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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 30.05.2007
Aktenzeichen: 7 Sa 1195/06
Rechtsgebiete: TV ATZ, ArbGG, ZPO, TVG, SGB IV, ATG


Vorschriften:

TV ATZ § 2
TV ATZ § 3
TV ATZ § 3 Nr. 1
TV ATZ § 3 Nr. 1 Abs. 3
TV ATZ § 3 Nr. 1 Unterabs. 3
TV ATZ § 3 Nr. 1 Unterabs. 3 Satz 1
TV ATZ § 6 Nr. 1
ArbGG § 64 Abs. 2
ZPO § 256
ZPO § 257
ZPO § 258
ZPO § 259
TVG § 3 Abs. 1
TVG § 4 Abs. 1
TVG § 4 Abs. 3
SGB IV § 7 Abs. 1a
ATG § 2 Abs. 1 Nr. 2
ATG § 2 Abs. 2 Nr. 2
ATG § 3 Abs. 1 Nr. 1
ATG § 4
Nach dem Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit für die Zeitungsverlage in Bayern kann der Arbeitgeber frei entscheiden, ob er Alterteilzeitverhältnisse begründen will. Begründet er Alterteilzeitverhältnisse unterliegen diese den tariflichen Vorschriften.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 1195/06

Verkündet am: 30. Mai 2007

In dem Rechtsstreit

hat die Siebte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2007 durch den Richter am Arbeitsgericht Dr. Künzl sowie die ehrenamtlichen Richter Weigl und Twells-Koether für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 28. 09. 2006 - 19a Ca 18344/05 abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit vom 01. 09. 2005 bis 31. 08. 2008 einen monatlichen Aufstockungsbetrag auf mindestens 82,5 % gemäß dem Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit zwischen dem Verband der Zeitschriftenverlage und der Gewerkschaft ver.di zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits

II. Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Höhe der Zuzahlung zur Altersteilzeitvergütung des Klägers.

Der am 30. Okt. 1943 geborene Kläger ist bei der Beklagten, einem Verlag von Fachzeitschriften, gemäß Arbeitsvertrag vom 16. Okt. 1986, seit 1. Nov. 1986 beschäftigt. Für die Arbeitsvertragsparteien gelten kraft Verbandszugehörigkeit die Tarifverträge des Bayerischen Zeitschriftenverlagsgewerbes.

Unter dem Datum 19. Juni 2001 war zwischen dem Verband der Zeitschriftenverlage in Bayern e.V. (nachfolgend: VZB) und der Gewerkschaft ver.di (nachfolgend: ver.di) ein Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit (nachfolgend: TV ATZ) beschlossen worden, der u.a. nachfolgende Regelungen beinhaltet:

"...

§ 2

Voraussetzung der Altersteilzeit

Beschäftigte, die das 57. Lebensjahr vollendet haben und in den letzten 5 Jahren vor Beginn der Altersteilzeit mindestens 1.080 Kalendertage eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben, können mit dem Arbeitgeber ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach Maßgabe des Altersteilzeitgesetzes und der nachfolgenden Bestimmungen vereinbaren.

§ 3

Einführung/Vereinbarung von Altersteilzeit

1. Arbeitgeber und Betriebsrat - soweit ein solcher besteht - beraten über die Möglichkeit der Einführung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen.

In den Beratungen sind die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens/Betriebes und die sozialen Gesichtspunkte der betroffenen Arbeitnehmer/innen zu erörtern.

Im Anschluss daran entscheidet der Arbeitgeber, ob er Altersteilzeit nach diesem Tarifvertrag in seinem Betrieb/Unternehmen einführt. An diese Entscheidung ist er mindestens ein Kalenderjahr, bei abweichendem Geschäftsjahr zwölf Monate, gebunden.

2. ...

...

§ 6

Altersteilzeitentgelt

1. Das Altersteilzeitentgelt beträgt die Hälfte des bisherigen Lohnes bzw. Gehaltes, gleich ob Voll- oder Teilzeit gearbeitet wurde. Das Altersteilzeitentgelt wird unabhängig von der Verteilung der Arbeitszeit für die Gesamtdauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses fortlaufend monatlich gezahlt.

Änderungen des tariflichen Lohnes bzw. Gehaltes wirken sich während des gesamten Altersteilzeitarbeitsverhältnisses auf das Arbeitsentgelt aus.

Für den durch den Übergang auf die Altersteilzeitbeschäftigung ausfallenden Teil seiner/ihrer bisherigen regelmäßigen Arbeitszeit erhält der/die Beschäftigte eine Aufstockungszahlung auf das Altersteilzeitentgelt auf mindestens 82,5 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgeltes, das der Beschäftigte ohne Eintritt in die Altersteilzeit erzielt hätte (NettoArbeitsentgelt).

2. ...

..."

Mit einer Zusatzvereinbarung vom 3. Mai 2005 (Bl. 7 d. A.) zum Arbeitsvertrag vom 16. Okt. 1986 vereinbarten die Parteien ab 1. Sept. 2005 ein Altersteilzeitverhältnis mit einem Aufstockungsbetrag nach dem Altersteilzeitgesetz (nachfolgend: ATG).

Mit seiner am 29. Nov. 2005 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und der Beklagten am 9. Dez. 2005 zugestellten Klage vom 25. Nov. 2005 begehrt der Kläger die Differenzzahlung zwischen der tatsächlich erhaltenen Aufstockungszahlung zum tariflichen Aufstockungsbetrag.

Er ist der Ansicht, die Beklagte müsse kraft beidseitiger Verbandszugehörigkeit zwingend den TV ATZ zur Anwendung bringen und die höhere als die gesetzliche Aufstockung bezahlen. Sie beruft sich dabei auch auf eine Stellungnahme der Verhandlungsführerin H. von ver.di über die Intentionen bei den Tarifverhandlungen (Bl. 37 f. d. A.).

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 603,92 netto für die Monate September 2005 bis einschließlich Dezember 2005 nebst 4 % Zinsen über dem jeweiligen Basisdiskontsatz liegenden Satz der Bundesbank seit Klageerhebung zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der TV ATZ gewähre dem Arbeitgeber ein Wahlrecht, Altersteilzeit nach diesem Tarifvertrag oder nach dem Gesetz zu bewilligen. Darauf habe sie, wie sie vorträgt, den Kläger bereits bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages hingewiesen und ihm auch eine Probeabrechnung der zu erwartenden Vergütung übergeben.

Sie ist ferner der Ansicht, der Tarifwortlaut gebe keinen Anlass zur Auslegung. Sie behauptet, bei den Verhandlungen über den TV ATZ habe man die größtmögliche Flexibilität bei Einführung von Altersteilzeit erstrebt und bewusst das vorerwähnte Wahlrecht einräumen wollen. Dabei beruft sich die Beklagte auf die Stellungnahme des Verhandlungsführers des VZB, W. (Bl. 25 ff. d. A.).

Mit Endurteil vom 28. Sept. 2006 hat das Arbeitsgericht München die Klage auf Kosten des Klägers abgewiesen und den Streitwert auf € 603,92 festgesetzt.

Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, der zwischen den Parteien kraft beidseitiger Tarifbindung geltende TV ATZ räume dem Arbeitgeber ein Wahlrecht ein, ob er den Aufstockungsbetrag nach dem Tarifvertrag oder nach dem Gesetz leisten wolle. Es sieht insoweit den Wortlaut der §§ 2, 3 TV ATZ als eindeutig an. Damit hätten die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber die Entscheidung eingeräumt, ob er eine Altersteilzeitregelung ausschließlich auf das Gesetz oder auf den Tarifvertrag stützen wolle. Den vorgenannten Normen könne gerade nicht entnommen werden, der Arbeitgeber können ausschließlich nach den Bestimmungen des TV ATZ Altersteilzeit einführen.

Gegen dieses ihm am 3. Nov. 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13. Nov. 2006, beim Landesarbeitsgericht München am selben Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese innerhalb der auf seinen Antrag vom 15. Dez. 2006 bis 29. Jan. 2007 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 29. Jan. 2007, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht eingegangen war, begründet.

Er hält den Wortlaut des TV ATZ nicht für eindeutig. In § 3 TV ATZ komme gerade nicht eindeutig zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber ein Wahlrecht zwischen tariflicher und gesetzlicher Aufstockungszahlung habe. Auch hätten sich die Tarifvertragsparteien keineswegs darauf geeinigt, dem Arbeitgeber ein dahin gehendes Wahlrecht einzuräumen. Vielmehr spreche der Wortlaut der Bestimmung des § 3 Nr. 1 Unterabs. 3 TV ATZ dafür, dem Arbeitgeber sei nur die Möglichkeit eingeräumt, Altersteilzeit nach dem Tarifvertrag oder keine Altersteilzeit einzuführen.

Er beantragt zuletzt:

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 28. Sept. 2006 - 19 Ca 18344/05 wird aufgehoben.

2. Festzustellen, dass die Beklagte ist verpflichtet ist, dem Kläger für die Dauer der Laufzeit des abgeschlossenen Altersteilzeitvertrages ab 01. 09. 2005 bis 31. 08. 2008 monatliche Aufstockungszahlungen gem. dem Tarifvertrag zur Förderung der Altersteilzeit zwischen dem Verband der Zeitschriftenverlage und ver.di auf mind. 82,5 % des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts, da der Beschäftigte ohne Eintritt in die Altersteilzeit erzielt hätte, zu gewähren, wobei Aufstockungsleistungen, die die Beklagte dem Kläger bereits gewährt hatte, in Abzug zu bringen sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Der Tarifvertrag sei eindeutig formuliert und enthalte in § 3 Nr. 1 mit der dem Arbeitgeber eingeräumten Entscheidungsmöglichkeit, ob er Altersteilzeit einführe, eine Öffnungsklausel. Der Tarifvertrag bestimme zudem gerade nicht, dass der Arbeitgeber ausschließlich nach dem Tarifvertrag Altersteilzeit einführen könne.

Im Termin vom 16. Mai 2007 hat der Kläger den ursprünglich angekündigten Antrag III. und den in Ziff. II. gestellten Hilfsantrag zurückgenommen und Antrag II. als Feststellungsantrag zur Entscheidung gestellt.

Hinsichtlich des Sachvortrags der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze des Klägers vom 25. Nov. 2005 (Bl. 11 ff. d. A.), vom 23. Feb. 2006 (Bl. 31 ff. d. A.), vom 27. Mai 2006 (Bl. 52 ff. d. A.) und vom 29. Jan. 2007 (Bl. 90 ff. d. A.), der Beklagten vom 2. Dez. 2005 (Bl. 18 ff. d. A.), vom 31. März 2006 (Bl. 41 ff. d. A.), vom 16. Aug. 2006 (Bl. 57 ff. d. A.), vom 4. Apr. 2007 (Bl. 118 ff. d. A.) und vom 24. Apr. 2007 (Bl. 121 ff. d. A.) sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 12. Jan. 2006 (Bl. 29 f. d. A.), vom 13. Sept. 2006 (Bl. 60 f. d. A.) und vom 16, Mai 2007 (Bl. 136 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung hat in der Sache Erfolg. A. Die Berufung ist zulässig.

I. Sie ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft und in rechter Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 2 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Die Klageänderung in der Berufungsinstanz ist statthaft (§ 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 525, 263 ZPO). Die Beklagte hat sich rügelos auf die geänderte Klage eingelassen (§ 267 ZPO); zudem ist die Änderung sachdienlich. Es galt hier allein, das Bestehen eines Rechtsgrundes für eine höhere Aufstockung zu untersuchen.

III. Zudem besteht ein Rechtsschutzinteresse für die begehrte Feststellung (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 256 ZPO).

Das für eine Feststellungsklage nach § 256 ZPO zu fordernde Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn durch das Urteil eine sachgerechte und einfache Erledigung der einschlägigen Streitfragen zu erreichen ist und so das streitige Rechtsverhältnis der Parteien einer abschließenden Klärung zugeführt wird. (BAG v. 7. 6. 2006 - 4 AZR 272/05, AP TVG § 1 Nr. 37; BAG v. 16. 7. 1998, - 6 AZR 672/96, AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 27). Ferner ist der festzustellende Anspruch zumindest teilweise auf einen in der Zukunft liegenden Zeitraum gerichtet ist; bei Klagen auf zukünftige Leistung gemäß §§ 257 - 259 ZPO ist die Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage nicht subsidiär (BAG v. 7.6.2006, a.a.O.; BAG v. 20. 1. 2004 - 9 AZR 43/03, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 65). In diesem Fall kann die Klagepartei kann zwischen eine Klage auf künftige Leistung oder der Feststellungsklage wählen, zumal die Klage nach § 259 ZPO an besondere Voraussetzungen geknüpft ist (BAG v. 10. 1. 19089 - 3 AZR 308/87, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 5).

Unter den Parteien ist primär die Frage der Höhe der zu leistenden Aufstockungszahlung streitig. Sobald diese geklärt ist, ist nach Ansicht der Kammer davon auszugehen, die tatsächliche Berechnung der Aufstockungszahlung, die auch bislang von seinem Steuerberater durchgeführt worden war, werde keine weiteren Streitpunkte mehr aufwerfen. Zudem ist die zu fordernde Leistung an den Kläger zumindest teilweise auch auf künftige Zeiträume gerichtet.

B. In der Sache hat die Berufung Erfolg.

Der Kläger kann den begehrten höheren Aufstockungsbetrag (§ 611 BGB i.V.m. dem Altersteilzeitvertrag und § 6 Nr. 3 TV ATZ) verlangen. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts stand es nach Ansicht der erkennenden Kammer dem beklagten Arbeitgeber nicht frei, zu entscheiden, ob er Altersteilzeit nach dem für beide Parteien kraft beidseitiger Tarifgebundenheit (§ 2 Abs. 1 TVG) geltenden Tarifvertrag oder nach dem Gesetz - mit einem niedrigeren Aufstockungsbetrag - einführen will. Vielmehr konnte er nur frei entscheiden, ob er Altersteilzeit gewähren wollte; bejahendenfalls war er an die Beachtung der tariflichen Vorgaben gebunden. Gegenteiliges ergibt sich, entgegen der Ansicht der Beklagten, nicht aus § 3 Nr. 1 Abs. 3 TV.

I. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Altersteilzeit in der Person des Klägers sind unter den Parteien nicht streitig. Ebenso ist die Anwendbarkeit des TV ATZ kraft beidseitiger Tarifbindung gegeben (§ 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG).

II. Die Beklagte hatte zumindest für den Kläger Altersteilzeit eingeführt. Diese Einführung bedingte, dass sie zwingend die Grundsätze nicht nur des ATG, sondern auch des TV ATZ beachten musste, insbesondere eine Zuzahlung auf 82,5 % des vom Kläger ohne Altersteilzeit zu erzielenden Nettoverdienstes auf das Altersteilzeitentgelt schuldete (§ 6 Nr. 3 TV ATZ). Denn die Auslegung der nach Ansicht der Kammer nicht eindeutigen Regelungen des TV ATZ ergibt, der Arbeitgeber kann allein entscheiden, ob er Altersteilzeit einführen möchte oder nicht; führt er Altersteilzeit ein, so muss dies zwingend unter Beachtung auch der Vorschriften des TV ATZ erfolgen.

1. Aus der Tarifregelung folgt, entgegen der Annahme des Erstgerichts, nicht unmittelbar, dass die dem Tarifvertrag unterfallenden Arbeitsvertragsparteien berechtigt bleiben, allein nach dem ATG Altersteilzeitregelungen zu vereinbaren. Weder ist § 2 TV ATZ dahingehend zu verstehen, der Arbeitgeber habe eine Wahlmöglichkeit zwischen Altersteilzeit auf lediglich gesetzlicher bzw. auf tariflicher Basis, noch ergibt sich dies aus § 3 Nr. 1 Unterabs. 3 TV ATZ.

a. § 2 TV ATZ räumt Beschäftigten, welche die genannten Voraussetzungen er füllen, die Möglichkeit ein, mit dem Arbeitgeber "ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nach Maßgabe des Altersteilzeitgesetzes und der nachfolgenden Bestimmungen" zu vereinbaren. Dem Arbeitsgericht ist insoweit zuzugeben, dass danach die Anwendung des ATG nicht per se ausgeschlossen ist. Damit ist aber noch nicht viel gewonnen, da der Tarifvertrag keine eigenständige und selbstständig neben dem ATG stehende Altersteilzeitregelung beinhaltet, sondern nur ddie gesetzlichen Maßgaben teilweise modifiziert. Der Wortlaut dieser Norm kann sowohl in der Weise verstanden werden, die Einführung der Altersteilzeit könne nach Maßgabe des ATG, soweit dieses nicht durch den Tarifvertrag modifiziert wurde, erfolgen. Dies hieße dann, die Begründung eines allein auf das ATG gestützten Altersteilzeitverhältnisses, das die Regelungen des Tarifvertrages, insbesondere hier die höhere Aufstockungszahlung nach § 6 Nr. 1 TV ATZ, nicht beachtete, wäre ausgeschlossen. Die Konjunktion "und" kann aber auch in der Weise verstanden werden, dass dem Arbeitgeber eine alternative Möglichkeit eingeräumt wird, Alterszeitzeit sowohl nach dem Gesetz aber auch nach dem Tarifvertrag einzuführen.

b. § 3 Nr. 1 TV ATZ lautet, soweit hier von Interesse:

"Arbeitgeber und Betriebsrat - soweit ein solcher besteht - beraten über die Möglichkeit der Einführung von Altersteilzeitarbeitsverhältnissen.

In den Beratungen sind die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens/Betriebes und die sozialen Gesichtspunkte der betroffenen Arbeitnehmer/innen zu erörtern.

Im Anschluss daran entscheidet der Arbeitgeber, ob er Altersteilzeit nach diesem Tarifvertrag in seinem Betrieb/Unternehmen einführt. ..."

Auch hieraus erhellt - entgegen der Ansicht des Erstgerichts (Endurteil S. 8, Bl. 72 d. A.) - nicht eindeutig, dass der dem Tarifvertrag unterfallende Arbeitgeber weiterhin allein nach den Maßgaben des ATG Altersteilzeit vereinbaren kann. Die Tarifnorm regelt nur, dass der Arbeitgeber entscheiden kann, ob er Altersteilzeit nach diesem Tarifvertrag einführt; sie regelt allerdings nicht, was gilt, wenn er die tarifliche Altersteilzeit in seinem Betrieb oder Unternehmen nicht einführen will.

Wenn das Arbeitsgericht dem Tarifwortlaut die Aussage, der Arbeitgeber entscheide nach evtl. Beratung mit dem Betriebsrat, "ob er Altersteilzeit nach diesem Tarifvertrag in seinem Betrieb/Unternehmen einführt", einen eindeutigen Erklärungswert dahingehend zumisst, er könne entscheiden, ob er tarifliche Altersteilzeit einführe oder, ob er es beim status quo belassen wolle, der die Ablehnung von Altersteil-zeitarbeitsverhältnissen im Betrieb aber auch die Einführung allein auf gesetzlicher Grundlage ermögliche, so ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm. Dem Arbeitsgericht ist zwar zu konzedieren, dass der Tarifwortlaut das von ihm gefundene Verständnis durchaus einschließen mag, ein Ergebnis, das aber allenfalls nach Auslegung der Norm gewonnen werden kann.

2. Die Tarifauslegung ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil der TV ATZ eine eindeutige Öffnungsklausel dahingehend enthielte, der Arbeitgeber könne mit seinen Arbeitnehmern abweichend vom Tarifvertrag auch Altersteilzeitarbeitsverhältnisse allein gestützt auf das ATG vereinbaren. § 3 Nr. 1 Unterabs. 3 Satz 1 TV ATZ beinhaltet - entgegen der Ansicht der Beklagten - keine derartige Öffnungsklausel.

a. Mit tariflichen Öffnungsklauseln erlauben die Tarifvertragsparteien in bestimmten Fällen "anderen Instanzen", abweichende Regelungen zu setzen (vgl. dazu Däubler in: Däubler (Hrsg.), TVG, 2. Aufl., Einleitung Rz. 144 ff.; Wiede-mann/Thüsing, TVG, 7. Aufl., § 1 Rz. 260 ff.). In der Regel wird sich eine tarifliche Öffnungsklausel nur auf Regelungen anderer Tarifvertragsparteien oder der Betriebspartner beziehen (Däubler, a.a.O., Rz. 144, 145; Wiedemann/Thüsing, a.a.O.). Dennoch kann im Einzelfall auch eine Öffnung zugunsten abweichender arbeitsvertraglicher Regelungen erfolgen (Däubler, a.a.O., Rz. 148), wie sich auch bereits aus § 4 Abs. 3 TVG ergibt (Deinert in: Däubler, a.a.O., § 4 Rz. 553).

b. Eine zum normativen Bereich des Tarifvertrags (§ 4 Abs. 1 TVG) rechnende festgelegte Öffnungsklausel (dazu Deinert, a.a.O., Rz. 558; Lohs, DB 1996, 1722) muss als Ausnahme zu regelmäßig zwingenden Tarifnormen eindeutig - ggf. auch konkludent (Deinert, a.a.O., Rz. 557; Wiedemann/Wank, a.a.O., § 4 Rz. 379; a.M. Löwisch/Rieble TVG, 2. Aufl., § 4 Rz. 217, die eine ausdrückliche Regelung fordern) - zum Ausdruck gebracht werden (Deinert, a.a.O., Rz. 557; Däubler Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz. 185). Daran fehlt es hier. Wenngleich man § 3 Nr. 1 Unterabs. 3 Satz 1 TV ATZ als konkludente Öffnungsklausel verstehen könnte, regelt sie nach dem Vorstehenden (oben B. II. 1.) gerade nicht mit hinreichender Klarheit, was im Falle einer Nichteinführung der "Altersteilzeit nach diesem Tarifvertrag" gelten soll.

3. Die Auslegung des nach dem Vorstehenden nicht eindeutigen Tarifwortlauts ergibt, dass neben der in § 3 Nr. 1 Unterabs. 3 Satz 1 TVG eingeräumten Möglichkeit der Einführung der Altersteilzeit keine weitere Option, allein nach dem Gesetz Altersteilzeitverhältnisse einzuführen, besteht. Den tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien verbleibt allein die Möglichkeit, Altersteilzeitverhältnisse nach den das ATG ergänzenden tariflichen Regelungen zu vereinbaren oder kein Altersteilzeitverhältnis abzuschließen.

a. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den geltenden Regelungen zur Auslegung von Gesetzen. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Es ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu ermitteln, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Auch der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut mit zu berücksichtigen, allerdings nur soweit er in den tariflichen Normen einen Niederschlag gefunden hat (BAG v. 15. 2. 2007 - 6 AZR 773/06, AP BAT SR 2c § 2 Nr. 6 m.w.N.). Ferner ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert. Nur so sind Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend zu ermitteln (std. Rspr. BAG v. 15. 2. 2007, a.a.O.; BAG v. 28. 5. 1989 - 6 AZR 349/96, AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 52). Lassen sich auch daraus keine zweifelsfreien Auslegungsergebnisse erzielen, können - ohne Bindung an eine Reihenfolge - weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages, ggf. eine praktische Tarifausübung, herangezogen werden. Dabei ist jeweils die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG v. 15. 2. 2007, a.a.O.; BAG v. 1. 6. 2006 - 6 AZR 37/06, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bühnen Nr. 15; BAG v. 5. 10. 1999 - 4 AZR 578/98, AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15).

b. Der Wortlaut des TV ATZ ist nicht eindeutig. Aus ihm ist nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, inwieweit die Tarifvertragsparteien neben der Möglichkeit nach dem TV ATZ Altersteilzeit einzuführen, dem Arbeitgeber auch die Möglichkeit, allein auf der Basis des ATG Altersteilzeitverhältnisse abzuschließen, eingeräumt haben. Doch deutet mehr darauf hin, dass tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien nur nach dem Tarifvertrag Altersteilzeitverhältnisse begründen können sollen.

aa. Wenn § 2 TV ATZ besagt, bei Geltung dieses Tarifvertrages könnten Arbeitnehmer und Arbeitgeber Altersteilzeitverhältnisse nach Maßgabe des ATG und der nachfolgenden Bestimmungen (sic.: dieses Tarifvertrages) vereinbaren, kann der Gebrauch der Konjunktion "und" verbindend im Sinne eines "plus" verstanden werden, aber auch nebenordnend, in der Bedeutung eines "außerdem" (vgl. Bertelsmann, Synonymwörterbuch, 2000, Sichtwort "und"). Im erstgenannten Sinn bedeutete dies, Altersteilzeitverhältnisse könnten nur unter gleichzeitiger Beachtung der gesetzlichen und der tariflichen Voraussetzungen, anders ausgedrückt, unter Beachtung der gesetzlichen Regelungen, soweit diese nicht durch die tariflichen geändert worden waren, abgeschlossen werden. Danach bestünde daneben keine weitere Möglichkeit, Altersteilzeitverhältnisse allein auf gesetzlicher Grundlage zu vereinbaren. Der zweitgenannte Bedeutungsgehalt geht dahin, Altersteilzeitverhältnisse könnten nach Maßgabe des Gesetzes, außerdem aber auch nach den Bestimmungen dieses Tarifvertrages abgeschlossen werden. Im Sinne dieses weiteren Verständnisses hätten die Vertragsparteien mehrere (zwei) Optionen nebeneinander.

Ausgehend von der Verwendung des Wortes "und" im allgemeinen Sprachgebrauch und dem allgemeinen Wortsinn spricht mehr für den zunächst angesprochenen Bedeutungsgehalt, dass die gesetzlichen und die tariflichen Maßgaben bei der Vereinbarung von Altersteilzeit jeweils gleichzeitig und zusammen zu beachten sind. Welcher Bedeutung letztlich der Vorzug gebührt, kann dem Tarifwortlaut dennoch nicht eindeutig entnommen werden. Zwar hätten die Tarifvertragsparteien, hätten sie eine alternative Begründungsmöglichkeit des Altersteilzeitverhältnisses festlegen wollen, dies deutlicher zum Ausdruck bringen können, etwa dergestalt, Altersteilzeitverhältnisse könnten auf Grund des Gesetzes, außerdem nach den Vorschriften des Tarifvertrages abgeschlossen werden oder, Altersteilzeitverhältnisse könnten sowohl auf Grund Gesetzes, als auch nach den Bestimmungen des Tarifvertrages vereinbart werden. Dass dies so nicht formuliert worden war, stellt aber nach Ansicht der Kammer - ohne weitere Anhaltspunkte - keinen eindeutigen Beleg für die vorgenannte erste Auslegungsalternative dar. Gerade im Zuge längerer Tarifverhandlungen kann nicht generell unterstellt werden, dass jedem Wort in dem zumeist vorliegenden Tarifkompromiss jeweils auch die dem allgemeinen Sprachgebrauch zuzumessende Bedeutung bei der Formulierung des jeweiligen Textes zugrunde gelegt worden war.

bb. Aber auch der Wortlaut des § 3 TV ATZ ergibt nicht eindeutig, inwieweit, soll Altersteilzeit im Betrieb oder Unternehmen eingeführt werden, dies nur auf Grundlage des Tarifvertrages, also mit der höheren Aufstockungszahlung nach § 6 Nr. 1 TV ATZ, erfolgen kann. Die Formulierung, der Arbeitgeber entscheide, "ob er Altersteilzeit nach diesem Tarifvertrag in seinem Betrieb/Unternehmen" einführe, regelt per se nur eine Dispositionsbefugnis des Arbeitgebers, inwieweit er die tariflichen Regelungen zur Anwendung bringen will. Offen bleibt, welche Folge die Nichteinführung der tariflichen Altersteilzeit zeitigt, d.h. inwieweit er dann noch frei ist, Altersteilzeitverhältnisse nach dem Gesetz abzuschließen. Die Formulierung kann sowohl bedeuten, der Arbeitgeber entscheidet, ob er nach dem Tarifvertrag Altersteilzeit gewähren will, verneinendenfalls verbleibt es bei der Lage ohne den Tarifvertrag, d.h. er kann es generell ablehnen, Altersteilzeit im Betrieb oder Unternehmen einzuführen oder diese nach dem ATG vereinbaren. Sie kann aber auch dahingehend verstanden werden, bei gegebener Tarifbindung könne der Arbeitgeber nur mehr entscheiden, Altersteilzeit nach dem TV ATZ oder keine Altersteilzeit einzuführen.

c. Der Bedeutungsgehalt der tariflichen Vorschriften spricht - unter Beachtung des im Tarifwortlaut zum Ausdruck kommenden Willens der Tarifvertragsparteien und des telos der tariflichen Bestimmungen - nach Ansicht der Kammer dafür, dass die Tarifvertragsparteien eine speziellere Regelung schaffen wollten, soweit bei ihnen organisierte Vertragsparteien Altersteilzeitverhältnisse begründen wollen. Nur so ist dem Tarifvertrag ein eigener Anwendungsbereich belassen.

aa. Sinn und Zweck des Tarifvertrages sprechen - auch unter Beachtung des Gesamtzusammenhanges - für die Schaffung einer eigenständigen tariflichen Regelung der Altersteilzeit, die daneben die Vereinbarung von Altersteilzeitverhältnissen nur auf gesetzlicher Basis ausschließt. Nur auf diese Weise verbleibt dem Tarifvertrag ein eigenständiger Anwendungsbereich. Der Arbeitgeber kann dann zwar, wie auch auf Grund des Gesetzes, über das "Ob" der Einführung von Altersteilzeit entscheiden, nicht aber, ob ein Tarifvertrag, dem er kraft Verbandszugehörigkeit unterfällt, tatsächlich in seinem Betrieb oder Unternehmen zur Anwendung gelangt.

Verstünde man den Tarifwortlaut im Sinne einer Wahlmöglichkeit des Arbeitgebers, ob er auf gesetzlicher oder tariflicher Grundlage Altersteilzeit im Betrieb oder Unternehmen einführt, bestimmte er letztlich, ob der auch für ihn nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG verbindliche Tarifvertrag im Betrieb zur Anwendung gelangt. Damit handelte es sich um einen - ersichtlich - singulären Fall, dass eine tarifunterworfene Partei über den in Vollmitgliedschaft erfolgten Verbandsbeitritt hinaus eine weitere Entscheidungsbefugnis hätte, inwieweit vom Verband abgeschlossene Tarifwerke tatsächlich im Betrieb/Unternehmen bzw. im einzelnen Arbeitsverhältnis zur Geltung kommen. Nimmt man dagegen an, der Arbeitgeber könne lediglich entscheiden, ob er Altersteilzeit einführe, bejahendenfalls müsse er dies aber auf der Basis des durch den Tarifvertrag modifizierten und/oder ergänzten Gesetzes tun, liegt es zwar auch in seiner Entscheidung, ob die tariflichen Normen zur Anwendung gelangen, doch nur auf Grund der Ausübung eines tariflich eingeräumten Wahlrechts. Er entscheidet dann nur über das "Ob" der Altersteilzeit im Betrieb oder Unternehmen, nicht mehr aber über das "Wie", das bei Einführung dieser Rechtsverhältnisse zwingend durch den Tarifvertrag vorgegeben ist. Der Tarifvertrag selbst, dem der Arbeitgeber nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG unterfällt, kommt dann gerade zur Anwendung, selbst wenn letztlich keine Altersteilzeitvereinbarungen angeschlossen werden.

bb. Die Annahme einer generellen Anwendbarkeit des Tarifvertrags - unabhängig von der Entscheidung des Arbeitgebers nach § 3 Nr. 1 TV ATZ - entspricht auch am ehesten dem Zweck des Tarifvertrags zur Förderung der Altersteilzeit. Dadurch soll den Arbeitnehmern, die Altersteilzeitarbeitsverhältnisse abschließen möchten - für den Fall des Einverständnisses des Arbeitgebers - unabhängig von ihrem Verhandlungsgeschick eine feste Aufstockungszahlung zugewandt werden.

aaa. Altersteilzeitverhältnisse können als geförderte und nicht geförderte Verträge abgeschlossen werden. Soweit keine Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgen soll, bedarf es keiner Aufstockungszahlungen auf die Altersteilzeitvergütung (arg. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ATG; vgl. auch Dörner in: Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 5. Aufl., D Rz. 2741).

Altersteilzeit weist zahlreiche gesetzliche Vergünstigungen auf. Insbesondere ist der zu zahlende Aufstockungsbetrag steuerfrei (§ 3 Nr. 28 EStG) und unterliegt allein dem Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG). Die durch den Arbeitgeber zusätzlich an die gesetzliche Rentenversicherung abzuführenden Beiträge gleichen die durch die vorzeitige Verringerung der Arbeitszeit oder das vorzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entstehenden Nachteile des Arbeitnehmers, der eine nahezu ungeschmälerte Rente erhält, in der Rentenversicherung weitgehend aus. Ferner kann nach mindestens zweijähriger Dauer der Altersteilzeit eine Rente nach Altersteilzeitarbeit in Anspruch genommen werden (§ 237 SGB VI). Zudem ermöglicht § 7 Abs. 1a SGB IV im Blockmodell die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses auch als Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Sozialrechts, da die Freistellungszeiten trotz fehlender Beschäftigung als Versicherungszeiten rechnen. Diese angeführten Leistungen können nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ansonsten ist zu besorgen, der zuständige Sozialversicherungsträger nimmt die zusätzlich abgeführten Rentenbeiträge nicht an, lehnt die Gewährung der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit ab oder berücksichtigt Freistellungszeiten im Blockmodell nicht als Beschäftigungszeit im Sinne des Rentenrechts (BAG v. 23. 1. 2007 - 9 AZR 393/06, AP ATG § 2 Nr. 8; BAG v. 11. 4. 2006 - 9 AZR 369/05, AP ATG § 2 Nr. 7; BAG v. 10. 2. 2004 - 9 AZR 401/02, AP BGB § 119 Nr. 15). Dies steht aber, will man seitens des Arbeitgebers auf die Förderung der Bundesagentur nach § 4 ATG verzichten und nimmt man seitens des Arbeitnehmers die aufgezeigten (möglichen) Nachteile in Kauf, einer Altersteilzeitvereinbarung ohne Aufstockungszahlung nicht entgegen.

Nur dann, wenn eine Förderung der Bundesagentur erfolgen soll (§ 4 ATG) ist zwingend u.a. nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ATG eine (bestimmte) Aufstockungszahlung auf das Altersteilzeitentgelt zu gewähren (Rolfs in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht [ErfK], 7. Aufl., § 3 ATG Rz. 1; Rittweger, ATG, 2. Aufl., § 3 Rz. 5). Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 ATG ist eine fortlaufende Zahlung des Altersteilzeitentgelts und der Aufstockungszahlung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ATG zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ATG zur Vereinbarung von Altersteilzeit als solcher bei unregelmäßiger Verteilung der Arbeitszeit geboten. Dieser Aufstockungsbetrag muss nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ATG mindestens 20 % des regelmäßig anfallenden Nettoarbeitsentgelts betragen. Bei geringerem Aufstockungsbetrag kommt es nicht zur Förderung mit den aufgezeigten möglichen Nachteilen, im Falle der Vereinbarung eines höheren Aufstockungsbetrages, so zahlt die Bundesagentur maximal den 20 % des Regelarbeitsentgelts entsprechenden Betrag.

bbb. Der TV ATZ fördert in diesem Sinne die Altersteilzeit, da bei deren Einführung nach dem Tarifvertrag einerseits dem Arbeitgeber die Förderung durch die Bundesagentur - jedenfalls nach der Höhe der Aufstockungszahlung - gesichert ist, andererseits sich die Altersteilzeit für den Arbeitnehmer infolge der in § 6 Nr. 1 TV ATZ vorgesehen Aufstockungszahlung auch rechnet. Nach der Gesetzeslage muss ein Arbeitnehmer zwar nicht unbedingt verhandeln, um ein gefördertes Altersteilzeitverhältnis vereinbaren zu können; dieses liegt bereits im Interesse des Arbeitgebers. Allerdings bedarf es sicherlich der Verhandlung und vor allem des Verhandlungsgeschicks, eine höhere Aufstockungszahlung, als in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ATG mindestens vorgesehen, zu erhalten. Einer solchen bedarf es in den meisten Fällen, damit sich die Altersteilzeit für ihn rechnet (vgl. Rolfs in: ErfK, a.a.O., § 1 ATG Rz. 3).

Dem kann nicht entgegengehalten werden, wenn sich der Arbeitgeber die höhere Aufstockung wirtschaftlich nicht leisten kann, werde er Altersteilzeit ablehnen; dann komme es gerade zu keiner Förderung der Altersteilzeit. Für sich genommen mag das Argument zwar zutreffen. Doch erstrebt der TV ATZ ersichtlich keine Förderung der Altersteilzeit "um jeden Preis", sondern nur zu für beide Arbeitvertragsparteien verträglichen Bedingungen. Nicht nur der Arbeitgeber soll in den Genuss der Erstattungsleistungen der Bundesagentur kommen, sondern auch die Arbeitnehmer sollen ein für sie wirtschaftlich erträgliches Altersteilzeitarbeitsverhältnis vereinbaren können. Ist dies nicht gewährleistet, so ist es sozial verträglicher, eben keine Altersteilzeitvereinbarung abzuschließen.

cc. Das hier vertretene Ergebnis, dass die tarifgebundene Beklagte nur auf der Basis des Tarifvertrags Altersteilzeit einführen konnte, spricht des weiteren, dass der Tarifvertrag, verstünde man §§ 2, 3 Nr. 1 TV ATZ im Sinne des Erstgerichts, weitgehend leer liefe.

Könnte der Arbeitgeber trotz des auf ihn bzw. seinen Betrieb oder sein Unternehmen anwendbaren Tarifvertrag entscheiden, ob er nach diesem oder auf alleiniger gesetzlicher Grundlage Altersteilzeit mit den Arbeitnehmern vereinbart, wird er wohl in den allermeisten Fällen die gesetzliche Variante wählen, mit der er eine geringere als die tarifliche Aufstockungszahlung vereinbaren kann. Altersteilzeit auf der Basis des TV ATZ käme dann wohl nur in den Fällen zustande, da der Arbeitgeber - etwa in einem überalterten Betrieb - die älteren Arbeitnehmer im Wege der Altersteilzeit "abbauen" will oder muss und diese nicht bereit sind, Altersteilzeit zu den gesetzlichen Mindestbedingungen zu vereinbaren. Dafür bedürfte es der tariflichen Regelung aber nicht. Denn § 3 Abs. 1 Nr. 1 ATG legt nur einen Mindestaufsto-ckungsbetrag fest. Auch auf gesetzlicher Grundlage könnte der Arbeitgeber, will er unbedingt ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis vereinbaren, dazu nicht entschlossene Arbeitnehmer mit einer höheren Zahlung "locken".

dd. Der Wille der Tarifvertragsparteien steht dem hier vertretenen Verständnis nicht entgegen. Denn ein gegen das gewonnene Auslegungsergebnis sprechender Wille der Tarifvertragsparteien hat jedenfalls im Wortlaut des TV ATZ keinen Niederschlag gefunden, dass dieser bei Anwendung des Vertragswerkes zu berücksichtigen wäre.

aaa. Vorliegend bedurfte es zur Erforschung des Willens der Tarifvertragsparteien keiner Tarifauskunft. Die Stellungnahmen der beiden Verhandlungsführer lagen dem Gericht vor. Es stand nicht zu erwarten, im Falle einer weiteren Tarifauskunft wären weitere oder andere als die dort bereits angesprochenen Gesichtspunkte vorgebracht worden.

bbb. Nach der Stellungnahme des Verhandlungsführers der Arbeitgeberseite, Berthold Wesle (Bl. 25 ff. d. A.), hatte dieser den Tarifvertrag in Anlehnung an die Eckdaten des TV Altersteilzeit NRW verfasst und mit der Gewerkschaft ver.di abgestimmt. Einige wenige streitige Punkte, die Herrn Wesle bei Abgabe der Stellungnahme nicht mehr erinnerlich waren, hatte man telefonisch besprochen, ehe der Text unterzeichnet worden war.

Inhaltlich führt Herr W. an, nach § 3 TV ATZ entscheide der Arbeitgeber, ob er Altersteilzeit "nach diesem Tarifvertrag" einführen wolle. Dies lasse auch die Möglichkeit zu, Altersteilzeit nach dem Gesetz einzuführen. In keine Phase der Tarifverhandlungen habe man in irgendeiner Weise ausgeschlossen, dass auch nach dem Gesetz Altersteilzeit eingeführt werden könne. In § 2 TV ATZ bestätige sich dies, wenn Altersteilzeit nach der Maßgabe des ATG und den tariflichen Bestimmungen eingeführt werden könne. Im Wort "und" komme die alternative Möglichkeit der Einführung tariflicher, daneben aber auch nur gesetzlicher Altersteilzeit zum Ausdruck. Seine besondere Aufmerksamkeit habe der Einräumung größtmöglicher Handlungsfreiheit für den Arbeitgeber gegolten.

Demgegenüber führt die Verhandlungsführerin der Gewerkschaft ver.di, H., aus (Bl, 37 ff. d. A.), bei den Tarifverhandlungen über Altersteilzeit habe die Gewerkschaft über die Blockfreizeit als Gegenmodell zur reinen Teilzeit, über die Bedingungen der Altersteilzeit und einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit verhandelt. Letzterer habe sich wegen unregelmäßiger Schichtarbeit in den Zeitschriftenverlagen nicht realisieren lassen. Die anderen beiden Punkte hätten als zentrale Punkte im Mittelpunkt gestanden. Es sei dabei, wenn es keinen Rechtsanspruch gebe, analog anderer Medienbereiche, vereinbart worden, tarifgebundene Betriebe hätten, sofern sie Altersteilzeit anböten, die Regularien des Tarifvertrages zu beachten. Die Freiheit des Arbeitgebers habe darin bestanden, Altersteilzeit anzubieten oder zu verweigern. Ein Rückzug auf tarifliche Regelungen sollte ausgeschlossen sein; diesen hätte der Arbeitgeber auch ohne Tarifvertrag vornehmen können.

ccc. Nach diesen sich widersprechenden Darstellungen kann nicht von einen bestimmten übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien ausgegangen werden; zumindest ist ein solcher nicht ersichtlich. Allenfalls wird, ausgehend von Herrn Wes-les Darstellung, deutlich, dass man über die Frage einer neben der tariflichen Altersteilzeit fortbestehenden Möglichkeit, nach dem ATG Altersteilzeit zu gewähren, nicht verhandelt hatte. Er führt klar aus, man habe über den Ausschluss der Einführung von Altersteilzeit nach dem ATG nicht gesprochen. Dies bedingt aber keineswegs, dass damit kein solcher Ausschluss - etwa durch die anders lautende Formulierung der letztlich vereinbarten Bestimmungen des Tarifvertrags - erfolgt war.

Die Interpretation der §§ 2, 3 TV ATZ durch Herrn W. erfolgt rückschauend, wie er die Vorschriften gerne verstehen möchte. Konkrete Verhandlungsstandpunkte der beiden Seiten und deren ggf. erfolgte Auflösung durch eine bestimmte Formulierung, bietet er nicht als Interpretationshilfe. Insbesondere beim Wort "und" wählt er eine zwar denkbare, aber doch vom üblichen Sprachgebrauch abweichende Interpretation, die einer gewissen Fundierung in den Verhandlungen, an die er sich gerade nicht mehr erinnern kann, bedurft hätte.

Das Beachten der größtmöglichen Freiheit des Arbeitgebers zwingt nicht zur Interpretation von Herrn W.. Die größt-"mögliche" Freiheit ist einmal die Freiheit, welche die Verhandlung und das Verhandlungsgeschick des jeweiligen Verhandlungspartners zulässt. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber durchaus eine als größtmögliche Freiheit zu verstehende Position behalten, nämlich über die Frage der Einführung der Altersteilzeit in seinem Betrieb oder Unternehmen frei zu entscheiden.

Doch auch aus der Stellungnahme von Frau H. kann nicht auf einen bestimmten, den vereinbarten Bestimmungen zugrunde liegenden gemeinsamen Willen geschlossen werden. Sie legt allein die Verhandlungspunkte der Gewerkschaft dar, ohne aber näher auszuführen, wie die Verhandlungen im Einzelnen zu den Ausgangsstandpunkten verlaufen waren. Zwar erhellen ihre Ausführungen die gewerkschaftliche Position; auch wird deutlich, dass ein Tarifvertrag mit den Grundideen der von Herrn Wesle dargestellten Interpretation überflüssig wäre. Daraus kann man zwar entnehmen, dass sich die gewerkschaftlichen Positionen - zumindest nach ihrer Einschätzung - durchgesetzt haben. Dass man unterschiedliche Grundauffassungen im Verhandlungswege ausgeräumt und einen Konsens auch hierüber gefunden hatte, wird nicht einmal ansatzweise dargestellt.

ddd. Nach alledem ist nicht davon auszugehen, dass ein bestimmter übereinstimmender Wille der Tarifpartner der von der Kammer gefundenen Auslegung entgegenstand. In den hier zugrunde liegenden streitigen Auslegungspunkten hatte man wohl - aus welchen Gründen auch immer - keinen übereinstimmenden Willen gebildet. Demnach bedarf es keiner weiteren Betrachtung, inwieweit ein Konsens der Tarifvertragsparteien im Tarifwortlaut seinen Niederschlag gefunden hat.

ee. Das Verständnis, der (tarifgebundene) Arbeitgeber könne frei entscheiden, ob er Altersteilzeit in seinem Betrieb oder Unternehmen einführen wolle, führe er sie ein, ist er aber an die tariflichen Bestimmungen gebunden, bildet schließlich auch eine praktisch handhabbare Regelung. Arbeitnehmer haben keinen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit, weswegen der Arbeitgeber auch nicht entgegen evtl. bestehenden wirtschaftlichen Zwängen zur Einführung von Altersteilzeit gezwungen werden kann. Er hat die Letztentscheidung über die Einführung. Führt er sie ein, ist er an die tariflichen Modifikationen des Gesetzes gebunden. Dies macht in der Gesamtsicht durchaus Sinn, da nur so der Tarifvertrag überhaupt eine nennenswerte Bedeutung erlangen kann. Andernfalls entscheiden auch tarifgebundene Arbeitgeber im Endeffekt über die tatsächliche Geltung des Tarifvertrags in ihrem Betrieb oder Unternehmen, an den sie aber bereits kraft Verbandszugehörigkeit gebunden sind (vgl. dazu bereits oben B. II. 3. c., insbes. cc.).

4. Der von der Beklagten zu leistende Aufstockungsbetrag ergibt sich aus § 6 Nr. 1 TV ATZ.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

D. Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Auslegungsfrage zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbG).

Ende der Entscheidung

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