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Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 27.05.2008
Aktenzeichen: 6 Sa 934/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 144
BGB § 242
BGB § 613a
Die in § 144 BGB vorgesehene Regelung kann auf den gesetzlich nicht geregelten Tatbestand der Ausübung des Widerspruchsrechts gegen einen Betriebsübergang analog angewandt werden.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 Sa 934/07

Verkündet am: 27. Mai 2008

In dem Rechtsstreit

hat die Sechste Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Staudacher sowie die ehrenamtlichen Richter Kießling und Stöckl für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers vom 15. Oktober 2007 gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 13. September 2007 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Für den Kläger wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Frage, ob das zwischen ihnen bestandene Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf einen anderen Arbeitgeber übergegangen ist.

Der im November 1953 geborene Kläger war seit 1. März 1978 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiter beschäftigt.

Am 23. Juni 2005 hatte bei der Beklagten eine Betriebsversammlung stattgefunden (Blatt 22 der Akte). Auf ihr wurden die Arbeitnehmer, darunter auch der Kläger, über den geplanten europaweiten Verkauf der TV-Sparte an den chinesischen Konzern T. unterrichtet.

Unter dem 1. Juli 2005 schlossen die Betriebspartner bei der Beklagten einen Interessenausgleich (Blatt 23 bis 26 der Akte) über die Konzentration der TV-Sparte in einer eigenen Betriebsabteilung und den Übergang dieses Betriebsteils auf die X. Sales GmbH (X.).

Mit Formularschreiben ohne Datum (Blatt 27/28 der Akte), ausgelaufen nach dem 1. Juli 2005, erläuterte die Betriebsteilerwerberin X. GmbH dem Kläger den Übergang seines Arbeitsverhältnisses und bat im Interesse einer zügigen und erfolgreichen Umsetzung um sein Einverständnis mit dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die X. Sales GmbH, Hannover. Unter dem 21. Juli 2005 erklärte der Kläger sein Einverständnis mit diesem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Entgegen der ursprünglichen Planung fand dieser Betriebsübergang erst zum 1. Oktober 2005 statt. Auf den zugrunde liegenden Kauf- und Schuldübernahmevertrag vom 30. September 2005 (Blatt 30 bis 37 der Akte) wird Bezug genommen.

Die Erwerberin, inzwischen umfirmiert in X.X. GmbH (XX. Sales Germany and Austria GmbH), informierte den Kläger mit Schreiben vom 1. Oktober 2005 (Blatt 38 der Akte) über den erfolgten Betriebsübergang. Am 8. Dezember 2006 vereinbarte die X.X. GmbH mit dem zuständigen Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Transfersozialplan.

Darauf Bezug nehmend und unter Einbeziehung der betriebsorganisch eigenständigen V. Personalpartner GmbH gemäß § 216 b SGB III schlossen die X.X. GmbH und der Kläger im Januar 2007 einen Vertrag über Aufhebung und Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses (Blatt 39 bis 44 der Akte). Gegenstand dieses Vertrages war die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen Kläger und X.X. GmbH zum 31. Januar 2007 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 90.000,-. Bei Ermittlung dieser Abfindung war aufgrund des bereits abgeschlossenen Transfersozialplanes die gesamte Dauer der klägerischen Betriebszugehörigkeit berücksichtigt worden.

Mit anwaltschaftlichem Schreiben vom 22. Februar 2007 (Blatt 8/9 der Akte) wandte sich der Kläger an die Beklagte und widersprach dem seinerzeitigen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die X. GmbH/X.X. GmbH mit der Begründung, er sei über diesen Übergang nur unzureichend informiert worden. Mit anwaltschaftlichem Schriftsatz vom 6. März 2007 hat er sein Begehren auch gerichtlich geltend machen lassen mit dem Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 1. Oktober 2005 hinaus fortbesteht. Dieses Verlangen ist vor dem angerufenen Arbeitsgericht München aber erfolglos geblieben; sein Widerspruchsrecht war als verwirkt angesehen worden. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des klageabweisenden Endurteils vom 13. September 2007 wird Bezug genommen.

Mit der am 15. Oktober 2007 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Berufung gegen diese seinen Prozessbevollmächtigten am 5. Oktober 2007 zugestellte Entscheidung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Berufungsbegründung ist am 5. Dezember 2007 eingegangen. Darin wird dem Erstgericht fehlerhafte Rechtsanwendung vorgehalten. Das Widerspruchsschreiben vom 22. Februar 2007 sei fristgemäß gewesen, da die Beklagte die einmonatige Widerspruchsfrist durch ihr Schreiben vom 1. Oktober 2005 (Blatt 38 der Akte) mangels ordnungsgemäßer Unterrichtung nicht in Gang gesetzt habe. Auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Juli 2006 - 8 AZR 305/05 wird hingewiesen und ausgeführt, dass das Schreiben vom 1. Oktober 2005 diesen Anforderungen sicher nicht genügen könne. Der Kläger sei nicht einmal ansatzweise in der Lage gewesen, "sich ein Bild zu machen". Er habe aber auch auf sein Widerspruchsrecht nicht verzichtet. Ein solcher Erklärungsgehalt sei keinem Schreiben zu entnehmen. Seine Zustimmung habe sich nur auf den Betriebsübergang zum 1. Juli 2005 zur X. Sales GmbH bezogen und nicht auf einen später zum 1. Oktober 2005 tatsächlich erfolgten zur X.X. Sales Germany & Austria GmbH. Auch bestehen nach Meinung des Klägers grundsätzliche Bedenken dagegen, im Voraus auf das Widerspruchsrecht gemäß § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB zu verzichten.

Der Ansicht des Erstgerichts, dieses Widerspruchsrecht als verwirkt anzusehen, tritt der Kläger mit Nachdruck entgegen. Die Verwirkung diene dem Vertrauensschutz und verfolge nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht habe. Die Frage eines Verstoßes gegen Treu und Glauben lasse sich auch nur im Einzelfall klären. Das Vorliegen des erforderlichen Umstandsmoments bei der Verwirkung wird bestritten. Es müsse zumindest so beschaffen sein, dass der bisherige Betriebsinhaber im Zusammenspiel mit dem Zeitmoment berechtigt darauf vertrauen durfte, der Arbeitnehmer werde sich dem in § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB angeordneten Vertragspartnerwechsel nicht mehr widersetzen. Vor diesem Hintergrund bestehe jedoch kein schützenswertes Interesse der Beklagten. Sie habe ja letztendlich durch ihre völlig unzureichende Information zur verspäteten Ausübung des Widerspruchsrechts erst maßgeblich beigetragen. Hinzu komme, dass die Beklagte auch nicht hinreichend substantiiert habe vortragen können, wann sie vom Abschluss des Aufhebungsvertrages (an dem sie ja nicht beteiligt gewesen war) Kenntnis erlangt habe. Es werde bestritten, dass die Beklagte überhaupt Kenntnis von diesem Aufhebungsvertrag vor Ausübung des Widerspruchsrechts gehabt habe.

Die analoge Anwendung des § 144 BGB lässt der Kläger ebenfalls mit Nachdruck bekämpfen. Eine Auseinandersetzung mit der vom Erstgericht zitierten Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf führt schließlich zum Ergebnis, dass im Streitfall hinsichtlich der Beklagten auch kein konkludentes Handeln erfolgen konnte. Die Schriftform des § 613 a Abs. 6 Satz 2 BGB sei in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht beachtet. Wäre vom Erstgericht all das berücksichtigt worden, hätte es nach Ansicht des Klägers nicht von seinem Verzicht auf das Widerspruchsrecht bzw. von Verwirkung ausgehen dürfen. Sein Widerspruch sei vielmehr rechtzeitig ausgeübt worden. Die Berufungsanträge lauten damit:

Unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts München vom 13. September 2007 (Az.: 13 Ca 3195/07) wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 01. Oktober 2005 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte lässt beantragen:

die Berufung zurückzuweisen.

Den Überlegungen des Erstgerichts pflichtet sie bei, den Ausführungen in der Berufungsbegründung tritt sie entgegen. In der Begründung dazu wird weiterhin daran festgehalten, dass die Unterrichtung im Sinne von § 613 a Abs. 5 BGB nicht fehlerhaft gewesen sei. Dem auch an den Kläger gerichteten Schreiben der Beklagten vom Juli 2005 könne eine ausreichende Information zum Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die seinerzeit unter X. firmierende Gesellschaft (später umfirmiert in die X.X. GmbH) entnommen werden. Dieses Schreiben enthalte Ausführungen zum Übergang, zum Grund für diesen Übergang, zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und zu den hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

Eine solche Unterrichtung erfolge nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und des Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung. Genau dies sei geschehen. Von dem geplanten europaweiten Verkauf der X.-Sparte TV an den chinesischen Konzern T. seien die Arbeitnehmer, darunter der Kläger, auch schon vorher unterrichtet worden. Mit späterem Schreiben vom 1. Oktober 2005 habe man dem Kläger als Folge des rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs dann die neue Vertragsarbeitgeberin (die X.X. GmbH) mitgeteilt.

Weiter hält die Beklagte den Kläger an seiner grundsätzlich erklärten Bereitschaft vom 21. Juli 2005 zum Betriebs(teil)übergang fest. Ihm war damals die Entscheidung freigestellt gewesen, den geplanten Zeitpunkt hatte man in diesem Schreiben offen gelassen. Ein sog. Vorausverzicht liege schon tatbestandsmäßig nicht vor, dem Kläger sei bei seiner Unterschriftsleistung bekannt gewesen, auf welchen Betriebserwerber und zu welchen Konditionen sein Arbeitsverhältnis übergehe.

Schließlich lässt die Beklagte in diesem Zusammenhang noch ausführen, der Anstellungsvertrag des Klägers sei mit dieser eigenhändigen Unterschrift am 21. Juli 2005 rechtsgeschäftlich bindend, privatautonom zulässig und insbesondere freiwillig zur X. übergegangen. Es liege damit kein Übergang seines Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes, sondern per Einvernehmen vor.

Zur Verwirkung wird vorgetragen, dass spätestens nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 das erforderliche Zeitmoment nach Ablauf von 12 Monaten als erfüllt angesehen werden könne. Im Streitfall seien sogar 17 Monate vergangen, bevor sich der klägerische Prozessbevollmächtigte an die Beklagte gewandt und ein vermeintliches Widerspruchsrecht ausgeübt habe.

Zum ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment wird zunächst auf die Einverständniserklärung des Klägers vom 21. Juli 2005 hingewiesen. Bereits damit sei ein Vertrauensmoment bei der Beklagten geschaffen worden dahin, dass er sich mit dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die X. GmbH, später X.X. GmbH, einverstanden erkläre. Danach hätte der Kläger nach Ansicht der Beklagten nicht fast zwei Jahre untätig sein dürfen, wenn er diese eigene Erklärung nicht mehr gegen sich habe gelten lassen wollen. Auch habe er für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Sozialplanabfindung in Höhe von knapp € 100.000,-- erhalten, wobei dieser Betrag die gesamte klägerische Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen abdecken sollte. Dem dreiseitigen Vertrag des Klägers mit der X.X. Sales Germany & Austria GmbH und der V. GmbH vom 21. Dezember 2006 wird entscheidende Bedeutung zugeschrieben. Damit hat der Kläger nach Ansicht der Beklagten zu erkennen gegeben, dass er sein Widerspruchsrecht nicht mehr geltend machen wolle. Zum Zeitpunkt seines Widerspruchs sei sein übergegangenes Arbeitsverhältnis bereits beendet gewesen. Damit habe der Kläger dann aber auch sein Widerspruchsrecht verloren. Eines Rückgriffs auf das Umstandsmoment bedürfe es gar nicht mehr.

Zum gleichen Ergebnis komme man mit der analogen Anwendung des § 144 BGB. Das Widerspruchsrecht sei von der Rechtsqualität her ein Gestaltungsrecht mit der Folge, dass nach seiner Ausübung das Arbeitsverhältnis nicht auf den neuen Betriebsinhaber übergehe, sondern beim bisherigen Betriebsinhaber erhalten bleibe. Das Arbeitsverhältnis zum Betriebserwerber ähnle damit vor Ausübung des Widerspruchsrechts einem schwebend wirksamen Vertragsverhältnis, wie dies von § 144 BGB im Falle der Anfechtbarkeit vorausgesetzt werde. Der Kläger habe durch Abschluss des dreiseitigen Aufhebungsvertrages das schwebend wirksame Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber bestätigt. Um einen Aufhebungsvertrag abschließen zu können, musste er vorher das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebserwerber feststellen, wie dies in § 1 Ziffer 1. des Vertrages vom 21. Dezember 2006 auch zum Ausdruck komme. Dementsprechend habe der Kläger ab dem 1. Februar 2007 und damit bei Ausübung seines Widerspruchsrechts in einem Beschäftigungsverhältnis zu einem Dritten gestanden, der nicht Betriebserwerber gewesen war. Hinzu komme, dass der Kläger für circa ein Jahr in der Transfergesellschaft V. gewesen war und dafür mindestens 80 % seiner letzten Bezüge zusätzlich zu der Abfindung erhalten hatte.

Der Kläger tritt den Ausführungen der Beklagten in ihrer Berufungsbeantwortung wiederum entgegen. Dass seine Unterrichtung über den Betriebsübergang ordnungsgemäß gewesen sei, lässt er weiterhin bestreiten. Das Gegenteil ergebe sich bereits aus dem vorgelegten Kauf- und Schuldübernahmevertrag. Dort sei nämlich unter Ziffer 5. vereinbart worden, dass die Betriebsübergeberin an die Betriebsübernehmerin für den Verkauf sogar noch etwas habe bezahlen müssen.

Bestritten wird, dass der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses an den chinesischen Konzern T. generell zugestimmt habe. Seine Unterschrift auf dem datumslosen Schreiben aus dem Juli 2005 wird als unerheblich angesehen. Dieses Schreiben habe einen ganz konkreten Betriebsübergang zum 1. Juli 2005 aufgrund eines ganz konkreten Kauf- und Schuldübernahmevertrages bezeichnet. Dieser Betriebsübergang habe jedoch nicht stattgefunden. Die Zustimmung des Klägers sei damit ins Leere gegangen.

Der Beklagten gegenüber einen Vertrauenstatbestand gesetzt zu haben, wird weiterhin mit Nachdruck bestritten. Dementsprechend fehle für die Verwirkung auch das Umstandsmoment.

Die Beklagte hält demgegenüber an ihren Ausführungen weiterhin fest. Auf den dreiseitigen Vertrag vom 21. Dezember 2006 wird hingewiesen mit einer Auslegung zum zweiten Absatz der Präambel, die auf Seiten des Klägers heftigen Widerspruch auslöst. Auch zur geflossenen Abfindung werden unterschiedliche Ansichten vertreten, die schriftsätzlich noch zu klären waren.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens in diesem Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 5. Dezember 2007 (Blatt 126 bis 133 der Akte), auf die Berufungsbeantwortung vom 7. Januar 2008 (Blatt 149 bis 158 der Akte), auf den Schriftsatz der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 22. April 2008 (Blatt 180 bis 184 der Akte) mit Anlage, auf den Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 23. April 2008 (Blatt 229 bis 233 der Akte) mit Anlage, auf die Sitzungsniederschrift vom 28. April 2008 (Blatt 237/238 der Akte), auf den Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 5. Mai 2008 (Blatt 242 bis 244 der Akte) mit Anlage, auf den Schriftsatz der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 9. Mai 2008 (Blatt 253 bis 255 der Akte) mit Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 27. Mai 2008 (Blatt 283/284 der Akte).

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§ 64 Abs. 2 ArbGG) und auch sonst zulässige Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, § 11 Abs. 2 ArbGG) mit dem Ziel, die beantragte Feststellung zugesprochen zu bekommen, muss erfolglos bleiben. Es gibt dafür keine Rechtsgrundlage. Zu diesem Ergebnis war mit im Ergebnis zutreffenden Überlegungen (§ 69 Abs. 2 ArbGG) bereits das Erstgericht gekommen.

1. Zwischen den Parteien besteht kein Arbeitsverhältnis mehr, da der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die X. GmbH, später X.X. GmbH, nicht wirksam gemäß § 613 a Abs. 6 BGB widersprochen hat.

Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte den Kläger über den Betriebsteilübergang ordnungsgemäß im Sinne von § 613 a Abs. 5 BGB unterrichtet hat mit der Folge, dass die einmonatige Widerspruchsfrist gemäß § 613 a Abs. 6 BGB in Lauf gesetzt worden ist. In Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht ist auch die Berufungskammer der Auffassung, dass für den Kläger zum Zeitpunkt der Widerspruchserklärung kein Widerspruchsrecht mehr bestand. Diese Beurteilung ergibt sich neben den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts aus einer analogen Anwendung des Rechtsgedankens von § 144 BGB (im Anschluss an LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. April 2008 - 21 Sa 101/07).

a) Nach § 144 Abs. 1 BGB ist die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird. Der Sache nach handelt es sich bei dieser Regelung um einen Verzicht des Anfechtungsberechtigten. Dieser sich aus § 144 BGB ergebende Rechtsgedanke ist auf die Frage, ob ein Widerspruchsrecht noch ausgeübt werden kann, übertragbar. Er bedeutet, dass die Ausübung des Widerspruchsrechts ausgeschlossen ist, wenn der "widerspruchsbehaftete" Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber vom Widerspruchsberechtigten bestätigt wird (so LAG Düsseldorf, Urteil vom 30. Mai 2007 - 7 Sa 158/07; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. April 2008 - 21 Sa 101/07).

Da es sich beim Übergang des Arbeitsverhältnisses im Falle des § 613 a BGB nicht um einen rechtsgeschäftlichen, sondern um einen gesetzlich angeordneten Vertragspartnerwechsel handelt, kommt nur eine analoge Anwendung des § 144 BGB in Betracht. Eine Analogie ist die Übertragung der für einen oder mehrere bestimmte Tatbestände im Gesetz vorgesehenen Regel auf einen anderen, aber rechtsähnlichen Tatbestand (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 67. Auflage, Einl. 40 vor § 1). Die analoge Anwendung einer Norm ist möglich, wenn zur Ausfüllung einer planwidrigen Gesetzeslücke die Rechtsfolge eines gesetzlichen Tatbestands auf einen vergleichbaren, aber im Gesetz nicht geregelten Tatbestand übertragen werden kann. Dabei muss der zu beurteilende Sachverhalt dem gesetzlich geregelten Sachverhalt gleichen, die möglichen Unterschiede dürfen nicht von einer Art sein, dass eine Übertragung der gesetzlichen Wertung ausgeschlossen ist (vgl. BAG, Urteil vom 23. November 2006, 6 AZR 394/06 = ArbuR 2006, 447 m.w.N.).

b) Die Voraussetzungen der analogen Anwendung der in § 144 BGB vorgesehenen Regelung für die Ausübung des Anfechtungsrechts auf den gesetzlich nicht geregelten Tatbestand der Ausübung des Widerspruchsrechts sind nach Auffassung der Berufungskammer gegeben. Es liegen sowohl eine Gesetzeslücke als auch ein analogiefähiger Tatbestand vor. Durch die Einführung des gesetzlich normierten Widerspruchsrechts ist nachträglich eine Regelungslücke in Bezug auf die Ausübung dieses Rechts entstanden. Das Gesetz sieht keine Folgenregelung beim Widerspruchsrecht vor für Fälle, in denen die Widerspruchsfrist wegen fehlerhafter Unterrichtung noch nicht angelaufen ist. Die Ausübung des Widerspruchsrechts ist der Ausübung des Anfechtungsrechts "rechtsähnlich". Beide Tatbestände erfordern die Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung des Berechtigten, der - bei der Anfechtung bezogen auf ein Rechtsgeschäft, beim Widerspruchsrecht bezogen auf einen gesetzlich vorgesehenen Vertragspartnerwechsel - rückwirkende Kraft zukommt. In beiden Fällen bewirkt die Ausübung des Rechts die rückwirkende Vernichtung eines bestehenden Vertragsverhältnisses. Es erscheint danach gerechtfertigt, im Wege der Einzelanalogie die Rechtsfolge der Bestätigung des Rechtsgeschäfts durch den Anfechtungsberechtigten, nämlich den Ausschluss des Anfechtungsrechts, auf den vergleichbaren Tatbestand der Bestätigung des Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber durch den Widerspruchsberechtigten mit der Folge des Ausschlusses des Widerspruchsrechts zu übertragen, soweit die Voraussetzungen einer Bestätigung im Sinne von § 144 BGB festgestellt werden können (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 30. Mai 2007 7 Sa 158/07; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. April 2008 - 21 Sa 101/07).

Die Bestätigung im Sinne von § 144 BGB betrifft ein gültiges Rechtsgeschäft und ist - anders als die Bestätigung im Sinne von § 141 BGB - keine Neuvornahme des Geschäfts, sondern der Sache nach ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht. Sie ist eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung und braucht daher nicht gegenüber dem Anfechtungsgegner erklärt zu werden. Sie ist gemäß § 144 Abs. 2 BGB formfrei, kann also auch durch schlüssiges Handeln erfolgen. Erforderlich ist allerdings ein Verhalten, das den Willen offenbart, trotz der Anfechtbarkeit an dem Rechtsgeschäft festzuhalten. Jede andere den Umständen nach mögliche Deutung muss ausgeschlossen sein. Eine Bestätigung setzt in der Regel voraus, dass der Bestätigende die Anfechtbarkeit kannte bzw. mit ihr rechnen musste. Die Bestätigung beseitigt das Anfechtungsrecht (vgl. Palandt, a.a.O., § 144 BGB Rdnr. 1, 2).

2. Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen hat der Kläger den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Betriebserwerberin durch Abschluss des dreiseitigen Vertrages vom 21. Dezember 2006 in Verbindung mit den Gesamtumständen (Erhalt einer sozialen Abfindung) in diesem Sinne bestätigt.

In Anlehnung an die zitierten Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Baden-Württemberg und Düsseldorf geht die Berufungskammer davon aus, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund des Betriebsübergangs mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 zunächst aufschiebend bedingt auf die X.X GmbH übergegangen ist.

Nach Auffassung von Annuß (vgl. Staudinger/Annuß § 613 a BGB Rdnr. 186) wird dem grundrechtlich fundierten Ziel einer Respektierung der privatautonom getroffenen Entscheidung des Arbeitnehmers, nur mit einem bestimmten Arbeitgeber zu kontrahieren, in Fällen, in denen der Widerspruch erst nach dem Betriebsübergang erklärt zu werden braucht, nur dann ausreichend Rechnung getragen, wenn der Erwerber bis zum Widerspruch bzw. bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist auch nicht vorübergehend in die Stellung des Arbeitgebers einrückt. Dieses Ziel kann jedoch nicht dadurch erreicht werden, dass man der Widerspruchserklärung schlicht ex-tunc-Wirkung beilegt, sondern nur durch einen aufschiebend bedingten Übergang des Arbeitsverhältnisses, so dass dieses zunächst (bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist bzw. einer abschließenden Erklärung des Arbeitnehmers) mit dem bisherigen Arbeitgeber fortbesteht. Mit Ablauf der Widerspruchsfrist bzw. der abschließenden Entscheidung des Arbeitnehmers tritt der Erwerber rückwirkend zum Datum des Betriebsübergangs in den Arbeitsvertrag ein.

Ein aufschiebend bedingtes Rechtsgeschäft ist tatbestandlich vollendet und voll gültig, nur seine Rechtswirkungen sind bis zum Eintritt der Bedingung in der Schwebe. Dieser Tatbestand ist der erforderlichen Gültigkeit des Rechtsgeschäfts bei der Anfechtung "rechtsähnlich" (so auch LAG Düsseldorf, Urteil vom 30. Mai 2007 7 Sa 158/07; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. April 2008 - 21 Sa 101/07).

3. Unter Berücksichtigung der gezahlten Abfindung hat der Kläger durch den Abschluss des dreiseitigen Vertrages vom 15. Januar 2007 mit der darin enthaltenen Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses mit der Erwerberin hinsichtlich seines noch möglichen Widerspruchsrechts eine abschließende Erklärung abgegeben, den Eintritt der Bedingung bewirkt und damit den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Erwerberin rückwirkend bestätigt. Nach dem Wortlaut von Abs. 2 der VertragsPräambel war der Kläger darüber informiert worden, dass eine Einstellung in die V. nur möglich sei, wenn gleichzeitig das Beschäftigungsverhältnis mit der X.X. Sales Germany & Austria GmbH durch betriebsbedingten Aufhebungsvertrag zum 31. Januar 2007 beendet worden ist. Sämtliche sein Widerspruchsrecht begründenden Tatsachen, auf die er schließlich seinen Widerspruch auch gestützt hat, waren dem Kläger bei Abschluss des dreiseitigen Vertrages bekannt gewesen. Durch seine Unterschrift unter die darin vereinbarte Aufhebung seines Beschäftigungsverhältnisses mit der X.X. Sales Germany & Austria GmbH und die Begründung eines neuen Beschäftigungsverhältnisses mit der V. hat der Kläger auch den Präambeltext bestätigt, darüber informiert worden zu sein, dass diese Einstellung in die Beschäftigungsgesellschaft nur möglich ist, wenn gleichzeitig das Beschäftigungsverhältnis mit der Übernehmerin beendet wird.

Unstreitig hat sich der Kläger auch die ihm aufgrund des Sozialplans zwischen den Betriebspartnern des von der Firma X.X. GmbH übernommenen Betriebs im Falle der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zustehende Abfindung auszahlen lassen, was ebenfalls eine rechtswirksame Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit der Firma X.X. GmbH voraussetzte. Damit kann aus seinem Verhalten nur der Schluss gezogen werden, dass er trotz eines möglicherweise bestehenden Widerspruchsrechts den zum 01. Oktober 2005 zunächst nur aufschiebend bedingten Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Firma X.X. GmbH nunmehr endgültig akzeptieren und auf sein Widerspruchsrecht verzichten wollte. Hätte der Kläger das nicht gewollt, wäre er gehalten gewesen, dies durch einen entsprechenden Vorbehalt gegenüber den Vertragspartnern erkennbar zu machen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Zum geheimen Vorbehalt hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in der zitierten Entscheidung zutreffend Stellung genommen, dem ist aus Sicht der Berufungskammer nichts hinzuzufügen.

Da die Bestätigungserklärung im Sinne von § 144 BGB formfrei und nicht empfangsbedürftig ist, brauchte sie nicht gegenüber der Beklagten erklärt zu werden. Auch reicht es, wenn die Bestätigung gegenüber dem Erwerber oder dem Veräußerer abgegeben wird. Insofern ist damit unerheblich, ob die Beklagte von dem Abschluss des dreiseitigen Vertrages Kenntnis hatte (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 30. Mai 2007 7 Sa 158/07; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. April 2008 - 21 Sa 101/07).

3. Danach hat zwischen den Parteien über den 01. Oktober 2005 hinaus kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden. Dem Kläger kann das zur Entscheidung gestellte Begehren nicht zugesprochen werden.

Verbleibt es nach alledem bei der angefochtenen Entscheidung, war die dagegen eingelegte Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Gegen dieses Urteil wird für den Kläger die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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