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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 13.02.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 527/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 306
BGB § 307
BGB § 336
Bei einem angestellten Handelsvertreter im Nebenberuf mit monatlichen Bezügen von € 1.000,00 ist eine vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe für jede - auch nur versuchte - Abwerbung eines Mitarbeiters eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers. Eine geltungserhaltende Reduktion kommt in diesem Zusammenhang nicht in Betracht (BAG Urteile vom 4.3.04 - 8 AZR 196/03 AP Nr. 3 zu § 309 BGB und vom 18.8.05 - 8 AZR 65/05 AP Nr. 1 zu § 336 BGB).
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 527/06

Verkündet am: 13. Februar 2007

In dem Rechtsstreit

hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter C. von Zezschwitz und S. Schneiderbauer-Schwendler für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin vom 24. April 2006 gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 21. Februar 2006 wird mit der Maßgabe, dass von den erstinstanzlichen Kosten die Klägerin 2/3, der Beklagte 1/3 zu zahlen hat, zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur mehr über die Zahlung einer Vertragsstrafe.

Der Beklagte war für die Klägerin, einem im Bereich der Vermittlung von Finanzdienstleistungen tätigen Unternehmen, auf der Grundlage eines vorformulierten Vermögensberater-Vertrages (Blatt 203 bis 209 der Akte) vom 24. Januar 2002 bis 31. Juli 2003 als Handelsvertreter im Nebenberuf tätig gewesen.

Vertraglich war er unter anderem verpflichtet worden, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zu unterlassen, Vermögensberater oder andere Mitarbeiter der Gesellschaft abzuwerben oder Kunden der Gesellschaft auszuspannen oder dies alles auch nur zu versuchen (nachvertragliches Wettbewerbsverbot). Verstößt der Vermögensberater gegen die vorstehenden vertraglichen oder nachvertraglichen Wettbewerbsverbote, so hat er für einen jeden Fall der Zuwiderhandlung an die Gesellschaft eine Vertragsstrafe in Höhe von € 25.000,-- je abgeworbener/ ausgespannter Person und/oder je Versuch zu zahlen.

Die Klägerin lässt vortragen, der Beklagte habe am 31. Dezember 2003 eine Person angerufen, um diese nach seinem Ausscheiden bei der Klägerin zu einer beruflichen Tätigkeit für den A. zu überreden. Im März bzw. April 2004 sei von ihm ein weiteres Mal versucht worden, einen Mitarbeiter der Klägerin von der Tätigkeit bei der A. zu überzeugen. Damit wird die vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe als verwirkt angesehen. Mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 27. Februar 2004 hat die Klägerin das Landgericht Augsburg anrufen lassen mit den Anträgen, den Beklagten zu verurteilen, es bis zum 31. Juli 2005 zu unterlassen, Mitarbeiter der Klägerin abzuwerben, der Klägerin unter Angabe genauer Anschriften Auskunft zu erteilen, welche an die Klägerin noch vertraglich gebundene Personen er abgeworben oder abzuwerben versucht hat sowie an die Klägerin einen Betrag von € 25.000,-- nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen. Vom Landgericht ist dieser Rechtsstreit mit Beschluss vom 23. November 2004 an das Arbeitsgericht Augsburg verwiesen worden, da der Beklagte während der letzten sechs Monate seines Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als € 1.000,-- an Vergütung einschließlich Provisionen und Ersatzaufwendungen bezogen hatte. Vor dem Arbeitsgericht sind die mit Klage vom 27. Februar 2004 gestellten Anträge 1. und 2. für erledigt erklärt worden, ihren Zahlungsantrag hatte die Klägerin dagegen auf € 50.000,-- nebst Zinsen erweitern lassen.

Das Erstgericht hatte darüber wie folgt entschieden:

1. Klageantrag 3. wird abgewiesen. Im Übrigen ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf € 51.000,--.

Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Endurteils vom 21. Februar 2006 wird Bezug genommen.

Mit der am 27. April 2006 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese ihren Prozessbevollmächtigten am 27. März 2006 zugestellte Entscheidung verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag teilweise weiter. Die Begründung dazu ist innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 30. Juni 2006 eingegangen. Darin wird zunächst die klägerische Vertriebsorganisation noch einmal dargestellt und darauf hingewiesen, dass der Beklagte bereits wenige Wochen nach seinem Ausscheiden zu einem in Teilbereichen ihrer geschäftlichen Wirkungsfelder auftretenden Mitbewerber gegangen sei. Erfolg habe sich auch bei seinem neuen Geschäftsherrn zuvorderst durch eigenes beständiges Bemühen um Kundengewinnung und Vertragsabschlüsse eingestellt. In diesem Zusammenhang sei es dann zu wiederholten Versuchen des Beklagten gekommen, andere bei der Klägerin vertraglich gebundene Außendienstmitarbeiter unterstützend für seine Konkurrenztätigkeit zu gewinnen.

Um dies zu unterbinden habe die Klägerin gegen den Beklagten Unterlassungs- und Auskunftsansprüche klageweise geltend gemacht sowie Zahlung der verwirkten Vertragsstrafe gemäß dem geschlossenen Handelsvertretervertrag verlangt. Neuerliche Vorwürfe hätten schließlich zur Verwirkung einer weiteren Vertragsstrafe geführt, die klageerhöhend zu beanspruchen gewesen sei.

Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens ist aufgrund Zeitablaufs beim Unterlassungsantrag Erledigung eingetreten, den Auskunftsanspruch hatte der Beklagte schriftsätzlich erfüllen lassen. Die darauf bezogene Kostenentscheidung über § 92 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Ersturteil wird von der Klägerin beanstandet und der dabei für Unterlassungs- und Auskunftsanspruch angesetzte Streitwert von € 1.000,-- als zu niedrig angesehen.

Den Ausführungen des Erstgerichts zur Unwirksamkeit der zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsstrafe tritt die Klägerin mit eingehender Begründung heftig entgegen. Auch wäre diese Vertragsstrafenklausel einer Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zugänglich gewesen bis hin zur Herabsetzung der verwirkten Vertragsstrafe.

Im Hinblick auf die Überlegungen des Erstgerichts zur Wirksamkeit bzw. Geltung der Vertragsstrafenregelung lässt die Klägerin im Rahmen ihrer Berufung zunächst nur die erstverwirkte Strafe weiterverfolgen. Ihr Berufungsantrag lautet damit:

Unter teilweiser Aufhebung bzw. Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Augsburg vom 21. Februar 2006 (Az.: 7 Ca 1977/05 D) den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 25.000,-- nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Juli 2004 zu zahlen.

Der Beklagte lässt beantragen:

Die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Den Überlegungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung pflichtet er bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung tritt er entgegen. Aus seiner Sicht ist die streitbefangene Vertragsstrafenregelung völlig unangemessen. Auch wird beanstandet, dass die Klägerin für die Einhaltung ihres vertraglichen Wettbewerbsverbots keine Karenzentschädigung angeboten habe.

Die Klägerin hält demgegenüber an ihren Ausführungen fest.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 29. Juni 2006 (Blatt 175 bis 184 der Akte), auf die Berufungsbeantwortung vom 7. August 2006 (Blatt 193 bis 195 der Akte), auf den Schriftsatz der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 1. Februar 2007 (Blatt 214 bis 217 der Akte) und vom 8. Februar 2007 (Blatt 219 der Akte) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 13. Februar 2007 (Blatt 220/221 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, die Vertragsstrafe zugesprochen zu bekommen, muss in der Hauptsache erfolglos bleiben. Die Vertragsstrafenklausel unter V. des Vermögensberater-Vertrages vom 8. Mai 2002 stellt eine unangemessene Benachteiligung des Beklagten dar, sie ist nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Zu diesem Ergebnis war bereits das Erstgericht gekommen. Seinen zutreffenden Ausführungen schließt sich die Berufungskammer zunächst einmal an (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die ebenfalls beanstandete erstinstanzliche Kostenentscheidung war abzuändern.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in seinen Urteilen vom 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 (AP Nr 3 zu § 309 BGB) und vom 18. August 2005 - 8 AZR 65/05 (AP Nr 1 zu § 336 BGB) grundlegend mit der Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden in einem Formulararbeitsvertrag beschäftigt und entschieden, dass sich die Unwirksamkeit solcher Vereinbarungen aus einer unangemessenen Benachteiligung ergeben könne (§ 307 Abs. 1 BGB); sei eine Vertragsstrafe in einem Formulararbeitsvertrag zu hoch, komme eine geltungserhaltende Reduktion grundsätzlich nicht in Betracht.

1. Im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist eine geltungserhaltende Reduktion nach § 306 Abs. 2 BGB nicht vorgesehen (grundlegend BGH 17. Mai 1982 - VII ZR 316/81 - BGHZ 84, 109; 25. Juni 2003 - VIII ZR 344/02 - NJW 2003, 2899; Wolf/Horn/Lindacher AGB-Gesetz § 6 Rn. 31 ff.; Thüsing BB 2002, 2666, 2674; derselbe BB 2004, 42, 45; Reichenbach NZA 2003, 309, 313; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag II V 30 Rn. 32). Der Bundesgerichtshof lehnt auch bei Vertragsstrafenregelungen eine geltungserhaltende Reduktion generell ab (23. Januar 2003 - VII ZR 210/01 - BGHZ 153, 311; 12. März 1981 - VII ZR 293/79 - NJW 1981, 1509; 18. November 1982 - VII ZR 305/81 - BGHZ 85, 305, 312 ff.; 19. Januar 1989 - VII ZR 348/87 - NJW-RR 1989, 527; 20. Januar 2000 - VII ZR 46/98 - NJW 2000, 2106; 20. März 2003 - I ZR 225/00 - NJW-RR 2003, 1056).

Das Bundesarbeitsgericht ist dieser Ansicht gefolgt, die Berufungskammer schließt sich ihr ebenfalls an. Dem Zweck der §§ 305 ff. BGB kann eine Aufrechterhaltung der beanstandeten Klausel mit eingeschränktem Inhalt nicht entnommen werden. Es ist Ziel des Gesetzes, auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuwirken. Dem Verwendungsgegner soll die Möglichkeit sachgerechter Information über die ihm aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten verschafft werden. Dieses Ziel ließe sich nicht erreichen, wenn jeder Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zunächst einmal ungefährdet bis zur Grenze dessen gehen könnte, was zu seinen Gunsten in gerade noch vertretbarer Weise angeführt werden kann. Damit würde nicht verhindert, dass der Vertragspartner des Verwenders in der Vertragsabwicklungspraxis mit überzogenen Klauseln konfrontiert wird. Erst in einem Prozess würde er den Umfang seiner Rechte und Pflichten zuverlässig erfahren. Wer die Möglichkeit nutzen kann, die ihm der Grundsatz der Vertragsfreiheit für das Aufstellen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eröffnet, muss auch das vollständige Risiko einer Klauselunwirksamkeit tragen (BGH 17. Mai 1982 - VII ZR 316/81 - BGHZ 84, 109; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag II V 30 Rn. 32; Stein Anm. zu AP BGB § 339 Nr. 8).

Der Rechtsgedanke des § 343 BGB führt ebenfalls nicht zu einer Herabsetzung der Vertragsstrafe auf das angemessene Maß. § 343 BGB kommt nur bei verwirkten, also wirksam vereinbarten Vertragsstrafen in Betracht (BGH 12. März 1981 - VII ZR 293/79 -NJW 1981, 1509; Schierbaum in Berscheid/Kunz/Brand PraxisArbR Teil 2 Rn. 2189; Staudinger/Coester-Waltjen AGBG § 11 Nr. 6 Rn. 24; MünchKommBGB/Gottwald § 343 Rn. 9; Leder/Morgenroth NZA 2002, 952, 956; Lingemann NZA 2002, 181, 191; Hümmerich NZA 2003, 753, 762).

2. Die streitbefangene Vertragsstrafenabrede ist als Allgemeine Geschäftsbedingung in den Vermögensberater-Vertrag vom 8. Mai 2002 einbezogen worden. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass dieser Vertrag auf der Basis eines von der Klägerin vorformulierten Vertragsmusters, das in einer Vielzahl von Fällen verwendet wurde, erstellt worden ist. Für die behauptete Verwirkung der Vertragsstrafe im Jahre 2003 gelten damit die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001; darunter die in den §§ 305 bis 310 BGB n.F. geregelte Gestaltung des Schuldverhältnisses durch Allgemeine Geschäftsbedingungen. Diese Neuregelung gilt für Verträge, die ab dem 1. Januar 2002 geschlossen worden sind, damit also auch für den streitgegenständlichen Vermögensberater-Vertrag vom 8. Mai 2002.

a) Die Vertragsstrafenklausel in V. des vorformulierten Vermögensberater-Vertrages benachteiligt den Beklagten entgegen Treu und Glauben und ist damit unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie verpflichtet den beklagten Vermögensberater, die Interessen der Gesellschaft zu wahren, wie es ihm durch § 86 Abs. 1 HGB aufgegeben ist. Deswegen hat er es neben jeder Konkurrenztätigkeit zu unterlassen, Vermögensberater oder andere Mitarbeiter der Gesellschaft abzuwerben oder Kunden der Gesellschaft auszuspannen oder dies alles auch nur zu versuchen (nachvertragliches Wettbewerbsverbot).

Der Vermögensberater verpflichtet sich, es für die Dauer von zwei Jahren nach der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zu unterlassen, Vermögensberater oder andere Mitarbeiter der Gesellschaft abzuwerben oder Kunden der Gesellschaft auszuspannen oder dies alles auch nur zu versuchen (nachvertragliches Wettbewerbsverbot).

Verstößt der Vermögensberater gegen die vorstehenden vertraglichen oder nachvertraglichen Wettbewerbsverbote, so hat er für jeden Fall der Zuwiderhandlung an die Gesellschaft eine Vertragsstrafe in Höhe von € 25.000,00 je abgeworbener/ausgespannter Person und/oder je Versuch zu zahlen.

Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben unberührt.

Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird (BAG 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - AP BGB § 309 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1, zu B III 2 der Gründe unter Hinweis auf BGH 14. Januar 1987 - IVa ZR 130/85 - NJW 1987, 2431; 3. November 1999 - VIII ZR 269/98 - BGHZ 143, 104 = NJW 2000, 1110; 4. Juli 1997 - V ZR 405/96 - NJW 1997, 3022). Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten (BAG 24. Oktober 2002 - 6 AZR 632/00 - BAGE 103, 180 = AP HGB § 89 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 3 mwN). Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiden Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (BGH 28. Januar 2003 - XI ZR 156/02 - BGHZ 153, 344; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag 2. Aufl. II V 30 Rn. 28 ff.). Dabei kann auch die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen (BAG 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - aaO, zu B III 2 b der Gründe). Eine unangemessene Benachteiligung kann sich weiter daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Vertragsstrafenabrede muss also nicht nur klar und verständlich sein; sie darf auch als solche nicht unangemessen benachteiligen. Die Vereinbarung der konkreten Vertragsstrafe muss zumutbar sein. Das bedeutet: Die Bestimmung muss die Angemessenheit und Zumutbarkeit erkennen lassen (BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - AP BGB § 308 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1).

b) Diesen Grundsätzen entspricht die umstrittene Vertragsstrafenklausel in V. des Vermögensberater-Vertrages nicht. Bedenken im Hinblick auf das Transparenzgebot bestehen in Übereinstimmung mit dem Erstgericht bereits deshalb, weil die einzuhaltenden Pflichten umfassend unter Einschluss des Versuchs formuliert worden sind. Die Vertragsstrafe muss aber nicht nur die zu leistende Strafe, sondern auch die sie auslösende Pflichtverletzung so klar bezeichnen, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann. Globale Strafversprechen, die auf die Absicherung aller Pflichten aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zielen, sind schon wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam (vgl. ErfK/Müller-Glöge 5. Aufl. §§ 339 - 345 BGB Rn. 15 unter Hinweis auf BAG 14. Dezember 1988 - 5 AZR 10/88 -).

c) Die entscheidende unangemessene Benachteiligung des Beklagten liegt aber darin, dass V. des Vermögensberater-Vertrages für jeden Fall der (und sei es auch nur versuchten) Zuwiderhandlung gegen die vertraglichen oder nachvertraglichen Wettbewerbsverbote eine Vertragsstrafe in Höhe von € 25.000,-- vorsieht, und das bei einem Handelsvertreter im Nebenberuf mit einer Vergütung von rund € 1.000,-- monatlich. Die Schwere des Verstoßes bleibt in diesem Zusammenhang unberücksichtigt.

Diese vertraglich festgelegte Leistungsbestimmung der Klägerin ist unbillig und damit nicht gerechtfertigt. Es fehlt bereits an einem angemessenen Rahmen, weil eine Vertragsstrafe für jeden Einzelfall eines Wettbewerbsverstoßes in Höhe von rd. 25 Monatsgehältern nicht mehr als angemessen angesehen werden kann; sie enthält vielmehr eine unangemessene "Übersicherung" (vgl. ErfK/Müller-Glöge §§ 339 - 345 BGB Rn. 15 ff.). Dient die Vertragsstrafe - wie hier - in erster Linie zur bloßen Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Verwenders losgelöster Geldforderungen, so fehlt es am berechtigten Interesse des Arbeitgebers (Preis/Stoffels aaO im Anschluss an BGH 23. Januar 2003 - VII ZR 210/01 - BGHZ 153, 311, 324 = NJW 2003, 1805; 18. November 1982 - VII ZR 305/81 - BGHZ 85, 305, 313 f. = NJW 1983, 385). So verhält es sich auch im Streitfall, nachdem die Klägerin für versuchte, erfolglos gebliebene Wettbewerbsverstöße (Abwerbungen) erstinstanzlich bereits € 50.000,-- hat verlangen lassen.

3. Abzuändern war die erstinstanzliche Kostenentscheidung. Ein angenommener Streitwert von € 1.000,-- für die durch Zeitablauf erledigten Anträge auf Unterlassung bis zum 31. Juli 2005 und vor dem Hintergrund der vereinbarten Vertragsstrafe auf Auskunftserteilung erscheint deutlich zu niedrig. Gemessen an der Bedeutung dieser Anträge, die im Zweifel auch begründet gewesen wären, setzt die Berufungskammer dafür einen Gegenstandswert von € 25.000,-- fest und verteilt damit die erstinstanzlichen Kosten auf 2/3 zulasten der Klägerin, 1/3 hat dagegen der Beklagte zu bezahlen. Im Übrigen verbleibt es bei der angefochtenen Entscheidung. Die von der Beklagten dagegen eingelegte Berufung war deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Auf § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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