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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 22.11.2005
Aktenzeichen: 8 Sa 265/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 50 Abs. 1
BetrVG § 50 Abs. 2
BetrVG § 58 Abs. 1
BetrVG § 77 Abs. 3
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
1. Die Tariföffnungsklausel für eine freiwillige Betriebsvereinbarung, die durch TV vom 29. Oktober 2003 dem TV vom 26. Mai 1999 angefügt wurde, scheint auf den ersten Blick eine Verhandlungsfähigkeit von grundsätzlich den Tarifvertragsparteien vorbehaltenen Gegenständen wie Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen für die Betriebspartner gem. § 77 Abs. 3 BetrVG zu eröffnen.

2. Von entscheidender Bedeutung ist allerdings, dass die Tarifvertragsparteien ihr Regelungsprivileg gem. § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG über § 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG den Betriebspartnern nicht voll zur Ausfüllung überlassen haben, sondern es ganz konkret davon abhängig machten, dass diese eine "freiwillige Betriebsvereinbarung" schlössen. Darin kommt zum Ausdruck, dass ohne diese "freiwillige Betriebsvereinbarung" gerade keine Regelungskompetenz der Betriebspartner bestehen sollte. Weder bestand insoweit ein Initiativrecht einer Mitarbeitervertretung, gleichgültig ob Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat, noch eine Zuständigkeitsfestlegung auf Arbeitgeberseite hinsichtlich Konzernunternehmen selbst oder herrschendem Konzernunternehmen, für welche Betriebe und Unternehmen im Konzern auch immer.

Damit aber sind die Rechte beider Betriebspartner geschützt, weil sie sich einer solchen Betriebsvereinbarung einfach verweigern konnten. Stellt unter diesen Umständen auch nur einer der Betriebs- oder Konzernpartner, gleichgültig ob auf Arbeitgeber- oder Mitarbeitervertretungsseite, Bedingungen, so kann sich die andere Seite dagegen schützen, indem sie weder Verhandlungen aufnimmt oder verhandelt noch eine Betriebsvereinbarung abschließt.

Ein Schutz vor unzulässigen Eingriffen in die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung der Regelungskompetenz der betriebsverfassungsrechtlichen Organe ist daher nicht geboten.

3. Was den Konzernbetriebsrat dazu veranlasst hat, hier mit dem herrschenden Konzernunternehmen die Konzern-BV 2003 abzuschließen, ist dann ohne rechtliche Bedeutung, wenn sie inhaltlich nicht missbräuchlich ist.

Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden angesichts der Tatsache, dass die Beklagte von vorneherein klargestellt hatte, dass diese Betriebsvereinbarung darauf beruht, dass in dem Konzern, dem sie angehört, gerade im Hinblick auf die tarifliche Regelung des 13. Monatseinkommens Einheitlichkeit bestehen oder eingeführt werden sollte. Nur unter diesen Umständen sollte aus der Sicht dieses Konzerns eine Regelung getroffen werden.

Was die betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsregelungen der Betriebsräte, Gesamtbetriebsräte oder des Konzernbetriebsrats anbelangt, ist nicht darauf abzustellen, ob an einer entsprechenden Einheitlichkeit ein Interesse oder ein Wille des Konzerns vorlag oder ob diese zweckmäßig sei, denn es geht gar nicht um entsprechende betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrechte.

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass gerade im Hinblick auf z. B. das 13. Monatseinkommen auch der Gleichbehandlungsgrundsatz Berücksichtigung finden kann (BAG vom 6. April 1976 - 1 ABR 27/74 - AP Nr. 2 zu § 50 BetrVG 1972), dem eine erheblich höhere Bedeutung beizumessen ist als bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen.

Auch der Gedanke der Lohngerechtigkeit kann gerade im Hinblick auf einen eigenständigen Lohnbestandteil, hier dem 13. Monatseinkommen von Arbeitnehmern von Konzernunternehmen und -betrieben, nicht unberücksichtigt bleiben (BAG vom 6. Dezember 1988 - 1 ABR 44/87 - AP Nr. 37 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Mit der neuen einheitlichen Regelung des 13. Monatseinkommens in der Konzern-BV 2003 sollte möglicherweise der gesamten komplexen Struktur des Lohngefüges im Konzern Rechnung getragen werden, unabhängig vom einzelnen Unternehmenserfolg, also auch des Unternehmens, in dem der Kläger beschäftigt ist, der Beklagten.


LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 265/05

Verkündet am: 22. November 2005

In dem Rechtsstreit

hat die Achte Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kagerer sowie die ehrenamtlichen Richter Schober und Eichert für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 16. Dezember 2004 - Gz.: 1 Ca 490/04 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

3. Gegen dieses Urteil wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt in der Berufung von der Beklagten nur noch die Zahlung der Differenz des in einem Tarifvertrag mit einer Öffnungsklausel für eine "freiwillige Betriebsvereinbarung" festgelegten 13. Monatsgehalts zu dem in einer Konzernbetriebsvereinbarung festgelegten niedrigeren tatsächlich ausgezahlten Betrag. Dabei geht es im Kern um die Rechtswirksamkeit dieser Konzernbetriebsvereinbarung.

Er ist seit 1987 bei der Beklagten in ungekündigter Stellung beschäftigt, zuletzt als Bauleiter gegen ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von € 4.200,--; das entsprechende monatliche Tarifgehalt beträgt € 3.745,-- brutto.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, das zum S. AG-Konzern gehört. Dabei ist die S. AG als Holding-Unternehmen das herrschende Konzernunternehmen; sie ist Mehrheitsgesellschafterin ihrer rechtlich selbständigen Tochterunternehmen BR. GmbH, BM. GmbH und der T. GmbH. Der S. AG-Konzern ist in vier Unternehmensbereiche, nämlich Hochbau, Straßenbau, Projektentwicklung und zentrale Dienstleistungsunternehmen gegliedert. Die beiden Unternehmensbereiche Straßenbau und Hochbau sind rechtlich unselbständig und ihrerseits wieder in Direktionen gegliedert. Bei der "Direktion B." des Unternehmensbereichs Hochbau gibt es vier weitere Bereiche, darunter den "Bereich R.", zu dem die Beklagte gehört, die ein rechtlich selbständiges Unternehmen ist.

Durch Tarifvertrag vom 30. Januar 2002 über betriebsverfassungsrechtliche Gremien im S. AG-Konzern, der durch entsprechenden Tarifvertrag vom 1. April 2004 abgelöst worden ist, ist die betriebsverfassungsrechtliche Struktur in diesem Konzern geregelt; sie ist der Konzernstruktur nachgebildet. In den Unternehmensbereichen Hoch- und Straßenbau sind unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Zuordnung der Mitarbeiter für die jeweiligen Direktionen Betriebsräte gewählt worden, die in den einzelnen Direktionen eigenständige Gesamtbetriebsräte gebildet haben. Der Konzernbetriebsrat setzt sich nach Ziff. 6. des zeitlich geltenden Tarifvertrages aus Vertretern der einzelnen Gesamtbetriebsräte bzw. etwaiger Einzelbetriebsräte zusammen.

Beide Parteien sind unstreitig tarifgebunden im Hinblick auf die Tarifverträge über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten im Baugewerbe vom 21. Mai 1997 mit Änderungen vom 26. Mai 1999, 27. Februar 2002, 4. Juli 2002 und 29. Oktober 2003. Während in § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages (TV) vom 21. Mai 1997 "Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am 30. November des laufenden Kalenderjahres (Stichtag) mindestens 12 Monate (Bezugszeitraum) ununterbrochen besteht, einen Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen in Höhe von 77 v. H. ihres für den Monat April 1997 geltenden Tarifvertrages haben...", ist dieser Prozentsatz im TV vom 26. Mai 1999 auf 55 v. H. abgesenkt worden. Der entsprechende TV vom 27. Februar 2002 betraf im hier einschlägigen Bereich lediglich die Umstellung von DM auf Euro. Erstmals im TV vom 29. Oktober 2003 findet sich die Formulierung, auf die die Beklagte die Kürzung des 13. Monatseinkommens des Klägers i. V. mit einer Konzernbetriebsvereinbarung stützt. Es heißt darin:

"2. In § 2 Abs. 1 wird folgender Unterabsatz angefügt:

Durch freiwillige Betriebsvereinbarung oder, wenn kein Betriebsrat besteht, durch einzelvertragliche Vereinbarung kann eine von Satz 1 abweichende Höhe des 13. Monatseinkommens vereinbart werden, wobei ein Betrag von 780,-- Euro nicht unterschritten werden darf." Im TV vom 21. Mai 1997 sind in §§ 2 Abs. 2 ff., die durch die nachfolgenden Tarifänderungen nicht betroffen worden sind, Regelungen über anteilige Ansprüche auf das 13. Monatseinkommen enthalten.

Am 27. November 2003 haben für die Konzernmutter S. AG deren Vorstandsmitglieder K. und B. und für den Konzernbetriebsrat dessen Vorsitzender D. und stellvertretender Vorsitzender F. eine "Betriebsvereinbarung über die Höhe des 13. Monatseinkommens im Jahr 2003" (Konzern-BV 2003) unterzeichnet (Bl. 111/112 d. A.). Nach deren § 1 (Geltungsbereich und Gegenstand) Abs. 1 "gilt diese Vereinbarung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (...) der S. AG und der mit ihr verbundenen Unternehmen mit tariflichem Anspruch auf 13. Monatseinkommen" und regelt nach deren Abs. 2 "die Höhe des 13. Monatseinkommens nach § 2 Abs. 1 Unterabs. 2 und § 5 Abs. 1 S. 2 des TV ... vom 21. Mai 1997 in der Fassung vom 29. Oktober 2003 bzw. § 2 Abs. 1 Unterabs. 2 und § 5 S. 2 des TV ... vom 21. Mai 1997 in der Fassung vom 29. Oktober 2003". Ihr § 2 lautet wie folgt: "Höhe des 13. Monatseinkommens

1. Das 13. Monatseinkommen für das Jahr 2003 beträgt für die gewerblichen Mitarbeiter, Angestellte und Poliere einheitlich maximal 1.000,-- €.

2. Es wird jedoch maximal der Betrag gezahlt, der sich aus § 2 Abs. 1 S. 1 des o. g. Tarifvertrages über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe bzw. § 2 Abs. 1 S. 1 u. 2 des o. g. Tarifvertrages über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes ergibt (d. h. 93 Gesamttariflöhne bei gewerblichen Mitarbeitern bzw. 55 % des Tarifgehaltes bei Angestellten).

3. ..."

Schließlich ist in § 3 dieser Betriebsvereinbarung noch die Fälligkeit des 13. Monatseinkommens im Jahr 2003 festgelegt dahingehend, dass es "mit der Abrechnung für den Monat November 2003 ausgezahlt" werde. Nach ihrem § 4 "bleiben im Übrigen die tariflichen Regelungen insbesondere zur anteiligen Berechnung des 13. Monatseinkommens, zur Mindestarbeitsleistung, zur Berechnung bei Teilzeitbeschäftigten und zur Kürzung wegen Ausfalltagen von der betrieblichen Regelung unberührt". In ihrem § 6 ist schließlich bestimmt, dass diese Vereinbarung "mit Wirkung ab dem 27. November 2003 in Kraft tritt und bis einschließlich 30. November 2003 gilt".

Es existiert ein Protokoll des Betriebsrats der S. AG Direktion Hochbau B. vom 8. Dezember 2003 über eine "ordentliche Betriebsratssitzung vom 18.11.2003" (Bl. 39 d. A.). Darin stellt dessen Vorsitzender G. fest, dass die Einladungen rechtzeitig zugegangen sind, das Gremium beschlussfähig, die Tagesordnung vollständig und u. a. der Kläger, der BR-Mitglied ist, entschuldigt fehlt. Weiter ergibt sich aus der Rubrik "Tagesordnungspunkte" ein "Beschluss Änderung der Tagesordnung" und unter der Rubrik "Verlauf bzw. Ergebnis" dazu "Einstimmiger Beschluss zur Änderung der Tagesordnung. Es wurde der Punkt ,Verhandlungsmandat für den KBR' aufgenommen." Schließlich findet sich unter der Rubrik "Tagesordnungspunkte" der weitere Vermerk "Beschluss" und auf gleicher Höhe unter der Rubrik "Verlauf bzw. Ergebnisse" die folgende Formulierung: "Einstimmiger Beschluss über Verhandlungen für 13 Monatseinkommen. Der Betriebsrat hat in seiner Sitzung am 18.11.03 beschlossen, das Verhandlungsmandat an den KBR abzutreten."

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht ausgeführt (beschränkt auf den Streitgegenstand des Berufungsverfahrens), die Beklagte schulde ihm sein 13. Monatseinkommen für das Jahr 2003 auf der Basis des TV vom 21. Mai 1997 i. d. F. vom 26. Mai 1999 in Höhe von 55 % seines Tarifgehaltes von € 3.745,-- brutto = € 2.060,-- brutto. Die Einfügung einer Öffnungsklausel für eine "freiwillige Betriebsvereinbarung" über eine "abweichende Höhe des 13. Monatseinkommens" ändere daran nichts. Die Konzern-BV 2003, auf die sich die Beklagte zur Kürzung seines 13. Monatseinkommens berufe, sei nämlich unwirksam. Für den Abschluss einer derartigen Betriebsvereinbarung sei nicht der Konzernbetriebsrat, sondern der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat, dem er angehöre, und allenfalls der Gesamtbetriebsrat zuständig. Wer von den betriebsverfassungsrechtlichen Organen der Arbeitgebervertretungen zuständig sei, bestimme allein das Betriebsverfassungsgesetz und nicht die Arbeitgeberin oder im Falle eines Konzerns das herrschende Unternehmen. Eine Auftragszuständigkeit des Konzernbetriebsrats gem. § 58 Abs. 2 S. 1 BetrVG scheitere bereits daran, dass ein derartiger Auftrag vom Gesamtbetriebsrat ausgehen müsse, woran es hier fehle. Die Beauftragung durch den Betriebsrat in der Betriebsratssitzung vom 18. November 2003 erfülle bereits diese Voraussetzungen nicht. Im Übrigen werde im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Ladung der Betriebsratsmitglieder ein ordnungsgemäßes Zustandekommen des Beschlusses des örtlichen Betriebsrats vom 18. November 2003 bestritten. Außerdem erfordere eine wirksame Beauftragung des Konzernbetriebsrats, dass der entsprechende Beschluss schriftlich zu erfolgen und dem Beauftragten zuzugehen habe. Dafür genüge die Protokollniederschrift alleine nicht.

Nach dem TV vom 29. Oktober 2003, in dem über eine Öffnungsklausel eine Absenkung des 13. Monatseinkommens durch eine Betriebsvereinbarung ermöglicht wird, hätte diese einerseits mit seiner Arbeitgeberin, der Beklagten, abgeschlossen werden müssen, nicht mit dem herrschenden Unternehmen des Konzerns. Andererseits sei dann, wenn eine Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats gem. § 58 BetrVG für diese Betriebsvereinbarung tatsächlich vorliege, der richtige Verhandlungspartner das Leitungsorgan des herrschenden Konzernunternehmens; tatsächlich habe jedoch für diese die BR. GmbH verhandelt. Im Übrigen werde bestritten, dass seitens des Konzerns Bevollmächtigungen zum Abschluss der Konzernbetriebsvereinbarungen durch die abhängigen Unternehmen vorgelegen hätten.

Selbst im Falle der Rechtswirksamkeit der Konzern-BV 2003 könne diese nicht reduzierend auf für ihn bereits entstandene Ansprüche auf sein tarifvertragliches 13. Monatseinkommen zurückwirken. Er berufe sich insoweit auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Danach stünden ihm anteilig mindestens 11/12 seines 13. Monatsgehaltes 2003 zu, weil in dieser Höhe sein Anspruch bei Abschluss der Konzern-BV 2003 bereits entstanden gewesen sei.

Der Kläger hat daher vor dem Arbeitsgericht (beschränkt auf den Streitgegenstand der Berufung) folgenden Antrag gestellt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.060,-- brutto zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Sie hat ausgeführt,

die Klage sei unbegründet, denn das herrschende Unternehmen des Konzerns habe für sich und auch für Tochterunternehmen wie die Beklagte rechtswirksam mit dem Konzernbetriebsrat die Konzern-BV 2003 abgeschlossen, weshalb sich das 13. Monatseinkommen des Klägers auf € 1.000,-- verringert habe. Gegen eine Verhandlung über diese Konzern-BV durch die BR. GmbH bestünden vertretungsrechtlich keinerlei Bedenken; im Übrigen sei diese Betriebsvereinbarung von zwei Vorstandsmitgliedern des herrschenden Unternehmens unterschrieben worden. Ihr Konzernbetriebsrat sei auch zum Abschluss dieser Betriebsvereinbarung sowohl originär gem. § 58 Abs. 1 BetrVG als auch per Auftrag gem. § 58 Abs. 2 BetrVG zuständig gewesen.

Der TV vom 29. Oktober 2003 habe den Betriebsparteien die Regelungskompetenz übertragen, eine davon abweichende Höhe des 13. Monatseinkommens zu vereinbaren, wobei die Untergrenze von € 780,-- nicht unterschritten werden dürfe. Der Wortlaut des § 58 Abs. 1 BetrVG verlange, dass es sich um Angelegenheiten handle, die den Konzern oder mehrere Konzernunternehmen beträfen und nicht durch die einzelnen Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden könnten. Diese Voraussetzungen lägen vor. Eine zwingende sachliche Notwendigkeit für eine konzerneinheitliche oder zumindest unternehmensübergreifende Regelung bestehe im Hinblick auf den Inhalt der geplanten Regelung sowie das Ziel, das durch sie erreicht werden solle. Lasse sich dieses Ziel nämlich nur durch eine einheitliche Regelung auf Konzernebene erreichen, so sei der Konzernbetriebsrat zuständig. Derartige zwingend konzernübergreifende Regelungsnotwendigkeiten würden dann angenommen, wenn von der Konzern-BV 2003 gleichartige Betriebe bzw. Unternehmen mit gleichartigen Lohnstrukturen erfasst werden sollten. Die unterschiedliche Bemessung einzelner Lohnbestandteile wäre dann willkürlich und widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Bei einem einheitlichen Entgeltsystem im Konzern müssten auch einzelne einheitlich darin gewährte Bestandteile auf derselben Regelungsebene bestimmt werden. Deshalb müsse die Regelung auf der Ebene des herrschenden Konzernunternehmens und des Konzernbetriebsrats getroffen werden. Hier sei auch noch zu berücksichtigen, dass der Konzernbetriebsrat letztlich inhaltlich wie ein Gesamtbetriebsrat fungiert habe. Bis Mitte 2002 seien nämlich ihre späteren Unternehmensbereiche Hoch- und Ingenieurbau, zu der auch die Beklagte zähle, als eigene juristische Person, die S. Hoch- und Ingenieurbau AG und ihr Unternehmensbereich Straßen- und Tiefbau in der eigenen juristischen Person S. Straßen- und Tiefbau AG organisiert gewesen. Diese beiden Aktiengesellschaften seien dann im Sommer 2002 zum herrschenden Unternehmen des jetzigen Konzerns verschmolzen worden, aufgegliedert in die beiden operativ tätigen, jedoch juristisch unselbständigen Unternehmensbereiche Straßenbau der S. AG und Hochbau der S. AG. Seit Vollzug dieser Verschmelzung agiere ihr Konzernbetriebsrat vier Sparten übergreifend funktional wie ein Gesamtbetriebsrat, in dessen Zuständigkeitsbereich die Lohn- und Gehaltsregelung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG falle, weil für diesen Bereich grundsätzlich von der Notwendigkeit einer unternehmenseinheitlichen Handhabung auszugehen sei.

Im Übrigen handle es sich bei der Öffnungsklausel des § 2 Abs. 1 Unterabs. 2 des TV vom 29. Oktober 2003 um eine Angelegenheit "freiwilliger Mitbestimmung". In diesem mitbestimmungsfreien Bereich könne die Arbeitgeberin oder das herrschende Konzernunternehmen über seine Unternehmensleitung - mitbestimmungsfrei -entscheiden, ob und für welche Personengruppe eine freiwillige Regelung, im Regelfall eine freiwillige soziale Leistung, erbracht werde. Die Arbeitgeberin oder hier konkret das herrschende Unternehmen des Konzerns habe es alleine in der Hand, mit welchem Umfang und mit welcher Betriebsratsebene sie bzw. es eine unternehmerische Entscheidung treffe. Folglich legten sie auch die Zustimmung des Konzernbetriebsrats frei fest.

Darüber hinaus bestehe eine Auftragszuständigkeit des Konzernbetriebsrats gem. § 58 Abs. 2 BetrVG, die durch das Protokoll des Betriebsrats in der Betriebsratssitzung vom 18. November 2003, in dem ihm das Verhandlungsmandat abgetreten worden sei, nachgewiesen sei.

Der Kläger habe auch keinen wenigstens anteiligen Anspruch auf die Zahlung seines 13. Monatseinkommens für das Jahr 2003. Dies ergebe sich aus der Anfügung zu § 6 Abs. 1 S. 1 durch den TV vom 29. Oktober 2003, wonach selbst dann, wenn eine beabsichtigte betriebliche Vereinbarung am 30. November 2003 noch nicht abgeschlossen worden sein sollte, für den Monat November 2003 mindestens € 520,--auszuzahlen seien. Diese Regelung ergäbe keinen Sinn, wäre den Betriebspartnern nicht die Kompetenz zuerkannt worden, bereits für den laufenden Bezugszeitraum 2002/2003 eine rückwirkende Regelung zu treffen. Zum einen habe er bereits nicht auf die Nichtkündigung des TV vom 26. Mai 1999 zum 30. Juni 2003 vertrauen können, dass zum Fälligkeitszeitraum 30. November 2003 keine anderweitige Regelung getroffen würde. Zum anderen hätten zwischen den Tarifpartnern der Bauwirtschaft bereits frühzeitig vor Ablauf dieses Tarifvertrages Spitzengespräche stattgefunden, in denen über verschiedene Varianten der Veränderung des 13. Monatsgehalts intensiv diskutiert worden sei, erstmals am 23. April 2003 und erneut am 9. Juli 2003. Von der IG B. sei sogar ein Tarifvorschlag unterbreitet worden, der erheblich größere Einschnitte in das 13. Monatseinkommen vorgesehen hätte, als dies dann tarifvertraglich umgesetzt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 16. Dezember 2004, das dem Kläger am 18. Februar 2005 zugestellt worden ist, die Klage vollinhaltlich abgewiesen. Auf die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen und angestellten rechtlichen Erwägungen wird verwiesen.

Dagegen hat der Kläger mit einem am 9. März 2005 am Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sie mit einem hier am 18. April 2005 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags führt er insbesondere aus, es bleibe dabei, dass der Konzernbetriebsrat für die Konzern-BV 2003 nicht originär zuständig gem. § 58 Abs. 1 BetrVG gewesen sei. Es werde bestritten, dass entsprechende Vollmachten für die S. AG zum Abschluss von Konzernbetriebsvereinbarungen seitens einzelner abhängiger Unternehmen, insbesondere der Beklagten, im Konzern vorlagen.

Darüber hinaus habe das Arbeitsgericht verkannt, dass mit der Konzern-BV 2003 dadurch gegen seinen, des Klägers, Vertrauensschutz verstoßen worden sei, dass in seine bereits entstandenen und fällig geworden, aber noch nicht abgewickelten Ansprüche verschlechternd eingegriffen worden sei. Insbesondere habe es verkannt, dass sein Anspruch nach §§ 2 Abs. 2 ff. TV vom 21. Mai 1997 (insoweit nicht durch die folgenden Tarifverträge geändert) bereits anteilig entstanden gewesen sei. Argumente für eine Kürzung dieses bereits entstandenen Sachvortrags seien nicht erkennbar, insbesondere fehle es an einer wirtschaftlichen Notlage bei der Beklagten, wie sich aus deren positiven Jahresbericht für das Jahr 2003 ergebe.

Deshalb stellt der Kläger folgende Anträge:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 16. Dezember 2004 - Gz.: 1 Ca 490/04 - aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.060,-- brutto zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Sie hält das angegriffene Urteil für richtig und wiederholt und vertieft ebenfalls ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.

Insbesondere seien die Einwendungen des Klägers im Hinblick auf eine wirksame Beschlussfassung des Konzernbetriebsrats zum Abschluss der Konzern-BV 2003 zu unsubstantiiert.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsprotokolle, die Schriftsätze der Parteien und den sonstigen Akteninhalt beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zwar zulässig, jedoch unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat richtig entschieden.

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, denn sie richtet sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil, gegen das nicht nach § 78 ArbGG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt € 600,-- (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b ArbGG).

Sie ist auch in der richtigen Form und rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1 und 2 ArbGG).

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil dem Anspruch des Klägers die Konzern-BV 2003, die zu einer Kürzung seines 13. Monatseinkommens bis auf die Höhe des ihm ausgezahlten Betrags für dieses Jahr führt, entgegensteht.

1. Der Kläger stützt seinen Anspruch auf § 2 Abs. 1 S. 1 TV vom 21. Mai 1997 i. d. F. vom 26. Mai 1999, der insoweit später im Wortlaut nicht geändert worden ist und wonach ihm ein 13. Monatsgehalt in Höhe von 55 % seines Tarifgehalts zusteht.

2. Dem steht allerdings der TV vom 29. Oktober 2003 mit der Anfügung zu § 2 Abs. 1 S. 1 entgegen, wonach "durch freiwillige Betriebsvereinbarung oder, wenn kein Betriebsrat besteht, durch einzelvertragliche Vereinbarung eine von Satz 1 abweichende Höhe des 13. Monatseinkommens vereinbart werden kann, wobei ein Betrag von € 780,-- nicht unterschritten werden darf".

2.1 Eine derartige Betriebsvereinbarung liegt in der Konzern-BV 2003 vor, wonach für das Jahr 2003 das 13. Monatseinkommen für Angestellte wie den Kläger auf € 1.000,-- festgesetzt ist.

Diese Konzern-BV ist nicht unwirksam. Dabei ist allerdings von mitentscheidender Bedeutung, ob es ich dabei um einen Regelungsgegenstand der erzwingbaren Mitbestimmung handelt, denn dann stellt sich die Frage nach der originären Zuständigkeit bzw. Auftragszuständigkeit des Konzernbetriebsrats gem. § 58 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BetrVG oder der originären Zuständigkeit bzw. Auftragszuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gem. § 50 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BetrVG oder des örtlichen Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG genauso wie die Zuständigkeit auf Arbeitgeberseite beim herrschenden Konzernunternehmen oder der Arbeitgeberin des Klägers, der Beklagten.

2.2 Insgesamt kommt es auf die Auslegung der mit TV vom 29. Oktober 2003 eingefügten Öffnungsklausel für eine Betriebsvereinbarung an. Bei der Auslegung von Tarifverträgen ist - entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung - zunächst vom Wortlaut auszugehen; danach ist über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Dabei ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mit berücksichtigt werden muss, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Norm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und so nur bei Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann; schließlich ist auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse zu berücksichtigen, wobei im Zweifel derjenigen Tarifauslegung der Vorzug gebührt, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG vom 22. Oktober 2003 - 10 AZR 152/03 - AP Nr. 21 zu § 1 TVG Rückwirkung).

In seiner Entscheidung vom 20. Februar 2001 (1 AZR 233/00 - AP Nr. 15 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt) hat das Bundesarbeitsgericht sich in den Fällen, in denen der maßgebliche Wortlaut einer Tarifnorm, konkret einer Öffnungsklausel für eine Betriebsvereinbarung, Zweifel zulassen, erkannt, dass die Systematik der Tarifnorm sowie ihr Sinn und Zweck dafür sprechen könnten, dass die Tarifvertragsparteien die Gewährung darüber hinausgehender freiwilliger Leistungen der Arbeitgeberin durch Betriebsvereinbarung nicht generell sperren wollten. Allerdings ist hier gerade die Freiwilligkeit der Leistungen hervorgehoben.

Bereits früher, in seiner Entscheidung vom 28. Februar 1984 (1 ABR 37/82 - AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang), hat sich das Bundesarbeitsgericht mit einer Tarifnorm auseinandergesetzt, die eine "nicht erzwingbare Betriebsvereinbarung" im Hinblick auf Methoden zur Ermittlung der Leistungszulage zum Gegenstand hatte und "für ihre Wirksamkeit der schriftlichen Zustimmung durch die Tarifvertragsparteien" bedurfte. Es hat es offen gelassen, ob sich die dortige konkrete Betriebsvereinbarung im Rahmen der dortigen Öffnungsklausel hielt, jedoch klargestellt, dass selbst dann, wenn hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Betriebsvereinbarung keine Bedenken bestünden, daraus nicht folge, bei mangelnder Einigung der Betriebspartner insoweit die Einigungsstelle verbindlich entscheiden können solle. Von entscheidender Bedeutung war danach vielmehr, dass den Betriebspartnern eine andere Regelung selbst im Falle einer grundsätzlich erzwingbaren Mitbestimmung nur durch eine freiwillige Einigung über eine Betriebsvereinbarung ermöglicht werden sollte.

2.3 Diese Maßstäbe zu Grunde gelegt gilt Folgendes:

Nicht wenig spricht dafür, dass das 13. Monatseinkommen des § 2 Abs. 1 S. 1 TV vom 26. Mai 1999 Entgeltcharakter hat und nicht den typischen freiwilligen Leistungen zuzurechnen ist. Dies ergibt sich insbesondere aus der Tatsache, dass in den Abs. 2 ff. dieser Tarifnorm ausdrücklich eine anteilige Leistung für deren Erwerb ausdrücklich geregelt ist.

Die Tariföffnungsklausel für eine freiwillige Betriebsvereinbarung, die durch TV vom 29. Oktober 2003 dem TV vom 26. Mai 1999 angefügt wurde, scheint auf den ersten Blick eine Verhandlungsfähigkeit von grundsätzlich den Tarifvertragsparteien vorbehaltenen Gegenständen wie Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen für die Betriebspartner gem. § 77 Abs. 3 BetrVG zu eröffnen. Folgte man diesem Eindruck, bestünden ganz erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Konzern-BV 2003, weil dann in ihr, selbst wenn dies von den Tarifvertragsparteien gewollt gewesen wäre, gegen gesetzliche Zuständigkeitsverteilungen des BetrVG nach dessen § 87 Abs. 1 Nr. 10 (für den Betriebsrat), § 50 (für den Gesamtbetriebsrat) und § 58 (für den Konzernbetriebsrat) verstoßen worden wäre. Zuständig für Regelungen gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist der Betriebsrat, der im Übrigen hier unstreitig auch im Hinblick auf die Beklagte gebildet ist. Ob für einen Konzernbetriebsrat hier eine originäre Zuständigkeit gem. § 58 Abs. 1 BetrVG oder eine Auftragszuständigkeit gem. § 58 Abs. 2 BetrVG besteht, kann dahinstehen; im Hinblick auf Letztere sei jedoch darauf hingewiesen, dass insoweit gewisse Bedenken schon deshalb bestehen, weil in der Betriebsratssitzung, in der die Mandatserteilung an den Konzernbetriebsrat erfolgte, der Betriebsrat zunächst eine Änderung der Tagesordnung gerade insoweit vorgenommen hat, obgleich nicht alle Betriebratsmitglieder, darunter der Kläger, anwesend waren und möglicherweise auf diese Änderung der Tagesordnung per Ladung gar nicht hingewiesen worden war. Nicht einmal durch Tarifvertrag aber kann eine von der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung der Regelungskompetenz der Betriebspartner abweichende Regelung getroffen werden (BAG vom 9. Dezember 2003 - 1 ABR 49/02 - AP Nr. 27 zu § 50 BetrVG 1972).

2.3.1 Von entscheidender Bedeutung ist allerdings, dass die Tarifvertragsparteien ihr Regelungsprivileg gem. § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG über § 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG den Betriebspartnern nicht voll zur Ausfüllung überlassen haben, sondern es ganz konkret davon abhängig machten, dass diese eine "freiwillige Betriebsvereinbarung" schlössen. Darin kommt zum Ausdruck, dass ohne diese "freiwillige Betriebsvereinbarung" gerade keine Regelungskompetenz der Betriebspartner bestehen sollte. Weder bestand insoweit ein Initiativrecht einer Mitarbeitervertretung, gleichgültig ob Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat, noch eine Zuständigkeitsfestlegung auf Arbeitgeberseite hinsichtlich Konzernunternehmen selbst oder herrschendem Konzernunternehmen, für welche Betriebe und Unternehmen im Konzern auch immer.

Damit aber sind die Rechte beider Betriebspartner geschützt, weil sie sich einer solchen Betriebsvereinbarung einfach verweigern konnten. Stellt unter diesen Umständen auch nur einer der Betriebs- oder Konzernpartner, gleichgültig ob auf Arbeitgeber- oder Mitarbeitervertretungsseite, Bedingungen, so kann sich die andere Seite dagegen schützen, indem sie weder Verhandlungen aufnimmt oder verhandelt noch eine Betriebsvereinbarung abschließt.

Ein Schutz vor unzulässigen Eingriffen in die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung der Regelungskompetenz der betriebsverfassungsrechtlichen Organe ist daher nicht geboten.

Hier kommt hinzu, dass selbst nach den vom Kläger vorgelegten Richtlinien der hier branchenzuständigen Gewerkschaft IG B. zur Umsetzung der Tarifverträge über das 13. Monatseinkommen die Problematik jedenfalls der Seite der Arbeitnehmervertretung durchaus bekannt gegeben worden und auch bekannt war. Dieses Risiko hatten die Tarifvertragsparteien durch die Einführung der tariflichen Öffnungsklausel mit TV vom 29. Oktober 2003 wohl auch gesehen und waren es eingegangen. Sie hatten ihre Kompetenz insoweit delegiert. Dabei geht es, wie zu wiederholen ist, nicht um Mitbestimmungsrechte gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG für den Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat, sondern um die Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien gem. § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG, die sie den Betriebspartnern durch den vorgenannten Tarifvertrag, allerdings beschränkt auf eine "freiwillige Betriebsvereinbarung", überlassen haben.

2.3.2 Was den Konzernbetriebsrat dazu veranlasst hat, hier mit dem herrschenden Konzernunternehmen die Konzern-BV 2003 abzuschließen, ist dann ohne rechtliche Bedeutung, wenn sie inhaltlich nicht missbräuchlich ist. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden angesichts der Tatsache, dass die Beklagte von vorneherein klargestellt hatte, dass diese Betriebsvereinbarung darauf beruht, dass in dem Konzern, dem sie angehört, gerade im Hinblick auf die tarifliche Regelung des 13. Monatseinkommens Einheitlichkeit bestehen oder eingeführt werden sollte. Nur unter diesen Umständen sollte aus der Sicht dieses Konzerns eine Regelung getroffen werden.

Was die betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsregelungen der Betriebsräte, Gesamtbetriebsräte oder des Konzernbetriebsrats anbelangt, ist nicht darauf abzustellen, ob an einer entsprechenden Einheitlichkeit ein Interesse oder ein Wille des Konzerns vorlag oder ob diese zweckmäßig sei, denn es geht gar nicht um entsprechende betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrechte. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass gerade im Hinblick auf z. B. das 13. Monatseinkommen auch der Gleichbehandlungsgrundsatz Berücksichtigung finden kann (BAG vom 6. April 1976 - 1 ABR 27/74 - AP Nr. 2 zu § 50 BetrVG 1972), dem eine erheblich höhere Bedeutung beizumessen ist als bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen.

- Auch der Gedanke der Lohngerechtigkeit kann gerade im Hinblick auf einen eigenständigen Lohnbestandteil, hier dem 13. Monatseinkommen von Arbeitnehmern von Konzernunternehmen und -betrieben, nicht unberücksichtigt bleiben (BAG vom 6. Dezember 1988 - 1 ABR 44/87 - AP Nr. 37 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung). Mit der neuen einheitlichen Regelung des 13. Monatseinkommens in der Konzern-BV 2003 sollte möglicherweise der gesamten komplexen Struktur des Lohngefüges im Konzern Rechnung getragen werden, unabhängig vom einzelnen Unternehmenserfolg, also auch des Unternehmens, in dem der Kläger beschäftigt ist, der Beklagten.

2.4 Der Konzernbetriebsrat und das herrschende Unternehmen des Konzerns konnten deshalb die freiwillige Konzern-BV 2003 abschließen. Zweifel an deren Wirksamkeit wegen Fehler beim Zustandekommen dieser Konzern-BV in den sie abschließenden betriebsverfassungsrechtlichen Organen - S. AG und Konzernbetriebsrat - hat der Kläger zwar geäußert, ist jedoch dem substantiierten Sachvortrag der Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten, weshalb Letzterer als zugestanden anzusehen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Soweit der Kläger daher einen vollen Ausgleich des an ihn tatsächlich geleisteten 13. Monatseinkommens für das Jahr 2003 im Verhältnis zu dem ihm nach TV vom 29. Mai 1999 zustehenden begehrt, ist seine Klage und damit auch die Berufung unbegründet.

3. Der Kläger hat aber auch keinen anteiligen Anspruch auf das 13. Monatseinkommen, denn die Konzern-BV 2003 erfasst rückwirkend seine ursprünglich entstandenen tariflichen Ansprüche. Das Arbeitsgericht hat dabei richtig erkannt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts tarifliche Regelungen während der Laufzeit des Tarifvertrages den immanenten Vorbehalt ihrer rückwirkenden Abänderbarkeit durch Tarifvertrag in sich tragen, was sogar für bereits entstandene und fällig gewordene, aber noch nicht abgewickelte, sog. "wohlerworbene Rechte der Tarifvertragsparteien" gilt.

Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung wird allerdings durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt. Es kommt also darauf an, ob diese mit einer tariflichen Neuregelung rechnen mussten (BAG vom 22. Oktober 2003, a. a. O.). Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Die Arbeitnehmer von Konzernunternehmen müssen, unabhängig vom Erfolg des Unternehmens, bei dem sie beschäftigt sind, aus Gründen der Rücksicht auf einen etwaigen wirtschaftlichen Misserfolg anderer Konzernunternehmen mit Einschränkungen z. B. beim Bezug eines selbständigen Lohnbestandteils, wie dem des 13. Monatseinkommen, rechnen. Daran ändert die Tatsache der anteiligen Entstehung des 13. Monatseinkommens gem. §§ 2 Abs. 2 ff. TV vom 21. Mai 1997 nichts. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn bereits entstandene Ansprüche rückwirkend nicht vollständig entfallen. Hier verbleibt dem Kläger immerhin noch knapp die Hälfte.

Die Klage und folglich auch die Berufung des Klägers ist daher auch insoweit unbegründet.

Im Übrigen wird auf die Begründung des Arbeitsgerichts verwiesen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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