Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Landesarbeitsgericht München
Beschluss verkündet am 19.03.2003
Aktenzeichen: 7 TaBV 65/02
Rechtsgebiete: BetrVG, ArbGG, ZPO
Vorschriften:
BetrVG § 2 Abs. 1 | |
BetrVG § 37 Abs. 2 | |
BetrVG § 78 S. 1 | |
BetrVG § 103 | |
ArbGG § 64 Abs. 7 | |
ArbGG § 69 Abs. 2 | |
ArbGG § 85 Abs. 2 | |
ArbGG § 87 Abs. 2 | |
ZPO §§ 935 f. |
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES Beschluss
Verkündet am: 19. März 2003
In dem Beschlussverfahren
hat die Siebte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2003 durch die Vizepräsidentin Reuss sowie die ehrenamtlichen Richter Rieden und Weyrich für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 08.11.2002 - 35 BVGa 63/02 - wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 1., der für den Betrieb der Beteiligten zu 3. für die Betriebsstätten ... in ... und ... in ... gebildete Betriebsrat, begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung gem. §§ 85 Abs. 2 ArbGG, 935 f. ZPO der Beteiligten zu 3. aufzuerlegen, dem Betriebsratsmitglied, dem Beteiligten zu 2., mit sofortiger Wirkung wieder den Zugang zu den vorgenannten Betriebsstätten und den Kontakt mit den dort beschäftigten Arbeitnehmern sowie zum Betriebsrat zum Zwecke der Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit uneingeschränkt zu gewähren, nachdem die Beteiligte zu 3. dem Beteiligten zu 2. Hausverbot erteilt und den Firmenausweis sowie die Zugangsberechtigungen eingezogen und diesem damit die Möglichkeit genommen hat, die vorgenannten Betriebsstätten zu betreten und seiner Betriebsratstätigkeit nachzugehen.
Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 7, 69 Abs. 2 ArbGG n.F. abgesehen.
II.
Das Arbeitsgericht hat einen Verfügungsanspruch verneint, da im konkreten Fall die Beteiligte zu 3. durch die Ausübung ihres Hausrechts gegenüber dem Betriebsratsmitglied ... die Arbeit des Betriebsrats nicht im Sinne des § 78 S. 1 BetrVG behindere. Denn die Erteilung des Hausverbots und die Einziehung des Firmenausweises sowie der Zugangsberechtigung seien nach den glaubhaft gemachten Umständen ausnahmsweise gerechtfertigt.
Dieser Ansicht folgt auch die Beschwerdekammer, so dass insoweit von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen werden kann.
Ergänzend sind lediglich folgende Anmerkungen veranlasst:
Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beteiligte zu 3. glaubhaft gemacht hat, dass sich das Betriebsratsmitglied ... über einen längeren Zeitraum und noch während seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied zu ihren Lasten in strafrechtlich relevanter Weise betätigt und darüberhinaus dafür gesorgt hat, dass belastende Unterlagen und Daten vernichtet werden. Weder der antragstellende Betriebsrat noch das Betriebsratsmitglied haben diese schwerwiegenden Vorwürfe, die die Beteiligte zu 3. in der Beschwerdeinstanz nochmals ausführlich dargelegt und glaubhaft gemacht hat, entkräftet, sondern sich im Wesentlichen auf die formale Rechtsposition berufen, die es dem Arbeitgeber grundsätzlich und auch während des Zustimmungsersetzungsverfahrens verbietet, das betroffene Betriebsratsmitglied an der Ausübung seiner Tätigkeit zu hindern.
Es kann dahinstehen, inwieweit das in § 2 Abs. 1 BetrVG normierte Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG Berücksichtigung finden muss. Der Betriebsrat hat trotz der massiven und schwerwiegenden Anschuldigungen die beantragte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsmitglieds ... verweigert, ohne dass im vorliegenden Verfahren die maßgeblichen Gründe für die Zustimmungsverweigerung ersichtlich wären. Damit ist die Beteiligte zu 3. genötigt, das Zustimmungsersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht, das sich über einen langen Zeitraum hinziehen kann, bis zum rechtskräftigen Abschluss durchzuführen. Zu Recht weist das Landesarbeitsgericht Hamm in seiner Entscheidung vom 27.04.1972 (EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 1) darauf hin, dass der Ausübung des Zutrittsrechts eines Betriebsratsmitglieds Schranken gesetzt sind und nach den Umständen des Einzelfalles es absolut untragbar sein kann, dem zur fristlosen Entlassung vorgesehenen Betriebsratsmitglied bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens nach § 103 BetrVG uneingeschränkt Zutritt zum Betrieb zu gewähren. Bei der Beurteilung dieser Frage kann, wie das Arbeitsgericht zu Recht meint, der Kündigungsvorwurf, die Art und Schwere der dem Betriebsratsmitglied angelasteten Pflichtverletzungen und die dadurch beeinträchtigten Arbeitgeberinteressen nicht grundsätzlich ausgeklammert bleiben und in das Zustimmungsersetzungsverfahren oder in das nachfolgende Kündigungsschutzverfahren verlagert werden. Hier hat das Arbeitsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die dem Betriebsratsmitglied ... angelasteten und im Übrigen auch glaubhaft gemachten Straftaren Handlungen und massiven Pflichtverletzungen, die sich über einen längeren Zeitraum hingezogen haben und die auch noch während der Freistellungsphase ausgeübt worden sind, bei einer Interessenabwägung Berücksichtigung finden müssen. Zwischenzeitlich hat auch das Arbeitsgericht in erster Instanz die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats ersetzt - die hierfür maßgeblichen Gründe liegen noch nicht vor, das Zustimmungsersetzungsverfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Allein der Umstand, dass nunmehr eine erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Gunsten der Beteiligten zu 3. ergangen ist, vermag zwar die Aufrechterhaltung des Hausverbots gegenüber dem Betriebsratsmitglied noch nicht zu rechtfertigen. Dieser Umstand kann jedoch bei einer vorzunehmenden Interessenabwägung nicht berücksichtigt bleiben. Somit geht die Beschwerdekammer unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden und glaubhaft gemachten Umstände mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass es für die Beteiligte zu 3. nicht hinnehmbar ist, wenn sich das Betriebsratsmitglied ... nach wie vor ungehindert in den genannten Betriebsstätten als freigestelltes Betriebsratsmitglied bewegen und Kontakte zu den Arbeitnehmern aufnehmen kann. Denn die Beteiligte zu 3. befürchtet nicht ohne Grund, dass das Betriebsratsmitglied ..., sofern er sich auf Grund seiner Freistellung frei und ungehindert mit Zutritt zu allen Arbeitsplätzen und allen beschäftigten Arbeitnehmern in den angesprochenen Betriebsstätten bewegen kann, diese Möglichkeit nutzen könnte, durch Einwirkung auf Mitarbeiter und Beweismaterial die Anschuldigungen der Beteiligten zu 3. zu unterlaufen. Insoweit hat die Beteiligte zu 3. glaubhaft gemacht, dass das Betriebsratsmitglied auch noch in der Phase der Freistellung den Leiter des "..." in ... dazu gebracht hat, belastende Unterlagen zu beseitigen. Dem Betriebsrat muss daher eine Berufung auf § 78 S. 1 BetrVG versagt bleiben. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei dem Betriebsratsmitglied um ein freigestelltes Betriebsratsmitglied handelt. Denn der Betriebsrat hat bei zeitweiliger Verhinderung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds auf Grund der allgemeinen Regelung nach § 37 Abs. 2 BetrVG Anspruch auf Ersatzfreistellung eines anderen Betriebsratsmitglieds, wenn dies für die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben erforderlich ist (Fitting/Kaiser/Heither/Engels, 21. Auflage, Rz. 26 zu § 38 BetrVG mit weiteren Nachweisen).
Da nicht ersichtlich ist, dass das Zugangsrecht des Betriebsratsmitglied ... zur Ausübung seiner Betriebsratstätigkeit eingeschränkt ermöglicht werden könnte, konnte dem Antrag des Betriebsrats auch nicht in eingeschränkter Form entsprochen werden.
III.
Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 12 Abs. 5 ArbGG nicht veranlasst.
Gegen diesen Beschluss ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben (§ 92 Abs. 1 S. 3 ArbGG).
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.