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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 13.03.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 74/07
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 102 Abs. 5
Der mit einem Kündigungsschutzantrag im Sinne von § 4 KSchG zur Entscheidung gestellte allgemeine Feststellungsantrag erfasst auch eine später ausgesprochene weitere Kündigung.

Wird vorsorglich gegen diese weitere Kündigung, wenn auch erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist, Kündigungsschutzklage (§ 4 KSchG) erhoben, kann der gekündigte Arbeitnehmer Weiterbeschäftigung nach Maßgabe von § 102 Abs. 5 BetrVG verlangen.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 74/07

Verkündet am: 13. März 2007

In dem Rechtsstreit

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Vogg und Haug für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten vom 22. Januar 2007 gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 19. Dezember 2006 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Verfügungsverfahren über den betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch.

Der im August 1973 geborene Kläger war zum 1. Juli 2000 als Maschinenführer in die Dienste der Beklagten getreten. Als ihm diese mit Schreiben vom 28. April 2006 (Blatt 7 der Akte) eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung zum 30. Juni 2006 aussprach, ließ der Kläger dagegen mit gewerkschaftlichem Schriftsatz vom 17. Mai 2006 (Blatt 8 bis 10 der Akte) Kündigungsschutzklage erheben verbunden mit dem allgemeinen Feststellungsantrag dahin, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

Darüber ist noch nicht rechtskräftig entschieden worden.

Der Kläger hatte auch seine Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2006 hinaus verlangt und dieses Begehren vor dem angerufenen Arbeitsgericht München im Verfügungsverfahren durchgesetzt. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Endurteils vom 11. Juli 2006 (Blatt 11 bis 20 der Akte) wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 29. September 2006 (Blatt 21 der Akte) sprach die Beklagte dem Kläger höchst vorsorglich eine weitere betriebsbedingte Kündigung zum 30. November 2006 aus. Klägerseits wurde daraufhin mit gewerkschaftlichem Schriftsatz vom 21. November 2006 (Blatt 22/23 der Akte) die bereits anhängige Kündigungsschutzklage erweitert um die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Kündigung vom 29. September 2006 zum 30. November 2006 aufgelöst ist. Der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat hatte unter dem 21. September 2006 (Blatt 26/27 der Akte) der vorsorglichen Kündigung vom 29. September 2006 ebenfalls widersprochen.

Da die Beklagte nicht bereit war, den Kläger tatsächlich zu beschäftigen, ließ dieser mit gewerkschaftlichem Schriftsatz vom 27. November 2006 ein weiteres Verfügungsverfahren einleiten mit dem Antrag:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, den Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss der Kündigungsschutzklage - Az.: 36 Ca 3761/06 - zu unveränderten Bedingungen als Maschinenführer weiter zu beschäftigen.

Dieses Begehren hatte vor dem angerufenen Arbeitsgericht München Erfolg. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Endurteils vom 19. Dezember 2006 wird ebenfalls Bezug genommen.

Mit der am 23. Januar 2007 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen und zugleich begründeten Berufung gegen diese ihr am 16. Januar 2007 zugestellte Entscheidung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der geltend gemachte Weiterbeschäftigungsanspruch scheitert in ihren Augen bereits daran, dass der Kläger die erneute Kündigung vom 29. September 2006 nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist mit einer weiteren und eigenständigen Kündigungsschutzklage angegriffen hat. Dem Erstgericht wird vorgehalten, zu Unrecht die Ansicht vertreten zu haben, dass wegen der bereits anhängigen Kündigungsschutzklage gegen die erste Kündigung vom 28. April 2006 eine nochmalige eigenständige, fristgerechte Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 29. September 2006 nicht erforderlich sei; in der Ausgangskündigungsschutzklage sei ein allgemeiner Feststellungsantrag enthalten. Aus Sicht der Beklagten kann dieser allgemeine Feststellungsantrag schon ein Eingreifen des § 7 KSchG im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses nicht verhindern. Für den betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG reiche der Feststellungsantrag nach § 256 ZPO im Rahmen einer vorausgegangenen Kündigungsschutzklage aber auch nach dem Gesetzeswortlaut nicht. Verlangt werde hier zur Begründung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs, dass die streitgegenständliche Kündigung mit einer Klage nach dem Kündigungsschutzgesetz angegriffen sein müsse. Die allgemeine Feststellungsklage könne diese Voraussetzung nicht erfüllen. Das sei vom Erstgericht verkannt worden und so lautet der Berufungsantrag:

Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 19. Dezember 2006 mit dem Aktenzeichen: 31 Ga 281/06 wird aufgehoben und der Antrag des Verfügungsklägers abgewiesen.

Der Kläger lässt beantragen:

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Den Ausführungen in der Berufungsbegründung tritt er entgegen. Gerade der Fall einer wiederholenden Kündigung zeige, dass Gegenstand im Kündigungsschutzprozess bei entsprechender Antragstellung nicht nur die ursprünglich ausgesprochene und mit dem punktuellen Klageantrag angegriffene erste Kündigung sein könne, sondern auch jede andere nachfolgende Kündigung, die im Verlauf des Rechtsstreits von der Beklagten ausgesprochen werde. So sei der gestellte allgemeine Feststellungsantrag auch begründet worden.

Aus dem Sinn von § 102 Abs. 5 BetrVG ergebe sich, dass die Erhebung der allgemeinen Feststellungsklage im Rahmen einer Kündigungsschutzklage ausreichend sein müsse. Die Widerspruchsgründe des Betriebsrats würden letztlich im Kündigungsschutzverfahren mitgeprüft. Diese Prüfung auch bezüglich der hier streitigen zweiten Kündigung vom 29. September 2006 finde damit im bereits anhängigen Kündigungsschutzverfahren statt.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 22. Januar 2007 (Blatt 52 bis 55 der Akte), auf die Berufungsbeantwortung vom 7. Februar 2007 (Blatt 60 bis 62 der Akte) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 13. März 2007 (Blatt 63/64 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, den Verfügungsantrag abgewiesen zu bekommen, muss erfolglos bleiben. Die angefochtene Entscheidung ist im Ergebnis und in der Begründung nicht zu beanstanden. Den vom Erstgericht dazu gegebenen Begründungen schließt sich die Berufungskammer zunächst einmal an (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die Voraussetzungen des § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG lagen bei Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung vor. Der Kläger hatte mit gewerkschaftlichem Schriftsatz vom 17. Mai 2006 gegen die erste betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung vom 28. April 2006 Kündigungsschutzklage im Sinne von § 4 KSchG erheben lassen verbunden mit dem allgemeinen Feststellungsantrag dahin, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

Dieser umfassend formulierte allgemeine Feststellungsantrag erfasste auch die vorsorglich ausgesprochene zweite betriebsbedingte Kündigung vom 29. September 2006. Sie war damit fristgerecht gerichtlich angegriffen worden. Mit der Klageerweiterung vom 21. November 2006 ist schließlich gegen die Kündigung vom 29. September 2006 auch ein wegen des allgemeinen Feststellungsantrags fristgerechter und auch sonst zulässiger Kündigungsschutzantrag nach Maßgabe von § 4 S. 1 KSchG erhoben worden. Diese Voraussetzung für den betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsanspruch war damit erfüllt.

Über das Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen besteht zwischen den Parteien kein Streit. Verbleibt es damit bei der angefochtenen Entscheidung, muss das von der Beklagten dagegen eingelegte Rechtsmittel mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO erfolglos bleiben.

Ein weiteres Rechtsmittel ist nicht eröffnet (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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