Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 28.02.2001
Aktenzeichen: 7 Sa 451/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 612 Abs. 1
Kein Anspruch des leitenden Abteilungsarztes (Chefarztes) auf Vergütung für Bereitschaftsdienste, wenn arbeitsvertraglich lediglich Rufbereitschaft vorgesehen war und eine Vereinbarung zur Leistung von Bereitschaftsdiensten nicht getroffen worden ist.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 Sa 451/00

Verkündet am: 28. Februar 2001

In dem Rechtsstreit

hat die Siebte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2001 durch den Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Reuss sowie die ehrenamtlichen Richter Butz und Helmprecht für Recht erkannt:

Tenor: 1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 07.12.1999 - 7 Ca 461/97 L - abgeändert.

2. Die Klage wird insoweit abgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

4. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten, soweit für das Berufungsverfahren maßgeblich, über die Vergütung des Klägers für Bereitschaftsdienste aus dem Jahre 1995.

Der Kläger ist promovierter Arzt für Frauenheilkunde und seit dem 1. Januar 1995 als leitender Abteilungsarzt (Chefarzt) der geburtshilflichen gynäkologischen Abteilung des von dem beklagten Landkreis betriebenen Kreiskrankenhauses D. beschäftigt.

Eine beiderseitige Tarifbindung besteht nicht.

Die Parteien haben in § 1 Abs. 2 des Dienstvertrages vom 11. November 1994 (Bl. 6/11 d. A.) lediglich einige Bestimmungen des BAT (§§ 6-10; 13; 14; 18 Abs. 3; 36; 37 Abs. 1; 38; 48; 52; 66; 70) in Bezug genommen.

Die Aufgabenstellung des Klägers ist in §§ 3 ff. des Dienstvertrages umschrieben. In § 3 Abs. 2 des Dienstvertrages heißt es:

Der Arzt hat organisatorisch den Bereitschaftsdienst und die Rufbereitschaft in seiner Abteilung sicherzustellen. Der Arzt ist verpflichtet, an der Rufbereitschaft seiner Abteilung turnusgemäß im Wechsel mit den übrigen hierfür vorgesehenen Gebietsärzten seiner Abteilung teilzunehmen.

Die Vergütungsregelung ergibt sich aus § 8 des Dienstvertrages (Abs. 1: Vergütung nach Vergütungsgruppe I BAT; Abs. 2: Liquidationsrecht). Abs. 7 und 8 des Paragraphen sehen folgende Regelung vor:

(7) Mit der Vergütung nach Abs. 1 und der Einräumung des Liquidationsrechts nach Abs. 2 sind Überstunden, sowie Mehr-, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit jeder Art, sowie Rufbereitschaft abgegolten, soweit in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart ist.

(8) Der Arzt erhält für tatsächlich geleistete Rufbereitschaft, sowie für aus der Rufbereitschaft heraus angefallene Arbeit eine Vergütung nach § 15 Abs. 6b BAT, jedoch nur in dem Umfang, in dem die rechnerisch festgestellte Rufbereitschaftsvergütung die tatsächlich aus gezahlten Einnahmen des Arztes aus § 8 Abs. 2 sowie aus dem Liquidationsrecht im Nebentätigkeitsbereich, jeweils nach Abzug des Nutzungsentgelts in einem Kalenderjahr übersteigt.

Der Anspruch auf Auszahlung der Rufbereitschaftsvergütung wird gleichzeitig mit dem Gehalt fällig; die Zahlung gilt als Vorschuss auf die eingehenden Liquidationseinnahmen. Der Krankenhausträger ist berechtigt, eingehende Liquidationsmaßnahmen mit der gezahlten Rufbereitschaftsdienstvergütung zu verrechnen. Die Endabrechnung erfolgt nach Ablauf eines Kalenderjahres.

Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und bei Arbeitsantritt des Klägers war die geburtshilfliche gynäkologische Abteilung des Kreiskrankenhauses D. nur ungenügend ausgelastet und - außer dem Chefarzt - mit einem Oberarzt, einer Assistenzärztin und einem Arzt im Praktikum besetzt. Mit Schreiben des Landrats T. vom 11. November 1994 (Bl. 409/410 d. A.) war dem Kläger eine personelle Verstärkung seiner Abteilung zugesagt worden.

Die Vergütung des Klägers als Oberarzt in seiner vorherigen Stellung im Kreiskrankenhaus D. belief sich im Jahre 1994 auf DM 182.056,35 brutto. Diese Vergütung zuzüglich DM 12.000,-- war dem Kläger als Mindestvergütung vom beklagten Landkreis zugesagt worden. Eine Sonderregelung betraf lediglich die vom Kläger zu leistenden Rufbereitschaftsdienste. Im Jahre 1995 erzielte der Kläger - einschließlich seiner Liquidationseinnahmen - ein Jahreseinkommen in Höhe von DM 222.787,20.

Der Kläger hatte im Jahre 1995 im Schwesternwohnheim auf dem Krankenhausgelände eine Wohnung, von wo aus er seine jeweiligen Bereitschaftsdienste wahrnahm.

Für seine Abteilung hatte der Kläger monatlich Dienstpläne einschließlich der jeweiligen Arbeitseinsätze in Rufbereitschaft (sog. Hintergrundsdienst) und später auch in Bereitschaft (sog. Vordergrunddienst) bei der Verwaltung des Kreiskrankenhauses eingereicht (vgl. hierzu K4 = Bl. 24/32 d. A. und K5 - Bl. 33/47 d. A.). Der Kläger erhielt monatlich zu seiner BAT-Vergütung Abschläge auf die Gesamtvergütung. Die jeweiligen Rufbereitschaften wurden demgegenüber nicht gesondert abgerechnet. Ein Rechtsstreit wegen zusätzlicher Vergütung von Rufbereitschaften wurde zu Lasten des Klägers entschieden (7 Ca 260/97 L = 6 Sa 338/99).

Mit der vorliegenden Klage vom 2. Mai 1997 beansprucht der Kläger für das Jahr 1995 eine Vergütung für - neben der Rufbereitschaft - geleisteten Bereitschaftsdienste in Höhe von DM 33.107,20 abzgl. bereits gezahlter DM 10.000,-- (vgl. zu den gezahlten DM 10.000,-- das Schreiben des Landrats T. vom 16. November 1995 - Bl. 12 d. A.), somit DM 23.107,20 (50 Bereitschaftsdienste der Stufe B á 16 Stunden und 20 Bereitschaftsdienste der Stufe B á 24 Stunden; wegen der Aufstellung der Bereitschaftsdienste des Klägers im Jahre 1995 wird auf den Schriftsatz vom 8. Juli 1997 - Bl. 19/22 d. A. - mit Anlagen - Bl. 24/47 d. A. - verwiesen).

Der Kläger macht geltend, er habe einen Bereitschaftsdienst für seine geburtshilfliche gynäkologische Abteilung zur medizinischen Versorgung der Patientinnen vorhalten müssen. Der fachübergreifende Bereitschaftsdienst der chirurgischen Abteilung, wie ihn angeblich der Beklagte angeordnet habe, sei faktisch nicht vorhanden und fachlich zur Leistung von Bereitschaftsdiensten in seiner Abteilung auch gar nicht in der Lage gewesen.

Obwohl er vertraglich zur Leistung von Bereitschaftsdiensten nicht verpflichtet gewesen sei, habe er wegen der Personalengpässe seines nachgeordneten ärztlichen Dienstes selbst Bereitschaftsdienst in erheblichem Umfang leisten müssen. Wegen des zu erwartenden Arbeitsanfalls habe in seiner Abteilung auch nicht nur Rufbereitschaft angeordnet und erbracht werden können. Den Personalnotstand und die Vergütung seiner Bereitschaftsdienste habe er immer wieder in zahlreichen Schreiben und Gesprächen, besonders seit Juli 1995 beim Landrat des beklagten Landkreises angemahnt. Damit seien auch die tariflichen Ausschlussfristen gewahrt. Im Übrigen habe der Beklagte seine Ansprüche durch Zahlung von DM 10.000,-- anerkannt. Landrat T. habe eine Vergütungsverpflichtung gesprächsweise grundsätzlich zugesagt. Über die Einzelheiten der Dienstleistungen sei der Beklagte durch die Dienstpläne informiert gewesen. Er habe die geleisteten Bereitschaftsdienste widerspruchslos hingenommen.

Der Kläger stellte erstinstanzlich, soweit für das Berufungsverfahren von Belang, den Antrag:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 23.107,20 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Klageerhebung zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er bestreitet grundsätzlich die Angaben des Klägers zu dem von ihm geleisteten Bereitschaftsdienst. Ein Bereitschaftsdienst sei für die Abteilung des Klägers und insbesondere für diesen selbst nicht angeordnet worden. Der Bereitschaftsdienst werde auf Anordnung des Dienstherrn fachübergreifend von der chirurgischen Abteilung wahrgenommen. Dies sei aus medizinischen und betrieblichen Gründen auch nicht zu beanstanden. Der Kläger habe lediglich in seiner Abteilung Rufbereitschaftsdienst leisten müssen, wozu er sich vertraglich verpflichtet habe. Der Kläger habe sich auch nicht auf Anordnung des Dienstherrn im Krankenhaus aufgehalten, sondern in seiner eigenen Wohnung. Ein Bereitschaftsdienst durch den Kläger sei weder notwendig gewesen noch geduldet worden. Es habe auch keine Vergütungszusage oder gar eine schriftliche Nebenabrede gegeben. Auch die Zahlung von DM 10.000,-- sei ohne Anerkennung einer Verpflichtung, sondern allein wegen des persönlichen Einsatzes des Klägers für den Aufbau seiner Abteilung erfolgt. Im Übrigen sei mit dem Kläger keine feste Arbeitszeit vereinbart worden. So habe auch der Kläger während der übrigen Dienstzeiten des Krankenhauses seine private ambulante Praxis in seiner Abteilung betreiben können. Darüberhinaus sei Mehrarbeit etc. mit seiner vertraglichen Vergütung ausdrücklich nach den Vereinbarungen der Parteien abgegolten.

Im Übrigen seien auch zumindest teilweise die tariflichen Ausschlussfristen nicht eingehalten worden.

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 7. Dezember 1999, das an den Beklagten am 7. April 2000 zugestellt worden ist, nach Einvernahme der Zeugen F., Dr. H. (Sitzungsniederschrift vom 9. Dezember 1997 - Bl. 125/129 d. A.) und Dr. W. sowie Prof. Dr. W. als Sachverständigen (Sitzungsniederschrift vom 11. Mai 1999 - Bl. 236/240 d. A.) dem Klagebegehren entsprochen und den Beklagten zur Zahlung von DM 23.102,20 verurteilt.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner am 8. Mai 2000 (Montag) eingelegten und am 5. Juli 2000 innerhalb der bis zum 6. Juli 2000 verlängerten Frist begründeten Berufung, mit der der Beklagte die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und die Abweisung der Klage insoweit begehrt.

Der Kläger bittet um Zurückweisung der Berufung.

Die Parteien haben in der Berufungsinstanz ihr erstinstanzliches Vorbringen im Wesentlichen vertiefend wiederholt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Sie führt zur Abänderung des Arbeitsgerichtlichen Teilurteils und zur Abweisung der Klage insoweit.

Denn der Kläger kann eine Vergütung seiner "Bereitschaftsdienste" nicht verlangen.

1. Der Kläger hat keinen unmittelbaren tariflichen Anspruch auf Vergütung von Bereitschaftsdiensten - ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankäme, ob der Kläger überhaupt "Bereitschaftsdienst" im tariflichen Sinne geleistet hat. Denn der BAT findet mangels beiderseitiger Tarifbindung keine Anwendung und gilt darüberhinaus nach § 3i BAT unter anderem nicht für leitende Ärzte (Chefärzte). Der Kläger wurde als leitender Abteilungsarzt (Chefarzt) bei dem beklagten Landkreis eingestellt und beschäftigt.

2. Ein mittelbarer tariflicher Anspruch scheidet aus. Denn die entsprechenden Regelungen des BAT - mit Anlage 2c - SR 2c - sind einzelvertraglich in § 1 Abs. 2 des Dienstvertrages ausdrücklich nicht in Bezug genommen worden. Darüberhinaus fehlt auch eine (konstitutive) schriftliche Nebenabrede zur Einstufung der Bereitschaftsdienste.

3. Ein Anspruch, gestützt auf allgemeine arbeitsrechtliche und rechtliche Bestimmungen kommt ebenfalls nicht in Betracht.

a) Die Berufungskammer vermag sich der Ansicht des Arbeitsgerichts, der Kläger können einen Anspruch auf Vergütung seiner "Bereitschaftsdienste" auf § 612 Abs. 1 BGB stützen, nicht zu folgen.

Zunächst stellt sich der vom Kläger als "Bereitschaftsdienst" bezeichnete Dienst nicht als Bereitschaftsdienst im Sinne der allgemeinen Definition, wie sie auch von § 15 Abs. 6a BAT verwendet wird, dar. Danach handelt es sich um Bereitschaftsdienst, wenn der Angestellte sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten muss, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen. Der Beklagte als Dienstherr hat aber für die Abteilung des Klägers und insbesondere für diesen selbst als Chefarzt der Abteilung ausdrücklich keinen Bereitschaftsdienst angeordnet.

Nach dem Willen und der Vorstellung des Beklagten, die dem Kläger durchaus bekannt war, sollte für die geburtshilfliche gynäkologische Abteilung der Bereitschaftsdienst fachübergreifend von der chirurgischen Abteilung mit geleistet werden. Ob eine solche Anordnung im Hinblick auf die - damals - geringe Größe und Auslastung der geburtshilflichen gynäkologischen Abteilung und aus medizinisch-fachlicher Sicht zulässig war, ob de facto die chirurgische Abteilung einen Bereitschaftsdienst durchführte oder lediglich vom Kläger nur zum "Hakenhalten" beansprucht wurde, ist für die Beurteilung der Frage, ob eine Anordnung zur Leistung von Bereitschaftsdienst erfolgte, nicht entscheidend. Auch der Kläger konnte nach Maßgabe seines Dienstvertrages - § 3 Abs. 2 - für sich selbst einen Bereitschaftsdienst nicht anordnen. Denn diese vertragliche Bestimmung setzt gerade voraus, dass ein Bereitschaftsdienst eingerichtet ist, den der Kläger "organisatorisch sicherzustellen" hat. Ein Bereitschaftsdienst für die Ärzte der Abteilung des Klägers war von dem Beklagten jedoch nicht vorgesehen. Vielmehr hatte der Beklagte lediglich vorgesehen, dass für den fachärztlichen Dienst in der Abteilung des Klägers eine Rufbereitschaft, ein sog. Hintergrunddienst, ausreichend sei, wenn fachübergreifend die chirurgische Abteilung den Bereitschaftsdienst durchführte. Damit mag der Beklagte gegen tarifliche Vorgaben verstoßen haben. Denn nach den tariflichen Bestimmungen, an die der Beklagte zumindest im Hinblick auf den nachgeordneten ärztlichen Dienst gebunden ist, darf der Arbeitgeber Rufbereitschaft nur anordnen, wenn erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen Arbeit zu leisten ist. Das aber war in der Abteilung des Klägers nach dessen überzeugender Darstellung, der der Beklagte substantiiert nicht entgegengetreten ist, weitgehend nicht der Fall. Das gilt auch, wenn ein fachübergreifender chirurgischer Bereitschaftsdienst eingerichtet war. Eine Rufbereitschaft wird aber nicht allein automatisch auf Grund des Arbeitsanfalls von selbst zum Bereitschaftsdienst, wenn der Arbeitgeber unter Verstoß gegen tarifliche Bestimmungen lediglich Rufbereitschaft statt Bereitschaftsdienst anordnet (BAG vom 27. Februar 1985 - AP Nr. 12 zu § 17 BAT; BAG vom 4. August 1988 - 6 AZR 48/86 n.v.).

Auch ein tarifwidrig angeordneter Rufbereitschaftsdienst bleibt demnach Rufbereitschaft (so BAG vom 4. August 1988 aaO).

Daraus folgt, dass der Kläger nicht allein auf Grund des Arbeitsanfalls eine Vergütung der von ihm geleisteten Dienste als Bereitschaftsdienst, so wie von ihm berechnet, nicht verlangen kann.

b) Darüberhinaus hat der Beklagte für den Kläger auch keinen Aufenthaltsort bestimmt. Der Kläger hat sich vielmehr aus "freien Stücken" in seiner Wohnung, die sich im Schwesternwohnheim auf dem Krankenhausgelände befand, aufgehalten, um bei Bedarf alsbald die Arbeit aufnehmen zu können. Eine solche Aufenthaltsbestimmung durch den Beklagten war aber nicht getroffen worden. Der Umstand, dass der Kläger auf dem Krankenhausgelände in der Anfangszeit wohnte, macht seine Wohnung noch nicht per se zu einem vom Arbeitgeber bestimmten Aufenthaltsort. Der Kläger hat demzufolge von seiner Wohnung aus sowohl Rufbereitschaftsdienst wie "Bereitschaftsdienst" geleistet. Damit fehlt es für die Annahme, bei dem vom Kläger geleisteten "Bereitschaftsdiensten" habe es sich um Bereitschaftsdienst im tariflichen Sinne gehandelt, an einer maßgeblichen Voraussetzung.

c) Der Beklagte hat die Ableistung von Bereitschaftsdienst durch den Kläger auch nicht dadurch gebilligt, dass er diese Leistungen stillschweigend hingenommen hätte. Denn zwischen den Parteien war ständig umstritten, ob für die Abteilung des Klägers ein eigener Bereitschaftsdienst eingerichtet werden müsse und ob der Kläger Bereitschaftsdienst leistete. Davon zeugen die zahlreichen Schreiben, die mit dem Landrat gewechselt worden sind. Auch wenn die Weigerung des Beklagten, einen eigenen Bereitschaftsdienst für die Abteilung des Klägers einzurichten, pflichtwidrig gewesen sein sollte, wird dadurch eine Anordnung von Bereitschaftsdienst, zu deren Ableistung der Kläger arbeitsvertraglich nicht verpflichtet war, nicht begründet. Der vom Kläger geleistete Dienst bleibt daher auch in den Fällen, in denen er sich zum "Bereitschaftsdienst" eingeteilt hat, Rufbereitschaftsdienst.

d) Der Beklagte hat einen vom Kläger geleisteten "Bereitschaftsdienst" auch nicht durch Zahlung eines Betrages von DM 10.000,-- anerkannt. Das ergibt sich nach Ansicht der Kammer eindeutig aus dem Begleitschreiben des Landrats vom 16. November 1995, in dem ausdrücklich darauf abgestellt wird, dass die Zahlung ohne Anerkennung einer tariflichen Verpflichtung erfolge. Auch wenn der Beklagte den besonderen Einsatz des Klägers bei Aufbau seiner Abteilung und im Hinblick auf die personelle Situation honorieren wollte, bedeutet dies nicht, dass damit auch eine Anerkennung der Leistungen des Klägers als "Bereitschaftsdienst" im tariflichen Sinne erfolgen sollte.

e) Für eine mündliche Zusage durch den Landrat T., wie vom Kläger behauptet, hat die Einvernahme des Zeugen Dr. H. vor dem Arbeitsgericht keine Anhaltspunkte erbracht, so dass es auch nicht darauf ankommt, ob der Landrat eine solche Verpflichtung für den Beklagten verbindlich eingehen konnte.

f) Damit scheidet eine Vergütung von Bereitschaftsdienst nach den tariflichen Bestimmungen, wie sie der Kläger rechnerisch zu Grunde gelegt hat, aus.

Zwar könnte der Kläger nach Ansicht der Kammer für seine Leistungen im "Bereitschaftsdienst" eine Vergütung als Rufbereitschaftsdienst gemäß § 15 Abs. 6b in Verbindung mit Nr. 8 SR 2c BAT beanspruchen. Das ergibt sich aus § 8 Abs. 8 des Dienstvertrages. Ein solcher Anspruch war jedoch nach dem Vorbringen des Klägers nicht konkret zu ermitteln. Insoweit wäre zudem die Verrechnung tatsächlich geleisteter Rufbereitschaften sowie die hieraus angefallene Arbeit gem. § 8 Abs. 8 des Dienstvertrages zu beachten. Dass der Kläger unter Berücksichtigung weiterer Rufbereitschaften, die bisher vom Beklagten nicht vergütet worden sind, eine zusätzliche Vergütung zu beanspruchen hätte, die über die erzielte Gesamtvergütung hinausginge, ist ebenfalls nach dem Vorbringen des Klägers nicht ersichtlich und wird vom Beklagten verneint.

4. Ob der Kläger die streitgegenständlichen Arbeitsleistungen gegebenenfalls auch als "Mehrarbeit bzw. Überstunden" vergütet verlangen kann, kann dahinstehen. Denn zum einen ist eine Berechnung solcher Ansprüche mangels eines insoweit konkreten Tatsachenvortrags nicht möglich. Zum anderen haben die Parteien für den Kläger eine bestimmte Arbeitszeit nicht festgelegt und ausdrücklich in § 8 Abs. 7 des Dienstvertrages vereinbart, dass mit der Vergütung und der Einräumung eines Liquidationsrechts "Überstunden sowie Mehr-, Samstags-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit jeder Art sowie Rufbereitschaft abgegolten sein sollten, wobei lediglich für die Rufbereitschaft in Abs. 8 eine besondere Verrechnungsform vorgesehen worden ist. Dabei haben die Parteien ausdrücklich eine Regelung zur Ableistung von Bereitschaftsdienst nicht getroffen, weil der Kläger Bereitschaftsdienst weder leisten sollte noch wollte. Nach dem Willen beider Parteien war der Kläger lediglich zur Leistung von Rufbereitschaftsdienst verpflichtet. Dass der Kläger im Jahre 1995 in verstärktem Maße aus Gründen von Krankheit und Urlaub des nachgeordneten ärztlichen Personals sowie besetzungsbedingter Personalengpässe "Bereitschaftsdienst" geleistet hat, begründet noch nicht die Annahme, es liege eine Vertragslücke vor, die gemäß § 612 Abs. 1 BGB zu schließen sei bzw. die vertragliche Abgeltungsklausel sei sittenwidrig (§ 138 BGB).

Die Leistung von Rufbereitschaft - wie die Dienste von der Kammer bewertet werden - lag im Rahmen der arbeitsvertraglichen Verpflichtung des Klägers. Als Gegenleistung war ihm ein Liquidationsrecht eingeräumt worden. Der Kläger betrieb auch während der üblichen Dienstzeiten in seiner Abteilung eine ambulante Praxis. Der Arbeitszeitrahmen für den Kläger ist daher bezüglich "normaler" Arbeitszeit bzw. Mehrarbeit nicht bestimmbar. Für den Kläger bestand durch die Einräumung des Liquidationsrechts und die Möglichkeit des Betreibens einer ambulanten Praxis ein Anreiz, sich in besonderer Weise über die "betriebliche Arbeitszeit" hinaus zum Aufbau seiner Abteilung einzusetzen, zumal die geburtshilfliche gynäkologische Abteilung zum Vertragsbeginn, was dem Kläger auch bekannt war, unter mangelnder Auslastung litt und deren Weiterbetreibung durch den Beklagten in Erwägung gezogen war. Der Kläger hatte daher als Chefarzt dieser Abteilung ein besonderes Interesse an einem persönlichem Einsatz außerhalb der "betrieblichen Arbeitszeit", was der Kläger bei Vertragsabschluss auch unbestritten zugesagt hatte. Damit haben die Parteien mit der Vergütung des Klägers einschließlich der Liquidationseinnahmen die gesamte Arbeitsleistung des Klägers - wobei eine Sonderregelung nur bezüglich der Rufbereitschaften gelten sollte - erfassen wollen. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass dieser Vergütungsrahmen überschritten worden ist. Anhaltspunkte für ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung für das Jahr 1995 hinsichtlich seiner bezogenen Gesamtvergütung (§ 138 BGB) sind nicht ersichtlich (hierzu BAG vom 17. März 1982 - VersR 82, 987).

5. Andere Anspruchsgrundlagen (Schadensersatz, Bereicherungsrecht, Anpassung des Vertrages an eine geänderte Geschäftsgrundlage) sind nach dem Vorbringen des Klägers einer Berücksichtigung nicht zugänglich.

Auf die Einhaltung der vertraglich in Bezug genommenen Ausschlussfristen (§ 70 BAT) kam es nicht mehr an.

6. Damit kann der Kläger eine Vergütung seiner Bereitschaftsdienste nach den tariflichen Kriterien nicht beanspruchen. Das arbeitsgerichtliche Urteil war abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen.

7. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen. Eine Entscheidung insoweit konnte auch bei erstinstanzlichem Teilurteil ergehen.

Ende der Entscheidung

Zurück