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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 07.02.2006
Aktenzeichen: 6 Sa 611/05
Rechtsgebiete: AÜG, BGB


Vorschriften:

AÜG § 9 Nr. 2
AÜG § 10 Abs. 4
AÜG § 19
BGB § 133
BGB § 150 Abs. 2
BGB § 151
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 6 Sa 611/05

Verkündet am: 7. Februar 2006

In dem Rechtsstreit

hat die sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Hubert Fexer und Wolfang Heinlein für Recht erkannt:

Tenor: 1. Die Berufung vom 13. Juni 2005 gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 23. Februar 2005 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Für die Klägerin wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe der von der Arbeitgeberin zu bezahlenden Vergütung.

Die im April 1941 geborene Klägerin war auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 3. Juli 1981 (Blatt 14/15 der Akte) als Sekretärin in die Dienste eines Zeitarbeitsunternehmens getreten.

Mit Arbeitsvertrag vom 20. Februar 1997 (Blatt 17/18 der Akte) hatten die Parteien den zwischen ihnen bestehenden Arbeitsvertrag in einigen Punkten abgeändert. Unter anderem enthielt dieser Arbeitsvertrag keine schriftliche Bezugnahme auf einschlägige Tarifverträge.

Als die Beklagte der Klägerin im Januar 2004 den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages (Blatt 19 bis 22 der Akte) anbot, nunmehr wiederum mit einer schriftlichen Bezugnahme auf einschlägige Tarifverträge, hat die Klägerin dessen Unterzeichnung abgelehnt.

In der Zeit vom 1. Januar bis 30. September 2004 war die Klägerin mit einer Unterbrechung vom 2. Februar bis 31. März 2004 beim Verlag C. H. Beck eingesetzt. Die Stammarbeiter dieses Verlages werden deutlich besser vergütet als das zwischen den Parteien vereinbart worden ist. Die Klägerin beruft sich deshalb auf § 9 Nr. 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 AÜG und verlangt die gleichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Gehalts wie es den vergleichbaren Arbeitnehmern der Firma B. zugestanden werde. Sie errechnet den Differenzbetrag bezogen auf Vergütung, Gratifikationen, Fahrtkosten- und Verpflegungskostenzuschüsse auf € 11.455,69 und hat diesen Betrag auch gerichtlich geltendmachen lassen. Ihr Begehren ist vor dem angerufenen Arbeitsgericht München aber erfolglos geblieben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des klageabweisenden Endurteils vom 23. Februar 2005 wird Bezug genommen.

Mit der am 13. Juni 2005 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese ihren Prozessbevollmächtigten am 13. Mai 2005 zugestellte Entscheidung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Begründung dazu ist am 13. Juli 2005 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht vorgehalten, zu Unrecht davon ausgegangen zu sein, dass der erste Arbeitsvertrag durch den zweiten lediglich punktuell abgeändert worden sei. Aus Sicht der Klägerin hat der zweite Arbeitsvertrag den ersten vollständig ersetzt, was sich bereits daraus ergebe, dass er mit Arbeitsvertrag und nicht etwa nur mit Abänderungsvertrag überschrieben worden sei. Weiter seien im zweiten Arbeitsvertrag vom 20. Februar 1997 nicht nur die wesentlichen, sondern sämtliche, einen Arbeitsvertrag ausmachenden Punkte eigenständig geregelt worden.

Ihren Willen zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit der Klägerin habe die Beklagte auch in ihrem Begleitschreiben vom 20. Februar 1997 (Blatt 16 der Akte) unmissverständlich ausgedrückt. Eine Bezugnahme auf einschlägige Tarifverträge enthalte nur der alte Vertrag vom 3. Juli 1981, nicht dagegen der folgende Vertrag vom 20. Februar 1997. Da die Parteien auch sonst nicht tarifgebunden sind, leitet die Klägerin daraus nun den equal-pay-Anspruch aus den § 9 Nr. 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 4 AÜG ab. Der vertraglich vereinbarte Stundenlohn wird gemäß § 9 Nr. 2 AÜG als unwirksam angesehen, da die vergleichbare Stammbelegschaft beim Entleiherbetrieb, dem Verlag B., einen Bruttostundenlohn von € 19,33 brutto erhalte. Dieser berechne sich ausgehend von einem Grundgehalt von € 2.800,-- brutto, entspricht einem Stundenlohn von € 17,18 brutto unter Hinzurechnung des anteiligen Urlaubs-/Weihnachtsgeldes von € 2,15 brutto pro Stunde.

Der Anwendbarkeit des § 9 Nr. 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 4 AÜG stehe auch die Übergangsregelung des § 19 AÜG nicht entgegen. Damit lauten die Berufungsanträge:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 23. Februar 2005 - 16 Ca 9869/04 -, zugestellt am 13. Mai 2005, wird in Ziff. 1) und Ziff. 2) abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 11.450,69 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 30. September 2004 zu bezahlen.

Die Beklagte lässt beantragen:

die Berufung wird zurückgewiesen.

Der vom Erstgericht tenorierten Klageabweisung pflichtet die Beklagte bei, aus ihrer Sicht greift die Ausnahmeregelung des § 9 Nr. 2 am Ende AÜG ein, da die Parteien einzelvertraglich die Geltung der Bestimmungen des Mantel- und Gehaltstarifvertrages BZA-DGB-Tarifgemeinschaft vereinbart haben und dieser von § 9 Nr. 2 AÜG abweichende Regelungen vorsieht. Danach sei die Klägerin im Kalenderjahr 2004 auch vergütet worden.

Den Arbeitsvertrag vom 20. Februar 1997 habe die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 20. Februar 1997 (Blatt 16 der Akte) zugeleitet und darin festgehalten, dass selbstverständlich die mit ihr ursprünglich bei ihrer Einstellung getroffenen Vereinbarungen ihre Gültigkeit behalten. Daraufhin sei dann der Arbeitsvertrag unterzeichnet worden, dessen Ziffer 13. ausdrücklich auf das Zuleitungsschreiben vom 20. Februar 1997 Bezug nehme. Darauf gestützt hält die Beklagte daran fest, dass die Parteien am 20. Februar 1997 keinen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben. Die am 3. Juli 1981 geschlossenen Vereinbarungen seien durch den Vertrag vom 20. Februar 1997 lediglich ergänzt worden. Vertragsbeginn, Vertragsdauer und auch die Urlaubsregelungen habe man unverändert gelassen. Geändert worden seien lediglich der Brutto-Stundenlohn und der Verpflegungsmehraufwand.

Soweit die Klägerin weiterhin vortragen lässt, seit Anfang Januar 2004 fortwährend vom B.-Verlag als Sekretärin beschäftigt worden zu sein, wird auch dies mit Nachdruck bestritten. Unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag hält die Beklagte daran fest, dass die Klägerin vom 2. bis 9. Januar 2004, vom 19. bis 30. Januar 2004 und am 2. Februar 2004 beim B.-Verlag lediglich als Bürohilfe und als Büroassistentin beschäftigt gewesen sei betraut mit Scann-Arbeiten und Postverteilung. Auf das Schreiben des B.-Verlags vom 7. Februar 2005 (Blatt 120 der Akte) wird hingewiesen.

Ebenfalls bestreiten lässt die Beklagte den Vortrag der Klägerin dahin, für die von ihr beim Beck-Verlag erledigten Tätigkeiten erhielten dort beschäftigte vergleichbare Mit­arbeiter/innen einen Bruttolohn von € 2.800,--. Einfache Tätigkeiten, wie Einscannen und Postverteilung vergüte der Beck-Verlag nach Tarifgruppe II mit € 1.879,-- und für Sekretariatsarbeiten werde ein Monatslohn nach Tarifgruppe III in Höhe von monatlich € 2.109,80 bezahlt.

Die Klägerin hält demgegenüber an ihrem Vortrag fest.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 13. Juli 2005 (Blatt 153 bis 159 der Akte), auf die Berufungsbeantwortung vom 15. September 2005 (Blatt 168 bis 175 der Akte), auf die Sitzungsniederschrift vom 13. Dezember 2005 (Blatt 176 bis 178 der Akte) mit Anlage, auf den Schriftsatz der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 10. Januar 2006 (Blatt 181 bis 184 der Akte) mit Anlage, auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 13. Januar 2006 (Blatt 186/187 der Akte) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 7. Februar 2006 (Blatt 193/194 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, den zur Entscheidung gestellten Zahlungsanspruch zugesprochen zu bekommen, muss erfolglos bleiben.

1. Es fehlt dafür eine tragfähige Rechtsgrundlage. Der von der Klägerin herangezogene § 9 Nr. 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 4 AÜG kann ihr Begehren nicht stützen. Auf Seiten der Beklagten kommt vielmehr die Ausnahmeregelung in § 9 Nr. 2 am Ende AÜG zur Anwendung. Die Parteien haben die in ihrem Arbeitsvertrag vom 3. Juli 1981 (Blatt 14/15 der Akte) enthaltene Verweisung auf die für das Zeitpersonal zutreffenden Bestimmungen des Mantel- und Gehaltstarifvertrages zwischen dem Bundesverband für Zeit-Arbeit e.V. (BZA) und der Deutschen Angestellten-Gewerk­schaft (DAG) in der jeweils gültigen Fassung, soweit im Folgenden keine für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen vereinbart sind, auch in den Arbeitsvertrag vom 20. Februar 1997 (Blatt 179/180 der Akte) mit übernommen. Dies ist geschehen durch das Zuleitungsschreiben der Beklagten vom 20. Februar 1997 (Blatt 16 der Akte) mit ihrer darin enthaltenen Zusage: Selbstverständlich behalten die mit Ihnen ursprünglich bei Ihrer Einstellung getroffenen Vereinbarungen ihre Gültigkeit,... in Verbindung mit dem von der Klägerin in den Arbeitsvertrag vom 20. Februar 1997 unter § 13 (weitere Vereinbarungen) handschriftlich eingetragenen Zusatz: "Schreiben P + C vom 20.2.97", bevor sie diesen Vertrag dann ebenfalls unterschrieben hat.

Ob diese handschriftlich vorgenommene Ergänzung des von Beklagtenseite bereits unterzeichneten Vertragstextes nach § 150 Abs. 2 BGB zu bewerten ist, erscheint durchaus zweifelhaft, entspricht die vorgenommene Ergänzung doch dem im Schreiben vom 20. Februar 1997 niedergelegten Willen (§ 133 BGB) der Beklagten und ihrer damit gemachten Zusage. Aber selbst wenn dieser nunmehr von der Klägerin mitunterzeichnete Arbeitsvertrag als neuer Antrag im Sinne von § 150 Abs. 2 BGB gewertet wird, hat ihn die Beklagte rechtswirksam angenommen (§ 151 BGB) durch Entgegennahme des Vertrags und Vollzug über mehr als sechs Jahre hindurch. Damit enthält - wie oben bereits angesprochen - der Arbeitsvertrag vom 20. Februar 1997 ebenfalls die (ursprünglich vereinbarte) arbeitsvertragliche Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge mit der Folge des § 9 Nr. 2 am Ende AÜG.

2. Unabhängig davon hätte der klägerische Vortrag ihrer beim B.-Verlag erbrachten Tätigkeiten (Schriftsatz vom 17. Dezember 2004, Seite 4 ff. und vom 18. Februar 2005, Seite 5 ff.) aber auch die begehrte Vergütung von € 2.800,-- brutto monatlich (Tarifgruppe III ?) nicht rechtfertigen können. Der nachgeschobene Vortrag ihrer Prozeßbevollmächtigten dazu im Schriftsatz vom 10. Januar 2006 kann nicht mehr zugelassen werden.

Die Parteien haben die der Klägerin zu zahlende Vergütung im Arbeitsvertrag vom 20. Februar 1997 abschließend geregelt. Diese Ansprüche sind unbestritten erfüllt worden und so muss die von der Klägerin eingelegte Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO erfolglos bleiben.

Für die Klägerin wird die Revision zugelassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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