreibens haben in diesem Zusammenhang aber auch das Offenkuntligkeitsprinzip, eine Auslegungsregel, die voraussetzt, dass der Handelnde sein Auftreten für ein Unternehmen hinreichend deutlich macht (BGH Urteil vom 28. Januar 1992 - XI ZR 149/91, WM 1992, 267, 269; BGH, Urteil vom 13. Oktober 1994 - EK ZR 25/94, WM 1994, 2233,2234, jew. m.w. Nachw.), nicht verletzt, diese Kündigung vielmehr erkennbar namens der Gemeinschaftspraxis ausgesprochen. Wesentlich dafür ist, dass im Briefkopf des Kündigungsschreibens alle drei Ärzte (Gesellschafter) aufgeführt waren (vgl. dazu den Arbeitsvertrag vom 27. September 2001, Blatt 5/6 der Akte). Die Aufnahme aller drei Gesellschafternamen (auch) in der Unterschriftszeile steht dem nicht entgegen, bekräftigt vielmehr eher den Willen der Unterzeichner, namens der Gemeinschaftspraxis eine Kündigung auszusprechen. Dies ist von der Klägerin und ihrem anwaltschaftlichen Vertreter zumindest zunächst auch so gesehen worden. In der Klageschrift auf Seite 3 (Blatt 3 der Akte) findet man von Gesamtvertretung ausgehend (nur) die fehlende Unterzeichnung der Kündigungserklärung durch alle drei Beklagten beanstandet.

Die Einzelvertretungsvollmnacht vom 28. Februar 2001 im Streitfall auszuschließen, war nicht beabsichtigt. Drei Unterschriften sind - wie vom Erstgericht richtig dargestellt - zur wirksamen Vertretung dieser Gemeinschaftspraxis nicht erforderlich und so schadet die fehlende Unterschrift von Herrn ... auf dem Kündigungsschreiben nicht.

Mit Schreiben vom 26. April 2002 ist das Arbeitsverhältnis innerhalb der arbeitsvertraglich vereinbarten Probezeit von sechs Monaten mit der zulässigerweise verkürzten Kündigungsfrist (vgl. § 1 des Arbeitsvertrages vom 27. September 2001, Blatt 5/6 der Akte und § 622 Abs. 3 BGB) wirksam gekündigt worden. Den 1. November 2001 als Beginn des Arbeitsverhältnisses (und damit auch der Wartezeit des § 1 KSchG) haben die Parteien arbeitsvertraglich vereinbart: Die Klägerin muss sich daran festhalten lassen; auf ihren nach wie vor zu allgemein gehaltenen Vortrag über einen Arbeitsbeginn bereits ab 22. Oktober 2001 und die dazu angebotenen Zeugen kommt es nicht an. Sie hat für diese Tätigkeiten bei der ersten Verdienstabrechnung November 2001 wohl einen Wochenlohn zusätzlich erhalten, dieser Lohn war entgegen vorgebrachter Vermutungen (Schriftsatz der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 23. August 2002, S. 4 - Blatt 37 der Akte) auch ordnungsgemäß versteuert und versichert worden. Die Klägerin stand bis zum 31. Oktober 2001 noch in einem anderen Arbeitsverhältnis und hatte in der Zeit bis 31. Oktober 2001 dort ihren Resturlaub und Überstundenausgleich eingebracht (vgl. das Schreiben der ... GmbH vom 30. September 2002 - Blatt 50 der Akte). Der 1. November 2001 als Arbeitsbeginn bei den Beklagten war damit nicht ohne Grund vereinbart worden.

Die seit 1. September 1969 geltende Neufassung des § 1 Abs. 1 KSchG stellt auf den ununterbrochenen rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ab. Für den Beginn der Wartezeit kommt es damit nicht mehr auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Arbeitsaufnahme, sondern auf den (rechtlichen) Beginn des Arbeitsverhältnisses an. Dies ist derjenige Zeitpunkt, zu dem nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien der Arbeitnehmer mit der Arbeit beginnen soll, hier also der 1. November 2001.

Mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO verbleibt es damit bei der angefochtenen Entscheidung. Für die Klägerin wird die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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