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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 28.10.2008
Aktenzeichen: 7 Sa 101/08
Rechtsgebiete: RVO, BGB, BhV, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

RVO § 405
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 242
BGB § 305 c Abs. 1
BGB § 305 c Abs. 2
BGB § 611 Abs. 1
BGB § 613 a
BhV § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
ArbGG § 64 Abs. 6 S. 1
ZPO § 519 Abs. 2
ZPO § 520 Abs. 3
Einzelfallentscheidung. Die Vertragsregelung in einem Arbeitsvertrag, der dem Arbeitnehmer erkennbar einen beamtenähnlichen Status verleihen will, der Arbeitnehmer erhalte Beihilfe nach den für Beamte des Bundes geltenden Vorschriften, ist in der Weise auszulegen, dass die Beihilfe auch nach Ende der aktiven Dienstzeit beansprucht werden kann.
Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes URTEIL

7 Sa 101/08

Verkündet am: 28.10.2008

In dem Rechtsstreit

hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Gericke und die ehrenamtlichen Richter Batz und Gell

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 10. Oktober 2007 - Az.: 36 Ca 1798/06 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten auch in der Berufung über die Frage, ob die Beklagte und Berufungsklägerin (künftig: Beklagte) verpflichtet ist, dem Kläger und Berufungsbeklagten (künftig: Kläger) auch nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten Beihilfe gemäß § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 16./18.10.1985 zu gewähren.

Der Kläger hat unter dem 16./18.10.1985 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der X, einen von den Vertragsparteien als Dienstvertrag bezeichneten Arbeitsvertrag abgeschlossen (Bl. 6/14 d.A.), auf dessen Grundlage er ab 01.01.1986 als Wissenschaftler und Mitglied der Leitung des X-Instituts für Y-Forschung beschäftigt werden sollte.

Der Vertrag lautet auszugsweise:

§ 3 Vergütung

A erhält eine a)

monatliche Gesamtvergütung, die sich zusammensetzt aus dem Grundgehalt entsprechend dem Gehalt, das einem Bundesbeamten der 13. Dienstaltersstufe der Besoldungsgruppe 4 der Besoldungsordnung C zum Besoldungsgesetz (BBesG) zusteht;.....

b) einem Ortszuschlag entsprechend dem für Bundesbeamte dieser Besoldungsgruppe jeweils gültigen Vorschriften....

§ 4 Nebenleistungen

(1) A hat Anspruch auf Erstattung der Reise- und Umzugskosten, auf Trennungsgeld, Beihilfen, Wohnungsfürsorge und ähnliche Leistungen, entsprechend den für Beamte des Bundes der Besoldungsgruppe C 4 jeweils geltenden Bestimmungen. Wird ein Betragszuschuss nach § 405 RVO in Anspruch genommen, so gelten die diesbezüglichen Beihilferegelungen für Angestellte des Bundes.

§ 5 Urlaub

A hat in jedem Kalenderjahr seiner Tätigkeit Anspruch auf einen bezahlten Erholungsurlaub entsprechend den für Beamte des Bundes der Besoldungsgruppe C 4 jeweils geltenden Bestimmungen...

§ 7 Nebentätigkeit und Ehrenämter

(1) Als Nebentätigkeit im Sinne dieser Vertragsbestimmungen gelten in entsprechender Anwendung alle Tätigkeiten und Beschäftigungen, die in den §§ 1, 2 und 3 der Bundesnebentätigkeitsverordnung (BNV) in ihrer jeweiligen Fassung (zuletzt BGBl. I, S. 2117) bezeichnet sind...

§ 12 Krankenbezüge

(1) A erhält im Falle einer durch Unfall oder Krankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit oder während eines von einem Amtsarzt befürworteten Kur- oder Heilverfahrens die vollen Bezüge gemäß § 3 dieses Vertrages für einen Zeitraum bis zu einem Jahr, jedoch nicht über die Beendigung des Dienstverhältnisses hinaus, als Krankenbezüge weitergezahlt...

(2) Im Falle des Todes von A vor Beendigung des Dienstverhältnisses wird Sterbegeld entsprechend den für Bundesbeamte jeweils geltenden Bestimmungen gezahlt...

§ 13 Dauer des Dienstverhältnisses

(2) A kann das Dienstverhältnis mit einer Frist von sechs Monaten jeweils zum Schluss eines Kalenderjahres - erstmals zum 31.12.87 - kündigen. Die X kann das Dienstverhältnis nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 626 BGB) kündigen...

(4) Das Dienstverhältnis endet ferner, ohne dass es einer Kündigung bedarf:

a) mit Ablauf des Monats, in dem A das 65. Lebensjahr vollendet,

Mit Rücksendung dieses von ihm unterzeichneten Arbeitsvertrags an die X hat der Kläger an Sch., einen der Unterzeichner des Arbeitsvertrags von Seiten der X geschrieben (Bl. 15/16 d.A.):

"Als Anlage übersende ich Ihnen die von mir unterzeichneten Exemplare meines Dienstvertrages. Ich gehe davon aus, dass die in Paragraph 2 genannten Einschränkungen bezüglich der Lage des Wohnsitzes ggf. großzügig ausgelegt werden und die in Paragraph 4 ausgeführten Bestimmungen bzgl. der Beihilferegelung auch nach Beendigung meines Dienstverhältnisses ihre Gültigkeit behalten."

Auf dieses Schreiben hat die X nicht reagiert.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist mit Wirkung zum 01.01.2002 aufgrund Betriebsübergangs im Sinne von § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen.

Mit Ablauf des 31.01.2005 hat das Arbeitsverhältnis zwischen Parteien gemäß § 13 Abs. 4 a des Arbeitsvertrags vom 16./18.10.1985 sein Ende gefunden, weil der Kläger sein fünfundsechzigstes Lebensjahr vollendet hatte.

Mit Arbeitsvertrag vom 11.01.2005 (Bl. 59/62 d.A.) haben die Parteien die Fortsetzung der Tätigkeit des Klägers für die Beklagte bis zum Dienstantritt des neu berufenen Institutsleiters vereinbart.

Der Arbeitsvertrag lautet auszugsweise:

§ 1 Art der Tätigkeit

A übernimmt in Fortsetzung seiner bisherigen Leitungsfunktion die Leitung des Instituts für Y-Forschung des F. K.

A übt seine Aufgaben im Rahmen des Satzungszweckes der Gesellschaft aus.

§ 2 Vergütung

Die Gesellschaft zahlt A entsprechend Besoldungsgruppe C 4 des Bundesbesoldungsgesetzes eine Vergütung von

 Grundgehalt C 4, Stufe 15EUR
Familienzuschlag Stufe 1EUR
Sonderzuschuss Nr. 1 (nicht ruhegehaltfähig)EUR
 EUR

zahlbar jeweils zum Ende eines Monats.

Damit sind vorbehaltlich der nachfolgenden Vertragsregelungen alle Ansprüche gegenüber der Gesellschaft abgegolten. ...

§ 9 Inkrafttreten und Beendigung

Dieser Vertrag tritt am 1. Februar 2005 in Kraft und endet mit Dienstantritt des neu berufenen Institutsleiters. Er kann weiterhin von beiden Seiten mit einer Frist von 6 Wochen zum Quartalsende, frühestens zum 30. Juni 2005, gekündigt werden.

§ 10 Änderungen und Ergänzungen

Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages sowie Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden."

Die Beklagte hat dem Kläger seit Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.01.2005 keine Beihilfe gemäß § 4 des Arbeitsvertrags vom 16./18.10.1985 mehr gewährt.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 06.02.2006, eingegangen am 08.02.2006 und der Beklagten am 18.02.2006 zugestellt hat der Kläger Klage zum Arbeitsgericht München erhoben, um feststellen zu lassen, dass er auch über das Ende seines aktiven Beschäftigungsverhältnisses bei der Beklagten hinaus Beihilfe von ihr beanspruchen kann.

Der Kläger hat beim Arbeitsgericht München vorgetragen, die X habe keineswegs einen Beihilfeanspruch über das Ende seines Arbeitsverhältnisses hinaus in Frage gestellt. Die Referatsleiterin in der Abteilung Personal der X habe ihm erklärt, es gebe nur noch etwa fünf solcher Verträge, wie ihn der Kläger habe. Sie habe ihm gegenüber ausdrücklich bestätigt, dass seitens der X eine Beihilfeverpflichtung ihm gegenüber auch über das Arbeitsvertragsende hinaus bestehe. Der Kläger solle nämlich einem Beamten in jeder Hinsicht gleichgestellt werden.

Der Kläger hat weiter vorgetragen, bei der X existiere ein Sonderfonds für die Begleichung solcher Verpflichtungen.

Die Altersvorsorge für den Kläger habe bei den damaligen Vertragsverhandlungen im Vordergrund gestanden. Als Alternativen hätten eine beamtenähnliche und eine Versorgung über die VBL zur Diskussion gestanden. Die X habe die Versorgung über die VBL favorisiert und ihm versichert, er werde dadurch keine Nachteile gegenüber der beamtenähnlichen Versorgung erleiden, insbesondere auch im Bezug auf die Beihilfe einem Beamten gleichgestellt werden.

Bereits die Auslegung des Arbeitsvertrags vom 16./18.10.1985 führe zu einem Anspruch auf Gewährung von Beihilfe über das Ende seines Arbeitsverhältnisses hinaus. Der Verweis in § 4 des Arbeitsvertrags auf die für Beamte des Bundes der Besoldungsgruppe C4 geltenden Bestimmungen führe zu § 2 Abs. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Beihilfevorschriften BhV) i.d.F. vom 01.11.2001 (GMBl. S. 919).

Dort heiße es, beihilfeberechtigt seien Beamte und Richter sowie Ruhestandsbeamte und -richter, nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BhV auch entpflichtete Hochschullehrer. In einem Organigramm der Beklagten (Bl. 153 d.A.) werde er als Beamter bezeichnet.

Die in anderen Arbeitsvertragsvorschriften erwähnte Begrenzung von Ansprüchen auf die Laufzeit des Vertrags finde sich in dessen § 4 nicht. Ein Verständnis, dass die Beihilfeberechtigung nur für die aktive Dienstzeit des Klägers gelten solle, wäre überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB. Unklarheiten gingen überdies zu Lasten der Beklagten als Arbeitgeberin, § 305 c Abs. 2 BGB. Beide Schutzregelungen hätten im Arbeitsrecht nach Rechtsprechung des BAG bereits vor Einführung der AGB-Vorschriften im BGB gegolten.

Sein Schreiben vom 31.10.1985, das die X zeitgleich mit dem unterzeichneten Arbeitsvertrag erhalten habe, sei als Widerruf verbunden mit einem Neuangebot zu verstehen, das die X durch Schweigen und Erfüllung des Vertrags angenommen habe.

Der Arbeitsvertrag vom 11.01.2005 habe seine Beihilfeberechtigung über das Ende seines Arbeitsvertrags hinaus nicht beseitigt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er mit diesem Vertrag auf die Fortgeltung des § 4 des Arbeitsvertrags vom 16./18.10.2005 habe verzichten wollen. Der Vertrag vom 11.01.2005 stehe neben dem vom 16./18.10.2005, er löse diesen nicht ab. Jedenfalls aber sei der Beihilfeanspruch nach Auslaufen des Arbeitsvertrags vom 11.01.2005 wieder aufgelebt.

Falls der Anspruch nach Ansicht des Arbeitsgerichts nicht bestehen solle, könne er Beihilfe jedenfalls als Schadensersatz aus culpa in contrahendo und positiver Vertragsverletzung verlangen.

Mit Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten vom 26.02.2007 (Bl. 72/95 und Bl. 97/120 d.A.) hat der Kläger Sch. und der X den Streit verkündet; beide sind dem Rechtsstreit nicht beigetreten.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Beihilfe im Sinne des § 4 Abs. 1 des Vertrages vom 16./18.10.2005 auch für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien zu gewähren.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, aus dem Arbeitsvertrag vom 16./18.10.1985 lasse sich nicht entnehmen, das der Kläger auch für den Zeitraum nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Beihilfe wie ein Beamter des Bundes erhalten solle. Dies könne auch nicht aus dem Schweigen der Rechtsvorgängerin - der X - auf das Schreiben des Klägers vom 31.10.1985 gefolgert werden. Schweigen auf einen Antrag bedeute in aller Regel dessen Ablehnung.

Hinzu komme, dass durch den Arbeitsvertrag vom 11.01.2005 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auf eine völlig neue Basis gestellt worden sei.

Weder die X noch die Beklagte hätten ein schützenswertes Vertrauen des Klägers in eine Beihilfegewährung über das Ende seines Arbeitsverhältnisses hinaus entstehen lassen.

Die X habe einen Beihilfeanspruch des Klägers über das Ende seines Arbeitsverhältnisses hinaus abgelehnt. Die Bezeichnung des Klägers im Organigramm als Beamter habe keine individualrechtliche, sondern lediglich statistische Bedeutung gehabt.

Mit Endurteil vom 10. Oktober 2007, auf das hinsichtlich seiner tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht München der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, aus der Auslegung der Vertragsklausel in § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 16./18.10.1985 gemäß §§ 133, 157 BGB nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte unter Berücksichtigung von Wortlaut und Begleitumständen sowie der Interessenlage der vertragsschließenden Parteien ergebe sich, dass ein tragfähiger Hinweis auf eine gewollte Beendigung des Beihilfeanspruchs des Klägers für den Zeitraum nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses fehle. Dieses Ergebnis werde durch § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 2 und 3, § 5 und § 7 des Arbeitsvertrags gestützt. Diese Vorschriften zeigten, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zu einer der eines Beamten möglichst weit angenäherten Rechtsstellung des Klägers habe führen sollen. Es sei nicht anzunehmen, dass gerade in der praktisch bedeutsamen Frage der Beihilfegewährung bis zum Lebensende davon habe abgewichen werden sollen. Vielmehr sei anzunehmen, dass die Parteien eine solche Abweichung deutlich gemacht hätten, wenn sie sie gewollt hätten.

Auch das Fehlen eines zeitnahen Widerspruchs der X gegen die Annahme im Schreiben des Klägers vom 31.10.1985 spreche für dieses Ergebnis. Entgegen der Ansicht der Beklagten lasse sich aus der begrenzten zeitlichen Geltung für den Krankengeldanspruch nicht auf eine gleichartige Begrenzung auch für den Beihilfeanspruch schließen.

Auch der Vertrag vom 11.01.2005 habe nicht zu einer Beendigung des Beihilfeanspruchs des Klägers geführt. Er enthalte keine Regelungen über einen Untergang von in Folge der Tätigkeit des Klägers bis zum 31.12.2005 erworbenen Rechten. Die Klausel in § 2 S. 2 spreche zwar von der Abgeltung aller Ansprüche, beziehe sich aber ausweislich ihres Standortes im Vertrag auf die Gegenleistung für die ab 01. Februar 2005 zu leistenden Dienste.

Auch eine konkludent zustande gekommene derartige Vereinbarung liege nicht vor. Wie sich aus § 1 und § 9 des Vertrags vom 11.01.2005 ergebe, habe der Vertrag lediglich der Regelung der Interimsleitung des Instituts durch den Kläger für den Zeitraum bis zum Dienstantritt des Nachfolgers gedient.

Gegen dieses ihr am 23.01.2008 zugestellte Endurteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 05.02.2008 eingelegten und am 23.04.2008 innerhalb verlängerter Frist begründeten Berufung.

Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Beklagte im Wesentlichen aus, bereits aus §1 des Vertrags vom 11.01.2005 ergebe sich, dass dieser Vertrag nicht neben, sondern anstelle des Vertrags vom 16./18.10.1985 gelten solle. Es treffe nicht zu, dass sich der Kläger und Herr Sh von der Beklagten bei Abschluss dieses Vertrags darüber einig gewesen seien, der Vertrag habe neben dem vom 16./18.10.1985 bestehen sollen. Aus der Rechtsprechung des BAG zum an ein Arbeitsverhältnis anschließenden Geschäftsführeranstellungsvertrag ergebe sich das Ablösungsprinzip; dies müsse im vorliegenden Fall umso mehr gelten, als es nicht einmal um eine Statusänderung gegangen sei.

Der Vertrag vom 11.01.2005 sei zu einem Zeitpunkt geschlossen worden, als der Kläger gemäß Rentenbescheid vom 20.01.2005 noch nicht berechtigt gewesen sei, Altersrente zu beziehen. Auch sei zu diesem Zeitpunkt der Vertrag vom 16./18.10.2005 noch nicht durch die auflösende Bedingung in dessen § 13 beendet gewesen. Der Vertrag vom 11.01.2005 bestimme nicht, dass der Kläger eine Doppelfunktion bei der Beklagten aufgrund beider Verträge innehaben solle. Auch enthalte der Vertrag vom 11.01.2005 alle essentialia negotii. Er enthalte keine Regelungen über Beihilfe.

Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einer erworbenen Anwartschaft des Klägers auf Beihilfe ausgegangen. Der Vertrag vom 11.01.2005 sehe weder eine Beihilfe noch sonstige Gegenleistungen wie in § 4 des Vertrags vom 16./1810.1985 vor. Selbstverständlich komme es bei Ende eines Arbeitsverhältnisses nicht zum Erlöschen aller Rechte und Pflichten. Daher sei § 6 des Vertrags vom 16./18.10.1985 keineswegs nur kosmetischer Natur. Das vom Kläger zitierte Urteil des BAG vom 07.11.2007 - 5 AZR 880/06 - betreffe nicht einen wie hier individuell ausgehandelten, sondern einen Formulararbeitsvertrag. Es sei auch keineswegs so gewesen, dass die Beklagte sich bei Abschluss des Vertrags vom 11.01.2005 in einer personellen Notsituation befunden habe. Vielmehr sei der Kläger an einer Fortsetzung seiner Beschäftigung mit entsprechender Vergütung interessiert gewesen.

Die Auslegung des Vertrags vom 16./18.10.1985 ergebe, dass auch die Regelung des § 4 auf die Laufzeit des Vertrags begrenzt sei. Die beamtenähnliche Stellung sei dem Kläger nur für die Dauer des Arbeitsverhältnisses zugesagt worden. Anders als beim Beamtenverhältnis bestehe für den Arbeitgeber keine Pflicht, für seinen Arbeitnehmer auch nach Ende seines Arbeitsverhältnisses zu sorgen.

Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hätten die Parteien daher eine Fortgeltung des Beihilfeanspruchs ausdrücklich vereinbaren müssen, dies insbesondere auch wegen der hohen wirtschaftlichen Risiken, die für den Arbeitgeber mit einer solchen Fortgeltung verbunden seien. Aus der ergänzenden Funktion der Beihilfe ergebe sich auch, dass sie nicht mehr zu gewähren sei, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Leistungen im Sinne einer betrieblichen Altersvorsorge zugesagt habe.

Aus dem Schweigen der X auf das Schreiben des Klägers vom 31.10.1985 könne sich kein schützenswerter Vertrauenstatbestand für ihn ergeben. Der Kläger habe darin lediglich eine Rechtsmeinung zum Ausdruck gebracht. Aus dem Schweigen der X habe er keine Erkenntnisse gewinnen können. Hätten die Parteien damals über eine lebenslange Beihilfeverpflichtung der X verhandelt gehabt, wäre die Erwähnung dieses Themas im Schreiben vom 31.10.1985 gar nicht veranlasst gewesen.

Ergänzend zum Vortrag der Beklagten in der Berufung wird auf deren Schriftsätze vom 23.04.2008 (Bl.205/213 d.A.) und 07.10.2008 (Bl. 243/247 d.A.) verwiesen.

Die Beklagte beantragt in der Berufung,

1. auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 10.10.2007 (Az.:36 Ca 1798/06) abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Kläger beantragt im zweiten Rechtszug,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt der Kläger vor, die Beklagte verkenne, dass sowohl der Kläger wie auch Sh, der Vertreter der Beklagten, bei Abschluss des Vertrags vom 11.01.2005 unisono davon ausgegangen seien, dass durch diesen Vertrag keine Rechte des Klägers aus dem Vertrag vom 16./18.10.1985 erlöschen sollten. Der Vertrag vom 11.01.2005 sei kein Änderungs-, sondern ein Zweitvertrag. Die Klausel in § 2 dieses Vertrags könne entstandene Rechte des Klägers nicht aufheben. Denn es sei nicht anzunehmen, dass ein Arbeitnehmer bei Feststehen einer Forderung diese einfach wieder aufgebe. Die Auffassung der Beklagten, alle Rechte und Pflichten des Vertrags vom 16./18.10.1985 hätten mit Ablauf des Vertrags geendet, führe zu kaum haltbaren Ergebnissen.

Ergänzend zum Vortrag des Klägers in der Berufung wird auf seinen Schriftsatz vom 08.07.2008 (Bl. 230/235 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 64 Abs.2 lit. b) statthafte und auch in der richtigen Form und rechtzeitig (§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1, 2 und 5 ArbGG) eingelegte und begründete Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 10.10.2007 - Az.: 36 Ca 1798/06 bleibt erfolglos. Insoweit folgt das Berufungsgericht der sorgfältigen und zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts München.

2. Lediglich ergänzend Folgendes: Die erstinstanzliche Klage war zulässig, §§ 46 Abs. 2 S.1 ArbGG, 256 ZPO. Es handelt sich um eine bürgerlichrechtliche Rechtstreitigkeit zwischen den Parteien aus einem Arbeitsverhältnis und aus dessen Nachwirkungen, § 2 Abs. 1 Nr. 3. lit. a) und c) ArbGG.

3. Der Kläger besitzt ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses, nämlich eines Anspruchs auf Gewährung von Beihilfe über das Ende seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten hinaus. Ein Rechtsverhältnis ist die Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache, die ein mit materieller Rechtskraft feststellbares subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen können (vgl. etwa Zöller, ZPO, 26. Auflage Köln 2007, § 256 (Greger) Rn. 3). Rechtsverhältnis ist im hier zu entscheidenden Fall die aus § 4 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 16./18.10.1985 folgende Pflicht der Beklagten, dem Kläger auch über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses hinaus Beihilfe zu gewähren. Aus diesem Rechtsverhältnis können subjektive Rechte entspringen, nämlich etwa in jedem Krankheitsfall der Anspruch des Klägers auf Erstattung eines Teils der ihm entstandenen Heilungskosten.

4. Der Klageantrag war auch genügend bestimmt, da sich der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten unschwer der Prozessakte entnehmen lässt (vgl. § 13 Abs. 4 lit. a) des Arbeitsvertrags vom 16./18.10.1985, Bl. 13 d.A, sowie Rentenbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 20.01.2005 für den Kläger, Bl. 63/ 71 d.A.).

5. Der Feststellungsantrag ist auch nicht wegen Subsidiarität unzulässig (vgl. dazu Zöller a.a.O. Rn. 7 a), denn eine Klage auf Leistung wäre zwar im Einzelfall möglich, wenn nämlich der Kläger im Falle einer konkreten Erkrankung nach Entstehen von beihilfefähigen Heilungskosten deren Erstattung von der Beklagten im Wege der Leistungsklage verlangen würde. Dieser Weg ist ihm aber unzumutbar, weil er sonst unter Umständen jedes Mal beihilfefähige Krankheitskosten gegenüber der Beklagten klageweise durchsetzen müsste. Außerdem würde durch eine solche Leistungsklage nicht das gesamte Rechtsverhältnis geklärt werden, nämlich etwa die Frage, ob Beihilfe auch Familienangehörigen des Klägers - seiner Ehefrau - oder Hinterbliebenen zusteht oder nicht; dazu bedürfte es umständlicher weiterer Leistungsklagen.

6. Die erstinstanzliche Klage war auch begründet, so dass die Berufung der Beklagten ohne Erfolg bleiben muss. In der Sache geht es den Parteien um zwei Streitfragen, nämlich zunächst, ob sich aus dem Arbeitsvertrag vom 16./18.10.1985 ergibt, dass der Kläger auch nach seinem altersbedingten Ausscheiden bei der Beklagten Beihilfeleistungen von ihr beanspruchen kann; hierbei kommt es allein auf den o.g. Vertrag und die Begleitumstände seines Zustandekommens an. Denn wenn sich hieraus ein Beihilfeanspruch des Klägers gegen die X auch für den Zeitraum nach Ende seines Arbeitsverhältnisses ergibt, ist die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der X gemäß § 613 a Abs. 1 BGB wegen des erfolgten Betriebsübergangs von der X auf sie daran gebunden.

7. Bei Bejahung der ersten Frage bleibt zu klären, ob die Parteien mit dem Arbeitsvertrag vom 11.01.2005 den bestehenden Beihilfeanspruch des Klägers für den Zeitraum nach seinem Ausscheiden bei der Beklagten abbedungen haben. Hierbei kommt es allein auf den o.g. Vertrag vom 11.01.2005 und die Begleitumstände seines Zustandekommens an.

8. Die Regelung im Arbeitsvertrag vom 16./18.10.1985

1. § 4

Nebenleistungen

A hat Anspruch auf Erstattung der Reise- und Umzugskosten, auf Trennungsgeld, Beihilfen, Wohnungsfürsorge und ähnliche Leistungen, entsprechend den für Beamte des Bundes der Besoldungsgruppe C 4 jeweils geltenden Bestimmungen. Wird ein Betragszuschuss nach § 405 RVO in Anspruch genommen, so gelten die diesbezüglichen Beihilferegelungen für Angestellte des Bundes.

ist auslegungsbedürftig, da der wirkliche Wille der Vertragsparteien hinsichtlich der Streitfrage nicht zu ermitteln ist. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sie im Arbeitsvertrag und in den Verhandlungen vor dessen Abschluss einander nicht ausdrücklich erklärt haben, eine Beihilfeberechtigung des Klägers über das Ende seines Arbeitsvertrags vereinbaren zu wollen (Beklagte vgl. SS vom 07.12.06 = Bl. 57 d.A.; Kläger SS 26.02.07 = Bl. 110 d.A.).

9. Für die Auslegung von Verträgen gilt entgegen seinem Wortlaut nicht nur § 157 BGB, sondern auch § 133 BGB. Beide Vorschriften sind bei der Auslegung nebeneinander heranzuziehen (allgemeine Meinung; vgl. Palandt § 157 Rn. 1; BAG 02.03.1973 - 3 AZR 325/72 = AP Nr. 36 zu § 133 BGB; BAG 19.09.2007 - 4 AZR 710/06 = AP Nr. 54 zu § 133 BGB).

10. Danach ist zunächst der wirkliche Wille der Vertragsparteien zu erforschen (natürliche Auslegung; Palandt § 311 Rn. 7). Ist dieser Wille nicht zu ermitteln, kommt es auf die objektive Erklärungsbedeutung an (normative Auslegung; Palandt § 133 Rn. 7).

11. Bei der Auslegung zu berücksichtigen sind auch die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände (Palandt § 133 Rn. 14-18), nämlich etwa die Entstehungsgeschichte und Äußerungen der Parteien über den Inhalt des Rechtsgeschäfts; dabei kann auch späteres Verhalten der Parteien zumindest als Indiz für die Auslegung von Bedeutung sein ( Palandt § 133 Rn. 17; BAG 27.08.1970 - 2 AZR 519/69 = AP Nr. 33 zu § 133 BGB; BAG 06.02.1974 - 3 AZR 232/73 = AP Nr. 38 zu § 133 BGB), schließlich die Interessenlage der Parteien und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck (Palandt § 133 Rn. 18).

12. Unter mehreren möglichen Auslegungsergebnissen ist jenes vorzugswürdig, das zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragsparteien gerecht werdenden Ergebnis führt. Entscheidend ist, wie die Erklärungen unter Berücksichtigung aller Begleitumstände, insbesondere des Gesamtverhaltens der Parteien und der von ihnen verfolgten Zwecke redlicherweise zu verstehen ist (Palandt § 133 Rn. 18).

13. Die Frage, ob dem Kläger von der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der X Beihilfe auch nach seiner Verrentung zu gewähren ist, ergibt sich nicht aus einem eindeutigen Wortlaut des § 4, denn diese Vertragsvorschrift enthält keinen Text zum Thema Beihifeanspruch nach Ende des aktiven Arbeitsverhältnisses.

14. Die vertragliche Regelung in § 4 Abs. 1 begründet zwar nach ihrem Wortlaut einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Beihilfen entsprechend den für Beamte des Bundes der Besoldungsgruppe C 4 jeweils geltenden Bestimmungen. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift für Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Beihilfevorschriften BhV) i.d.F. vom 01.11.2001 (GMBl. 2001 S. 919), auf die sich § 4 Abs. 1 bezieht, gibt einen Beihilfeanspruch in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Beamten und Richtern, in ihren §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 den Beihilfeanspruch aber auch Ruhestandsbeamten und entpflichteten Hochschullehrern. In § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 16./18.10.1985 findet sich zwar der Begriff des Ruhestandsbeamten nicht, eine Einschränkung der Beihilfeberechtigung auf die aktive Berufstätigkeit drückt die Regelung aber ebenfalls nicht aus.

15. Ist einer vertraglichen Regelung nicht unzweifelhaft der Wille der Parteien zu entnehmen, dass sie eine bestimmte Vereinbarung treffen wollen - hier also: wollten die Vertragsparteien mit § 4 Abs. 1 dem Kläger einen Beihilfeanspruch nur bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses oder auch über das Ende seines Arbeitsverhältnisses hinaus einräumen? -, und streiten die Parteien über die Frage, welche von mehreren möglichen Inhalten die Vertragsregelung beinhaltet, hat das erkennende Gericht nach wohl allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum die Auslegung der Vertragsregelung als rechtliche Würdigung von Amts wegen vorzunehmen und ist an Parteivortrag nicht gebunden (vgl. Palandt, BGB-Kommentar, 67. Auflage München 2008, § 133 (Heinrichs/Ellenberger) Rn. 29; künftig zitiert: Palandt § Rn.). Der Auslegung hat die Feststellung der für die Auslegung relevanten Tatsachen vorauszugehen (Palandt a.a.O.). Auslegungsrelevante Tatsachen sind hier:

16. der Arbeitsvertrag vom 16./18.10.1985

17. das Schreiben des Sch. von der X an den Kläger vom 13.08.1985.

18. das Schreiben des Klägers an die X vom 31.10.1985 und deren Schweigen auf dieses Schreiben

19. Dagegen ist die von der Beklagten bestrittene - nach Vortrag des Klägers zwölf Jahre nach Vertragsschluss erfolgte - Bestätigung von R., Referatsleiterin der Abteilung Personal der X, für die Auslegung des Vertrags vom 16./18.10.1985 nicht mehr verwertbar; R. war an dem Zustandekommen des Vertrags auch nach Vortrag des Klägers nicht beteiligt, konnte daher nur ihre persönliche Rechtsmeinung wiedergeben.

20. Der Arbeitsvertrag vom 16./18.10.1985 verweist in einer ganzen Reihe von Vorschriften auf die für Bundesbeamte geltenden Regelungen, nämlich in seinem § 3 Abs. 1 lit. a) und b) (Vergütung), § 4 Abs. 1, 2, 3 (u.a. Beihilfeberechtigung), § 5 (Urlaub), § 7 (Nebentätigkeiten), § 10 (Übernahme von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen zur Angestellten- und Arbeitslosenversicherung), § 12 Abs. 1 (Krankenbezüge bis zu einem Jahr, 2 (Sterbegeld) und § 13 Abs. 2 (ordentliche Kündigungsmöglichkeit nur für den Kläger, für X und als Rechtsnachfolgerin die Beklagte nur Recht zur fristlosen Kündigung). Daraus folgt, dass die Vertragsparteien eine beamtenähnliche Stellung des Klägers und dessen Verbleib in seiner vertraglichen Stellung möglichst bis zu seinem Berufsende gewollt haben.

21. § 4 des Arbeitsvertrags erklärt zwar nicht ausdrücklich, dass die damaligen Vertragsparteien einen Beihilfeanspruch für den Kläger auch über das Ende seines Arbeitsvertrags hinaus vereinbaren wollten. Die Vorschrift sagt jedoch beispielsweise auch nichts dazu aus, dass etwa im Falle der Beihilfegewährung auch die Ehefrau des Klägers durch die Beihilfe begünstigt wird, sofern sie nicht eigene derartige Ansprüche besitzt. Sie verweist vielmehr in ihrem knapp und salopp (...und ähnliche Leistungen) gefassten Text schlicht auf die für Beamte des Bundes der Besoldungsgruppe C 4 jeweils geltenden Bestimmungen.

22. Aus dieser offenbar bewusst kurz und unvollständig gehaltenen Formulierung lässt sich entnehmen, dass diese Bestimmungen einschränkungslos für den Kläger gelten sollten, weil dieser einem Bundesbeamten der Besoldungsgruppe C 4 gleichgestellt werden sollte.

23. In anderen vertraglichen Vorschriften finden sich darüber hinaus Beschränkungen der dem Kläger zugebilligten Ansprüche durch die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses (§ 7 Abs. 2, 6, § 12 Abs. 1, 2) oder Erweiterungen von Pflichten über dessen Ende hinaus (§ 6 lit. a), b), § 8). Die in § 4 angesprochenen Nebenleistungen enthalten keine derartigen auf ein Ende des Arbeitsverhältnisses bezogenen Regelungen.

24. Bei Reise- und Umzugskosten und Trennungsgeld mag sich dies von selbst verstehen. Für die Wohnungsfürsorge und die Beihilfen gilt dies jedoch nicht. Für ihre Einschränkung auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestand ein Regelungsbedarf, weil eben der gesamte Vertragstext deutlich macht, dass die Arbeitsvertragsparteien eine an den Vorschriften für Bundesbeamte angelehnte weitestgehende Beamtenähnlichkeit des Klägers vereinbaren wollten. Zu den zu Gunsten der Beamten geltenden Regelungen gehört als wesentlicher Bestandteil die Beihilfeberechtigung auch im Ruhestand.

25. Die Begleitumstände des Vertrags vom 16./18.10.1985 sprechen ebenfalls klar für das gefundene Ergebnis der Auslegung. Die X hat auf das Schreiben des Klägers vom 31.10.1985, das er ihr als Begleitschreiben mit dem unterzeichneten Arbeitsvertrag zugesandt hat, nicht reagiert. Darin hatte der Kläger geäußert:

26. "Ich gehe davon aus, dass die in § 2 genannten Einschränkungen bzgl. der Lage des Wohnsitzes gegebenenfalls großzügig ausgelegt werden und die in Paragraph 4 ausgeführten Bestimmungen bzgl. der Beihilferegelung auch nach Beendigung meines Dienstverhältnisses ihre Gültigkeit behalten."

27. Die X hat das Schreiben des Klägers damals unstreitig zusammen mit dem vom Kläger unterzeichneten Arbeitsvertrag erhalten. Es wäre ihre Pflicht aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gemäß §§ 611 Abs. 1, 242 BGB gewesen, den Kläger auf einen Irrtum über einen derart wichtigen Bestandteil seiner gerade erst unterzeichneten arbeitsvertraglichen Regelung aufzuklären, wenn sie der Auffassung gewesen wäre, der Beihilfeanspruch des Klägers aus § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 16./18.10.1985 sei auf die Dauer des aktiven Arbeitsverhältnisses begrenzt.

28. Der Kläger hat durch sein Begleitschreiben gezeigt, wie wichtig ihm die Klärung der aufgeworfenen Frage war, zugleich aber auch, dass er bei Vertragsunterzeichnung von einer Übereinstimmung mit der X in diesem Punkt ausgegangen ist. In einem derartigen Fall kann sich die Beklagte nicht auf das Argument zurückziehen, Schweigen im Rechtsverkehr sei ohne Erklärungswert. Vielmehr hat die X mit ihrem Schweigen ein wichtiges Indiz für die Richtigkeit des oben dargestellten Auslegungsergebnisses gesetzt, dass der Kläger mit § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 16./18.10.1985 einen Beihilfeanspruch auch über das Ende seines Arbeitsverhältnisses hinaus erhalten sollte.

29. Auch das Schreiben von Sch. von der X - damals eines von drei Vorstandsmitgliedern der X - an den Kläger vom 13.08.1985 (Bl. 135/137 d.A.) zeigt, dass die X von dem Interesse des Klägers an einer beamtenähnlichen Versorgung gewusst und seine Zustimmung zur VBL-Versorgung durch eine Vergleichsberechnung erlangt hat, die ihm zeigen sollte, dass er keine Nachteile gegenüber einer beamtenähnlichen Versorgung zu befürchten haben werde.

30. Dies legt zumindest den Schluss nahe, dass Gegendstand der Verhandlungen zwischen dem Kläger und der X seine Behandlung als Beamter mit allen Konsequenzen - also einschließlich seiner Altersversorgung wie ein Beamter und damit der Fortgeltung der Beihilfeansprüche des Klägers gegenüber der X - gewesen ist. Sch. erwähnt in seinem Schreiben die Übernahme der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung durch die X, nicht aber die Krankenversicherung, so dass davon auszugehen ist, dass sich die damaligen Vertragsparteien über die Gewährung von Beihilfe nach beamtenrechtsähnlichen Grundsätzen bereits einig gewesen sind.

31. Schließlich lässt sich aus den Vertragsregelungen ein Interesse der X entnehmen, den Kläger möglichst lange an sich zu binden, indem sie auf das Recht zur ordentlichen Kündigung wie ein Dienstherr verzichtet und den Kläger auch im Übrigen einem Beamten ähnlich behandelt. Für dieses Interesse eine erhebliche finanzielle Verpflichtung einzugehen, wie es bei der Beihilfegewährung über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus der Fall ist, erscheint keineswegs fernliegend.

32. Der gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der X übergegangene Anspruch des Klägers auf Gewährung von Beihilfe ist auch nicht durch den Vertrag vom 11.01.2005 stillschweigend abbedungen worden. Das Gericht kann zunächst nicht nachvollziehen, wie die Beklagte zu der Ansicht kommt, der Vertrag vom 11.01.2005 habe anstelle des Vertrags vom 16./18.10.1985 gelten und damit dessen Regelungen ablösen sollen. Ein solcher Wille der Parteien ergibt sich weder aus § 1 des Vertrags noch aus dessen Abschlussdatum. Denn die Parteien haben eindeutig ihren Willen zum Ausdruck gebracht, der Kläger solle in Fortsetzung seiner bisherigen Tätigkeit nach Ende seines Arbeitsverhältnisses am 31.01.2005, also ab 01.02.2005 (vgl. § 9 des Vertrags vom 11.01.2005) bis zum Dienstantritt des neuen Institutsleiters für die Beklagte tätig sein.

33. Es ist nichts Ungewöhnliches, sondern im Gegenteil die Regel, dass vernünftige und vorausschauende Parteien sich noch während des Bestehens eines Arbeitsvertrags, der wegen Erreichens der Altersgrenze beim Arbeitnehmer alsbald enden wird, Gedanken über eine Nachfolgeregelung machen und - sofern kein Nachfolger die Institutsleitung nahtlos übernehmen kann - eine Interimsregelung vereinbaren.

34. Von entscheidender Bedeutung ist der unmissverständlich zum Ausdruck gekommene Wille der Parteien, der Vertrag solle erst im Anschluss an das Ende des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 16./18.10.21985 Wirksamkeit erlangen.

35. Aus dem Vertrag vom 11.01.2005 ergibt sich jedoch nicht ein Wille der Parteien, die über das Ende seines Arbeitsverhältnisses hinaus bestehenden Beihilfeansprüche des Klägers zu beenden, die sich aus dem Vertrag vom 16./18.10.1985 ergeben.

36. Die Beihilfe wird in diesem Vertrag überhaupt nicht erwähnt. Irgendwelche Indizien dafür, dass der Kläger diese Ansprüche durch diesen Vertrag aufgeben wollte, sind nicht erkennbar.

37. Daran ändert auch die Behauptung der Beklagten nichts, der Kläger habe ein starkes Interesse an diesem Vertrag gehabt, der ihm noch für einen begrenzten Zeitraum die vollen Vergütungsansprüche zu beanspruchen ermöglichen sollte. Ein solches Interesse kann nicht dahingehend gedeutet werden, der Kläger habe auf seine bestehenden Beihilfeansprüche verzichten wollen, um den Anschlussvertrag zu erhalten. Diese Folgerung ist insbesondere deshalb abwegig, weil die Beklagte dies überhaupt nicht zur Bedingung für den Abschluss des Folgevertrags erhoben hat: Der Beihilfeanspruch war offenbar nicht Gegenstand der Verhandlungen der Parteien. Vielmehr spricht alles dafür, dass die Beihilfe in diesem Vertrag von keiner Partei erwähnt worden ist, weil sie nicht dessen Gegenstand zu werden brauchte; der Anspruch des Klägers bestand ja ohnehin über das Ende seines Arbeitsverhältnisses hinaus fort.

38. Auch trägt die Beklagte vor, sie habe von einem fortdauernden Beihilfeanspruch des Klägers gar nichts gewusst, so dass er auch aus diesem Grund nicht Gegenstand der Verhandlungen gewesen sein kann.

39. Da die Berufungskammer aufgrund Auslegung beider Arbeitsverträge zu einem Ergebnis gekommen ist, waren Beweise nicht zu erheben. Die Beklagte hat keinen Tatsachenvortrag erbracht und unter Beweis gestellt, der auf das Bestehen eines gemeinsamen Willens der Parteien des Arbeitsvertrags vom 16./18.10.1985 (Kläger und X) gerichtet ist, eine Beihilfe für den Kläger auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu beschränken oder einen bestehenden Beihilfeanspruch durch den Vertrag vom 11.01.2005 zu beseitigen. Auf die Beweisangebote des Klägers kommt es nicht an, da das Berufungsgericht auch ohne sie zu dem von ihm begehrten günstigen Ergebnis kommt.

40. Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen , § 97 Abs. 1 ZPO.

41. Das Gericht hat für die Beklagte die Revision zugelassen, weil es der Auffassung ist, dass die hier erfolgte, noch nicht höchstrichterlich überprüfte Vertragsauslegung wegen ihrer erheblichen finanziellen Auswirkungen für Unternehmen, insbesondere als Zuwendungsempfänger des Bundes oder der Länder bei Beschäftigung begehrten wissenschaftlichen Personals, das Wert auf eine beamtenähnliche Vergütung und Versorgung legt, von grundsätzlicher Bedeutung ist.

Ende der Entscheidung

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