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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht München
Urteil verkündet am 29.04.2008
Aktenzeichen: 8 Sa 402/07
Rechtsgebiete: TV Nr. 1 vom 1. November 2001


Vorschriften:

TV Nr. 1 vom 1. November 2001 zur Zahlung einer Jahressonderzahlung für Beschäftigte in den Privatkrankenanstalten in Bayern § 4 Ziff. 3
Wenn Tarifvertragsparteien einen bestimmten Begriff - hier "Schließung von Betten" - kennen und ihn typischerweise für solche im sog. "Akutbereich" und nicht im Reha-Bereich verwenden und dieser "Akutbereich" genauso wie der Reha-Bereich auch im Tarifvertrag angesprochen ist, so kann ihr etwaiger entgegenstehender Wille, nämlich diesen Begriff gerade auf den Reha-Bereich zu beziehen, nicht berücksichtigt werden. Er hat in diesem Tarifvertrag keinen Niederschlag gefunden.
LANDESARBEITSGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 Sa 402/07

Verkündet am: 29. April 2008

In dem Rechtsstreit

hat die Achte Kammer des Landesarbeitsgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Kagerer sowie die ehrenamtlichen Richter Stainer und Gil für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 14. März 2007 - Gz.: 2b Ca 13914/06 H - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Gegen dieses Urteil wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für das Jahr 2005 den "variablen, ergebnisabhängigen Anteil" der Sonderzahlung gem. § 2 Ziff. 2 i. V. mit § 4 Ziff. 3 des Tarifvertrages Nr. 1 vom 1. November 2005 zur Zahlung einer Jahressonderzahlung für Beschäftigte in den Privatkrankenanstalten in Bayern (künftig: TV J Nr. 1) zu zahlen.

Die am 0.0.1967 geborene Klägerin ist unstreitig seit dem Jahr 1999 als Physiotherapeutin, zuletzt auf der Basis eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 13. Dezember 2001, bei der Beklagten beschäftigt. Sie ist ebenso wie die Beklagte im Hinblick auf den TV J Nr. 1 tarifgebunden.

Dessen §§ 2, 4 Ziff. 1 und Ziff. 3, 6 Ziff. 1 S. 1 und 8 Ziff. 1 S. 1 haben u. a. folgenden Wortlaut:

"§ 2 Sonderzahlung

1. Die Beschäftigten erhalten zusätzlich zu ihren monatlichen Vergütungen eine jährliche Sonderzahlung nach Maßgabe dieses Tarifvertrages ...

2. Die Sonderzahlung besteht aus einem festen Anteil sowie aus einem variablen, ergebnisabhängigen Anteil.

3. Die Summe des festen und des variablen, ergebnisabhängigen Anteils der Sonderzahlung beträgt für ein Geschäftsjahr maximal 110 % der individuellen durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung nach § 3 Abs. 1 dieses Tarifvertrages.

§ 4 Variabler, ergebnisabhängiger Anteil

1. Der variable Teil der Sonderzahlung besteht aus einer Ergebnisbeteiligung nach Maßgabe der nachfolgenden Berechnungssystematik:

a) Das Unternehmensergebnis ist die Summe der Erlöse des Unternehmens aus medizinischen Versorgungsleistungen, insbesondere aus voll- und teilstationärer oder ambulanter Versorgung (Institutsleistungen), akutstationärer oder rehabilitationsmedizinischer Versorgung, welche durch Fallpauschalen, DRG's (Diagnosis Related Groups), Pflegesätze und Vergütungen für ambulante Leistungen erzielt werden ...

b) Für Verbandsmitglieder, deren Erlöse gem. Buchstabe a) überwiegend aus DRG-Vergütungen stammen, wird der Unternehmenserfolg nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ermittelt: Die Erlöse des Unternehmens für das Geschäftsjahr 2004 - bzw. das in 2004 zu Ende abweichenden Geschäftsjahres - zuzüglich einer Steigerung von 3 % bilden den Basiswert für die Ermittlung des Unternehmenserfolges der Folgejahre (Basiswert). Übersteigen diese tatsächlichen Erlöse des Unternehmens nach der vorstehenden Definition (Gesamterlöse) den Basiswert in einem auf das dem Jahr 2004 folgenden Geschäftsjahr, so erhalten die Beschäftigten für jede 0,25 % der Ergebnisverbesserung eine Erfolgsbeteiligung in Höhe von 1,5 % des monatlichen Bruttogehalts nach § 3 Abs. 1 dieses Tarifvertrages. Eine Aufrundung findet nicht statt.

c) Für Verbandsmitglieder, deren Erlöse gem. Buchstabe b) nicht überwiegend aus DRG-Vergütungen stammen, stellen die Erlöse des Unternehmens für das Geschäftsjahr 2004 - bzw. das in 2004 zu Ende gegangene Geschäftsjahr im Falle eines vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahres des Jahres 2004 - den Basiswert für die Ermittlung des Unternehmenserfolges der Folgejahre (Basiswert) dar. Übersteigen diese tatsächlichen Erlöse des Unternehmens nach der vorstehenden Definition (Gesamterlöse) den Basiswert in einem auf das dem Jahr 2004 folgenden Geschäftsjahr, so erhalten die Beschäftigten für jede 0,25 % der Ergebnisverbesserung eine Erfolgsbeteiligung in Höhe von 1,5 % des monatlichen Bruttogehalts nach § 3 Abs. 1 dieses Tarifvertrages. Eine Aufrundung findet nicht statt.

d) ...

2. ...

3. Verändert sich die Unternehmensstruktur der jeweiligen Einrichtung durch Erweiterung oder Einschränkung der medizinischen Aktivitäten, insbesondere durch die Inbetriebnahme oder Schließung von Betten, so ist der Vergleichswert für die auf die Änderung folgenden Sonderzahlungen im Verhältnis dieser Änderungen zur bisherigen Unternehmensstruktur anzupassen.

4. ...

§ 6 Erstmalige Zahlung in 2005

1. Die Sonderzahlung nach diesem Tarifvertrag wird erstmalig für das zum 31.12.2005 endende Geschäftsjahr für solche Unternehmen gezahlt, deren Geschäftsjahr das Kalenderjahr ist ...

2. ...

§ 8 Inkrafttreten und Kündigung

1. Dieser Manteltarifvertrag tritt am 01.11.2005 in Kraft ...

2. ..."

(kursive Hervorhebungen durch die Berufungskammer)

Unstreitig hatte die Klägerin nach dem dem TV J Nr. 1 vorangegangenen "Tarifvertrag über eine Zuwendung" Anspruch auf eine Zuwendung in Höhe von 98,52 % des durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalts aus dem jeweiligen Vorjahr. Für das Jahr 2005 hat die Beklagte ihr lediglich den "festen Anteil" der Sonderzahlung gem. §§ 2 Ziff. 2 und 3 Ziff. 1 TV J Nr. 1 gezahlt, nicht aber den "variablen, ergebnisabhängigen Anteil" gem. §§ 2 Ziff. 2, 4 Ziff. 1 lit. a) und lit. c) i. V. mit Ziff. 3 TV J Nr. 1.

Die Beklagte hat einen Versorgungsvertrag gem. §§ 108 Nr. 3/109 SGB V vom 13. Oktober 2003 mit diversen Krankenkassenverbänden als Kostenträger abgeschlossen, in dessen § 1 Abs. 1 sie sich verpflichtet, für deren Versicherte die akute vollstationäre Behandlung bei neurologischen Erkrankungen "in insgesamt 20 Betten" zu erbringen; nach deren Abs. 2 ist damit allerdings keine Belegungsgarantie verbunden.

Des Weiteren hat sie an diesem Tag zwei Versorgungsverträge gem. § 111 SGB V mit diversen Krankenkassenverbänden abgeschlossen; in § 1 Abs. 1 des einen verpflichtet sie sich, für deren Versicherte in insgesamt 280 Betten medizinische Leistungen der Rehabilitation einschließlich Anschlussheilbehandlung mit Unterkunft und Verpflegung für bestimmte Krankheiten und in § 1 Abs. 1 des anderen ebenso solche Leistungen, jedoch bei bestimmten anderen neurologischen Erkrankungen in insgesamt 80 Betten, zu erbringen. In beiden Verträgen ist auch hier eine Belegungsgarantie ausgeschlossen.

Unstreitig ist die Beklagte in ihrer Wirtschaftsplanung für die Belegung ihrer Betten für das Bezugsjahr 2004 (Basisjahr 2003/2004) noch von 360 Betten ausgegangen und hat diese für das Bezugsjahr 2005 (Geschäftsjahr 2004/2005) auf 340 Betten reduziert. Genauso unstreitig betrug der Umsatzerlös für das Bezugsjahr 2004 (Basisjahr 2003/2004) bei 360 Betten € 20.030.399,-- und für das Bezugsjahr 2005 (Geschäftsjahr 2004/2005) bei 340 Betten € 19.734.172,--. Im Hinblick auf die verwendeten Begriffe "Bezugsjahr" und "Basisjahr" wird darauf hingewiesen, dass offensichtlich bei der Beklagten das Geschäftsjahr nicht mit dem Kalenderjahr übereinstimmt, was in § 4 Ziff. 1 lit. c) TV J Nr. 1 Berücksichtigung gefunden hat.

Bei der Beklagten gibt es sowohl 1-Bett- als auch 2-Bett-Zimmer.

Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, sie habe einen Anspruch auf den "variablen, ergebnisabhängigen Anteil" der Sonderzahlung gem. §§ 2 Ziff. 2, 4 Ziff. 1 lit. a) und lit. c) i. V. mit Ziff. 3 TV J Nr. 1, weil die Beklagte ihre Unternehmensstruktur durch die "Schließung" von insgesamt 20 Betten im Verhältnis vom Bezugsjahr 2004 (360 Betten) zum Bezugsjahr 2005 (340 Betten) geändert habe, sodass der Vergleichswert für die auf die Änderung folgende Sonderzahlung im Verhältnis dieser Änderung zur bisherigen Unternehmensstruktur anzupassen sei. Zur Berechnung im Einzelnen wird auf die Anlage 5 zur Klageschrift (= Bl. 17 d. A.) verwiesen. Daraus ergebe sich, dass ihr, der Klägerin, für das Jahr 2005 ein "variabler, ergebnisabhängiger Anteil" ihrer Sonderzahlung in Höhe von € 683,84 brutto zustehe. Die Anpassungsklausel des § 4 Ziff. 3 TV J Nr. 1 sei das Ergebnis einer Forderung der diesen Tarifvertrag abgeschlossenen Gewerkschaft gewesen, weil eine Anpassung und Veränderung der zu belegenden Betten die Erlössituation der Kliniken beeinflussen könne. Es sei nämlich aufgrund schwankender Belegungssituationen, bedingt durch die Zuweisepolitik der Kostenträger, die Tendenz feststellbar, dass die Klinikleitungen bestehende Bettenkapazitäten z. B. von 2-Bett-Zimmern zu 1-Bett-Zimmer umwandle oder aber verstärkt Angebote z. B. für begleitende Angehörige, z. B. im Wellness-Bereich oder für Ferienmaßnahmen von Behinderten anböten. Dies müsse im Tarifvertrag Berücksichtigung finden und habe in § 4 Ziff. 3 TV J Nr. 1 auch unter der Formulierung "verändert sich die Unternehmensstruktur der jeweiligen Einrichtung durch Erweiterung oder Einschränkung der medizinischen Aktivitäten ..." Eingang gefunden. Die ernsthafte Umsetzung einer das operative Geschäft beeinflussenden Planung - also die Umsetzung z. B. eines Wirtschaftsplans - sei Merkmal und Verpflichtung für betriebswirtschaftlich korrekt handelnde Kaufleute und damit auch Klinikgeschäftsführungen, denn Planungswerte sollen erreicht werden. Deshalb werde das operative Geschäft auf der Basis der Planungswerte organisiert, um die mit der Planung verknüpften Zielwerte zu erreichen, was zwangsläufig die beabsichtigte Auswirkung auf die Erlössituation habe. Daher könne schon eine veränderte Planung der festen Kapazität Auswirkungen auf die Erlössituation haben. Werde in der Wirtschaftsplanung die Anzahl der zur Verfügung stehenden Betten reduziert, sei in der Regel auch davon auszugehen, dass eine dieser Planung entsprechende Belegungspolitik und Akquisition erfolgen werde. Die Umsetzung einer solchen Planung werde insbesondere auch Auswirkungen bei Personalmaßnahmen haben, weil möglicherweise zuerst eine Anpassung i. S. einer Reduzierung des Personalbestandes erfolgen werde.

Deshalb hat die Klägerin vor dem Arbeitsgericht folgenden Antrag gestellt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 683,84 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit 15. Dezember 2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Sie hat vorgetragen,

der geltend gemachte Anspruch der Klägerin bestehe deshalb nicht, weil seine Voraussetzungen gem. § 4 Ziff. 3 TV J Nr. 1 nicht vorlägen. Sie habe für das Wirtschaftsjahr 2005 keine "Schließung von Betten" i. S. dieser Vorschrift und damit auch keine Veränderung ihrer Unternehmensstruktur vorgenommen, wenn sie lediglich in ihren Wirtschaftsplänen im Verhältnis für das Bezugsjahr 2004 eine Belegung ihrer Betten von 360 auf 340 angenommen habe. Sie habe lediglich auf die bei den Kostenträgern zu erkennende Tendenz reagiert, wonach dort mehr Interesse an 1-Bett-als an 2-Bett-Zimmern erkennbar gewesen sei. Im Grunde müsse sie nach ihren Versorgungsverträgen mit den jeweiligen Kostenträgern weiterhin für eine Belegung mit ggf. 380 Betten gerüstet sein. Ihre Wirtschaftsplanung für das Jahr 2005 mit einer zu erwartenden Belegung von 340 Betten sei daher nicht i. S. einer beabsichtigten entsprechenden Umsetzung zu werten, sondern beruhe auf dem Erfahrungswert für das Wirtschaftsjahr 2004.

Für den "variablen, ergebnisabhängigen Anteil" der Sonderzahlung gem. §§ 2 Ziff. 2, 4 Ziff. 1 lit. c) i. V. mit Ziff. 3 TV J Nr. 1 komme es allein auf die tatsächliche Erlössituation und nicht auf etwaige Gewinne an. Die Erlössituation aber richtet sich allein nach der Zahl der Bettenbelegungen, denn die jeweiligen insoweit den Versorgungsträgern in Rechnung gestellten Kosten seien bereits mit diesen in den entsprechenden Versorgungsverträgen fest vereinbart.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 14. März 2007, das der Klägerin am 24. April 2007 zugestellt worden ist, die Klage abgewiesen. Auf die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen und angestellten rechtlichen Erwägungen wird verwiesen.

Dagegen hat die Klägerin mit einem am 3. Mai 2007 am Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sie, nach Verlängerung der Berufungs-begründungsfrist bis 25. Juli 2007, mit einem hier an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags führt sie insbesondere aus, die Reduzierung der Planbettenzahl im Geschäftsjahr 2004/2005 von 360 auf 340 sei genau der Fall, den die Tarifvertragsparteien mit der Anpassungsvorschrift des § 4 Ziff. 3 TV J Nr. 1 regeln wollten. Es komme nicht darauf an, dass die Beklagte aufgrund von Versorgungsverträgen mit ihren Kostenträgern verpflichtet sei, ggf. 380 Betten zur Verfügung zu stellen. Hätten die Tarifvertragsparteien diese Bezugsgröße in § 4 Ziff. 1 lit. c) i. V. mit Ziff. 3 TV J Nr. 1 zugrunde legen wollen, wäre es ein Leichtes gewesen, dies zu vereinbaren. Beiden sei jedoch damals klar gewesen, dass sich die Angaben in den Versorgungsverträgen nicht maßgeblich auf die Erlössituation auswirkten, denn die Beklagte könne i. S. der tariflichen Regelung die medizinischen Aktivitäten durch die "Inbetriebnahme oder Schließung von Betten" erweitern, ohne gegen die Versorgungsverträge zu verstoßen. Deshalb obliege es ihr, die Planbettenzahl, die nicht nur für den Gewinn, sondern auch für den Erlös maßgeblich sei, zu reduzieren oder zu erweitern. Somit könne die Beklagte entsprechend die Aufwendungen für Personal, Verpflegung etc. der reduzierten Bettenzahl anpassen, was wiederum Auswirkung auf den Gewinn habe. Unabhängig davon aber führe die Reduzierung der Planbettenzahl zu einer Veränderung des Erlöses. Die Tarifvertragsparteien hätten jedoch nicht gewollt, dass die Arbeitgeber das Planungsrisiko auf die Arbeitnehmer abwälzten. Es sei "explizit Grundlage für die Aufnahme des § 4 Ziff. 3 TV J Nr. 1 gewesen, dass der Tarifkommission, die über die Aufnahme dieser Klausel verhandelt habe, bewusst gewesen sei, dass durch eine Umwandlung von 2-Bett-Zimmern in Einzelzimmer die Erlössituation beeinflusst werden könne". Insoweit werde als Zeuge der Verhandlungsführer ihrer Tarifkommission angeboten. Dass die Beklagte sog. 2-Bett-Zimmer als 1-Bett-Zimmer anbiete, habe ihr Geschäftsführer im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht ausdrücklich eingeräumt und dies sei auch leicht nachvollziehbar, denn wenn mehr und mehr die Unterbringung in Einzelzimmern gewünscht werde, kämen die Kliniken dieser Forderung nach. Dann sei zwar der Erlös insgesamt geringer gegenüber einer Belegung mit 2-Bett-Zimmern, aber dennoch besser, wenn nicht nur ein Bett in einem Doppelzimmer belegt, sondern das Zimmer als Einzelzimmer angeboten werde, denn der Erlös für eine Unterbringung in einem 1-Bett-Zimmer sei höher als bei der Unterbringung einer Person in einem 2-Bett-Zimmer. Angesichts der Tatsache, dass den ehrenamtlichen Mitgliedern der Tarifkommission diese Tendenz bewusst gewesen sei, hätten sie auf die Aufnahme der Anpassungsklausel des § 4 Ziff. 3 TV J Nr. 1 gedrängt, denn es sei klar gewesen, dass sich durch eine Veränderung der Planbettenzahl der Erlös ändere, aber dementsprechend sich die Aufwendungen ebenfalls reduzierten und der Gewinn und die geänderte Gewinnsituation sollte sich auch auf die "variable, ergebnisabhängige" Sonderzahlung auswirken. Weil gerade ausdrücklich nicht auf den Gewinn, sondern auf den Erlös abgestellt werden sollte, habe es der entsprechenden tariflichen Regelung bedurft, denn sonst wäre diese nicht erforderlich gewesen. Es sei zwar richtig, dass sich bei einem geringeren Erlös und entsprechend geringeren Aufwendungen durch Personalkosten, Bereitstellung von Essen, Wäsche etc. die Gewinnsituation verbessere. "Werde von weniger Geld weniger abgezogen, bleibe die Gewinnspanne größer. Der Rückschluss sei aber nicht richtig, dass sich die Erlössituation nicht ändere mit der Folge, dass dies die Anpassungspflicht i. S. des Tarifvertrages auslöse. Denn hierfür komme es gerade nicht auf die tatsächlich belegten Betten an, sondern auf die Zahl, mit welcher die Beklagte plane. Und die Planbettenzahl im Wirtschaftsplan 2004/2005 sei reduziert auf 340 Betten, womit die Erlössumme im Verhältnis zum vorangehenden Geschäftsjahr bei ursprünglich 360 Betten anzupassen sei." Es komme letztlich gerade nicht auf die tatsächlich belegten Betten an, denn sonst wäre es für die Beklagte ein Leichtes, die Erlössituation zu steuern, indem sie einfach die Hälfte der Betten aus 2-Bett-Zimmern wegräume mit der Folge, den Gewinn enorm zu steigern, da im Wirtschaftsjahr die Planbettenzahl entsprechend gesteigert werden könnte.

Auf Aufforderung der Berufungskammer mit Beschluss vom 27. November 2007, sich zum Begriff der "Inbetriebnahme bzw. Schließung von Betten" i. S. des § 4 Ziff. 3 TV J Nr. 1, insbesondere i. S. des Verständnisses der Tarifvertragsparteien zu äußern, führt die Klägerin noch aus, beide Tarifvertragsparteien kennen den Begriff des "Schließens von Betten" im sog. Akutbereich, doch sei dieser Begriff nicht bei der Regelung des § 4 Ziff. 3 TV J Nr. 1 "gemeint" gewesen, "ganz einfach deshalb, weil dieser Tarifvertrag ganz überwiegend für Reha-Kliniken gelte und alle an den Tarifverhandlungen Beteiligten und insbesondere die Tarifkommissionsmitglieder der Arbeitnehmerseite fast ausschließlich dem Reha-Bereich angehörten. Man wollte sich gerade nicht auf die durch staatlichen Bescheid verfügte Reduzierung oder Aufstockung von Betten festlegen. Denn dies geschehe nur im Bereich der Akutkliniken. Und dies deshalb, weil für Krankenkassen und das Sozialministerium ja nur in diesem Bereich die Anzahl der Betten entscheidend sei."

Deshalb stellt die Klägerin folgenden Antrag:

Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 14. März 2007 - Gz.: 2b Ca 13914/06 H - wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin € 683,84 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15. Dezember 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Sie hält das angegriffene Urteil für richtig und wiederholt und vertieft ebenfalls ihren erstinstanzlichen Sachvortrag. Insbesondere hebt sie hervor, für den Begriff der "Inbetriebnahme und Schließung von Betten" gebe es keine sog. Legaldefinition. Daher sei für die Auslegung dieses Tarifbegriffs auf den Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 4 Ziff. 3 TV J Nr. 1 abzustellen. Es sei zwischen einer endgültigen oder einer lediglich vorübergehenden Nichtbelegung zu unterscheiden. Eine endgültige, d. h. eine auf Dauer erfolgende Nicht-Verwendung von Betten, obwohl aufgrund der tatsächlichen Zuweisungen von Patienten und deren Inanspruchnahme die Belegung möglich wäre, stelle eine "Schließung von Betten" im Tarifsinne dar. Etwas anderes sei die vorübergehende Nichtbelegung von Betten aufgrund fehlender Patienten. Bei ihr handle es sich um eine lediglich vorübergehende Nichtbelegung und nicht um eine "Schließung von Betten", da ihrerseits "keine Limitierung hinsichtlich der Belegung vorliege, sondern entweder keine Zuweisung seitens der Kostenträger erfolgt sei oder die Patienten sich weigerten, in ein 2-Bett-Zimmer zu gehen und daher das vorhandene Angebot nicht in Anspruch nehmen". Keinesfalls bestehe bei ihr "eine grundsätzliche Unternehmenspolitik der endgültigen Umwandlung von 2-Bett-Zimmer in 1-Bett-Zimmer ..., um eine bessere Belegung zu erreichen".

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsprotokolle, die Schriftsätze der Parteien und den sonstigen Akteninhalt beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zwar zulässig, jedoch unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat richtig entschieden.

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, denn sie richtet sich gegen ein arbeitsgerichtliches Urteil, gegen das nicht nach § 78 ArbGG das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt € 600,-- (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b ArbGG).

Sie ist auch in der richtigen Form und rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519 Abs. 1 und Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1, 2 und 5 ArbGG).

II.

Die Berufung ist deshalb unbegründet, weil die Klägerin ihren Anspruch nicht auf §§ 2 Ziff. 2 i. V. mit 4 Ziff. 3 TV J Nr. 1 stützen kann, denn die in ihrer Wirtschaftsplanung ausgewiesene Reduzierung von 360 Betten im Verhältnis im Jahr 2004 auf 340 Betten im Jahr 2005 stellt keine "Schließung von Betten" i. S. der letztgenannten Norm dar. Diese wäre die Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin gem. § 4 Abs. 1 S. 1 TVG infolge beiderseitiger Tarifbindung gem. § 3 Abs. 1 TVG.

1. Insoweit kommt es auf die Auslegung des § 4 Ziff. 3 TV J Nr. 1 an, die dem normativen Teil dieses Tarifvertrages zuzurechnen ist. Deren Auslegung folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 9. Mai 2007 - 4 AZR 757/06) den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln, wonach zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen ist, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften und bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen ist, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Ferner ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm ermittelt werden kann. Erst wenn dies keine zweifelsfreien Auslegungsergebnisse zulässt, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, eine etwaige praktische Tarifübung oder auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ergänzend herangezogen werden, wobei derjenigen Tarifauslegung der Vorzug gebührt, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

2. Bei Zugrundelegung dieser Auslegungsgrundsätze gerade im Hinblick auf § 4 Ziff. 3 TV J Nr. 1 liegt für das Jahr 2005 keine Veränderung der Unternehmensstruktur bei der Beklagten durch Erweiterung oder Einschränkung der medizinischen Aktivitäten, insbesondere durch die "Inbetriebnahme" oder "Schließung von Betten", vor, die zur Anpassung des Vergleichswerts für die auf die Änderung folgenden Sonderzahlungen im Verhältnis dieser Änderungen zur bisherigen Unternehmensstruktur zwingt.

2.1 Eine Legal- oder Tarifdefinition für den Begriff der "Schließung von Betten" ist der Berufungskammer nicht bekannt.

2.2 Unstreitig kennen allerdings die Tarifvertragsparteien den Begriff des "Schließens von Betten" im sog. Akutbereich. Dort kann durch unwidersprochen gebliebenem Sachvortrag der Klägerin "durch tatsächlichen Bescheid" die Reduzierung von Betten festgelegt werden, "weil für die Krankenkassen und das Sozialministerium ja nur in diesem Bereich die Anzahl von Betten entscheidend ist". Deshalb muss "im Akutbereich eine bestimmte Bettenzahl sichergestellt werden. Eben gerade darum, um für Akutfälle die medizinische Grundversorgung sicherzustellen." Dieses gemeinsame Wissen der Tarifvertragsparteien des TV J Nr. 1 über die vorgenannte Begrifflichkeit der Formulierung "Schließen von Betten" in ihm deutet darauf hin, dass sie sich dessen auch bewusst waren, nämlich der "Schließung von Betten" im sog. Akutbereich und gerade nicht von solchen im Reha-Bereich. Dafür spricht vor allem, dass der TV J Nr. 1 in seinem § 4 Ziff. 1 lit. a) ausdrücklich den "akutstationären" Bereich nennt. Die Tarifvertragsparteien haben damit einen "terminus technicus" verwendet, an dem sich die Auslegung des Tarifvertrages zu orientieren hat. Sollten die Tarifvertragsparteien dieses Tarifvertrages mit der verwendeten Formulierung "Schließen von Betten" allerdings, wie die Klägerin dies vorträgt, "gemeint" haben, dass dadurch gerade keine Festlegung auf eine Reduzierung durch "staatlichen Bescheid" erfolgen sollte, so hat ihr diesbezüglicher Wille jedenfalls in diesem Tarifvertrag gerade keinen Niederschlag gefunden, wie dies die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verlangt (vgl. BAG vom 9. Mai 2007, a. a. O.) und kann daher auch nicht berücksichtigt werden. Die Klägerin hat jedoch gar nicht vorgetragen, dass die Reduzierung um 20 Betten im Wirtschaftsplan der Beklagten für das Jahr 2005 gegenüber demjenigen für das Jahr 2004 ausgerechnet den sog. Akutbereich betrifft und dies scheint auch auf den ersten Blick nicht nahe zu liegen angesichts des insoweit noch bestehenden Versorgungsvertrages mit dem entsprechenden Krankenkassenverband über einen Vorhalt von 20 Betten im Bereich neurologischer Erkrankungen (Frührehabilitation -Phase B) vom 10. Oktober 2003, der dann davon betroffen wäre.

Sowohl die Klage als auch die Berufung gegen das abweisende Urteil des Arbeitsgerichts sind deshalb unbegründet.

2.3 Ob unter diesen Umständen die Ausweisung von 20 Betten weniger für das Jahr 2005 im Verhältnis zum Jahr 2004 eine Umstrukturierung i. S. von § 4 Ziff. 3 TV J Nr. 1 darstellt, kann dahingestellt bleiben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Gegen dieses Urteil wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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