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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 25.01.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 514/04
Rechtsgebiete: BErzGG
Vorschriften:
BErzGG § 15 | |
BErzGG § 16 |
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 25.Januar 2005
In dem Rechtsstreit
hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Juppe und Weikl für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten vom 3. Mai 2004 wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg - Kammer Neu-Ulm vom 17. März 2004 abgeändert und die Klage kostenpflichtig abgewiesen.
2. Für die Klägerin wird die Revision zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über einen Teilzeitanspruch in der Elternzeit.
Die Klägerin ist auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 17. Dezember 2001 (Blatt 81 der Akte) bei der Beklagten in deren Möbelhaus in Vollzeit als Einkaufsberaterin beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt in diesem Möbelhaus ca. 1.000 Mitarbeiter.
Am 25. Oktober 2002 hat die Klägerin ein Kind zur Welt gebracht; ihre Mutterschutzfrist endete am 10. Januar 2003. Bis zu ihrer Schwangerschaft war sie in der Schlafzimmerabteilung eingesetzt gewesen, danach bis zum Beginn der Mutterschutzfrist in der Abteilung "Sparkauf". Sie hatte dabei ihre Arbeit morgens um 8:00 Uhr noch vor Eröffnung des Möbelhauses aufgenommen und bis 19:00 Uhr bei variabler Pause gearbeitet.
Mit Schreiben vom 16. Juli 2002 (Blatt 18 der Akte) hatte sich die Klägerin an die Beklagte gewandt mit folgenden Worten:
"... Hiermit beantrage ich meinen Resturlaub vom 19. September bis zum 2. Oktober 2002. Ab dem 3. Oktober 2002 trete ich meinen Mutterschaftsurlaub an bis zur Entbindung meines Kindes bis ca. 15. November 2002. Hiermit beantrage ich ab diesem Zeitpunkt meinen Erziehungsurlaub von drei Jahren ab Geburt meines Kindes. ..."
Am 7. November 2002 füllte die Klägerin einen Antrag auf Elternzeit gem. §§ 15, 16 BErzGG (Blatt 19 der Akte) aus und beantragte darin Elternzeit vom 10. Januar 2003 bis 24. Oktober 2005.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2002 (Blatt 3 der Akte) beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Verringerung ihrer Arbeitszeit von Vollzeit auf eine Vormittags-Teilzeitstelle ab dem 10. Januar 2003 (Ende der Mutterschutzfrist, aber in der Elternzeit).
Von der Beklagten ist dieser Teilzeitwunsch mit Schreiben vom 2. Januar 2003 (Blatt 4 der Akte) abgelehnt worden mit der Begründung, durch eine Teilzeittätigkeit sei eine wirtschaftlich vernünftige Verwertung ihrer Arbeitskraft nicht mehr möglich.
Die Klägerin hat ihr Verlangen daraufhin am 8. Januar 2003 zur Niederschrift der Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts Augsburg - Kammer Neu-Ulm gerichtlich geltend machen lassen.
In der Zeit vom 9. bis 31. Januar 2003 war sie arbeitsunfähig krank gewesen. Ausgehend von einer verringerten Arbeitszeit verlangt sie von der Beklagten für diesen Zeitraum Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von € 978,30 brutto.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12. Juni 2003 (Blatt 50 der Akte) hat die Klägerin bei der Beklagten erneut Elternzeit vom 1. September 2003 bis 24. Oktober 2005 beantragen lassen unter Verringerung der Vollzeitbeschäftigung auf eine Vormittags-Teilzeitstelle mit einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden. Gestützt wird dieses Verlangen auf das BErzGG. Am Zahlungsverlangen wird festgehalten. Da die Beklagte der Klägerin ab dem 10. Januar 2003 keinen Teilzeitarbeitsplatz zur Verfügung gestellt habe, sei sie in Annahmeverzug geraten und müsse nun Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten.
Vor dem angerufenen Arbeitsgericht Augsburg - Kammer Neu-Ulm war zuletzt beantragt worden:
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Antrag der Klägerin auf Reduzierung ihrer vertraglichen Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden ab 11. Januar 2003 zuzustimmen und die Verteilung der Arbeitszeit ohne Pausen auf Montag bis Samstag jeweils von 8:00 Uhr bis 13:00 Uhr festzulegen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 978,30 brutto zu zahlen.
Das angerufene Arbeitsgericht hat den Teilzeitwunsch der Klägerin ab 3. Februar 2003 (Gründe: Seite 6 unten) beziehungsweise ab 17. Februar 2003 (im Tenor) auf der Grundlage von § 15 Abs. 6 und 7 BErzGG als begründet angesehen, das Verlangen auf Entgeltfortzahlung dagegen abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe seines Endurteils vom 7. März 2004 wird Bezug genommen.
Mit der am 3. Mai 2004 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese ihren Prozessbevollmächtigten am 1. April 2004 zugestellte Entscheidung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Begründung dazu ist innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 1. Juli 2004 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht vorgehalten, § 15 BErzGG im Anschluss an eine in der Literatur vertretene Auffassung dahingehend ausgelegt zu haben, dass es sich beim Anspruch auf Elternzeit und dem Teilzeitanspruch um zwei eigenständige Ansprüche und nicht um einen einheitlichen, durch das Teilzeitbegehren modifizierten Elternzeitanspruch handele. Die Beklagte tritt dieser Auslegung entgegen. Aus ihrer Sicht hat die Klägerin einen wirksamen Antrag auf Teilzeit gar nicht gestellt.
Unabhängig davon habe das Erstgericht aber auch die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der Beklagten überspannt durch die Annahme, angesichts der weitgehenden Versetzungsklausel könne sich diese zur Ablehnung der klägerischen Arbeitszeitverteilung nicht nur darauf berufen, dass die Abteilung, in der die Klägerin zuletzt eingesetzt gewesen war, vormittags personell überbesetzt sei. Die Beklagte lässt darauf hinweisen, dass die Prozentangaben zu den Umsätzen während der jeweiligen Tageszeiten für alle Abteilungen gelten; auch sei unzumutbar, die Arbeitszeit von Mitarbeitern anderer Abteilungen vormittags auf die Hälfte zu reduzieren. Dies wäre auch bei arbeitsvertraglichen Versetzungsklauseln nicht über das Direktionsrecht möglich, denn eine Versetzungsklausel erlaube nicht, die Arbeitszeit vormittags zu reduzieren, um der Klägerin zu ermöglichen, damit frei werdende Arbeitsstunden zu übernehmen.
In der Schlafzimmerabteilung existiere kein freier Arbeitsplatz und freie Arbeitsplätze gebe es auch in anderen Abteilungen bei der Beklagten nicht.
Schließlich wird die Nichteinhaltung der Frist des § 15 Abs. 7 BErzGG gerügt und die vom Arbeitsgericht dazu vertretene Ansicht bekämpft.
Die Berufungsanträge lauten damit:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg - Kammer Neu-Ulm vom 17. März 2004, Az. 2 Ca 33/03 N, der Beklagten am 1. April 2004 zugestellt, wird abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin lässt beantragen:
Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Den Überlegungen des Erstgerichts pflichtet sie bei, den Ausführungen der Berufungsbegründung tritt sie entgegen. Das beklagtenseits herangezogene Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg wird schon vom Tatsächlichen her als nicht einschlägig angesehen, die darin vertretene Auslegung des § 16 Abs. 1 BErzGG aber auch inhaltlich bekämpft.
Die Beklagte habe mit ihrer kategorischen Ablehnung vom 2. Januar 2003 die in § 15 Abs. 5 BErzGG vorgesehene Einigung der Parteien über den Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit und ihre Ausgestaltung unmöglich gemacht. Die Klägerin bestehe nicht darauf, in der Abteilung Sparkauf eingesetzt zu werden. Vielmehr sei ihr jede andere Tätigkeit in dem gewünschten Zeitfenster ebenfalls genehm, da ihr Arbeitsvertrag vorsehe, dass ihr jede zumutbare Tätigkeit zugewiesen werden könne und diese auch nicht unbedingt dem Berufsbild entsprechen müsse. Die seit Jahren expandierende Beklagte, die nun auch in G. einen Filialbetrieb eröffnen wolle, kann aus Sicht der Klägerin nicht einleuchtend erklären, für sie keine Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewünschten Zeitfenster zu haben.
Die Beklagte tritt diesen Ausführungen entgegen.
Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 1. Juli 2004 (Blatt 122 bis 137 der Akte) mit Anlagen, auf die Berufungsbeantwortung vom 7. September 2004 (Blatt 157 bis 160 der Akte), auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 29. September 2004 (Blatt 162 bis 165 der Akte), auf den Schriftsatz der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 5. November 2004 (Blatt 166/167 der Akte) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 25. Januar 2005 (Blatt 173/174 der Akte).
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, den Teilzeitwunsch der Klägerin abgewiesen zu bekommen, hat Erfolg. Unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung war die Klage abzuweisen.
Bei ihrer Beratung war die Kammer der beklagtenseits vorgelegten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 6. Mai 2004 - 3 Sa 44/03 gefolgt dahin, wenn ein Elternteil Elternzeit nach § 16 BErzGG mit völliger Freistellung von der Arbeit in Anspruch genommen habe, stehe ihm während der Dauer der verlangten Elternzeit jedenfalls in dem in § 16 Abs. 1 Satz 1 BErzGG genannten Zeitraum kein Anspruch auf Zustimmung des Arbeitgebers zur Teilzeitbeschäftigung nach § 15 Abs. 7 BErzGG zu.
Das Bundesarbeitsgericht hat diese Auslegung im vom LAG Baden-Württemberg zugelassenen Revisionsverfahren nicht gebilligt. Nach Ansicht des Senats - zitiert aus der Pressemitteilung über das Urteil vom 19. April 2005 - 9 AZR 233/04 - sind Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer, die Elternzeit in Anspruch genommen haben, nicht gehindert, im Laufe der Elternzeit die Verringerung ihrer Arbeitszeit nach § 15 Abs. 5 bis Abs. 7 BErzGG zu beantragen. Das sei auch dann zulässig, wenn zunächst nur die völlige Freistellung von der vertraglichen Arbeit (Elternzeit) in Anspruch genommen und keine Verringerung der Arbeitszeit (Elternteilzeit) beantragt worden war.
Dieser Auslegung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Kammer. Den im Streitverfahren verkündeten Tenor nunmehr damit zu begründen, dass dem Teilzeitwunsch auf Seiten der Beklagten dringende betriebliche Gründe entgegenstehen, erscheint nicht möglich, hatten beide Parteien im Berufungsverfahren doch vor allem über die - nunmehr entschiedene - Frage gestritten und zu den entgegenstehenden dringenden betrieblichen Gründen angeboten, dazu auf Anforderung noch ergänzenden Vortrag bringen zu wollen, darunter die Klägerin im Hinblick auf für sie mögliche Arbeitsplätze bei der Beklagten. Im Hinblick auf die bereits angesprochene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 6. Mai 2004 waren richterliche Hinweise dazu unterblieben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Für die Klägerin wird die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).
Ende der Entscheidung
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