Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 11.01.2005
Aktenzeichen: 6 Sa 758/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
Auslegung einer vergleichsweise vereinbarten Abgeltungsklausel
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 758/04

Verkündet am: 11. Januar 2005

In dem Rechtsstreit

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Fechtner und Kneissl für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers vom 5. Juli 2004 gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 26. März 2004 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Tantiemeansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Der Kläger war auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 6. Juni/27. Juni 1995 (Blatt 6 bis 8 der Akte) vom 1. Mai 1995 bis 30. April 2003 bei der Beklagten als Bereichsleiter "Tiefbau" beschäftigt gewesen. Dabei hatten die Parteien neben einem monatlichen Bruttogehalt arbeitsvertraglich die Zahlung einer Tantieme vorgesehen. Diese belief sich für das Jahr 2000 auf € 6.391,15 brutto, für das Jahr 2001 auf € 2.500,--.

Mit Schreiben der Beklagten vom 12. Februar 2003 und vom 11. März 2003 (Blatt 141/142 der Akte) war dieses Arbeitsverhältnis zum 31. März 2003 beziehungsweise fristlos gekündigt worden. In dem vom Kläger dagegen eingeleiteten Kündigungsschutzverfahren einigten sich die Parteien am 23. April 2003 auf folgenden Vergleich:

1. Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis infolge ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des 30. April 2003 enden wird.

2. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von € 13.750,-- (in Worten: ....) abzugsfrei in den Grenzen des § 3 Nr. 9 EStG.

3. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis zu erstellen und zu übersenden.

4. Die Beklagte verpflichtet sich, die bis 30. April 2003 fällig werdenden Vergütungsansprüche des Klägers ordnungsgemäß abzurechnen und auszubezahlen.

5. Die Parteien sind sich einig, dass mit diesem Vergleich sämtliche finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gegeneinander abgegolten sind.

6. Der Vergleich kann von beiden Parteien schriftsätzlich zum Arbeitsgericht München bis zum 14. Mai 2003 widerrufen werden.

Ein Widerruf dieses Vergleiches ist nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2003 (Blatt 9 bis 11 der Akte) forderte der Kläger die Beklagte unter Bezugnahme auf diesen Prozessvergleich auf, bestimmte (aus Sicht des Klägers noch offene) Ansprüche abzurechnen. Unter anderem forderte er in diesem Schreiben Zahlung einer weiteren "Prämie" für das Jahr 2001, einer "Prämie" für das Jahr 2002 und einer anteiligen "Prämie" für das Jahr 2003.

Von der Beklagten waren diese Begehren mit Schreiben vom 12. August 2003 (Blatt 12/13 der Akte) jedoch abgelehnt worden.

Der Kläger hatte seine Begehren daraufhin mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 14. August 2003 auch gerichtlich geltend machen lassen. Diese sind vor dem angerufenen Arbeitsgericht München jedoch erfolglos geblieben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des klageabweisenden Endurteils vom 26. März 2004 wird Bezug genommen.

Mit der am 6. Juli 2004 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 22. Juli 2004 zugestellte Ersturteil verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Die Begründung dazu ist am 4. August 2004 eingegangen. Darin wird das Zustandekommen des arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 23. April 2003 geschildert und darauf hingewiesen, dass die Vergleichsbereitschaft der Beklagten damals für Gericht und Kläger überraschend gekommen sei. Die Abgeltungsklausel habe der Kläger nur akzeptieren können, weil man einig darüber gewesen sei, dass die Arbeitgeberin bis zum 30. April 2003 insgesamt noch vertragsgemäß/ordnungsgemäß abzurechnen habe.

Von der streitigen Tantieme sei damals ebenso wenig die Rede gewesen wie von Ansprüchen, über die seitens der Beklagten dann doch noch abgerechnet und auch Zahlung geleistet worden sei, nämlich Urlaubsabgeltungsansprüche, Selbstbehalt Krankenversicherung, Fahrtkosten für Januar und Februar 2003, zusätzliches Urlaubsgeld, 13. Monatseinkommen, Vergütung März 2003 (anteilig), Vergütung April 2003. Auch über diese Ansprüche sei bei den Vergleichsverhandlungen nicht gesprochen worden.

Die Tantiemeansprüche habe die Beklagte bei Vergleichsabschluss auch noch gar nicht abgerechnet gehabt, sie seien damit noch nicht fällig gewesen. Vor diesem Hintergrund habe man die Klausel in Ziff. 4. des Vergleichs so offen gestaltet, dass alle fällig werdenden Ansprüche bis zum 30. April 2003 offen bleiben sollten. Ein Rückgriff auf (angebliche) Leistungsmängel des Klägers im Zusammenhang mit der Tantiemenvereinbarung wird der Beklagten abgesprochen, auch habe sich der Kläger während dieses Arbeitsverhältnisses leistungsgerecht verhalten.

Damit lauten die Berufungsanträge:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 5. Juli 2004 wird aufgehoben die Beklagte verurteilt, an den Kläger € 12.412,48 brutto nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit 1. August 2003 zu bezahlen.

Die Beklagte lässt beantragen:

Die Berufung zurückzuweisen.

Den Überlegungen des Erstgerichts in der angefochtenen Entscheidung pflichtet sie bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung tritt sie entgegen. Von den Parteien sei damals beabsichtigt gewesen, mit diesem Vergleich das Arbeitsverhältnis abschließend zu bereinigen. Der Kläger habe nach Ablauf des 30. April 2003 keine weitere Vergütung mehr erhalten sollen.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 4. August 2004 (Blatt 184 bis 187 der Akte) mit Anlage und auf die Berufungsbeantwortung vom 19. August 2004 (Blatt 199 bis 201 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, die zur Entscheidung gestellten Tantiemeansprüche zugesprochen zu erhalten, muss erfolglos bleiben. Es gibt dafür zumindest nach Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 23. April 2004 keine Rechtsgrundlage mehr; der Kläger hat darauf durch die vergleichsweise vereinbarte Abgeltungsklausel rechtswirksam verzichtet. Zu diesem Ergebnis war bereits das Erstgericht gekommen. Der von ihm dazu gegebenen Begründung schließt sich die Berufungskammer zunächst einmal an (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die Vorstellungen des Klägers, die im Vergleich vom 23. April 2004 vereinbarte Abgeltungsklausel dahin auszulegen, dass alle bis zum 30. April 2004 offenen Vergütungsansprüche noch abgerechnet und ausbezahlt werden sollen, geht über den Abgeltungswortlaut deutlich hinaus. Sie wäre auch mit Sinn und Zweck solcher Abgeltungsklauseln in Vergleichen und Aufhebungsverträgen nicht vereinbar. Diese sollen - wie vom Kläger auch zugestanden - im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit ausgelegt werden. Die Parteien des Kündigungsschutzverfahrens haben am 23. April 2004 diesen Vergleich geschlossen, um das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis abschließend zu bereinigen. Da bei einem Vergleichsschluss am 23. April 2003 und dem darin vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2003 unter anderem die Lohnansprüche bis zum 30. April 2003 regelungsbedürftig sind, hat sich die Beklagte verpflichtet, die bis 30. April 2003 fällig werdenden Vergütungsansprüche des Klägers ordnungsgemäß abzurechnen und auszubezahlen. Die dabei gewählten Worte: "fällig werdenden" Vergütungsansprüche sind eindeutig (§ 133 BGB) und können nicht - wie vom Kläger gewollt - ersetzt werden durch "fälligen" Ansprüche. Eine Schlussabrechnung sollte erstellt, der Restlohn noch ausbezahlt werden. Dass dazu dann auch die Abrechnung und ggf. Abgeltung von Urlaubsansprüchen gehört, erscheint klar, ebenfalls die vom Kläger angesprochenen Abrechnungen des Urlaubsgeldes, des 13. Monatseinkommens, der Fahrtkosten und des Selbstbehalts zur Krankenversicherung, nicht jedoch die streitbefangenen Tantiemeansprüche für 2001, 2002 und 2003. Wenn über diese Ansprüche in der Güteverhandlung nicht gesprochen worden ist, so muss sich das der Kläger selbst anlasten, sind bei Vereinbarung einer allgemeinen Abgeltungsklausel doch die Gläubiger noch offener Forderungen aufgerufen, ihre Ansprüche anzumelden. Auch hatten sich beide Parteien damals eine dreiwöchige Widerrufsmöglichkeit ausbedungen, diese aber ungenutzt verstreichen lassen.

Die Tantiemeansprüche erforderten zu ihrer Fälligkeit auch keine Abrechnung. Nach Ziffer 3. des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 6./27. Juni 1995 sollte der Kläger in seiner Eigenschaft als Bereichsleiter eine jährlich von der Gesellschafterversammlung neu festzusetzende Tantieme erhalten, die sich an seiner Leistung und dem Ergebnis orientiert. Ausbezahlt werden sollte diese Tantieme nach Feststellung des Jahresabschlusses.

In den Jahren bis 2000 hatte der Kläger auf dieser Grundlage eine Tantieme von € 6.391,15 brutto ausbezahlt erhalten. Im Jahr 2001 belief sich die Tantieme auf € 2.500,00, für die Jahre 2002 und 2003 sind Tantiemezahlungen nicht mehr erfolgt. Beklagtenseits war dazu vorgetragen worden, für das Jahr 2001 habe ihre Gesellschafterversammlung am 21. März 2002 eine Tantieme für den Kläger in Höhe von (nur) € 2.500,-- beschlossen (Auszug aus dem Ereignisprotokoll - Blatt 38 der Akte). Dies sei keine Abschlagszahlung gewesen, auf das Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 26. März 2002 über diese Tantiemezahlung (Blatt 39 der Akte) wird Bezug genommen. Für das Jahr 2002 habe die Gesellschafterversammlung der Beklagten dem Kläger wegen seiner schlechten Leistungen gar keine Tantieme mehr zugesprochen (Auszug aus dem Ereignisprotokoll vom 27. März 2003 - Blatt 40 der Akte) und für das Jahr 2003 gelte das Gleiche, zumal der Kläger in diesem Jahr bis zum Ausspruch der Kündigung praktisch keine Arbeitsleistung mehr erbracht hatte.

Damit fehlen für die klägerischen Begehren auf weitere Tantiemezahlungen für 2001, 2002 und 2003 im Grunde schon tragfähige Anspruchsgrundlagen. Auf jeden Fall sind diese Forderungen aber nicht von einer Abrechnung abhängig, sie wurden fällig mit dem jeweiligen Gesellschafterbeschluss, d. h. die Tantieme für 2001 am 21. März 2002 und die Tantieme für 2002 am 27. März 2003, zeitlich also vor Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleichs am 23. April 2003 mit der Abgeltungsklausel und einer Widerrufsfrist bis 14. Mai 2003. Damit wurden Tantiemeansprüche für 2001 (Differenz auf € 6.391,15) und 2002 in Übereinstimmung mit dem Erstgericht von der Abgeltungsklausel erfasst.

Bezüglich der zur Entscheidung gestellten anteiligen Tantieme für 2003 fehlen Gesellschafterbeschluss und damit auch eine Anspruchsgrundlage. Mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO verbleibt es deshalb bei der vom Erstgericht tenorierten Klageabweisung.

Für eine Zulassung der Revision besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Auf § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück