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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 20.03.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 698/06
Rechtsgebiete: KSchG, BGB
Vorschriften:
KSchG § 15 Abs. 3 a | |
BGB § 626 |
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 20. März 2007
In dem Rechtsstreit
hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter von Trapp und Müller für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers vom 8. Juni 2006 wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 12. April 2006 abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung vom 25. November 2005 noch durch die fristlose Kündigung vom 3. März 2006 aufgelöst worden ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit fristloser Arbeitgeberkündigungen in Verbindung mit einem vom Erfolg des Kündigungsschutzantrags abhängig gemachten Weiterbeschäftigungsanspruch.
Der im April 1973 geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war zum 25. September 2000 als Schichtarbeiter mit einem durchschnittlichen Monatsgehalt von € 1.700,00 brutto in die Dienste des Beklagten getreten.
Im Betrieb des Beklagten besteht kein Betriebsrat. Auf einer Betriebsversammlung am 9. November 2005, zu welcher die IG Metall N. eingeladen hatte (Blatt 198 der Akte), stellten sich der Kläger und fünf andere Arbeitnehmer als Wahlvorstandsmitglieder zur Verfügung (Blatt 199 der Akte). Da aber keiner der Kandidaten von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer gewählt worden ist, ließen IG Metall und die sechs kandidierenden Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht Augsburg - Kammer Neu-Ulm Einsetzung eines Wahlvorstands beantragen und sie hatten damit im Wesentlichen auch Erfolg. Auf den Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 3. Mai 2006 - 7 TaBV 9/06 wird Bezug genommen.
In der um 18:30 Uhr begonnenen Nachtschicht vom 24./25. November 2005 endete die klägerische Arbeitszeit um 5:00 Uhr morgens. Gegen 4:15 Uhr fand der Meister Herr T. am leeren Arbeitsplatz des Klägers dessen bereits bis Arbeitszeitende (5:00 Uhr) ausgefüllten Stundenzettel. Dabei sah er den Kläger durch das Fenster auf dem Parkplatz vor dem Werk, wo dieser die Scheiben seines Autos von Eis und Schnee befreite.
Darauf gestützt hat der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25. November 2005 (Blatt 10 der Akte) fristlos gekündigt. Vorsorglich eine weitere fristlose Kündigung ist ausgesprochen worden mit Schreiben vom 3. März 2006 (Blatt 139 der Akte) und der Begründung, der Kläger behaupte wahrheitswidrig, der Beklagte behindere die Wahl eines Betriebsrats in seinem Betrieb.
Der Kläger hatte gegen beide Kündigungen Kündigungsschutzklage erheben lassen, die vor dem angerufenen Arbeitsgericht Augsburg - Kammer Neu-Ulm aber erfolglos geblieben ist. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des klageabweisenden Endurteils vom 12. April 2006 wird Bezug genommen.
Mit der am 8. Juni 2006 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese seinen Prozessbevollmächtigten am 15. Mai 2006 zugestellte Entscheidung verfolgt der Kläger seine Kündigungsschutzanträge verbunden mit einem Weiterbeschäftigungsantrag weiter. Die Begründung dazu ist innerhalb der verlängerten Begründungsfrist am 9. August 2006 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht vorgehalten, das Verhalten des Klägers in der Nachtschicht vom 24. zum 25. November 2005 zu Unrecht als wichtigen Grund zur Kündigung gewertet zu haben. Der Kläger habe sich bei Herrn K. abgemeldet, bevor er gegen 4:10 Uhr aus seinem Auto etwas holen wollte. Soweit das Erstgericht diese Einlassung als unglaubwürdig angesehen hatte, tritt der Kläger dem entgegen. Er habe um 18:30 Uhr mit der Arbeit begonnen. Gegen 23:30 Uhr sei eine Pause vorgesehen gewesen. Der Kläger habe sich jedoch unwohl gefühlt, auch nichts essen wollen. Von ihm sei deshalb durchgearbeitet worden in der Hoffnung, es werde ihm bald wieder besser gehen, was jedoch nicht der Fall gewesen sei. Als er dann mit seiner Arbeit fertig gewesen sei, habe er sich aus dem Auto Tabletten holen wollen. Sein Arbeitsplatz sei dabei noch nicht gesäubert gewesen. Eine Maschinenreinigung dauere ca. eine Viertelstunde.
Soweit das Erstgericht dem Kläger angelastet habe, seinen Stundenzettel bereits abschließend ausgefüllt zu haben, wird dem entgegengehalten, dass noch eine halbe Stunde Reinigungsarbeiten bevorstanden. Die Arbeit an den Maschinen sei damals bereits beendet gewesen. Den Stundenzettel habe er vorab ausgefüllt. Das sei möglich gewesen, weil feststand, dass er keine weiteren Teile mehr fertigen werde. Der Kläger habe die erforderlichen und vorgegebenen Stückzahlen bereits erreicht gehabt. Auf die vorgelegte Aufstellung der Sollstückzahlen (Blatt 216 der Akte) wird Bezug genommen.
Dieses klägerische Verhalten könne nicht mit falschen Eintragungen auf der Stempelkarte verglichen werden. Der Kläger hatte sich von seinem Arbeitsplatz noch nicht entfernt, er sei lediglich zu seinem Auto gegangen und war anschließend wieder zurückgekommen.
Ebenfalls entgegengetreten wird der Ansicht des Erstgerichts, dass im Streitfall eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich gewesen sei. Dafür gebe es keine Rechtfertigung. Der Kläger habe durch sein Verhalten weder einen sog. Arbeitszeitbetrug begangen noch sich einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft.
Schließlich wird auch noch die einseitige Interessenabwägung durch das Arbeitsgericht beanstandet. Der Kläger habe immerhin fast fünf Jahre unbeanstandet für den Beklagten gearbeitet. Gerade das zeige, dass eine zukünftige Zusammenarbeit - gegebenenfalls nach einer Abmahnung - dem Beklagten nicht unzumutbar sein könne.
Zur vom Erstgericht offen gelassenen Berechtigung der zweiten außerordentlichen Kündigung wird vorgetragen, dass es der Beklagte selbst gewesen sei, der mit Schriftsatz vom 20. Januar 2006 auf S. 4 erstmals die bisher immer noch nicht durchgeführte und unter anderem vom Kläger initiierte Betriebsratswahl in dem Prozess eingeführt hatte. Die beanstandeten Ausführungen stammten vom klägerischen Prozessbevollmächtigten. Dieser habe in Wahrnehmung berechtigter Interessen von einem vermuteten wahren Kündigungsgrund im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl gesprochen. Mehr sei nicht geschehen. Darin könne weder eine Beleidigung noch eine üble Nachrede gesehen werden. Die Berufungsanträge lauten damit:
1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 12. April 2006, Az. 2 Ca 1368/05 N, wird abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung vom 25. November 2005 noch durch die fristlose Kündigung vom 3. März 2006 aufgelöst worden ist.
3. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag 2. wird der Beklagte verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Arbeiter weiter zu beschäftigen.
Der Beklagte lässt beantragen:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Den Überlegungen des Erstgerichts pflichtet er bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung tritt er entgegen. Dem Kläger sei gekündigt worden, weil er unter erheblichem Vertrauensmissbrauch mehrmals betrogen bzw. seine arbeitsvertraglichen Pflichten aufs Äußerste verletzt habe. Das Vorbringen mit einer angeblichen Soll-Stückzahl wird schon deshalb als unglaubhaft angesehen, weil der Kläger diese Einlassung bereits im Rahmen seiner Anhörung am 25. November 2005 vorgebracht, er das aber sogleich wieder zurückgenommen hatte. Das spiele aber auch keine Rolle, denn der Kläger werde nach Stunden und nicht nach Stückzahl entlohnt. Die von ihm genannte Stückzahl wird aufgrund leistungsfähiger Maschinen als längst überholt bezeichnet. In einer 10-Stunden-Schicht seien ohne weiteres 500 Stück pro Maschine möglich.
Der vom Kläger benannte Arbeitskollege Herr K. habe sich bei seinem Vorgesetzten Herrn H. auch darüber beschwert, dass der Kläger ständig eine Stunde früher aufhöre zu arbeiten, weshalb sich Herr H. benachteiligt fühlte. Das spreche ebenfalls gegen eine Soll-Leistung, da es dem Zeugen Herrn K. sonst gleich gewesen wäre, wenn der Kläger einfach "früher fertig" gewesen ist.
Der Kläger habe sich bei seinem Kollegen Herrn K. auch nicht abgemeldet; dieser sei gegenüber dem Kläger ohnehin nicht weisungsberechtigt gewesen.
Dass der klägerische Arbeitsplatz noch endgereinigt hätte werden müssen, lässt der Beklagte ebenfalls bestreiten. Aus seiner Sicht sei der Arbeitsplatz übergabefertig gewesen, als ihn der Kläger verlassen hatte.
Den Arbeitnehmern und damit dem Kläger sei auch nicht gestattet worden, die Pause nach Belieben zu verschieben. Das könne nicht geduldet werden, im Betrieb seien die Pausenzeiten durch Anweisung festgelegt. Das habe der Kläger auch gewusst und sich bei Herrn T. entschuldigt, als er ertappt worden war. Er habe gebeten, nichts dem Beklagten zu sagen, da er sonst entlassen werde. Die jetzt vom Kläger gegebenen Erklärungen für sein Verhalten seien damals noch nicht vorgebracht worden, obwohl ihm das nach Ansicht des Beklagten ein Leichtes hätte sein müssen. Für eine rechtmäßige Pause habe sich noch niemand entschuldigt.
Zusammengefasst bleibt der Beklagte dabei, dass der Kläger in dieser Schicht seinen Arbeitsplatz vorzeitig und unerlaubt verlassen habe. Er sei vor die Werkshalle auf den Hof gegangen, wo er zu dieser Zeit nichts verloren hatte und habe in dieser letzten Stunde nicht mehr an der Maschine arbeiten wollen. Dieses Verhalten sei dem Kläger auch nicht nur am 25. November 2005 anzulasten, sondern bereits an mindestens sechs Arbeitstagen unmittelbar davor. Ihm könne nicht an all diesen Tagen übel gewesen sein.
Die Kündigung vom 25. November 2005 sei zugleich nach vorheriger Anhörung (Blatt 224 der Akte) des Klägers hilfsweise als Verdachtskündigung ausgesprochen worden.
Ebenfalls festgehalten wird an der vorsorglichen Kündigung vom 3. März 2006.
Der Kläger bleibt demgegenüber bei seinem bisherigen Vorbringen und lässt darauf hinweisen, dass er nicht gut Deutsch spreche. Die Mitschrift seiner Anhörung am 25. November 2005 sei vom Rechtsanwalt des Beklagten erstellt worden; ihre Richtigkeit werde bestritten.
Die Pausen seien nicht festgelegt gewesen. Seinen Arbeitsplatz habe der Kläger vor seinem Gang in den Hof noch nicht aufgeräumt und gesäubert gehabt.
Bestritten wird, dass sich Herr K. beschwert habe, weil der Kläger ständig eine Stunde früher mit der Arbeit aufhöre. Unabhängig davon bleibt der Kläger dabei, sich am 25. November 2005 bei Herrn K. abgemeldet zu haben und mit dessen Einverständnis in den Hof gegangen zu sein. Zur Glaubwürdigkeit von Herrn K. wird ein Gespräch geschildert, das die Ehefrau des Klägers Mitte September 2006 mit Herrn K. vor dem Kindergarten in I. geführt hatte.
Der Beklagte tritt dem entgegen. Das Gespräch zwischen Frau B. und Herrn K. lässt er mit einem anderen Inhalt schildern. Den Einwand, die Kündigung des Klägers sei nur wegen einer möglichen Betriebsratswahl erfolgt, lässt der Beklagte mit Nachdruck zurückweisen.
Dass der Kläger nur sehr schlecht Deutsch spreche, wird bestritten. Einmal habe er beim Beklagten gelegentlich sogar als Dolmetscher geholfen, zum andern sei seine ursprüngliche Aussage (es tut mir leid, ich habe einen Fehler gemacht, bitte nichts Herrn H. sagen, sonst werde ich entlassen) deutlich zu unterscheiden von seiner aktuellen Einlassung (mir war schlecht, ich habe Medikamente benötigt und meine Pause auf später verlegt).
In der Berufungsverhandlung am 9. Januar 2007 hat die Berufungskammer auf der Grundlage von Beweisbeschlüssen die Herren I., K., E., O. und T. vernommen. Ihre jeweils unbeeidigt gebliebenen Aussagen sind in der Sitzungsniederschrift vom 9. Januar 2007 (Blatt 276 bis 289 der Akte) mit Anlage festgehalten worden.
Als der Beklagte mit Schriftsatz vom 12. Januar 2007 unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen Bedenken an der Richtigkeit der Zeugenaussage des Herrn K. äußerte, ist mit Beschluss vom 13. Februar 2007 (Blatt 323/324 der Akte) die mündliche Verhandlung wieder eröffnet worden.
Am 27. Februar 2007 sind auf der Grundlage von Beweisbeschlüssen die Herren K., H., A., C. und I. vernommen worden. Deren jeweils unbeeidigt gebliebenen Aussagen sind in der Sitzungsniederschrift vom 27. Februar 2007 (Blatt 354 bis 366 der Akte) mit Anlage festgehalten worden.
Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird ferner Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 9. August 2006 (Blatt 190 bis 197 der Akte) mit Anlagen, auf die Berufungsbeantwortung vom 15. September 2006 (Blatt 219 bis 223 der Akte) mit Anlage, auf den Schriftsatz der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 27. September 2006 (Blatt 225 bis 227 der Akte), auf die Schriftsätze des Beklagtenvertreters vom 6. Oktober 2006 (Blatt 231 bis 233 der Akte), vom 12. Januar 2007 (Blatt 293 bis 295 der Akte) mit Anlagen, vom 14. Januar 2007 (Blatt 311 der Akte) und vom 29. Januar 2007 (Blatt 316/317 der Akte) mit Anlage, auf die Schriftsätze der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 29. Januar 2007 (Blatt 319 bis 322 der Akte) und vom 22. Februar 2007 (Blatt 343 bis 346 der Akte) mit Anlagen sowie auf den Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 12. März 2007 (Blatt 367/368 der Akte) mit Anlagen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, die angegriffenen außerordentlichen Kündigungen als rechtsunwirksam festgestellt und den Beklagten verpflichtet zu bekommen, den Kläger als Arbeiter zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen, hat Erfolg. Der Kläger kann sich auf den besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3 a) KSchG berufen, war er doch auf der Betriebsversammlung am 9. November 2005 gem. § 17 Abs. 2 BetrVG neben fünf anderen Arbeitnehmern bereit gewesen, als Wahlvorstandsmitglied zu kandidieren (Blatt 199 der Akte) und gehörte nach Scheitern der Wahl zu den Antragstellern, die mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 10. November 2005 beim Arbeitsgericht Augsburg - Kammer Neu-Ulm das Bestellungsverfahren nach Maßgabe von § 17 Abs. 4 BetrVG hatten einleiten lassen.
1. Das Verhalten des Klägers am frühen Morgen des 25. November 2005, das Verlassen seines Arbeitsplatzes, um aus welchen Gründen auch immer etwas aus seinem Auto zu holen oder es nur vom Schnee zu befreien, ist als schuldhafte Pflichtverletzung zu werten. Herr K. war nur sein Arbeitskollege gewesen, der Kläger hätte sich zumindest bei Herrn H. abmelden müssen. Ob darüber hinaus auch das Einstellen der Produktion bei Erreichen der vorgegebenen Stückzahl als Vertragsverstoß zu werten ist, wird von Arbeitskollegen des Klägers unterschiedlich beurteilt. Die arbeitgeberseitigen Erklärungen zur Lohngestaltung erscheinen auch nicht eindeutig. So hatte Herr H. auf Frage eine Arbeit im Akkord verneint und betont, dass seine Arbeitnehmer auf Prämienbasis arbeiten. Auf S. 2 der Berufungsbeantwortung (Blatt 220 der Akte) findet man die Formulierung, der Berufungskläger sei nach Stunden und nicht nach Stückzahl bezahlt worden. Die Prämie bezeichnet Herr H. als eine von ihm gegebene Zulage, wobei aber offen geblieben ist, für welche Leistung diese Zulage bezahlt wird. Warum - wie im Beklagtenschriftsatz vom 12. Januar 2007, S. 3 formuliert - die Berufung auf eine Mindeststückzahl aufgrund des Prämiensystems irrelevant sein soll, erstaunt. Das spricht schon eher für eine Bezahlung nach Stunden. So ist dies auch von Herrn H. zu Protokoll gegeben worden. Nach seiner Bekundung erhielten die Leute Stundenlohn; wenn sie eine bestimmte Stückzahl erreicht hatten, haben sie eine freiwillige Prämie gekriegt. Das lässt aber dann die Frage offen, was ist mit Arbeitnehmern, die keine Prämie wollen? Auf jeden Fall hat auch Herr H. die "bestimmte Stückzahl" angesprochen, deren Erreichen beim Kläger den Eindruck erweckt hatte, er habe damit sein "Soll" erfüllt. Bei der Vergütung für Klarheit zu sorgen, obliegt in Betrieben ohne Betriebsrat dem Arbeitgeber. Fehlvorstellungen eines Arbeitnehmers über seine Pflicht, nach Erreichen der "bestimmten Stückzahl" bis Schichtende an den Maschinen weiterzuarbeiten, sind durch Aufklärung zu beseitigen.
2. Die Beweisaufnahme hat teilweise in erheblichem Maß zu unterschiedlichen Aussagen geführt; den Bekundungen von Herrn K. bei seiner zweiten Befragung vermag die Kammer nur ansatzweise zu folgen (§ 286 ZPO). Damit ist insbesondere nicht bewiesen, dass der Kläger bereits an mindestens sechs Arbeitstagen unmittelbar vor dem 25. November 2005 jeweils eine Stunde früher mit der Arbeit an den Maschinen aufgehört hatte. Ebenfalls nicht eindeutig geklärt erscheint, ob die vom Kläger benutzten Maschinen bei seinem vorzeitigen Verlassen des Arbeitsplatzes bereits geputzt waren. Die Herren E. und O. haben eine Reinigung dieser Maschinen bei ihrer Vernehmung verneint, Herr T. hat den klägerischen Arbeitsplatz als übergabefertig bezeichnet, Späne seien aus der Maschine entfernt gewesen. Damit sind dann aber die klägerischen Erklärungen seines Verhaltens trotz ihres wechselnden Inhalts von Bedeutung. Herr T. hatte den Kläger nach seiner Rückkehr zum Arbeitsplatz sofort nach Hause geschickt. Das Reinigen der beiden Maschinen einschließlich Plattenwechsel kann durchaus bis zu 30 Minuten in Anspruch nehmen. Dass Herr H. solche Arbeiten schneller erledigt, mag sein, er ist aber auch als Vorarbeiter beim Beklagten eingesetzt. Herr T. hat bekundet, so um 4:15 Uhr beim Arbeitsplatz des Klägers gewesen zu sein. Der Kläger sei nach circa 10 Minuten zurückgekommen. Waren die Maschinen tatsächlich noch nicht übergabefertig gereinigt, erscheint das vom Kläger eingesetzte Arbeitsende (5:00 Uhr) nachvollziehbar. Herr T. hat für das übergabefertige Reinigen einer Maschine cirka 10 Minuten angesetzt, vom Kläger waren unstreitig zwei Maschinen benutzt worden und damit zu reinigen.
3. Beschränkt sich das dem Kläger anzulastende Fehlverhalten damit im Wesentlichen auf sein unerlaubtes Entfernen vom Arbeitsplatz, war eine Abmahnung wegen dieses Verhaltens, das mit falschen Eintragungen auf der Stempelkarte sicher nicht vergleichbar ist, angemessen und zumutbar, vor Ausspruch einer außerordentlichen Beendigungskündigung aber auch notwendig gewesen. Sie trägt dem Kündigungsschutz aus § 15 Abs. 3 a KSchG, der fast fünfjährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers und seinen Unterhaltspflichten Rechnung. Das Auflösungsinteresse des Beklagten muss in diesem Fall zurücktreten. Seine sofortige außerordentliche Beendigungskündigung vom 25. November 2005, sei es auch als Verdachtskündigung, wird als unverhältnismäßige Reaktion angesehen, diese Kündigung ist unwirksam.
4. Die hilfsweise außerordentliche Kündigung vom 3. März 2006 kann sich schon auf keinen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB stützen. Der schriftsätzliche Hinweis des Klägers auf den vermuteten wahren Kündigungsgrund im Zusammenhang mit der Betriebsratswahl ist bei dem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Antrag vom 10. November 2005 an das Gericht auf Bestellung eines Wahlvorstands zur Durchführung der Betriebsratswahl und der fristlosen Kündigung vom 25. November 2005 keineswegs weit hergeholt, als Wahrnehmung berechtigter Interessen in diesem Kündigungsschutzverfahren aber folgenlos möglich.
Auf die Berufung des Klägers war die angefochtene Entscheidung damit entsprechend abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung vom 25. November 2005 noch durch die fristlose Kündigung vom 3. März 2006 aufgelöst worden ist.
5. Der Beschäftigungsanspruch findet seine Rechtsgrundlage in § 611 BGB in Verbindung mit dem Persönlichkeitsrecht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Für eine Zulassung der Revision besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Auf § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
Ende der Entscheidung
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