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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 25.07.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 1313/05
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB


Vorschriften:

BetrVG § 77
BetrVG § 111
BGB § 179
BGB § 427
Kein Anspruch auf Abfindung oder Schadensersatz aus einem Sozialplan gegen das beherrschende Unternehmen, den dieses mit ihren Tochterunternehmen einerseits sowie dem eigenen Betriebsrat und den Betriebsräten der Tochterunternehmen andererseits abgeschlossen hat, wenn das Tochterunternehmen, dem der Arbeitnehmer angehört, aus dem Unternehmensverband ausgeschieden ist.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 1313/05

Verkündet am: 25. Juli 2006

In dem Rechtsstreit

hat die Achte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kagerer sowie die ehrenamtlichen Richter Visarius und Gerecke für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 7. Dezember 2005 - Gz.: 6 Ca 8636/05 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Gegen dieses Urteil wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von € 86.934,33.

Der am 5. Januar 1960 geborene Kläger war seit 1. Januar 2001 zuletzt als Korrespondent gegen eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von € 3.200,-- bei der Fa. d. GmbH in B. beschäftigt. Dieses Unternehmen fusionierte im Jahr 1992 mit der ehemaligen Nachrichtenagentur der DDR - A. - und wurde im Dezember 1998 an die P.Gruppe veräußert, die damals zum Medienkonzern von K. gehörte.

Im Zuge der Verschmelzung der P. AG und der S. GmbH zur PS. AG im November 2000, die zu mehreren Umzügen von Betrieben und Betriebsteilen führte, wurde am 7. Dezember 2000 eine "Betriebsvereinbarung zwischen der PS. AG und deren Tochterunternehmen und den Betriebsräten der PS. AG und deren Tochterunternehmen anlässlich der Durchführung der Betriebsänderungen" (künftig: "BV/Sozialplan 07.12.2000") abgeschlossen, deren "Rubrum", "Präambel" sowie § 1 Ziff. 1.1, 1.2, § 2, § 6 Ziff. 6.1 und § 17 Ziff. 17.9 wie folgt lauten:

"Sozialplan

der

PS. AG, M.-Allee, U., und deren Tochtergesellschaften, sämtlich vertreten durch den Vorstand der PS. AG

- nachstehend Unternehmen genannt -

und

den Betriebsräten der PS. AG und deren Tochtergesellschaften, vertreten durch die Betriebsratsvorsitzenden

- nachstehend Betriebsräte genannt -

Präambel

Die Betriebsparteien erkennen die Gründung der Senderfamilie durch die Verschmelzung der P. AG mit der S. GmbH zur PS. AG als einen strategisch und wirtschaftlich sinnvollen Schritt zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit auf dem komplexen und hochkompetitiven Medienmarkt an. Die PS. AG will sich noch stärker als bisher als moderner, attraktiver Arbeitgeber am Arbeitsmarkt positionieren.

Vor dem Hintergrund schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen den nachfolgenden Sozialplan, der evtl. wirtschaftliche Nachteile betroffener Arbeitnehmer/innen im Rahmen der Restrukturierungen oder durchzuführender Umzüge ausgleicht.

§ 1 Geltungsbereich

1.1 Der Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmer/innen des Unternehmens, die während der Laufzeit dieses Sozialplans in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen stehen und deren Arbeitsplatz im Rahmen einer betriebsändernden Maßnahme nach §§ 111 ff. BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz)

- an einen anderen Standort verlagert wird oder

- deren Arbeitsplatz unmittelbar oder zu einem späteren Zeitpunkt wegfällt.

Das Gleiche gilt für die Arbeitnehmer/innen, die im Rahmen einer betriebsändernden Maßnahme nach §§ 111 ff. BetrVG andere wirtschaftliche Nachteile durch die Verschmelzung des Unternehmens erleiden.

1.2 Der Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer/innen der S. GmbH, die im Rahmen einer betriebsändernden Maßnahme nach §§ 111 ff. BetrVG zur D. GmbH oder deren Tochtergesellschaften wechseln, wird im § 16 geregelt.

...

§ 2 Geltungsdauer

Der Sozialplan tritt zum 7. September 2000 in Kraft und läuft bis zum 31. Dezember 2005. Sollten während der vorstehend genannten Geltungsdauer Verlagerungen angekündigt, aber noch nicht vollzogen oder beendet sein, findet dieser Sozialplan auch auf diese Maßnahmen Anwendung.

...

§ 6 Abfindung

6.1 Arbeitnehmer/innen erhalten Abfindungsleistungen, sofern sie in den in §§ 1 und 2 dieses Sozialplans genannten sachlichen und zeitlichen Geltungsbereich fallen und ihr Arbeitsverhältnis verlieren durch:

...

§ 17 Allgemeine Bestimmungen

...

17.9 Unter dem Begriff "Unternehmen" im Sinne dieses Sozialplans ist der Konzern PS. AG zu verstehen (PS. AG samt Tochterunternehmen)."

Die "BV/Sozialplan 07.12.2000" ist für die Arbeitgeberseite von den Vorstandsmitgliedern der Beklagten R. sowie L., auf der Betriebsratsseite von den Vertretern der jeweiligen Betriebsräte unterzeichnet.

Die Gesellschaftsanteile der Fa. d. GmbH wurden gem. notariellem Kaufvertrag vom 8. September 2003 mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1. Juni 2003 an die Fa. S. GmbH im Rahmen eines sog. Management Buy-outs verkauft. Dessen § 11 lautet:

" § 11 Freistellung P7. Betriebsvereinbarung

Die Käuferin wird P7. oder, auf Verlangen der P7., die mit P7. im Sinne von §§ 15 ff. AktG verbundenen Unternehmen (nachfolgend "P7. Gruppe" genannt) von der Inanspruchnahme durch Arbeitnehmer der d. und d./v. aus der P7. Betriebsvereinbarung freistellen, sofern und soweit die Ansprüche nicht vor dem Stichtag entstanden sind oder die Betriebsänderungen nach §§ 111 ff. BetrVG nicht vor dem Stichtag stattfanden."

Am 1. November 2004 ist über das Vermögen der Fa. d. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden und am selben Tag schloss der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan ab, dessen § 2 folgenden Wortlaut hat:

" § 2 Frühere Vereinbarungen

Es wird vorsorglich vereinbart, dass frühere Vereinbarungen, die dieser Vereinbarung entgegenstehen, außer Kraft treten. Unberührt hiervon bleibt die Betriebsvereinbarung zwischen der PS. AG und dem Betriebsrat der d. GmbH vom 07.12.2000."

Ebenfalls am 1. November 2004 schloss der Kläger mit dem Insolvenzverwalter einerseits und der Fa. Pe. GmbH andererseits einen sog. "Dreiseitigen Vertrag", demzufolge sein Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 5. November 2004 aus betriebsbedingten Gründen enden und er mit Wirkung vom 6. November 2004 in ein bis 30. April 2005 befristetes Arbeitsverhältnis eintreten sollte. Dessen § 1 Ziff. 1.3 lautet wie folgt:

"§ 1 Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses

...

1.3 Mit dieser Vereinbarung sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem bis zum Ablauf des 5. November 2004 bestehenden Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber und anlässlich dessen Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt. Diese Erledigung gilt ausdrücklich nicht für Lohn- bzw. Gehaltsansprüche bis zum Ablauf des 5. November 2004, ggf. bestehende Ansprüche aus unverfallbaren Versorgungsanwartschaften sowie die Ansprüche auf ein Arbeitszeugnis und die Arbeitspapiere sowie Ansprüche des Arbeitgebers wegen ausgereichter Arbeitgeber-Darlehen oder Überlassung firmeneigener Gegenstände."

Nach einer Pressemeldung vom 8. November 2004 übernahm die Fa. A. AG die Fa. d. GmbH im Rahmen einer sog. übertragenden Sanierung.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen,

die Beklagte schulde ihm nach der "BV/Sozialplan 07.12.2000" die Zahlung von € 86.934,33 nebst gesetzlicher Zinslast. Er habe daraus einen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung der Abfindung gegenüber ihr, der Beklagten. Aus dem Sozialplan ergebe sich, dass Letztere für die Sozialplanansprüche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beteiligten Firmen unmittelbar habe einstehen wollen. Er falle sowohl in den zeitlichen als auch in den sachlichen Geltungsbereich des Sozialplans, weil ein "ungekündigtes Arbeitsverhältnis" zum "Unternehmen" bestehe und der Arbeitsplatz im Rahmen einer "betriebsändernden Maßnahme nach §§ 111 ff. BetrVG" i. S. von § 1 Ziff. 1.1 der "BV/Sozialplan 07.12.2000" weggefallen sei. "Unternehmen" i. S. dieser Betriebsvereinbarung seien die Beklagte und alle Tochtergesellschaften. Vertragspartner des Sozialplans auf der Arbeitgeberseite sei die Beklagte und nicht die Fa. d. GmbH, da deren Geschäftsführer nie bei den Verhandlungen beteiligt gewesen seien, die unterzeichnenden Vertreter der Beklagten keine Vollmacht von Seiten der Fa. d. GmbH besessen hätten und ihre Unterschriftsleistung auch nicht nachgenehmigt worden sei. Für die Umsetzung der Betriebsvereinbarung sei auch nie der Geschäftsführer der Fa. d. GmbH Ansprechpartner gewesen, sondern der Vorstand der Beklagten. Konzernzugehörigkeit des betreffenden Arbeitnehmers sei nach der "BV/Sozialplan 07.12.2000" nicht Anspruchsvoraussetzung für die Abfindung, sondern lediglich, dass der betreffende Arbeitnehmer Angehöriger eines der fünf Unternehmen sei. Sie wirke somit als Einzelsozialplan der Beklagten unmittelbar für ihn, den Kläger. Sie enthalte einen freiwilligen Rahmensozialplan für alle Maßnahmen während seiner Laufzeit, durch die Arbeitnehmer den Arbeitsplatz verlören. Darüber hinaus handle es sich bei der Beklagten um einen Gemeinschaftsbetrieb gem. § 1 BetrVG. Die Geschäftsleitung der Fa. d. GmbH sei in der Ausübung ihrer arbeitgeberseitigen Rechte gegenüber ihren Mitarbeitern von den Weisungen der Beklagten abhängig gewesen. So habe diese die Geschäftsführung der Fa. d. GmbH angewiesen, Arbeitsverträge oder Vertragsänderungen mit Mitarbeitern nur zusammen mit den zuständigen Personalverantwortlichen der Beklagten zu unterzeichnen. Wenn es um die Ausarbeitung von Betriebsvereinbarungen gegangen sei, sei Ansprechpartner auf der Arbeitgeberseite der Vorstand bzw. die Personalleitung der Beklagten und nicht die Geschäftsführung der Fa. d. GmbH gewesen. Die dem Gemeinschaftsbetrieb zugrunde liegende Führungsvereinbarung habe aber nicht beinhaltet, dass die Beklagte befugt gewesen sei, namens und in Vollmacht der Fa. d. GmbH einen mit mehreren Millionen DM/€ belasteten Sozialplan abzuschließen, ohne eine diesbezügliche Vollmacht erhalten zu haben. Das ergebe sich aus der Patronatserklärung vom 31. Dezember 2000 der Fa. Pr. GmbH, in der die Verbindlichkeiten der Fa. d. GmbH einschließlich Rückstellungen mit € 9.111.515,23 angegeben seien. Aus der Stellung der Beklagten als Arbeitgeberin eines Gemeinschaftsbetriebs folge jedenfalls eine gesamtschuldnerische Haftung.

Die Beklagte hafte im Übrigen auf Zahlung der Abfindung auch in entsprechender Anwendung von § 179 Abs. 1 BGB, da sie als vollmachtslose Vertreterin für die Fa. d. GmbH die "BV/Sozialplan 07.12.2000" abgeschlossen habe. Diese Norm führe bei einem Sozialplan, der ein typischer Vertrag zugunsten Dritter sei, zu einer Haftung gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern.

Selbst dann hafte die Beklagte auf Zahlung der Abfindung, wenn mangels Rechtsfähigkeit des Betriebsrats der Fa. d. GmbH in Bezug auf den Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit der Beklagten kein wirksamer Sozialplan zustande gekommen und auch § 179 BGB nicht anwendbar sei, und zwar aufgrund eines Verschuldens bei Vertragsschluss, denn die Beklagte habe durch Einberufung der Arbeitsgruppe "O.", an der sich Vertreter der Beklagten und die Betriebsräte der Tochterunternehmen beteiligt hätten und deren Zweck es gewesen sei, Maßnahmen zur Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen innerhalb des neuen Konzerns PS. AG zu beraten und Betriebsvereinbarungen festzulegen, sowie durch Verlautbarungen in der Firmenöffentlichkeit den Eindruck erweckt, sich den Arbeitnehmern der Tochtergesellschaften gegenüber vertraglich zu verpflichten. Sie habe es auch zu verantworten, dass die Fa. d. GmbH unterfinanziert gewesen sei und ihre Insolvenz durch Verweigerung der Auszahlung einer letzten Darlehensrate durch die Beklagte an diese entgegen einer Darlehensvereinbarung herbeigeführt worden sei. Somit habe die Beklagte den Rechtsschein erweckt, für das Tochterunternehmen Fa. d. GmbH zu handeln. Dies ergebe sich auch aus der Freistellungsklausel im Kaufvertrag vom 8. September 2003.

Dem hat die Beklagte entgegengehalten,

mangels jemals bestehenden Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und dem Kläger bestehe für diesen auch kein Abfindungsanspruch. Sie, die Beklagte, sei aus der "BV/Sozialplan 07.12.2000" nur gegenüber ihren eigenen Arbeitnehmern verpflichtet. Die "BV/Sozialplan 07.12.2000" habe sie nur in Vertretung ihrer Tochterunternehmen abgeschlossen, wobei der Vorstandsvorsitzende R. in wirksamer Vertretung für die Fa. d. GmbH gehandelt habe. Sie beinhalte rechtlich gesehen fünf einzelne Betriebsvereinbarungen, die in einer Urkunde zusammengefasst seien. Eine Betriebsvereinbarung zwischen der Muttergesellschaft und dem Betriebsrat einer Tochtergesellschaft sei gem. § 77 BetrVG nicht möglich, weil es insoweit an der Rechtsfähigkeit der Betriebsparteien fehle.

Insbesondere der persönliche und sachliche Geltungsbereich der "BV/Sozialplan 07.12.2000" beträfe nicht den Kläger, weil seine Arbeitgeberin, die Fa. d. GmbH, nur bis 7. September 2002 zum PS.-Konzern gehört habe und er daher im Zeitpunkt des behaupteten Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis nicht mehr Arbeitnehmer einer Konzern-Tochtergesellschaft gewesen sei. Die "BV/Sozialplan 07.12.2000" regle lediglich Restrukturierungen im Zusammenhang mit der Integration der Senderfamilie - Standortverlagerungen oder Umzüge -, nicht aber die Stilllegung der Fa. d. GmbH im Rahmen einer Insolvenz und schließlich habe sie durch den Insolvenzsozialplan vom 1. November 2004 ihre Wirkung verloren. Eine Geltung beider Kollektivregelungen nebeneinander sei nicht möglich.

Der geltend gemachte Anspruch sei im Übrigen auch durch die Verzichtsklausel im sog. "Dreiseitigen Vertrag" vom 1. November 2004 ausgeschlossen. Aufgrund des Erwerbs des Geschäftsbetriebs der Fa. d. GmbH durch die Starnberger Beteiligungsgesellschaft Fa. A. AG habe der Kläger seinen Arbeitsplatz gem. § 613a BGB nicht verloren. Ihre eigene, der Beklagten, gesamtschuldnerische Haftung gem. § 427 BGB scheide aus, weil diese Norm auf Betriebsvereinbarungen nicht anwendbar sei. Dasselbe gelte in Bezug auf § 179 BGB, denn die Geltung dieser Bestimmung im Zusammenhang mit einer Kollektivvereinbarung sei system- und betriebsverfassungswidrig. Darüber hinaus wäre nach § 179 Abs. 1 BGB nicht der Kläger, sondern allenfalls der Betriebsrat anspruchsberechtigt.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 7. Dezember 2005, das dem Kläger am 15. Dezember 2005 zugestellt worden ist, die Klage abgewiesen. Auf die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen und angestellten rechtlichen Erwägungen wird verwiesen.

Dagegen hat der Kläger mit einem am 27. Dezember 2005 am Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sie, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 15. März 2006, mit einem hier an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags hebt er insbesondere hervor,

die "BV/Sozialplan 07.12.2000" sei letztlich eine Rahmenregelung, bei der die Betriebsparteien beabsichtigt hätten, dass sie sich nicht auf Standortverlagerungen beschränken, sondern sämtliche Betriebsänderungen einschließlich einer Betriebsstilllegung der Fa. d. GmbH auch in der Insolvenz erfassen sollten. Die Beklagte sei daher auch passivlegitimiert.

Schließlich sei noch zu berücksichtigen, dass ein etwa nichtiger Sozialplan gem. § 140 BGB in eine einzelvertragliche Gesamtzusage umzudeuten sei. Aus den hier vorliegenden Umständen ergebe sich nämlich, dass die Beklagte sich auf jeden Fall verpflichten wollte, den Arbeitnehmern die in der unwirksamen Betriebsvereinbarung vorgesehenen Leistungen zukommen zu lassen.

Deshalb stellt der Kläger folgenden Antrag:

Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts München vom 7. Dezember 2005 - Gz.: 6 Ca 8636/05 - wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger € 86.934,33 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Sie hält das angegriffene Urteil für richtig und wiederholt und vertieft ebenfalls ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Insbesondere bleibt sie dabei,

dass die Insolvenz der Fa. d. GmbH, der Arbeitgeberin des Klägers, nicht infolge ihres, der Beklagten, Verschulden, sondern aufgrund dortiger Managementfehler aufgetreten sei. Die Voraussetzungen eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen lägen nicht vor. Ihre, der Beklagten, gesamtschuldnerische Haftung gem. § 427 BGB scheide von vorneherein aus.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsprotokolle, die Schriftsätze der Parteien und den sonstigen Akteninhalt beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zwar zulässig, jedoch unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat richtig entschieden.

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, denn sie richtet sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil, gegen das nicht nach § 78 ArbGG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt € 600,-- (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b ArbGG).

Sie ist auch in der richtigen Form und rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1, 2 und 5 ArbGG).

II.

Die Berufung ist deshalb unbegründet, weil dem Kläger die geltend gemachte Forderung weder auf kollektivrechtlicher noch auf individualrechtlicher Grundlage zusteht.

1. Der Anspruch des Klägers kann nicht auf die kollektivrechtliche Regelung des § 6 "BV/Sozialplan 07.12.2000" gestützt werden.

1.1 Unstreitig bestand in der Unternehmensgruppe, die den "BV/Sozialplan 07.12.2000" arbeitgeberseitig abgeschlossen hat, weder ein Konzernbetriebsrat (§§ 54 ff. BetrVG) noch ein Gesamtbetriebsrat (§§ 47 ff. BetrVG). Deshalb kommt eine kollektivrechtliche Rechtsgrundlage in Gestalt einer Konzernbetriebsvereinbarung von vorneherein nicht in Betracht, was die Beteiligten der "BV/Sozialplan 07.12.2000" auch in ihrem § 18 Ziff. 18.3 erkannt haben. Mangels Gesamtbetriebsrats scheidet auch eine etwaige Gesamtbetriebsvereinbarung aus.

1.2 Deshalb kommt für den geltend gemachten Anspruch die "BV/Sozialplan 07.12.2000" und dort § 6 als kollektivrechtliche Rechtsgrundlage nur in Betracht, wenn sie zwischen der Beklagten als Arbeitgeberin des Klägers und dem Betriebsrat des Betriebs abgeschlossen worden ist, in dem der Kläger tätig war. Die kollektivrechtliche Regelungs- und Rechtsetzungsmacht der Betriebspartner gem. § 77 Abs. 4 S. 1 i. V. mit Abs. 1 und § 2 Abs. 2 BetrVG gilt nur in derartigen Fällen. Unstreitig aber war der Kläger zu keinem Zeitpunkt Arbeitnehmer der Beklagten. Ein etwaiger Abschluss einer Betriebsvereinbarung zwischen der Beklagten als rechtlich selbstständigem Unternehmen einerseits und dem Betriebsrat der Fa. d. GmbH andererseits ist rechtlich nicht möglich. Deshalb kann der Kläger seinen Abfindungsanspruch auch nicht auf § 6 "BV/Sozialplan 07.12.2000" stützen.

1.3 Es kann auch dahinstehen, ob die "BV/Sozialplan 07.12.2000" nicht nur eine einzige Betriebsvereinbarung oder ein einziger Sozialplan ist oder es sich dabei um ein Bündel von Betriebsvereinbarungen und Sozialplänen handelt. Entscheidend für einen kollektivrechtlichen Anspruch, den der Kläger hier gegen die Beklagte geltend macht, ist immer wieder, wie bereits erwähnt, dass Letztere seine Arbeitgeberin war, was jedoch nicht der Fall ist.

Sollte er an eine Konstruktion dergestalt denken, dass seine Arbeitgeberin, die Fa. d. GmbH, und deren Betriebsrat eine Art "Sozialplan zulasten eines Dritten", hier der Beklagten, zur Begründung eines kollektivrechtlichen Anspruchs geschlossen haben, wobei die Beklagte als Dritte eine Einstands-Garantie oder Haftungsübernahmeerklärung abgegeben habe, indem sie die "BV/Sozialplan 07.12.2000" unterschrieben hat, fehlen dafür entsprechende Anhaltspunkte. Der Kläger trägt sogar selbst vor, dass es an einer Vertretungsmacht des Vorstands der Beklagten, für die Fa. d. GmbH zu handeln, fehlt. Unter diesen Umständen ist kaum anzunehmen, dass die Beklagte dann eine eigene Einstands-Garantie oder Haftungsübernahmeerklärung auf sich selbst vornehmen wollte.

1.4 Es scheidet auch eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten gem. § 427 BGB neben der Fa. d. GmbH als Mitinhaberin eines gemeinsamen Betriebs gem. § 1 Abs. 2 BetrVG aus. Es ist nämlich nicht erkennbar, wie diese beiden Unternehmen sich zur gemeinsamen Führung eines Betriebs - zumindest konkludent - rechtlich dergestalt verbunden haben, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird. Gerade die Annahme eines Gemeinschaftsbetriebs setzt einen einheitlichen betriebsbezogenen Leitungsapparat voraus (BAG vom 16. Februar 2006 - 8 AZR 211/05 - n. a. v.). Die Abhängigkeit der Fa. d. GmbH, der Arbeitgeberin des Klägers, von der Beklagten kann ohne weiteres aus deren funktionalen "Mutter-/Tochterverhältnis" geschlossen werden; es sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte durch den Kläger vorgetragen worden, dass die Beklagte und die Fa. d. GmbH überhaupt über einen gemeinsamen Mitarbeiterstamm verfügen, der unter einer einheitlichen betriebsbezogenen Leitungsmacht tätig ist. Schließlich ist auch hier wieder hervorzuheben, dass nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers die Beklagte ohne Vollmacht vonseiten der Fa. d. GmbH nicht einmal mit Wirkung für diese unterzeichnen hätte dürfen.

Unter diesen Umständen sind die Voraussetzungen für die Vermutungswirkung zugunsten eines gemeinsamen Betriebs gem. § 1 Abs. 2 Ziff. 1 BetrVG nicht erkennbar.

1.5 Auch über eine analoge Anwendung des § 179 Abs. 1 BGB ist keine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der geforderten Abfindung zu begründen, und zwar weder als Erfüllung noch als Schadensersatz. Die Rechtswirkungen einer Betriebsvereinbarung gem. § 77 BetrVG sind nämlich in dessen Abs. 4 S. 1 abschließend geregelt (so auch die Kammern 3 - 3 Sa 14/06 - und 9 - 9 Sa 3/06 - des Landesarbeitsgerichts München). Zwar ergibt sich dies nicht ohne weiteres klar aus dem Wortlaut dieser Norm, doch kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich dabei letztlich um die Auswirkungen konkreter betrieblicher Mitbestimmung handelt, die regelmäßig nicht nach außen gerichtet, sondern auf den jeweiligen Betrieb konzentriert ist.

1.6 Aus den gleichen Gründen scheidet auch eine kollektivrechtliche Haftung der Beklagten aus Verschulden bei Vertragsabschluss oder aus Rechtsscheinsgrundsätzen aus. Sie kann insbesondere nicht daraus geschlossen werden, dass die Beklagte in der "BV/Sozialplan 07.12.2000" als alleinige Verhandlungsführerin für die Arbeitgeberseite aufgetreten ist, denn dies ist in Unternehmensgruppen mit "Mutter-/ Tochterverhältnis" nichts Ungewöhnliches. Wenn der Kläger vorträgt, die Beklagte habe im Zuge der Verhandlungen über die "BV/Sozialplan 07.12.2000" erklärt, sie werde dafür sorgen, dass die darin geregelten Sozialplanansprüche bedient werden könnten, so ist darin genauso wie letztlich aus der Patronatserklärung vom 31. Dezember 2000 lediglich abzuleiten, dass sie ihre Tochterunternehmen finanziell so ausstatten werde, dass diese die Sozialplanabfindungen bezahlen können. Dies gilt jedoch zunächst lediglich für die Ausstattung dieser Tochterunternehmen, nicht aber, wie diese dann mit ihren Finanzen selbst umgehen. Jedenfalls ist aus derartigen Äußerungen nicht auf eine Erklärung einer Einstands- oder Haftpflicht der Beklagten zu schließen.

Schließlich kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass ein derartiger Rechtsschein jedenfalls nach Übernahme der Geschäftsanteile der Fa. d. GmbH durch die Fa. A. AG nicht mehr wirkt. Insoweit kann sich der Kläger auch nicht auf die Freistellungsklausel des § 11 des Kaufvertrages vom 11. Dezember 2003 berufen, denn diese zielt klar nur in Richtung der Käuferin, will jedoch nicht gegenüber den Arbeitnehmern der Fa. d. GmbH Zahlungspflichten begründen.

1.7 In Übereinstimmung mit der dritten Kammer des Landesarbeitsgerichts München (3 Sa 14/06) sind auch keine Anhaltspunkte für eine Durchgriffshaftung der Beklagten gegenüber den Arbeitnehmern der Fa. d. GmbH (darunter der Kläger) auf Zahlung der Sozialplanabfindungen erkennbar.

2. Der Kläger kann seine Ansprüche auch nicht auf individualrechtliche Grundlagen stützen.

Zum einen sind keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Beklagte neben den Verpflichtungen aufgrund der kollektivrechtlichen "BV/Sozialplan 07.12.2000" gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer einer ihrer Tochtergesellschaften auch individualrechtliche Ansprüche begründen wollte. Zum anderen scheidet eine Umdeutung der vorgenannten kollektivrechtlichen Grundlage in eine Gesamtzusage gegenüber den Arbeitnehmern der Fa. d. GmbH oder sonstigen Tochtergesellschaften schon deshalb aus, weil § 140 BGB ein nichtiges Rechtsgeschäft voraussetzt, das hier jedoch nicht vorliegt. Es sind keine Rechtsunwirksamkeitsgründe im Hinblick auf die "BV/Sozialplan 07.12.2000" erkennbar. Wie das Landesarbeitsgericht München in seiner vierten Kammer (Urteil vom 22. Juni 2006 - 4 Sa 158/06) richtig erkannt hat, richtet sich ein Anspruch eines Arbeitnehmers aufgrund einer Gesamtzusage wiederum gegen dessen Arbeitgeberin, die jedoch nicht die Beklagte, sondern die Fa. d. GmbH ist.

3. Im Übrigen spricht Vieles dafür, dass Ziel der "BV/Sozialplan 07.12.2000" die Verschmelzung der P. AG mit der S. GmbH zur PS. AG war und lediglich evtl. wirtschaftliche Nachteile betroffener Arbeitnehmer im Rahmen der Restrukturierungen oder durchzuführender Umzüge ausgeglichen werden sollten, was sich aus der entsprechenden Präambel ergibt. Es ging also primär um Nachteilsausgleichungen aufgrund Standortverlagerungen (vgl. §§ 2 ff. der "BV/Sozialplan 07.12.2000") und damit verbundener betriebsbedingter Kündigungen (vgl. die dortigen §§ 4 und 7). Wohl kaum war dabei an eine Insolvenz einer der bereffenden Unternehmen, z. B. der Fa. d. GmbH, gedacht, die bereits seit über einem Jahr aus der Unternehmensgruppe der Beklagten ausgeschieden ist.

Damit aber ist die Berufung unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO

Ende der Entscheidung

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